Transkript
SCHWERPUNKT
Differenzierte Therapie in der Perimenopause
«Woman on Fire»: Welche Optionen sind zu empfehlen?
Wechseljahrbeschwerden sind sehr häufig. Doch müssen Frauen «da einfach durch»? Zwar ist der menopausale Übergang ein physiologischer Prozess, doch viele Symptome können therapeutisch effektiv gelindert werden. Hierfür ist ein individuelles Konzept essenziell. Im Folgenden wird ein korrektes Vorgehen in der Menopausensprechstunde und ein Überblick über die verschiedenen Therapieoptionen aufgezeigt.
NATHALIE WERTH, ROMANA DOLINSCHEK, ALEXANDRA KOHL SCHWARTZ
Nathalie Werth Romana Dolinschek
Mehr als zwei Drittel aller Frauen leiden unter Wechseljahrbeschwerden, die Hälfte davon ist stark betroffen (1). Heutzutage sind Frauen in dieser Lebensphase oft noch sehr fit und beruflich wie privat stark engagiert, weshalb klimakterische Symptome sehr störend sein können. Erfreulicherweise gelangt die Thematik zunehmend auch medial in den Fokus und viele der Patientinnen sind gut informiert. Die Menopause ist der Zeitpunkt der letzten Periodenblutung und kann klinisch 12 Monate retrospektiv definiert werden. Das mittlere Menopausenalter liegt in der Schweiz bei 51 Jahren. Wenn wir von der Perimenopause – den sogenannten «Wechseljahren» – sprechen, ist die Lebensphase um die Menopause gemeint. Der Beginn ist unscharf definiert und macht sich oft ca. 8 bis 10 Jahre vor der Menopause mit ersten klinischen oder endokrinen Zeichen bemerkbar. Ein Jahr nach der Menopause endet die Perimenopause.
Physiologie und Klinik
Symptome der frühen Perimenopause sind Folge einer stark schwankenden follikulären Aktivität. Phasen von Östrogenüberschuss (bei Dysovulation/Follikelpersistenz) treten abwechselnd mit Phasen von Östrogenmangel (bei Anovulation) auf. Gleichzeitig
Merkpunkte
n Die Perimenopause entspricht dem physiologischen Übergang von der reproduktiven Phase in die Postmenopause, der an sich keinen Krankheitswert hat.
n Wechseljahrbeschwerden sind jedoch häufig und können therapeutisch verbessert werden.
n Zur Diagnostik ist eine genaue Anamnese zielführender als ein Hormonstatus (> 45 Jahre), wobei der Fragebogen «Menopause-Rating-Scale» eingesetzt werden kann.
n Die hormonelle Therapie in dieser von endokrinen Schwankungen geprägten Phase kann eine Herausforderung sein und macht ein individuelles Vorgehen nötig.
kommt es zunehmend zur Corpus-luteum-Insuffizienz mit konsekutivem Progesteronmangel (Abbildung 1). So sind in der frühen Perimenopause Beschwerden wie Blutungsstörungen, Kopfschmerzen und ein verstärktes prämenstruelles Syndrom typisch. In der Postmenopause hingegen haben wir es mit einem konstanten Östrogenmangel zu tun, sodass auch klinisch Östrogenmangelzeichen im Vordergrund stehen (Tabelle 1).
