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Störungen der Ovulation
Teil 3*: Luteal-Out-Of-Phase-Syndrom (LOOP-Syndrom)
Als Ursache eines unerfüllten Kinderwunsches spielen Ovulationsstörungen eine wesentliche Rolle. Meist wird eine Anovulation infolge einer gestörten Follikulogenese genannt. Möglich sind aber auch Ovulationsstörungen trotz Bildung eines sprungreifen Follikels. Aus der konservativen Kinderwunschtherapie sowie aus der In-vitro-Fertilisation lassen sich Pathologien der Ovulation ableiten, die auch für Spontanzyklen von Relevanz sind. Diese Artikelserie* soll dem Leser die drei wichtigsten Ovulationsstörungen näherbringen.
JESSICA LAUE, MICHAEL VON WOLFF
Jessica Laue
Das Luteal-Out-Of-Phase-Syndrom (LOOP-Syndrom) stellt keine Störung der Ovulation im eigentlichen Sinne dar, sondern eine sehr frühe Ovulation infolge einer verfrüht einsetzenden Follikulogenese. Aufgrund dessen ist das Endometrium gegebenenfalls noch nicht ausreichend proliferiert und somit nach der Ovulation «out of phase». Das LOOP-Syndrom ist eine Ursache der Subfertilität, insbesondere bei Frauen mit einer sehr niedrigen Ovarialreserve und erhöhten Konzentrationen des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH). Somit tritt das LOOP-Syndrom per Definition bei Frauen in der späten reproduktiven Phase und in der menopausalen Transition auf (Tabelle). Das LOOP-Syndrom tritt in 20 bis 37% der ovulatorischen Zyklen der menopausalen Transition (im Alter von ca. 40–49 Jahren) auf (1).
Ursachen
Das LOOP-Syndrom kommt vorwiegend in der menopausalen Transition vor. Hale und Kollegen (1)
* Teil 1: Luteinized-Unruptured-Follicle-(LUF-)Syndrom, siehe GYNÄKOLOGIE 2021; 2: 24-27. Teil 2: Empty-Follicle-Syndrom, siehe GYNÄKOLOGIE 3.2021: 29-31. www.ch-gynaekologie.ch – Ausgaben 2 und 3/2021
Merkpunkte
n Die Prävalenz des LOOP-Syndrom ist in der menopausalen Transition am höchsten. n Charakteristisch ist eine Zyklusvariabilität mit verkürzten, aber auch verlängerten
Zyklen. n Endokrinologisch zeigen sich erhöhte FSH- und E2-Konzentrationen in der frühen
Follikelphase und erniedrigte Progesteronwerte in der Lutealphase. n Therapeutisch kann die Gabe von Gestagenen und Östrogenen in der Lutealphase zur
Unterdrückung des FSH-Anstiegs versucht werden.
