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FORTBILDUNG
Expositionstherapie bei Zwangserkrankungen – Varianten und Optionen
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) mit den Kernelementen Exposition und Reaktionsmanagement ist ein gut wirksames psychotherapeutisches Behandlungsverfahren, das nach Stand der Forschung als Methode der Wahl gilt. In der klinischen Praxis scheint der Ansatz noch immer mangelhaft implementiert zu sein. So dauert es zirka 6 Jahre, bis es zu einer störungsspezifischen Behandlung kommt, und nur die Hälfte der Betroffenen erhalten eine expositionsbasierte Therapie (1–3). Nicht alle Patienten können sich auf diesen Therapieansatz einlassen oder sprechen in gewünschter Weise darauf an. Varianten und weitere Optionen werden in diesem Artikel dargestellt.
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Karina Wahl Klaus Bader
von Karina Wahl und Klaus Bader
Einleitung Die Zwangsstörung ist mit einer Lebenszeitprävalenz von zirka 2% und einer 12-Monats-Prävalenz von zirka 3,8% eine relativ häufig auftretende psychische Erkrankung. In 65% der Fälle beginnt sie vor dem 25. Lebensjahr, bei 85% vor dem 35. Lebensjahr. Unbehandelt verläuft sie in 50% der Fälle chronisch. Sie wird mehrheitlich von anderen psychischen Erkrankungen begleitet, am häufigsten von Depression (> 50%) und Angststörungen, daneben aber auch von Anorexie und Persönlichkeitsstörungen sowie Alkoholabusus (4–6).
Erkennung und Diagnostik In der Frühphase und bei leichter Ausprägung werden Zwangssymptome von Betroffenen oft noch nicht als solche erkannt, verharmlost oder wegen ausgeprägten Schamgefühlen verborgen gehalten (7). Erst wenn die negativen Folgen der Zwangsstörung zunehmen und es beispielsweise zur Ausweitung der Symptome, zu starken Funktionsbeeinträchtigungen und einem erhöhten Leidensdruck kommt, wächst die Bereitschaft, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nicht selten geht der Anstoss auch von engen Bezugspersonen aus, die sich durch das Zwangsgeschehen beeinträchtigt fühlen. Als Anmeldegründe werden oft zunächst andere Beschwerden, wie Insuffizienzgefühle, Energiemangel, schlechte Befindlichkeit, körperliche oder psychosoziale Probleme (Ausbildung, Beruf, Partnerschaft) genannt. Um möglichst früh auf das Vorliegen einer Zwangsstörung aufmerksam zu werden, wird empfohlen folgende 5 Screening-Fragen zu stellen (1, 8): 1. Waschen und putzen Sie sehr viel? 2. Kontrollieren Sie sehr viel?
3. Haben Sie quälende Gedanken, die Sie loswerden möchten, aber nicht können?
4. Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange? 5. Machen Sie sich Gedanken um Ordnung und Sym-
metrie?
Werden eine oder mehrere dieser Fragen positiv beantwortet, sollte man die angesprochenen Themen eingehend explorieren und weitere diagnostische Schritte vorsehen. In der Regel handelt es sich um die Durchführung von störungsbezogenen Selbst- und Fremdratings, beispielsweise mit der Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) (9, 10) und Y-BOCS-SR (11). Es kann hilfreich sein, ergänzend ein Zwangstagebuch führen zu lassen und eine Fremdanamnese zu erheben. Letztlich wird das Vorliegen einer Zwangsstörung anhand der ICD-10-Kriterien (zukünftig ICD-11) geprüft. Im Rahmen von zusätzlichen Abklärungen sind somatische Erkrankungen als eher seltene Ursache auszuschliessen (Schädel-Hirn-Traumata, Nekrosen des Nucleus pallidus und raumfordernden Prozessen des ZNS). Die symptomorientierten Erhebungen sollten um Aspekte der Lebens- und Beziehungsqualität hinsichtlich vorhandener Ressourcen, Aktivitäten, aber auch Einschränkungen in Teilhabe und sozialer Eingebundenheit ergänzt werden. In den meisten Fällen ist die Arbeit an der Verbesserung der Lebensqualität ein wichtiger Schlüssel für die Motivierung zur Expositionsbehandlung und ein wichtiges Anliegen der Patienten.