Diagnostik
Gemäss aktueller S3-Leitlinie zur «Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen» soll die Diagnosestellung bei über 45-jährigen Frauen primär klinisch gestellt werden (2). Eine gezielte Anamnese betreffend Zyklus und möglicher klimakterischen Beschwerden ist richtungsweisend. Zu Hilfe gezogen werden kann der Menopause Rating Scale (MRS) (Abbildung 2). Eine Bestimmung des follikelstimulierenden Hormons (FSH) bleibt gemäss S3-Richtlinie Spezialfällen vorbehalten und soll bei Frauen zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr mit klimakterischen Symptomen (z. B. Hitzewallungen oder Zyklusveränderungen) sowie bei Frauen unter 40 Jahren mit Hinweisen auf vorzeitige Ovarialinsuffizienz erfolgen (2). Aufgrund stark schwankender Hormonspiegel im menopausalen Übergang stellt ein Hormonstatus eine Momentaufnahme dar. Zudem schliesst ein unauffälliger Hormonstatus eine beginnende Perimenopause nicht aus und ist somit wenig zielführend. Zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen hingegen macht eine laborchemische Untersuchung oft Sinn (z. B. Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH), Ferritin, Vitamin B12). Ausserdem sollte vor einer allfälligen menopausalen Hormontherapie (MHT) immer eine sorgfältige Nut-
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zen-Risiko-Abwägung durch den Facharzt/die Fachärztin stattfinden. Neben anamnestischem Erfassen von Risiken und Kontraindikationen sollten der Body Mass Index (BMI), Blutdruck/Puls und laborchemisch das Lipidprofil sowie der Glukosestoffwechsel geprüft werden. Des Weiteren macht es Sinn, die gynäkologische und senologische Vorsorge inklusive Mammografie zu aktualisieren.
Jugend
Fruchtbarste
Prä-Menopause
Peri-Menopause
Jahre
PostMenopause
Beratung und Therapie
Die Therapie soll in Abhängigkeit der Symptomatik und erhofftem Nutzen, dem senologischen und kardiovaskulären Risikoprofil, den individuellen Präferenzen und dem Bedarf nach Antikonzeption gewählt werden. Ein undifferenzierter Einsatz einer MHT ist wenig sinnvoll.
Abbildung 1: Beispielhafter Verlauf der Hormonspiegel im Leben der Frau. (modifiziert durch Dolinschek, R.)
Lifestyle Bei der Betreuung der Frauen mit Wechseljahrbeschwerden gehört immer eine Lifestyleberatung dazu. Eine mediterrane Ernährung, angepasst an den leicht abnehmenden Grundumsatz im Alter, ist empfehlenswert. Neben Ausdauersport profitieren Frauen in den Wechseljahren von Krafttraining. Einerseits hat dies einen günstigen Effekt auf die Knochengesundheit, andererseits beeinflusst der Muskelanteil den Grundumsatz positiv, was bei unerwünschter Gewichtszunahme hilfreich sein kann (3). Weiter sind ein Nikotinverzicht und eine Minimierung des Alkoholkonsums erstrebenswert.
Mikronährstoffe Mikronährstoffe sind essenzielle Stoffe ohne energetischen Wert, welche für zahlreiche physiologische Funktionen unerlässlich sind. In der Perimenopause
können sie zur Linderung von Symptomen und zur Reduktion von Gesundheitsrisiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Insulinresistenz und Osteoporose beitragen. Die Supplementation von 800 IE Vitamin E pro Tag zeigt einen potenziellen Nutzen bei der Vorbeugung von Hitzewallungen und der Verbesserung der Schlafqualität (4, 5). Vitamin D ist relevant für die Knochengesundheit, da die endogene Synthese mit zunehmendem Alter abnimmt. Eine adäquate Kalzium-Zufuhr ist ebenfalls entscheidend. Zudem wird eine Einnahme von B-Vitaminen, Vitamin C, Magnesium und Zink mit einer Reduktion von Stress und Angst in Verbindung gebracht (6). B-Vitamine tragen durch die Senkung des Homocystein-Spiegels zur Prävention von Schlaganfällen bei (7). Der Östrogenabfall in der Menopause führt zur Hautalterung. Erste Studien deuten darauf hin, dass die Supplementation mit hydrolysiertem Kollagen einen
Tabelle 1:
Hormonelle Veränderungen und Symptomatik in der Peri- und Postmenopause
Zwei verschiedene Ausgangslagen
(Frühe) Perimenopause
Postmenopause
Physiologie
• Dysovulation, Follikelpersistenz – Estradiol (E2)-Überschuss
• Erschöpfter Follikelpool – Anovulation
• Anovulation – E2-Mangel
→ Konstanter E2-Mangel
• Corpus luteum-Insuffizienz – Progesteron-Mangel
→ Hormonschwankungen
Klinik
E2-Schwankung/Überschuss E2-Mangel
• Mastodynie
• Vasomotorische Beschwerden
• Kopfschmerzen
• Schlafstörungen
• Ödeme
• Stimmungsschwankungen
• Zyklusunregelmässigkeiten
• Depression
E2-Mangel
• Angststörungen
• Hitzewallungen,…