zeigten, dass sich während des menopausalen Wandels erhöhte Gonadotropin- sowie Östradiol-, hingegen aber tiefe Progesteron-Werte in der Lutealphase nachweisen lassen. Aufgrund der mit dem Alter einhergehenden abnehmenden antralen Follikelanzahl und der dadurch bedingten Reduktion der Granulosazellen wird weniger Inhibin sezerniert. Das bedingt eine erhöhte frühzyklische Ausschüttung von FSH mit einem Follikelwachstum (2). In der späten reproduktiven Phase kann bereits ein Anstieg des FSH während der Menstruation beobachtet werden. Der Menstruationszyklus verkürzt sich um 2 bis 3 Tage durch die früher einsetzende Ovulation, die Zyklen bleiben jedoch zunächst noch regelmässig. In den «STRAW-Stadien 2 und 1» nehmen die FSH-Werte kontinuierlich und bereits in der Lutealphase zu und können dadurch zu einem LOOP-Ereignis führen. In der Lutealphase zeigt sich folglich ein Anstieg der Östradiolkonzentration. Mit voranschreitendem Alter der Frau kommt es ebenfalls zu einer Abnahme des Anti-Müller-Hormons (AMH), welches unter anderem für die Hemmung der Follikelrekrutierung und für die Herabsetzung der Follikelsensibilität gegenüber FSH verantwortlich ist (3). Es wird angenommen, dass eine zweite Follikelrekrutierungswelle in der Lutealphase stattfindet, aufgrund deren die «Out-of-phase»-Selektion eines dominanten Follikels bereits in der Lutealphase erfolgt (Abbildung). Führt das LOOP-Syndrom zu einer Ovulation, ist der Zyklus verkürzt. Findet keine Ovulation statt, beispielsweise durch die Suppression des LH-Anstiegs aufgrund der erhöhten E2-Konzentrationen, ist der Zyklus verlängert (1). Somit ist das LOOP-Syndrom Ursache einer grossen Zyklusvariabilität. Mit fortschreitendem Alter und Abnahme der ovariellen Antwort auf FSH entstehen sogenannte Lag-
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Phasen mit zunehmenden intermenstruellen Intervallen, welche den Beginn der späten menopausalen Transition markieren.
Diagnostik
Anamnestisch können oft verkürzte Zyklen, gegebenenfalls unterbrochen durch verlängerte Zyklen, erhoben werden. Ultrasonografisch zeigen sich bereits frühzyklisch grosse Follikel. Endokrinologisch kann gemäss Hale und Kollegen (1) eine Hormondiagnostik durchgeführt werden. Sie empfehlen u. a. eine Hormonanalyse im Serum während zweier aufeinanderfolgender Zyklen mit dem Nachweis von frühzyklisch erhöhten FSH- und Östradiol-Konzentrationen und erniedrigten ProgesteronKonzentrationen (< 13 nmol/l) in der mittleren Lutealphase.
Therapie
Eine Therapie des LOOP-Syndroms ist in der Regel
nicht erforderlich, solange die Variabilität der Mens-
truationsblutungen nicht störend ist. Bei einer Inferti-
lität könnte hingegen eine Therapie erwogen wer-
den. In der Literatur finden sich bisher jedoch keine
Studien zur Behandlung des LOOP-Syndroms.
Basierend auf der Endokrinologie des LOOP-Syn-
droms, könnte die Unterdrückung des lutealen oder
frühzyklischen FSH-Anstiegs zielführend sein. Dem-
nach wäre die Gabe eines kombinierten Kontrazep-
tivums (z. B. 30 µg Ethinylestradiol plus Levonor-
gestrel) für 10 bis 20 Tage, beginnend bei der
Menstruation, zur effektiven Suppression der Gona-
dotropin-Ausschüttung eine Option. Allerdings geht
bei diesem Verfahren jeder zweite Zyklus durch die
Ovulationshemmung während der Einnahme des
Kontrazeptivums verloren, und es zeigt sich ein er-
höhtes Thromboserisiko.
Eine andere Möglichkeit wäre die Gabe von Gesta-
genen und Östrogenen in der Lutealphase, da der
Abfall dieser Hormone die Freisetzung des FSH trig-
gert. Gestagene sollten sicher besser oral und nicht
vaginal verabreicht werden, da die vaginale Gabe
aufgrund der vaginalen Depotwirkung zu einer ver-
späteten Menstruationsblutung führen kann. Als
Gestagen bietet sich Dydrogesteron an, da orales
mikronisiertes Progesteron eine grössere Müdigkeit
bewirken kann. Östrogene sollten eher transkutan
verabreicht werden, um das Thromboserisiko zu min-
dern.
