Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause (SGEM)
Kombinierte HRT mit vaginalem Progesteron: ausreichend für den Endometriumschutz?
Hintergrund: Wird zur Behandlung von Wechseljahrbeschwerden eine Hormonersatztherapie (HRT) eingesetzt, sollen Frauen mit Uterus für den Endometriumschutz eine kombinierte Östrogen-Gestagen-HRT erhalten (1). Mikronisiertes Progesteron ist in dieser Indikation nur in der oralen Form zugelassen. Dennoch wird mikronisiertes Progesteron im Off-Label-Use auch häufig vaginal eingesetzt. Die Frage ist, inwiefern durch die vaginale Anwendung weiterhin der Endometriumschutz gewährleistet ist. Bisherige kleine Studien haben heterogene Ergebnisse geliefert (2). Die «Early versus Late Intervention Trial with Estradiol» (ELITE) ist die bisher grösste und längste randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) mit vaginalem mikronisiertem Progesteron.
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der SGEM, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert im Turnus mit Kolleg*innen kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und teilweise kontrovers diskutierten Themen.
Zusammenfassung der Studie von Sriprasert
ELITE ist eine doppelblinde, plazebokontrollierte RCT, in der 643 postmenopausale gesunde Frauen über einen medianen Zeitraum von 4,8 Jahren entweder niedrig dosiertes, orales Estradiol (1 mg/Tag) oder Plazebo erhielten. Für den Endometriumschutz wurde vaginales mikronisiertes Progesteron (4%-Gel = 45 mg/Tag) an jeweils 10 Tagen pro Zyklus appliziert. Endometriumbiopsien wurden bei entsprechender Indikation durchgeführt, d. h. bei einer sono grafisch ermittelten Endometriumdicke > 5 mm oder bei postmenopausalen Blutungen. In der Post-hoc-Analyse wurden (u. a .) die jährlich durchgeführten Sonografien zur Endometriumdicke und die Pathologie der Endometriumbiopsie bei Frauen mit HRT (n = 262) bzw. Plazebo (n = 264) ausgewertet. Das mittlere Alter der Frauen (ca. 60 Jahre) und die mittlere Zeit seit der Menopause (ca. 9,5 Jahre) waren in beiden Gruppen ähnlich. Die sonografisch ermittelte, mediane Endometriumdicke betrug bei Baseline 1,7 mm (HRT-Gruppe) bzw. 1,5 mm (Plazebogruppe). Während des Follow-ups nahm die sonografisch ermittelte Endometriumdicke in der HRT-Gruppe zu und war in der Intention-to-Treat-(ITT-)Analyse 1,86 mm (95%-KI: 1,72–2,05) höher als in
der Plazebogruppe (Per-Protocol-[PP-]Analyse: 1,97 mm [95%-KI: 1,80–2,18]), wobei die Therapiedauer keinen signifikanten Einfluss hatte. Frauen aus der HRT-Gruppe (44,9%) wiesen signifikant mehr als Frauen aus der Plazebogruppe (14,7%) mindestens einmal eine sonografisch ermittelte Endometriumdicke > 5 mm auf. Bei 37,6% der Studienteilnehmerinnen wurde mindestens einmal während der Studie eine Endometriumbiopsie durchgeführt, wobei das bei Frauen in der HRT-Gruppe signifikant häufiger stattfand als in der Plazebogruppe. In der HRT-Gruppe kam es bei 12,7% zu einem malignen oder hyperplastischen Endometrium, in der Plazebogruppe bei 3,1%. Die allgemeine Malignominzidenz zeigte keinen signifikanten Gruppenunterschied. In der Plazebogruppe wurden 2 und in der HRT-Gruppe 1 Endometriumkarzinom diagnostiziert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine 10-tägige vaginale Gabe von mikronisiertem Progesteron à 45 mg/ Tag nicht ausreicht, um die Wirkung von oralem E2 (1 mg/Tag) auf das Endometrium vollständig zu neutralisieren.
Kommentar
Die ELITE-Studie zeigt klar, dass die 10-tägige sequenzielle vaginale Gabe von mikronisiertem Progesteron à 45 mg/Tag im Rahmen einer kombinierten HRT keinen ausreichenden Endo-
Kommentierte Studie: Sriprasert I et al.: Use of oral estradiol plus vaginal progesterone in healthy postmenopausal women. Maturitas 2021;154:13-19.
metriumschutz bietet. Das aktuelle Positionspapier der British Menopause Society empfiehlt deshalb, bei einer kombinierten HRT die vaginale Dosis von mikronisiertem Progesteron die der oralen anzupassen (3). Je nach gewählter Östrogendosis variiert die empfohlene Dosis von mikronisiertem Progesteron: n sequenziell (12–14 Tage/Monat) 200–
300 mg/Tag bzw. n kontinuierlich 100–200 mg/Tag (4). n
Prof. Dr. med. Petra Stute Herausgeberin der SGEM-Newsletter Universitätsfrauenklinik, Inselspital Bern E-Mail: petra-stute@insel.ch Internet: www.meno-pause.de
Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Inwald EC et al.: Perimenopause and postmenopause – diagnosis and interventions. Guideline of the DGGG and OEGGG (S3-Level, AWMF Registry Number 015-062, September 2020). Geburtshilfe Frauenheilkd. 2021; 81(6): 612-636. 2. Stute P, Neulen J, Wildt, L.: The impact of micronized progesterone on the endometrium: a systematic review. Climacteric 2016; 19(4): 316-328. 3. Hamoda H et al.: Council British Menopause Society tools for clinicians: Progestogens and endometrial protection. Post Reprod Health 2022; 28(1): 40-46. 4. Hipolito Rodrigues MA, Gompel A.: Micronized progesterone, progestins, and menopause hormone therapy. Women Health 2021; 61(1): 3-14.
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