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JOURNAL CLUB
Schwangerschaft
Gestationsdiabetes erhöht das Lebenszeitrisiko für kardio- und zerebrovaskuläre Krankheiten
Schwangerschaftsdiabetes erhöht signifikant das Risiko, später im Leben kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Erkrankungen zu erleiden, und zwar unabhängig von weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren. Dies ergab ein systematisches Studienreview und eine Metaanalyse.
Die Prävalenz des Gestationsdiabetes, definiert als Glukoseintoleranz mit erstmaligem Auftreten während der Schwangerschaft, liegt geschätzt zwischen 1 und 30%. Das Auftreten ist mit Komplikationen wie Präeklampsie, Früh-/Totgeburt, zu hohes Geburtsgewicht und neonatale Hyperinsulinämie assoziiert. Betroffene Frauen haben gemäss Beobachtungsstudien ein erhöhtes Risiko, später an Typ-2-Diabetes, metabolischem Syndrom und chronischen Nierenerkrankungen zu erkranken; ebenfalls wurde ein zweifach höheres Risiko für künftige kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Erkrankungen nachgewiesen.
Metaanalyse von aktuellen Vergleichsstudien
Die aktuelle Metaanalyse eruierte nun Daten zu typspezifischen kardiovaskulären und zerebrovaskulären Erkrankungen sowie zu venösen Thromboembolien und zur Quantifizierung des Risikos für allgemeine und typspezifische Erkrankungen bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes in der Anamnese. Dazu wurde zunächst eine Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Embase und Cochrane unternommen. Berücksichtigt wurden Beobachtungsstudien (eingereicht zwischen November 2021 und Mai 2022), die den Zusammenhang zwischen Schwangerschaftsdiabetes und kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen untersuchten. Der primäre Endpunkt war definiert als die Assoziation zwischen Gestationsdiabetes und allgemeinen und typspezifischen kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen.
Daten von über 500 000 Frauen mit Gestationsdiabetes in der Anamnese
Daten aus 15 Studien in verschiedenen Ländern (darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Schweden, Frankreich, Israel, Iran, Korea und Dänemark) wurden in die Metaanalyse eingeschlossen. Die Analyse umfasste 513 324 Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes, 9507 von ihnen entwickelten eine kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Erkrankung. In der Kontrollgruppe waren mehr als acht Millionen Frauen ohne nachgewiesenen Schwangerschaftsdiabetes. Total 78 895 Frauen entwickelten eine kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Erkrankung.
Risiken für kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen allgemein Die Analyse ergab, dass bei Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes in der Anamnese im Vergleich zu denjenigen ohne die Erkrankung das Risiko n für kardiovaskuläre und zerebrovasku-
läre Erkrankungen insgesamt um 45% erhöht war (relatives Risiko, RR: 1,45; 95%-KI: 1,36–1,53), n für kardiovaskuläre Erkrankungen allein um 72% erhöht war (RR: 1,72; 95%-KI: 1,40–2,11) und n für zerebrovaskuläre Erkrankungen um 40% erhöht war (RR: 1,40, 95%-KI: 1,29–1,51).
Risiken für spezifische kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen Frauen mit Gestationsdiabetes zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe ein erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten (RR: 1,40; 1,18–1,65), Myokardinfarkt (RR: 1,74; 1,37–2,20), Herzinsuffizienz (RR:
1,62; 1,29–2,05), Angina pectoris (RR: 2,27; 1,79–2,87), kardiovaskuläre Eingriffe (RR: 1,87; 1,34–2,62), Apoplex (RR: 1,45; 1,29–1,63) und ischämischer Schlaganfall (RR: 1,49; 1,29–1,71). Zudem hatten sie ein um 28% erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (RR: 1,28; 1,13–1,46).
Signifikant erhöhte Risiken bei Frauen mit Gestationsdiabetes Subgruppenanalysen bei den Erkrankungen, stratifiziert nach Studienmerkmalen und Anpassungen, zeigten signifikante Unterschiede im Hinblick auf Region, Studiendesign, Datenquelle und Studienqualität, Anpassung für Rauchen, BMI, sozioökonomischen Status sowie Komorbiditäten der Patientinnen. Signifikant erhöht (wenn auch abgeschwächt) blieben aber die kardio- und zerebrovaskulären Krankheitsrisiken, wenn man die Analyse auf Frauen mit Gestationsdiabetes beschränkte, die später keinen Diabetes entwickelten: Es zeigte sich ein relatives Risiko (RR) von 1,45 (1,33–1,59) gegenüber einem RR von 1,09 (1,06–1,13).
Folgerungen
Die Studienärzte folgern, dass Gestationsdiabetes mit signifikant erhöhten Risiken für kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen insgesamt sowie für einzelne typenspezifische Erkrankungen einhergeht. Diese können nicht allein auf allgemein bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren (bzw. späteren Diabetes) zurückgeführt werden. Eine frühzeitige Intervention respektive Überwachung bei Risiko für Schwangerschaftsdiabetes wird daher als essenziell beurteilt. n
Bärbel Hirrle
Quelle: Wenhui X et al.: Association of gestational diabetes mellitus with overall and type specific cardiovascular and cerebrovascular diseases: systematic review and meta-analysis. Brit Med. J 2022;378:e070244 doi: 10.1136/bmj-2022-070244
41 GYNÄKOLOGIE 1/2023