Denkbar ist die Gabe von Dydrogesteron 1 × 10 mg/
Tag (Dosiserhöhung auf 2 × 10 mg, falls erforderlich)
plus 50 µg transkutanes Östrogen (Dosiserhöhung
auf 75–100 µg, falls erforderlich). Die Medikation
kann einige Tage nach der Ovulation begonnen wer-
den, sollte aber zirka 13 Tage nach der Ovulation ab-
gesetzt werden (physiologische Länge der Luteal-
phase: 13 ± 1–2 Tage).
n
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Menarche
FMP (0)
Stadium Terminologie
-5 Früh
-4 -3b -3a REPRODUKTIVE PHASE
Peak Spät
-2 -1
MENOPAUSALER ÜBERGANG Früh Spät
+1a +1b +1c
+2
POSTMENOPAUSE
Früh Spät
Dauer
HAUPTKRITERIEN
Menstruations- variabel
zyklus
bis regel-
mässig
variabel regel- regelmässig mässig
variabel
1–3 Jahre
geringe Schwankungen in Stärke und Länge
Variable Zyklus- AmenorrhoeLänge, persis- Intervall tierend ≥ 7 Tage > 60 Tage Differenz in den Folgezyklen
2 Jahre (1+1)
3–6 Jahre verbleibende Lebensspanne
ERGÄNZENDE ODER UNTERSTÜTZENDE KRITERIEN
endokrine FSH AMH Inhibin B
Niedrig Niedrig
Variabel* Niedrig Niedrig
antrales Follikel
Niedrig Niedrig
Variabel* Niedrig Niedrig Niedrig
>25 IU/L** Variabel Stabil
Niedrig
Niedrig
sehr niedrig
Niedrig
Niedrig
seht niedrig
Niedrig
sehr niedrig sehr niedrig
DESKRIPTIVE CHARAKTERISTIKA Symptome
Vasomotorische Symptome wahrscheinlich
** Ungefähr zu erwartender Wert basierend auf aktuell verwendeten internationalen Hypophysenstandard-Assays
Vasomotorische Symptome sehr wahrscheinlich
zunehmende Symptome urogenitaler Atrophie
Tabelle: Hormonelle Lebensphasen der Frau gemäss der STRAW-Einteilung (Stages of Reproductive Aging Workshop) (adaptiert nach [2]).
E2 pmol/L 1000
Normales E2 des Leitfollikels 500
E2 eines Out-of-Phase-
Follikels Out-of-phase Ovulation
0 Rekrutierungs-
wellen
Menses
normale Ovulation
Menses
Abbildung: Schematische Darstellung der Endokrinologie des LOOP-Syndroms (adaptiert nach [1]).
Dr. med. Jessica Laue (Erstautorin, Korrespondenzadresse) E-Mail: jessica.laue@insel.ch
Prof. Dr. med. Michael von Wolff Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern
Quellen: 1. Hale GE, Hughes CL, Burger HG, Robertson DM, Fraser IS.: Atypical estradiol secretion and ovulation patterns caused by luteal out-of-phase (LOOP) events underlying irregular ovulatory menstrual cycles in the menopausal transition. Menopause. 2009 Jan-Feb;16(1):50-9. doi: 10.1097/GME.0b013e31817ee0c2. PMID: 18978637. 2. Harlow SD, Gass M, Hall JE, Lobo R, Maki P, Rebar RW, Sherman S, Sluss PM, de Villiers TJ (STRAW + 10 Collaborative Group): Executive summary of the Stages of Reproductive Aging Workshop + 10: addressing the unfinished agenda of staging reproductive aging. J Clin Endocrinol Metab. 2012 Apr;97(4):1159-68. doi: 10.1210/jc.2011-3362. Epub 2012 Feb 16. PMID: 22344196; PMCID: PMC3319184. 3. Victoria M, Labrosse J, Krief F, Cédrin-Durnerin I, Comtet M, Grynberg M.: Anti Müllerian Hormone: More than a biomarker of female reproductive function. J Gynecol Obstet Hum Reprod. 2019 Jan;48(1):19-24. doi: 0.1016/j.jogoh.2018.10.015. Epub 2018 Oct 22. PMID: 30352309.
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