• Urogenitale Beschwerden
Progesteron-Mangel
• Sexualstörungen (Libidoverlust)
• Ödeme
• Gelenkbeschwerden
• Schlafstörungen
• Hyperandrogenismus
• Blutungsstörungen
• Sicca-Symptomatik (Schleimhäute)
• Alterung Haut und Haare
Labor
E2↑↓, Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) (↑) E2↓, FSH↑
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Osteoporose, Diabetes mellitus Typ ll, Herzinfarkt und möglicherweise Demenz sein. Die MHT spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention und Behandlung von Osteoporose, da sie gezielt den Östrogenmangel ausgleicht, der nach der Menopause zu einem beschleunigten Abbau der Knochenmasse führt. Östrogen hat eine zentrale Funktion für die Knochengesundheit. Der Knochenaufbau wird unterstützt, gleichzeitig wird der durch Osteoklasten induzierte Knochenabbau reduziert. Zudem fördert Östrogen die intestinale Aufnahme des wichtigen Knochenbausteins Kalzium und dessen Verwertung. Bei fehlenden Risikofaktoren ist die MHT die Therapie der ersten Wahl bei Osteoporose. Somit können eine Bisphosphonattherapie oder eine Antikörpertherapie möglicherweise verzögert gegeben werden, welche nur zeitlich limitiert verabreicht werden sollen.
Abbildung 2: Menopause-Rating-Scale (MRS) zur Anamnese klimakterischer Symptome
positiven Effekt auf Hautfeuchtigkeit und -elastizität haben könnte, wobei weitere Studien notwendig sind (8–10).
Pflanzliche Therapie Pflanzliche Alternativen wie Cimicifuga (Traubensilberkerze) haben in Studien eine signifikante Wirksamkeit gegen vasomotorische Symptome ohne östrogenassoziierte Nebenwirkungen (11–15) gezeigt. Auch Phytoöstrogene aus Soja, Rotklee und Salbei könnten bei Hitzewallungen wirksam sein, jedoch ist die Studienlage hierzu begrenzt (2). Spezifische Beschwerden im Zusammenhang eines verstärkten prämenstruellen Syndroms (PMS) könnten mit Mönchspfeffer, Johanniskraut oder Bryophyllum pinnatum gelindert werden.
Menopausale Hormontherapie Indikationen für die MHT bestehen bei peri- und postmenopausalen Patientinnen mit klimakterischen Beschwerden und/oder Osteoporose sowie Wunsch nach hormoneller Behandlung. Die MHT gilt als effektivste Therapie bei vasomotorischen Beschwerden (2, 17). Eine absolute Indikation liegt vor, wenn die Menopause vor dem 45. Lebensjahr auftritt. Das Ziel einer MHT ist, die Symptome des Hormonmangels zu mindern und die Lebensqualität der Frauen zu steigern. Weitere langfristige Benefits können die Risikoreduktion für Frakturen/
Sicherheit und Verlaufskontrolle Bei gesunden Frauen und rechtzeitigem Start wird eine MHT als sicher eingestuft. Empfohlen ist der Beginn einer MHT innerhalb der ersten 10 Jahre nach Eintritt der Menopause beziehungsweise vor dem 60. Lebensjahr. Die Behandlungsrisiken, insbesondere die kardiovaskulären, sind dann am geringsten. Kontraindikation wie Zustand nach Mammakarzinom oder höhergradige Leberfunktionsstörungen sind vorgängig auszuschliessen (2). Die Patientin soll über Risiken ausführlich beraten werden. Hierbei gilt es vor allem, die mögliche leichte Risikoerhöhung eines Mammakarzinoms und eine absolut gesehen minimale Zunahme des Risikos für ischämische Schlaganfälle zu nennen. Das Risiko einer thromboembolischen Erkrankung ist bei peroraler MHT leicht erhöht und bleibt durch eine transdermale Applikation unbeeinflusst (17). Insbesondere bei Risikofaktoren bietet eine transdermale Östradiolgabe durch Vermeidung des hepatischen FirstPass-Effekts ein günstigeres Risikoprofil und ist zu favorisieren. Die Dosierung des Östrogens ist so hoch wie nötig und so tief wie möglich zu wählen und soll sich an der Klinik orientieren. Bei Frauen mit erhaltenem Uterus muss die Gestagengabe unbedingt in ausreichender Transformationsdosis an mindestens 12 Tagen/Zyklus erfolgen. Ansonsten besteht eine bis zu neunfache Risikoerhöhung für ein Endometriumkarzinom. Zu beachten ist, dass mikronisiertes Progesteron nicht transdermal angewandt werden soll, denn dies bietet keinen ausreichenden Endometriumschutz. Zugelassen ist eine perorale Einnahme oder eine Endometriumprotektion in Form einer IUD (Mirena®). Idealerweise wird das Gestagen unter Ausnutzen der gewünschten Partialwirkung (z. B . antiandrogen, östrogen usw.) gewählt. In der frühen Perimenopause ist eine sequenzielle Gabe meist günstiger, da es bei kontinu-
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SCHWERPUNKT
Tabelle 2:
Antikonzeption (AC) in der Perimenopause: Wie lange?