Kognitive Verhaltenstherapie Die KVT wird heutzutage modular auf den Einzelfall zugeschnitten angewendet und besteht aus einer Vielzahl (meta-)kognitiver und verhaltensbezogenen Interventionen, deren zentrales Element im Fall der Zwangs-
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Kasten 1:
Hauptmerkmale
Hauptmerkmale der Zwangsstörung sind wiederholt auftretende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Zwangsgedanken sind definiert als sich wiederholende aufdringliche und ungewollte Gedanken, Vorstellungen oder Impulse, die zumindest teilweise als unsinnig und übertrieben bewertet und trotz Bemühen nicht ignoriert oder unterdrückt werden können. Sie lösen meist Angst, Ekel oder Unbehagen aus. Am häufigsten drehen sich Zwangsgedanken um Ansteckung und Kontamination, aggressive Inhalte (Jemanden verletzen oder ihm Schaden zufügen), daneben pathologisches Zweifeln und übersteigertes Symmetriebedürfnis. Bei Zwangshandlungen handelt es sich um Verhaltensweisen oder Rituale, zu denen sich die Person gedrängt fühlt, obwohl sie diese als unsinnig oder übertrieben bewerten kann. Die Handlungen dienen meistens der Reduktion oder Vermeidung von Angst, Unruhe und Anspannung oder zur Verhinderung des Eintritts von gefürchteten Ereignissen. Bei Unterlassung der Handlungen wird von manchen Betroffenen auch ein Unvollständigkeitsgefühl berichtet. Dinge seien nicht genau richtig oder vollständig zu Ende gebracht worden. Am häufigsten kommen Wasch- und Kontrollzwänge vor, daneben Zähl-, Sammel-, Ordnungs- und Wiederholungszwänge. Zwangshandlungen und Zwangsgedanken kommen in sehr unterschiedlichen Ausprägungen gemeinsam oder in Kombination miteinander vor. Inhalte, Ausprägungen und Schweregrade der Zwänge können im Verlauf wechseln.
Kasten 2:
Exposition und Reaktionsmanagement
Exposition bedeutet, sich genau den Situationen auszusetzen, die sehr starke Angst oder Unbehagen auslösen. Beispielsweise könnten bei einer Person, die grosse Angst davor hat, sich durch das versehentliche Berühren von Blut mit einer schlimmen Krankheit anzustecken, undefinierbare braune Flecken auf dem Fussboden eine geeignete Situation für eine Exposition darstellen. Um sich zu exponieren, würde die Person sich gezielt in die Nähe der braunen Flecken begeben, sich beispielsweise mit beiden Füssen daraufstellen oder die Flecken mit den Handflächen berühren. Wichtig ist dabei, dass die Person keine Gegenmassnahmen ergreift, um die Angst oder das vermeintliche Risiko, das mit der Situation einhergeht, zu reduzieren. Die betroffene Person würde also die aufkommende Anspannung oder Angst aushalten, ohne sich im Anschluss die Hände zu waschen oder diese zu desinfizieren. Diese Unterlassung des Zwangsverhaltens wird bei der Behandlung der Zwangsstörung Reaktionsverhinderung oder Reaktionsmanagement genannt. In der Regel setzen sich die Patienten zunächst mit Unterstützung des Therapeuten und zunehmend in Eigenregie ihren Ängsten aus. Oft wird für die Exposition zunächst eine Angsthierarchie mit unterschiedlich schwierigen Situationen erstellt, mit der leichtesten am unteren und der schwierigsten Situation am oben Ende. Das Vorgehen ist meistens graduiert, das heisst, die Betroffenen beginnen mit einer leichten Situation und arbeiten sich allmählich nach oben. Ein etwas anderes Vorgehen wäre der Einstieg mit einer der schwierigsten Situationen, also eine sehr intensiv angstauslösende Situation. Dies wird «Flooding» genannt. «Flooding» gleicht dem Sprung ins kalte Wasser: Es kann durch die intensive Angst kurzfristig sehr unangenehm werden, aber dann ist es geschafft und das Erfolgserlebnis sehr gross. Beim «Flooding» ist ausserdem ein Vorteil, dass man nach Bewältigung der schwierigen Situation in der Regel auch die leichteren Situationen ohne Probleme bewältigen kann.
störungen die Expositionsbehandlung ist. Eine professionelle Expositionsbehandlung setzt eine gute Therapiebeziehung, intensive Vor- und Nachbereitung und die Einbettung in einen strukturierten therapeutischen
Rahmen voraus. Die praktische Durchführung von Expositionen stellt bezüglich der emotionalen Belastung und dem Commitment hohe Anforderungen an Patienten und Behandler. Sie sprengt zudem den üblichen zeitlichen Rahmen einer normalen Therapiesitzung. Selbst nach guter Patientenaufklärung und motivationaler Unterstützung lehnen manche Patienten eine Konfrontationsbehandlung ab (Abbildung).
