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FORTBILDUNG
Das dreistufige Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie
Das Wissen um die Zusammenhänge von psychischer Gesundheit und körperlicher Aktivität hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Die Bedeutung von körperlicher und sportlicher Aktivität für die psychische Gesundheit, für deren Erhalt und Wiederherstellung ist weltweit gewachsen (1). Genauso gewachsen ist auch das Bewusstsein um die Bedeutung der psychischen Gesundheit im Leistungssport (2). Dieses Bewusstsein in den Tätigkeitsfeldern von Sportpsychiatern und -psychotherapeuten (Tabelle 1) widerspiegelt sich in den Gründungen von Fachgesellschaften oder Sektionen und in Referaten für Sportpsychiatrie und -psychotherapie weltweit in den letzten Jahren.
Foto: zVg
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Carlos Gonzalez Hofmann Malte Christian Claussen
von Carlos Gonzalez Hofmann1, Malte Christian Claussen2,3,4
E ine stete Weiterentwicklung der Psychiatrie und der Psychotherapie als medizinisches Fachgebiet, die sich im Rahmen einer zunehmenden Spezialisierung innerhalb seiner beiden Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (im Folgenden Psychiatrie und Psychotherapie) mit derzeit fünf privatrechtlichen Schwerpunkten in der Schweiz darstellen lässt (Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung, SIWF [3]; Tabelle 2), ist zu beobachten. Diese Schwerpunkte sollen eine weitere Vertiefung von psychiatrischem und psychotherapeutischem Wissen sowie Fertigkeiten ermöglichen. In der Spezialisierung innerhalb medizinischer Disziplinen ist ein Spannungsfeld begründet, nämlich zwischen der Notwendigkeit einer umfassenden Qualifikation in der Breite und der Vertiefung von Wissen und Fertigkeiten, und zwar dort, wo es geboten ist. Im Bereich der Sportpsychiatrie und -psychotherapie kommen zudem grundsätzlich unterschiedliche Ansätze in der Betrachtung hinzu. Während sich im englischsprachigen Raum die Sportpsychiatrie und -psychotherapie schwerpunktmässig mit dem Leistungssport beschäftigt, hat sich im deutschsprachigen Raum eine breiter aufgestellte Betrachtung und Praxis der Sportpsychiatrie und -psychotherapie etabliert (4).
1 Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie, Romanshorn 2 Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK), Universität Zürich (UZH), Zürich 3 Privatklinik Wyss AG, Münchenbuchsee 4 Erwachsenenpsychiatrie, Psychiatrische Dienste Graubünden, Chur
Es besteht zudem die Erwartung anderer spezialisierter Berufsgruppen wie Sportmediziner, Sportpsychologen und Sportwissenschaftler, dass sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie durch fundiertes, sportbezogenes Wissen und Praxis als Partner auf Augenhöhe im Leistungssport qualifiziert. Die Professionalisierung im Leistungssport und die Fortschritte in Medizin beziehungsweise Psychiatrie und Psychotherapie machen eine Spezialisierung erforderlich. Diese setzt Standards in der sportpsychiatrisch-psychotherapeutischen Aus-, Weiter- und Fortbildung voraus. Für die sportpsychiatrische Diagnostik und Therapie, einschliesslich der Prävention und der Nachsorge, bedarf es einer besonderen Expertise, was sich in einem Weiterbildungscurriculum niederschlagen soll.