(modifiziert nach Voedisch et al. [20])
Keine/nicht-hormonelle Verhütung
Klinische Evaluation
• < 50 Jahren: wenn ≥ 2 Jahre Amenorrhö • ≥ 50 Jahren: wenn ≥ 1 Jahr Amenorrhö
Kombinierte orale Kontrazeption (KOK) Implanon, Intrauterinpessar mit Gestagen, Gestagenpille
Laborchemische Evaluation –
Stopp der KOK für 6 Wochen. Wenn keine Periode → FSH 2 × im Abstand von 1–2 Monaten. AC kann gestoppt werden wenn FSH 2 × > 30 IU/l FSH 1 × > 30 IU/l → Methode 1 Jahr fortsetzen, dann Stopp
ierlicher Gabe oft zu Blutungsstörungen kommt. In der Postmenopause bietet sich eine kontinuierliche Gestagengabe an. Eine Verlaufskontrolle sollte 3 Monate nach gestarteter Therapie geplant werden. Im Verlauf ist eine jährliche Kontrolle mit Prüfung nach neuen Kontraindikationen und Risiken empfohlen. Blutungsstörungen, welche später als 3 Monate nach Therapiebeginn auftreten, sollten immer abgeklärt werden. Die Anwendungsdauer einer MHT muss nicht willkürlich beschränkt werden, soll jedoch jährlich reevaluiert werden (16). Vulvovaginale Beschwerden werden primär lokal therapiert. Hierbei ist eine Langzeittherapie notwendig und unbedenklich.
Der Ruf nach bioidentischen Hormonen Im Zuge des Trends zum «Natürlichen» sind bioidentische Hormone (BIH) heute sehr gefragt. Der Begriff wird jedoch oft falsch verstanden und magistral hergestellte bioidentische Hormone werden als harmlose Naturprodukte vermarktet – wobei diese genauso Kontraindikationen und Risiken haben. BIH sind nach einem Statement der Endocrine Society von 2006 Hormonpräparate, deren molekulare Struktur exakt der körpereigenen entsprechen (18). Über die Herstellungsart (natürlich gewonnen versus chemisch hergestellt und in Struktur der körpereigenen Hormone gebracht) sagt der Begriff nichts aus. Die meisten dieser Hormone werden aus Yams oder Soja hergestellt. Gynäkologisch sind insbesondere das mikronisierte Progesteron (P4), das Estron (E1), 17B-Östradiol (17B-E2), Testosteron (T) und Dehydroepiandrosteron (DHEA) relevant. Die Verschreibung von BIH, insbesondere des 17B-Östradiol und des Estrons (lokal), ist nicht neu, sondern wird seit langem in Form der von Swissmedic zugelassenen Produkten verordnet. Da BIH – genauso wie synthetische Hormone – ein Nebenwirkungsprofil haben, sollte vor deren Verschreibung ebenfalls eine sorgfältige Risikoabwägung und Ausschluss von Kontraindikationen erfol-
gen. In der Schweiz werden heutzutage bei einer MHT meistens bioidentische Östrogene verschrieben. Bei den Gestagenen hingegen werden neben dem bioidentischen mikronisierten Progesteron je nach gewünschter Partialwirkung häufig auch synthetische Gestagene angewendet. Im Gegensatz zu den BIH wird bei den synthetischen Hormonen die Molekülstruktur verändert, um mit zusätzlicher Wirkung spezifische Symptome zu lindern – zum Beispiel zur Kontrazeption, bei Blutungsstörungen, bei Androgenisierung oder Libidomangel.