Wirksamkeit Meta-Studien zur Wirksamkeit zeigen, dass die Patienten im Durchschnitt von der kognitiven Verhaltenstherapie deutlich profitieren und sich die Schwere der Zwangssymptomatik sehr stark und auch die komorbiden depressiven Symptome erheblich verringern (12–14) können. Auch unter Routinebedingungen scheinen die Erfolge ähnlich positiv zu sein (15). Rückfälle scheinen seltener einzutreten, wenn es durch die Therapie zu einer Vollremission kommt, was bei zirka 18 bis 22% der Patienten der Fall zu sein scheint (16). Umgekehrt bedeutet dies, dass bei etwa zwei Drittel der Patienten nach Therapieende noch eine erhebliche Zwangssymptomatik besteht. Eher positiv auf den Erfolg einer KVT wirkt sich aus, wenn Zwangshandlungen und nicht Zwangsgedanken im Vordergrund stehen, eine geringe depressive Symptomatik besteht, keine überwertigen Ideen und magisches Denken vorliegt sowie eine hohe Therapieadhärenz und eine gute psychosoziale Einbindung bestehen. Zu den ungünstigen Prädiktoren zählen neben der frühen Erstmanifestation vor dem 20. Lebensjahr Sammelzwänge und Zwänge mit sexuellen und religiösen Inhalten. Auch das Vorliegen einer Tic-Störung, einer Borderline- oder einer schizotypen Störung scheint mit einem schlechteren Ansprechen assoziiert zu sein. Für den Behandlungserfolg scheint es auch relevant zu sein, inwiefern es den Betroffenen im Verlauf der Therapie gelingt, auch selbständig Expositionen umzusetzen (17–19). Das unterstreicht die Notwendigkeit, während der Therapie die Patienten zügig und umfassend dahingehend zu unterstützen, Expositionen in Eigenregie und im persönlichen Lebensraum zu planen, durchzuführen und in der Therapie zu besprechen. Therapeuten sollten daher im Therapieverlauf die Patientenadhärenz (Umsetzung vereinbarter Expositionsübungen zwischen den Therapiesitzungen) fördern und überprüfen, um ein gutes Therapieergebnis sicherzustellen. Zu diesem Zweck kann auch eine Telefon- oder Videobegleitung durch den Therapeuten hilfreich sein. So lassen sich «begleitete» Expositionen einfacher im natürlichen Umfeld des Patienten, beispielsweise in seiner Wohnung, durchführen, was sonst in vielen Fällen nicht möglich ist, weil die Wohnung zu weit entfernt ist oder weil der Betroffene niemanden in seine Wohnung lässt. Die Dauer und die Intensität der Expositionen scheinen für die Wirksamkeit eine wichtige Rolle zu spielen. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass sich mit einer intensiv durchgeführten expositionsbasierten Blockbehandlung, die sich über mehrere Tage erstreckt und mehrstündige alltagsnahe Expositionsübungen beinhaltet, hohe und relativ stabile Remissionsraten erzielen lassen. («Bergen 4-Day Treatment», B4DT; 20). Eine hohe Intensität lässt sich in stationären und tagesklinischen Settings
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mit intensiveren Übungsmöglichkeiten erzielen, welche sich bei komplexen Fällen und Nichtansprechen auf die ambulante Therapie als Option anbietet. Der Einbezug von wichtigen Angehörigen in die Therapie scheint die Wirksamkeit einer expositionsbasierten Behandlung positiv zu beeinflussen (21). Nahe Angehörige lassen sich häufig dazu verleiten, sich bestimmten Aspekten des Zwangssystems der Betroffenen unterzuordnen. Sie tragen durch zwangskonformes Verhalten zur Stabilisierung der Symptomatik bei. Der Aufbau eines angemessenen Verständnisses der Zwangsproblematik soll dazu beitragen, sich von zwangskonformen Verhaltensweisen distanzieren zu können und Betroffene dabei zu unterstützen, mit zwangsauslösenden Situationen konstruktiv umzugehen. Daneben können auch vorhandene Beziehungskonflikte aufgegriffen und bearbeitet werden. Die Behandlung von Patienten mit Zwangsstörung sollte auf jeden Fall Strategien zur Rückfallprophylaxe beinhalten: z. B. Frühwarnzeichen und Risikosituationen kennen, Booster-Sitzungen zur Verstärkung und Wiederauffrischung von Therapieinhalten planen, Selbsthilfegruppe, Übergang in ambulante Psychotherapie nach stationärer Behandlung. Eine aktuelle Langzeitkatamnese (22) deutet darauf hin, dass die Besserungsraten dann nachhaltiger waren, wenn die Patienten ihre Expositionsübungen über das Therapieende hinaus selbständig fortgesetzt hatten.