Die Entwicklung des Curriculums Die bisher einzig verfügbare sportpsychiatrisch-psychotherapeutische Qualifikation, angeboten durch die International Society for Sports Psychiatry (ISSP), ist rein auf den Leistungssport fokussiert (5). Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse und Erwartungen an eine sportpsychiatrisch-psychotherapeutische Qualifikation sehr heterogen sind. So gibt es einerseits das berechtige Bestreben, sportpsychiatrisches Grundwissen sowohl in der Psychiatrie und der Psychotherapie als auch in der Sportmedizin zu etablieren. Andererseits gibt es bei wachsender Datenlage zu den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Sport, Training und Bewegung zur Behandlung psychischer Beschwerden und Erkrankungen die Notwendigkeit, hierzu theoretisches und praktisches Expertenwissen zu vermitteln. Letztlich gilt das auch für den bereits erwähnten Bereich des Leistungssports. Diese zum Teil divergenten Bedürfnisse in einem einzigen Curriculum zusammenzuführen, hat sich als grosse Herausforderung, aber auch als Chance erwiesen. Als
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Tabelle 1:
Sportpsychiater und -psychotherapeuten: «Basis»-Anforderungen Psychiatrie und Psychotherapie1
Ausbildung in:
Medizin
Weiterbildung in:
Psychiatrie und Psychotherapie
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
und -psychotherapie
(+/– Schwerpunkt Alterspsychiatrie und -psychotherapie)
Zusatzqualifikation in:
Sportpsychiatrie und -psychotherapie (s. Tabelle 3)
Tätigkeitsgebiet Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP
1 Idealerweise mit Fort-/Weiterbildung in Psychosomatik und Neurologie
Tabelle 2:
Schwerpunkte beim Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (1)
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Forensische Psychotherapie und Psychotherapie
Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie Alterspsychiatrie und -psychotherapie Psychiatrie und Psychotherapie der Abhängigkeitserkrankungen
Lösungsansatz wurde ein dreistufiges Curriculum entwickelt, angelehnt an die Konzeption des Curriculums der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. (6). Während sich dort die drei Stufen vorwiegend in dem zeitlichen Umfang der Qualifikation in Sportkardiologie unterscheiden, ändert sich beim Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie bei jeder Stufe die inhaltliche Ausrichtung. Die drei Stufen des Curriculums vereinen folglich die drei unterschiedlichen eingangs erwähnten Ansätze. Auf diesem Weg finden die verschiedenen Bedürfnisse (breitflächige Grundlagenvermittlung, klinische Anwendung in der Psychiatrie und der Psychotherapie sowie Expertise im Leistungssport) gleichermassen Berücksichtigung und ergänzen einander. Sie führen letztlich zu einer Profilschärfung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Damit einher geht die Definition der Sportpsychiatrie und -psychotherapie als ein Bereich, der sich der Gesundheitsförderung, der klinischen Anwendung zur Therapie psychischer Erkrankungen sowie der Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von psychischen Erkrankungen im Leistungssport widmet. Das dreistufige Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie der Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP) ist das erste seiner Art im Bereich Sportpsychiatrie und -psychotherapie (7). Das Curriculum versucht, den Empfehlungen des SIWF zur Continuing Medical Education (CME) beziehungsweise zu Continuing Professional Development (CPD) und zugleich der Notwendigkeit einer spezialisierten Qualifikation im Bereich Sportpsychiatrie und -psychotherapie gerecht zu werden (8). Letztlich soll durch das Curriculum auch nach aussen sichtbar werden, wer über
eine entsprechende sportpsychiatrische beziehungsweise -psychotherapeutische Expertise verfügt. Da eines der Ziele des Curriculums darin besteht, breitflächig Grundlagenwissen zu vermitteln, ist die Stufe 1 nicht nur für Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie beziehungsweise Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie offen, sondern auch für Sportmediziner sowie klinische Psychologen und Psychotherapeuten. Die Stufe 2 ist für besagte Fachärzte und klinische Psychologen und Psychotherapeuten zugänglich und die Stufe 3 für Fachärzte der beiden psychiatrischen Fachgebiete (Tabelle 3). Die curricularen Abschlüsse für Sportmediziner sowie klinische Psychologen und Psychotherapeuten haben einen abweichenden Wortlaut. Diese Staffelung soll den jeweiligen Zielsetzungen der drei Stufen gerecht werden. Allen drei Stufen gemeinsam ist die Vermittlung von Grundlagenwissen, themenzentriertem Fachwissen, ein Praxisnachweis sowie ein Nachweis von Inter- oder Supervision. Praktische Vorerfahrungen im Bereich Leistungssport werden ebenso berücksichtigt wie Trainerdiplome, sind aber nicht obligatorisch. Ähnlich verhält es sich mit Vorerfahrung bezüglich Sport- und Bewegungstherapie in der Behandlung psychischer Erkrankungen. Der Zeitaufwand pro Stufe inklusive der Praxisnachweise beträgt je 80 Stunden. Da die Stufen aufeinander aufbauen, sind in der Stufe 2 insgesamt 160 Stunden und in der Stufe 3 insgesamt 240 Stunden zu absolvieren. Bislang ist erst die Stufe 1 des Curriculums in Kraft getreten, die Stufen 2 und 3 folgen schrittweise.