Was tun bei hormonellen Schwankungen? Die Phase starker hormoneller Schwankungen im menopausalen Übergang ist therapeutisch oft eine Herausforderung. Sollten die starken Hormonschwankungen die führende Problematik sein, kann eine Suppression des Zyklus mittels eines Gestagens in Ovulationshemmdosis mit ggf. Zugabe von Östradiol helfen. Es kann auch ein niedrig dosiertes sequenzielles Präparat oder eine zyklische Gabe von Progesteron in der zweiten Zyklushälfte verabreicht werden, jedoch sind diese Optionen in oben genannter Situation oft weniger effektiv.
Kontrazeption Auch wenn die Fertilität in der Perimenopause stark reduziert ist, kann es vereinzelt zu ovulatorischen Zyklen kommen. Eine Schwangerschaft ist in dieser Lebensphase meist nicht mehr erwünscht. Grundsätzlich kann die gesamte Palette an kontrazeptiven Methoden in der Perimenopause zur Anwendung kommen. Das Alter alleine stellt für eine kombinierte orale Kontrazeption (KOK) keine Kontraindikation dar (19). Bei der Wahl der Kontrazeption sollten Komorbiditäten, klimakterische Beschwerden und individuelle Präferenzen sorgfältig evaluiert werden. Sollte eine KOK gewählt werden, ist ein Präparat mit bioidentischem Östrogen zu bevorzugen (E2: Qlaira®, Zoely® , E4: Drovelis®). Vom Label zugelassen sind diese zur Antikonzeption (AC), Qlaira® zusätzlich
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bei Hypermenorrhö. Werden diese gleichzeitig als MHT angewendet, ist dies ein off-label-use und die Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen. Progesteron-only-Methoden eignen sich in der perimenopausalen Situation mit einer MHT zu kombinieren (z. B. Mirena® plus Oestrogel®; Slinda® plus Oestrogel® (Slinda für Endometriumprotektion off-label)). Somit ist eine Kontrazeption gegeben und die klimakterischen Beschwerden können gleichzeitig behandelt werden. Doch wie lange soll eine Antikonzeption fortgeführt werden? Unter bestehender Antikonzeption ist der Menopausenstatus oft nicht klar. Eine Empfehlung ist in Tabelle 2 zusammengefasst.
Testosteron für alle? Immer häufiger kommt es vor, dass Patientinnen um die Verordnung von Testosteron bitten. Doch wann kann eine Testosterongabe wirklich empfohlen werden? Die einzige evidenzbasierte Indikation zur Verabreichung von transdermalem Testosteron bei Frauen ist die Behandlung der sexuellen Lustlosigkeit in der Postmenopause, sofern dies mit einem persönlichen Leidensdruck verbunden ist. Es liegen keine verwertbaren Daten zu einem Einsatz bei depressiven Symptomen, zur Verbesserung der kognitiven Leistung oder der generellen Lebensqualität vor. So kann bei unzureichender Besserung der Libido trotz MHT eine niedrigdosierte Testosterongabe evaluiert werden. Anzumerken gibt es, dass bei Libidomangel eine Östradiolgabe in transdermaler Applikation zu bevorzugen ist. Im Gegensatz zu einer oralen Gabe steigt damit der Sexualhormon-bindendes-Globulin (SHBG)-Spiegel weniger an, womit weniger freies Testosteron gebunden wird. Vor einer Therapie müssen andere Faktoren, die zur Entwicklung einer sexuellen Funktionsstörung beitragen können, ausgeschlossen werden. Eine Kontrolle der Androgene soll zu Beginn der Therapie und im Rahmen der Therapieüberwachung erfolgen. In der Schweiz ist kein speziell für Frauen konzipiertes, niedrigdosiertes Testosteronpräparat verfügbar. Die Patientin soll somit gut über den off-label-use und über die fehlenden Langzeitdaten zur Sicherheit der Therapie aufgeklärt werden (18, 21, 22).