Pharmakotherapie und weitere Behandlungsoptionen Wenn eine expositionsbasierte Psychotherapie nicht durchgeführt werden kann oder der Patient eine solche ablehnt, wird eine Pharmakotherapie mit selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) empfohlen, bei denen eine Dosierung im oberen zugelassenen Bereich angestrebt werden sollte. In zweiter Linie käme noch das trizyklische Antidepressivum Clomipramin (Anafranil®) in Frage, bei dem aber mehr Nebenwirkungen und höhere Abbruchraten festgestellt wurden. Bei einer pharmakologischen Monotherapie kann mit einer durchschnittlichen Symptomreduktion von 20 bis 40% gerechnet werden, wobei eine Wirkung selten vor der 4. Woche beobachtet werden kann. Bei rund 25 bis 30% der Patienten ist keine nennenswerte Verbesserung festgestellt worden. Nach Absetzen muss mit Rückfallquoten von 80 bis 90% gerechnet werden, sofern keine professionelle Psychotherapie angewendet wird. Eine Kombinationsbehandlung ist dann in Betracht zu ziehen, wenn mit einer Lege-artis-Psychotherapie (noch) keine signifikanten Erfolge erzielt werden können. Das ist bei Zwangsgedanken häufiger der Fall als bei Zwangshandlungen. Sollte eine mindestens mittelgradig ausgeprägte depressive Episode vorliegen, wird ebenfalls eine medikamentöse Begleittherapie empfohlen. Als zusätzliche Option bei mangelndem Ansprechen auf SSRI kann eine Augmentationsbehandlung mit einem atypischen Neuroleptikum (v. a. Risperidon oder Aripiprazol) erwogen werden. Es gibt neuere Hinweise, dass Sport, insbesondere Ausdauertraining auch bei Zwangsstörungen, ähnlich wie bei Angsterkrankungen und Depression, positive Effekte haben kann. Neben einer Verbesserung der Stimmung
Eingangsphase
Aufbau einer therapeutischen
Beziehung Anamnese Diagnostik Lerngeschichte Makro-/Mikro- und Funktionsanalysen Zielanalyse und Behandlungsplanung
Behandlungsphase
Abschlussphase
Psychoedukation
Motivationsförderung
(Meta-)Kognitive Therapie
Rückfallprophylaxe Austrittsplanung
Vorbereitung Expositionen
Expositionen mit Reaktionsmanagement
Nachbereitung Expositionen
Abschlussevaluation
Einbezug von Angehörigen
Aufbau sozialer und emotionaler Kompetenzen
Probleme lösen
Auffrischungssitzungen
Abbildung: Modulare kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen (Abbildung: K. Bader)
Kasten 3:
Wirkfaktoren der Expositionstherapie
Die «Emotional Processing Theory» geht davon aus, dass Habituation der zugrundeliegende Mechanismus der Exposition ist (23). Je deutlicher die Abschwächung der unangenehmen emotionalen Reaktion (Habituation) erlebt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass die neu gewonnenen Informationen («Die Situation ist ungefährlich») die alten Informationen («Die Situation ist gefährlich») überschreiben. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass Expositionen auch dann wirksam sind, wenn die Angst zu Beginn nicht maximal ist oder wenn es innerhalb einer Expositionsübung oder zwischen zwei Expositionsübungen nicht nachweisbar zu Habituation kommt. Ausserdem hat sich gezeigt, dass die Angst, selbst wenn sie nach erfolgreicher Exposition zunächst gesunken ist, zu einem späteren Zeitpunkt wieder auftritt (Spontanerholung). Gemäss der «Inhibitory Learning Theory» (24–26) werden die ursprünglichen Informationen («Die Situation ist gefährlich») nicht vollständig überschrieben, stattdessen