Stufe 1: Sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Basisversorgung In der Stufe 1 liegt der Fokus auf einer breitflächigen Vermittlung von interdisziplinären Grundkenntnissen
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Tabelle 3:
Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Stufen 1–3
Stufe Zulassungsvoraussetzung 1 Facharzttitel für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Facharzttitel für Psychiatrie und Psychotherapie Facharztkandidat (3. Jahr)1 Sportmediziner (interdisziplinärer Schwerpunkt)2 Klinische Psychologen und Psychotherapeuten3 2 ➔ Stufe 1 «Sportpsychiatrische-psycho- therapeutische Basisversorgung SGSPP» Facharzttitel für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Facharzttitel für Psychiatrie und Psychotherapie Klinische Psychologen und Psychotherapeuten3 3 ➔ Stufe 2 «Klinisch-praktische Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP» Facharzttitel für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Facharzttitel für Psychiatrie und Psychotherapie
Abschluss4 «Sportspsychiatrische und -psychotherapeutische Basisversorgung SGSPP»
«Klinisch-praktische Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP»
«Tätigkeitsgebiet Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP»
1 Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und/oder Psychiatrie und Psychotherapie. Voraussetzung für den Erwerb «Sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Basisversorgung SGSPP» ist die Facharztanerkennung 2 mit Facharztanerkennung in einem Fach der unmittelbaren Patientenversorgung 3 mit abgeschlossener klinischer Weiterbildung 4 Die Abschlüsse für klinische Psychologen und Psychotherapeuten sind abweichend
des Bereichs Sportpsychiatrie und -psychotherapie, einschliesslich neurobiologischer, sportmedizinischer, sportwissenschaftlicher, sportpsychologischer und neuropsychologischer Aspekte. Das beinhaltet auch eine Einführung in psychische Belastungen und Erkrankungen im Leistungssport wie auch eine Einführung in Sport- und Bewegungstherapie als Behandlungsoption bei psychischen Erkrankungen. Es wird orientierend auf die Besonderheiten verschiedener psychischer Erkrankungen in Bezug auf therapeutische wie auch präventive Aspekte eingegangen. Bei den Grundlagen werden ausserdem ethische und rechtliche Aspekte besprochen. Ein weiteres Augenmerk liegt auf den Grundlagen der Entwicklungspsychologie sowie den besonderen Aspekten der psychischen Gesundheit im Kinder- und Jugendsport. Der Nachweis praktischer Erfahrungen und der Anteil von Inter- oder Supervision ist hier noch bewusst gering gehalten, um keine unnötigen Barrieren für die Erlangung einer Grundqualifikation zu errichten. Der Umfang beträgt 80 Stunden, wovon je 8 Stunden auf Inter-/Supervision und den Nachweis
Tabelle 4:
Stundenübersicht Stufe 1
(A) Grundlagenwissen (B) Leistungssport (C) Sport- und Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen (D) Praxisnachweis Sport- und Bewegungstherapie usw. (E) Inter- oder Supervision Gesamt:
12 Stunden 34 Stunden 18 Stunden 8 Stunden 8 Stunden 80 Stunden
praktischer Erfahrung, beispielsweise Bewegungstherapiegruppe oder Sporttherapie in der Rehabilitation, aber auch auf direkte Erfahrungen im Leistungssport entfallen (Tabelle 4). Die Stufe 1 ist nicht dazu gedacht, diagnostische oder therapeutische Kompetenzen zu vermitteln, sondern essenzielles Basiswissen zu sportpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Themen und Zusammenhängen.