Bessere Libido mit DHEA? In einigen Ländern wie der USA ist DHEA als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich und wird verbreitet als Anti-Aging-Mittel eingesetzt. Hierfür gibt es keine Empfehlung (2). In der Schweiz ist einzig vaginales DHEA (Prasteron, Intrarosa®) in einer Dosierung von 6,5 mg/Tag zur Behandlung vaginaler Atrophie bei postmenopausalen Frauen zur Verbesserung der sexuellen Funktion zugelassen.
Fezolinetant als hormonfreie Alternative? Seit Dezember 2023 ist in der Schweiz das nicht hormonelle Medikament Veoza® (Wirkstoff: Fezolinetant) zur Behandlung vasomotorischer Symptome bei postmenopausalen Frauen zugelassen. Fezolinetant wirkt durch die Hemmung des Neurokinin-3-Rezeptors und beeinflusst so die Thermoregulation, die in der Menopause gestört ist. Der sinkende Östrogenspiegel erhöht die Neurokinin-B-Signalisierung, was Hitzewallungen verursacht. Fezolinetant blockiert diesen Prozess und reduziert somit die Symptome. Die Zulassung basiert auf den Phase-III-Studien SKYLIGHT-1 und -2, in denen Fezolinetant (30 und 45 mg/Tag) mit Plazebo verglichen wurde (23, 24). Bei 500 postmenopausalen Frauen führte die Einnahme bereits nach 4 Wochen zu einer signifikanten Reduktion von Hitzewallungen. Eine weitere Studie (SKYLIGHT-4) zeigte kein erhöhtes Risiko für Endometriumhyperplasie nach 52 Wochen (25). Fezolinetant ist kontraindiziert bei schwerer Leberund Niereninsuffizienz sowie bei Allergie auf einen Inhaltsstoff. Wechselwirkungen mit CYP1A2-Inhibitoren (z. B. SSRI, Cimetidin oder Ciprofloxacin) sind zu beachten. Es fehlen Daten für Frauen > 65 Jahre und bei früherem oder aktuellem Mammakarzinom. Die Entscheidung zur Behandlung dieser Frauen mit Veoza® muss auf einer individuellen Nutzen-RisikoAbwägung basieren. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Schlafstörungen und Durchfall, selten können Transaminasenerhöhungen auftreten, daher sind Laborkontrollen empfohlen. Fezolinetant bietet eine wirksame Therapieoption bei Kontraindikationen für eine MHT (26, 27).
Weitere Therapieoptionen Weiter kommen Möglichkeiten wie Psychopharmaka
im off-label-use, Tibolon oder nichtpharmakologi-
sche Therapieoptionen (z. B . kognitive Verhaltens-
therapie oder Akupunktur) in Frage, worauf wir in
diesem Artikel nicht weiter eingehen wollen.
Fazit
Patientinnen sollten auch in der allgemeingynäkolo-
gischen Sprechstunde aktiv nach perimenopausalen
Beschwerden gefragt werden. Wechseljahrbe-
schwerden sind häufig und können effektiv gelindert
werden. Entscheidend für die individuelle Therapie-
findung sind die Art der Beschwerden, der Leidens-
druck, das Risikoprofil sowie die persönlichen Präfe-
renzen und Bedürfnisse der Patientin.
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Dr. med. Nathalie Werth (Erstautorin) (Korrespondenzadresse) E-Mail: nathalie.werth@luks.ch
Dr. med. Romana Dolinschek
Prof. Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie Frauenklinik Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16
Interessenkonflikte: keine.
Literaturtipps: Was lesen/hören unsere Patientinnen?
• Dr. med. Sheila de Liz: «Woman on Fire – alles über die
fabelhaften Wechseljahre». 2020.
• Katja Burkard: «Wechseljahre – keine Panik». 2019 • Podcast Villa Margaritha: z. B. Folgen «Wechsel-Jara (45 J.)»,
«Hormon-Elle (49 J.)»
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