wird eine neue Lernspur gebildet («Die Situation ist ungefährlich»), die mit der alten um den Zugang zum Bewusstsein konkurriert. Aus Sicht der «Inhibitory Learning Theory» hat die neue Lernspur dann eine grössere Chance, ins Bewusstsein zu gelangen, wenn die Diskrepanz zwischen dem, was während der Exposition erwartet wird, und dem, was tatsächlich passiert, besonders gross ist. Vermutet eine Person, dass sie eine Exposition an einem vermeintlich kontaminierten Ort nur höchstens 1 Minute tolerieren kann, wäre der Lernerfolg dann grösser, wenn sie sich dort mehr als 10 Minuten schadlos aufhalten kann. Neu gelernte Informationen sind dann leichter zugänglich, wenn Expositionen abwechslungsreich gestaltet werden. Das bedeutet, dass beispielsweise unterschiedliche Varianten von braunen Flecken zur Exposition und unterschiedliche Kontexte, wie Therapiezimmer, öffentliche Toiletten oder die Wohnung der Betroffenen benutzt werden.
konnte damit eine Abnahme der Angstsymptome und der Zwangshandlungen festgestellt werden (27). Als Methoden der letzten Wahl gelten die tiefe Hirnstimulation (Elektroden werden in bestimmten Zielregionen implantiert) und die transkranielle Magnetstimulation. Beide können bei schweren therapieresistenten Zwangsstörungen im Einzelfall erwogen werden, wenn mehrfache intensive Therapien oder hoch dosierte Medikamente keinen Erfolg zeigen. Das betrifft
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Merkpunkte:
● Eine möglichst frühe expositionsbasierte kognitive Verhaltenstherapie (KVT) gilt als Behandlungsmethode mit den besten Erfolgsaussichten.
● Die Expositionsübungen sollten in einen strukturierten Rahmen eingebettet sein, gut vor- und nachbearbeitet werden.
● Intensive und variationsreiche Expositionen, die auch im häuslichen Setting und in Eigenregie durchgeführt werden, scheinen wichtig für den Behandlungserfolg.
● Der Einbezug von Angehörigen kann die Therapie sehr unterstützen. ● Eine Kombinationsbehandlung kann sinnvoll sein, wenn mit einer Lege-artis-
KVT keine signifikanten Erfolge erzielt werden können.
Lesetipps:
Für Therapeuten ● Benoy C et al.: Zwangsstörung: Grundlagen, Formen, Interventionen. Stuttgart:
Kohlhammer; 2022. ● Endres D et al.: Zwangsstörungen und verwandte Störungen. In: Van Elst T,
Schramm E, Berger M, Eds. Psychiatrie und Psychotherapie: Klinik und Therapie psychischer Erkrankungen. München: Elsevier; 2024:503–525. ● Hillebrand T: Aggressive und sexuelle Zwangsgedanken: Ein Therapieleitfaden. Göttingen: Hogrefe; 2023.
Für Betroffene ● Baer L: Der Kobold im Kopf. 4. unveränderte Auflage. Göttingen: Hogrefe; 2016. ● Koch S et al.: Ratgeber Zwangsstörungen. Göttingen: Hogrefe; 2023.
geschätzt 1 bis 2% der Patienten. Diese Behandlungen
können nur in wenigen dafür spezialisierten Zentren
durchgeführt werden. Leider konnten damit in bisheri-
gen Studien keine langfristigen Verbesserungen nach-
gewiesen werden.
l
Korrespondenzadresse: PD Dr. phil. Karina Wahl Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fakultät für Psychologie
Universität Basel Missionsstrasse 62a
4055 Basel E-Mail: karina.wahl@unibas.ch
Dr. phil. Klaus Bader Psychologischer Zentrumsleiter Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Wilhelm-Klein-Strasse 27 4002 Basel
E-Mail: Klaus.Bader@upk.ch
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