Stufe 2: Klinisch-praktische Sportpsychiatrie und -psychotherapie Sport- und bewegungsbezogenen Fragestellungen kommt in der Psychiatrie und Psychotherapie, in Prävention, Therapie und Nachsorge eine grosse Bedeutung zu, zum Beispiel bei der Demenz (9). Sport- und Bewegungstherapie beziehungsweise regelmässiges sportliches Training können eine wertvolle Ergänzung zu anderen, beispielsweise pharmakologischen Behandlungsansätzen darstellen und sich auch bei manchen Beschwerdebildern als Alternative anbieten (10). Entsprechende Erfahrungen und Studienergebnisse existieren bereits seit Längerem, vor allem zur Linderung der Fatigue bei Krebserkrankungen (11). Die Stufe 2 baut auf die Inhalte der Stufe 1 auf und setzt diese auch als Eingangskriterium voraus. Der Arbeitsumfang beträgt weitere 80 Stunden, sodass zusammen mit der Stufe 1 insgesamt 160 Stunden absolviert werden. Der Schwerpunkt liegt hier in der Vertiefung des Wissens zur Sport- und Bewegungstherapie als Therapeutikum über die Lebensspanne, aber auch in der Vermittlung von therapeutischen Fertigkeiten zum zielgerichteten Einsatz von Sport, Training und Bewegung in der Prävention, der Behandlung und der Nachsorge
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psychischer Erkrankungen in der klinischen Praxis. Dies unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten der psychischen Erkrankungsbilder. Aus diesem Grund geht die Stufe 2 auch mit einem grösseren Praxisanteil einher. Zudem steigt der Anteil der nachzuweisenden Super- oder Intervisionsstunden.
Stufe 3: Tätigkeitsgebiet Sportpsychiatrie und -psychotherapie Psychisches Wohlbefinden und (sportliche) Leistungsfähigkeit bedingen einander (2): Psychische Belastungen und Erkrankungen im Sport können sowohl Einfluss auf die Leistung haben als auch das Risiko für körperliche Verletzungen erhöhen und die Rehabilitation verlängern. Verletzungen wiederum wirken sich auf die Leistung aus und stellen Belastungsfaktoren und Risiken für die psychische Gesundheit dar. Psychische Gesundheit ist im Leistungssport über das Karriereende hinaus von Bedeutung (12). Der Leistungssport geht mit besonderen Anforderungen an Athleten, Trainer und Betreuer sowie mit besonderen Belastungen und Risiken einher (13, 14). Das hat ebenso Auswirkungen auf Massnahmen zur Prävention psychischer Probleme und Erkrankungen wie in deren Diagnostik, Therapie und Nachsorge (15). Die Anforderungen im Leistungssport erfordern eine sichere Beurteilung und einen sicheren Umgang mit den Belastungen und Risiken für die psychische Gesundheit (16). Damit geht die Notwendigkeit der interdisziplinären und interprofessionellen Zusammenarbeit sowohl mit Sportmedizinern als auch mit Sportpsychologen, Mentaltrainern und anderen Betreuern einher. Zu den besonderen Aspekten des Leistungssports gehören, neben den besonderen Umständen von Vorbereitungsphase, Wettkampf und Erholungsphase, die Kenntnis über die Risiken für die Entwicklung spezifischer Probleme und Erkrankungen. Gestörtes Essverhalten und Essstörungen in gewichtsabhängigen Sportarten, zum Beispiel im Kunstturnen, Langstreckenlauf oder Skispringen, sind hier zu nennen (17). Die Kenntnis über Diagnose und Differenzialdiagnose des Übertrainingssyndroms oder über die Folgen von Kopfverletzungen (sports related concussion) gehören ebenso dazu und sind Teil des spezifischen leistungssportbezogenen Wissens (18, 19). Das schliesst Leistungssport über die Lebensspanne von der Frühförderung