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KONGRESSBERICHT
American Society of Clinical Oncology (ASCO) Annual Meeting, Juni 2024
Früher Brustkrebs in der Prämenopause
Schwangerschaft nach Brustkrebs ohne besondere Probleme möglich
Junge Frauen, die eine Brustkrebsdiagnose und -Behandlung in einem frühen Stadium erhalten haben, können darauf hoffen, mindestens ein gesundes Kind zu gebären. Dies zeigte die erste prospektive Studie mit mehr als 10 Jahren Nachbeobachtung bei jungen Brustkrebs-Survivors, welche beim ASCO 2024 präsentiert wurde. Der Zugang zum Fertilitätserhalt sollte hohen Stellenwert haben.
Der Schock ist tief bei einer Brustkrebsdiagnose, ganz besonders wenn eine solche junge Frauen trifft, die vor der Familienbildung stehen. Und dennoch darf hier ermutigt werden: Bei Diagnose und Behandlung in einem frühen Stadium (bis Stadium III) ist mindestens eine Schwangerschaft und Geburt wahrscheinlich, wie jetzt eine Langzeitstudie offenbarte (1). Frühere Studien zur Thematik Mammakarzinom in der Prämenopause und Schwangerschaft bezogen sich auf kürzere Beobachtungszeiträume und schlossen keine prospektive Betrachtung und Evaluierung der Schwangerschaftsversuche ein.
Detaillierte Analyse biografischer und Tumorcharakteristika
Die «Young Women’s Breast Cancer
Study» (YWS) schloss über 1200 Frauen
unter 40 Jahren ein, bei denen Brust-
krebs im Stadium 0 bis III diagnostiziert
worden war. Der Beobachtungszeitraum
war 2006 bis 2016, die Studie war pros-
pektiv und multizentrisch angelegt und
zog Zentren in den USA, Kanada, Italien
und der Schweiz ein. Naturgemäss wa-
ren Frauen mit Hysterektomie, bilatera-
ler Oophorektomie und metastasierter
Krankheit ausgeschlossen. Daten zu
Schwangerschaftsversuchen
sowie
Massnahmen zu Fertilität wurden einbe-
zogen und zusammen mit demografi-
schen und Tumor- Charakteriska sowie
Therapien analysiert mit dem Ziel, die
Faktoren zu identifizieren, die Schwan-
gerschaft und Lebendgeburten begüns-
tigen.
Von den 1213 Studienteilnehmerinnen
hatten 197 (16%) über einen durch-
schnittlichen Zeitraum von 11 Jahren
(Spanne: 3 bis 17 Jahren) versucht, schwanger zu werden. Folgende Charakteristika flossen in die Analyse ein: n Das mediane Alter bei der Tumordia-
gnose war 32 Jahre (Spanne 17–40 J.). n 74% waren weiss (Ethnie nicht hispa-
nisch). n Bei Diagnose hatten 41% Brustkrebs
im Stadium I, 35% im Stadium II, 10% im Stadium III, 14% im Stadium 0. n 76% hatten eine hormonrezeptorpositive Erkrankung. n 68% erhielten Chemotherapie; 57% Hormontherapie innerhalb eines Jahres nach der Diagnose n 13% waren BRCA1/2-Träger. n 51% waren finanziell ausreichend gestellt. n 51% waren noch nie schwanger gewesen. n 72% waren nicht schwanger bei Diagnose. n 28% hatten Massnahmen zum Fertilitätserhalt (Kryokonservierung von Eizellen bzw. Embryos) unternommen. n 15% berichteten über Infertilität vor der Krebsdiagnose. n Die meisten (73%) hatten mehr als 1 Schwangerschaft nach der Diagnose. n 65% gebaren mehr als 1 lebendes Kind. n Der mittlere Zeitraum von der Krebsdiagnose bis zur ersten Schwangerschaft war 48 Monate (Spanne 6 bis 125 Monate). Bei der Auswertung (multivariables Analysemodel) zeigte sich, dass Frauen seltener schwanger wurden, wenn die Tumordiagnose im weiter fortgeschrittenen Alter war (Odds Ratio [OR]: 0,82 pro Lebensjahr (95%-KI: 0,74–0,90). Bezüglich Lebendgeburten traf dies entsprechend
zu. Ein Fertilitätserhalt nach der der Tu-
mordiagnose war deutlich prädiktiv (OR:
2,78; 95%-KI: 1,29–6,00), also die Rate der
Schwangerschaften war median fast drei-
fach erhöht. Finanzieller Wohlstand bei
Studienbeginn war eindeutig positiv mit
Eintritt einer Schwangerschaft verbun-
den (OR: 2,04; 95%-KI: 1,01–4,12).
Sehr interessant: Sterilität in der Anam-
nese, Nulliparität bei Diagnose, Tumor-
charakteristika, Krebstherapie, Ethnie
und auch der BRCA1/2-Status waren mit
keinem Outcome (Schwangerschaft/Kin-
desgeburt oder nicht) assoziiert.
Die Studienleiter schlussfolgern, dass
die meisten jungen Frauen mit Kinder-
wunsch nach Brustkrebsdiagnose/-be-
handlung gemäss dieser ersten prospek-
tiven, über 10-jährigen Studie, schwanger
werden und ein Kind zur Welt bringen
können. Erwartungsgemäss ist gemäss
der Studie das Erreichen einer Schwan-
gerschaft altersabhängig und bei Mass-
nahmen zum Fertilitätserhalt höher. Inte-
ressanterweise sind Tumorcharakteristika
und die Therapie nicht entscheidend.
Diese Informationen sollten in die Bera-
tung junger Brustkrebspatientinnen ein-
fliessen.
n
Bärbel Hirrle
Quelle: 1. Sorouri, K et al.: Fertility among young breast cancer survivors attempting pregnancy: A prospective, multicentre cohort study. ASCO 2024: Abstract #1518.
GYNÄKOLOGIE 3/2024
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