bis zu der Zeit nach dem Karriereende mit ein. Des Weiteren auch Themen wie Gewalt und Missbrauch, Doping beziehungsweise regelkonforme Medikation, erkrankungsspezifische Diagnostik und Therapie sowie Transitionsprobleme bei Karriereende (20–22). Auch Genderaspekte sowie die Besonderheiten des Behindertensports werden thematisiert. Praktische Erfahrungen im Leistungssportbereich, beispielsweise durch Hospitationen, sollen für einen direkten Praxisbezug sorgen. Das schliesst wie bereits aufgeführt die interprofessionelle Zusammenarbeit mit Sportmedizinern und Sportpsychologen ausdrücklich mit ein. Der Schwerpunkt der Stufe 3 liegt entsprechend in der Vertiefung von sportpsychiatrischem und -psychotherapeutischem Wissen und von Fertigkeiten in Diagnostik, Prävention, Therapie und Rehabilitation im Leistungssport sowie in der interdisziplinären und interprofessionalen Zusammenarbeit. Der Zeitumfang be-
trägt weitere 80 Stunden zur Stufe 2, die wieder als Grundvoraussetzung für die Teilnahme an Stufe 3 gilt. Somit werden insgesamt 240 Stunden absolviert. Äquivalent zur Stufe 2 steigt auch der Anteil an nachzuweisenden Super- oder Intervisionsstunden. Die curriculare Fortbildung der drei Stufen erfolgt durch akkreditierte Fortbilder beziehungsweise Fortbildungsveranstaltungen. Eine länderübergreifende Kooperation mit gegenseitiger Anerkennung von Fortbildungsveranstaltungen und Qualifikationsnachweisen soll die Verbreitung und Weiterentwicklung sportpsychiatrisch-psychotherapeutischer Expertise fördern.
Ausblick Zu den Bemühungen der SGSPP gehören der grenzüberschreitende Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen nationalen Gesellschaften für Sportpsychiatrie und -psychotherapie, wie mit jenen in Deutschland und Österreich sowie der ISSP, mit dem Ziel, gemeinsame einheitliche Qualitätsstandards für die Sportpsychiatrie und -psychotherapie zu entwickeln. Mit dem dreistufigen Curriculum sollen die Absolventen in Theorie und Praxis befähigt werden, der jeweiligen Stufe entsprechend sportpsychiatrisch-psychotherapeutisches Wissen und Fertigkeiten anwenden zu können, und als kompetente Ansprechpartner für Zuweiser und Hilfesuchende erkennbar sein. Ein künftiges Augenmerk curricularer Qualifikationen wird auch auf der Vermittlung von grundlegendem Wissen im Bereich der Sportpsychiatrie und -psychotherapie für andere Fachpersonen oder Betreuer liegen. l
Korrespondenzadresse Dr. med. Carlos Gonzalez Hofmann Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie
Friedrichshafnerstrasse 55a 8590 Romanshorn
E-Mail: c.gonzalez-hofmann@hin.ch
Merkpunkte:
● Wissen und Anwendung von Sport- und Bewegungstherapie zur Behandlung psychischer Erkrankungen sowie das Wissen um die Bedeutung psychischer Gesundheit im Leistungssport nehmen zu.
● Das macht eine strukturierte Wissensvermittlung vom Basiswissen bis zur Expertise im Rahmen eines Curriculums erforderlich.
● Das Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie ist dreistufig. ● Die Stufen bauen aufeinander auf und ermöglichen die Vertiefung der Kennt-
nisse in klinisch-praktischer Sportpsychiatrie sowie im Tätigkeitsgebiet Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Leistungssport. ● Stufe 1 ist sowohl für Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie/Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie als auch für Sportmediziner sowie klinische Psychologen und Psychotherapeuten zugänglich.
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