Transkript
PRISMA
Gerade auch bei Frauen:
Lungenkrebs – nicht nur bei Rauchern und älteren Männern
Ein Lungenkarzinom im Frühstadium ist heute immer noch meist ein Zufallsbefund, denn die Krankheit beginnt oft komplett asymptomatisch. Wie Pneumologe Prof. Dr. med. Daniel Franzen, Spital Uster, auf einem Medienevent* in Bern weiter betonte, haben die Betroffenen unter der Last ihrer Krebserkrankung und Behandlung auch noch mit Vorurteilen und viel Stigmatisierung («Raucher sind selbst schuld») zu kämpfen.
Unwissen und Vorurteile rund um die Krankheit halten sich hartnäckig, so der Pneumologe. Wie vielfach angenommen, seien eben nicht nur ältere Männer und Raucher von einem Bronchialkarzinom betroffen. Seit Jahrzehnten erkrankten immer mehr Frauen, und zwar vermehrt auch im mittlerem Lebensalter (auch wenn absolut gesehen die Zahl der Erkrankten ab 65. Lebensjahr am höchsten ist). Ferner träfe die Krankheit auch Nichtraucher und Nichtraucherinnen, wenn auch weitaus seltener als Männer und Frauen, die seit ihrer Jugend Kettenraucher sind. Eine Diagnose und Therapie im Frühstadium bleibt weiterhin die einzige Chance auf Heilung. Nur etwa 30% der Patientinnen und Patienten mit Bronchialkarzinom werden aber im Früh- oder lokal fortgeschrittenen Stadium (I und II) erkannt – wegen langer Beschwerdefreiheit oftmals als Zufallsbefund oder auch bei Konsultation wegen beginnender Kurzatmigkeit. Patienten mit einem bestimmtem Risikoprofil könnten von ei-
Kasten:
Mögliche Symptome von Lungenkrebs
Befund/Symptom
Häufigkeit (%)
Gewichtsverlust 0–68%
Husten 29–87%
Bluthusten 6–35%
Thoraxschmerzen
6–60%
Kurzatmigkeit 3–58%
Röcheln, Stridor
2–14%
Heiserkeit 1–18%
Fieber/Schwäche 0–20%
Quelle: Prof. Daniel Franzen, zusamengestellt auf Basis der Studienlage. Vortrag: «Die Perspektive des Pneumologen» anlässlich des «Lung Cancer Awareness Event», 29. Februar 2024.
nem CT-Screening zur Früherkennung profitieren, so neuere Studiendaten. Leider sei vor allem aus organisatorischen und finanziellen Gründen die Implementierung eines solchen Programms in der Schweiz nicht in Sicht. Dagegen habe Grossbritannien mit seinen Überlandbussen einiges an Früherkennung erreicht, so Franzen. Hausärzte sollten die «Red Flags» der Symptome bei Verdacht auf ein Lungenkarzinom ihrer Patienten im Auge behalten und in die weitere Differenzialdiagnostik einbeziehen. Diese «Reg Flags» für Verdacht auf Lungenkrebs sind: n Raucher/Ex-Raucher n Alter > 60 Jahre n Husten > 4 Wochen n Bluthusten n Unerklärter Gewichtsverlust. Die Häufigkeiten aufgrund der Studienlage sind im Kasten zusammengestellt.
Aktuelle Facts bei Frauen
Neue Entwicklungen: Lungenkrebs geht seit einigen Jahrzehnten bei Männern zurück (v.a. aufgrund greifender Rauchstopp-Initiativen), bei Frauen hingegen nimmt die Inzidenz parallel zu, auch wenn absolut gesehen weitaus häufiger Männer erkranken. Dies betrifft sowohl die Inzidenz als auch die Sterblichkeit bei beiden Geschlechtern. Gründe werden vor allem darin gesehen, dass seit den 1960er Jahren immer mehr Frauen und schon jugendliche Mädchen rauchen. Auffällig sind Geschlechtsunterschiede bezüglich der Histologie: Bei Frauen besteht meist ein Adenokarzinom (das seit 1980 insgesamt stark zunimmt). Ursächlich werden unter anderem hormonelle Faktoren vermutet; ein Zusammenhang zur Krankheitsentwicklung wird aktuell in
Studien untersucht. Franzen betonte, dass Frauen auch vielfach andere Frühsymptome als Männer zeigten, was dazu führe, dass häufig «Herzprobleme» aufgrund von Stress vermutet werden und bei ihnen die Diagnose Bronchialkarzinom spät gestellt wird. Doch auch Nichtraucher können betroffen sein: In einer weltweiten Untersuchung von Lungenkrebspatientinnen und -patienten, die nie geraucht haben, sind die meisten Frauen. Höchste Inzidenz besteht bei denjenigen, die in Südasien, Lateinamerika und an der Ostküste Nordamerikas leben (Corales L et al; 2020). Die Ursachen sind weithin ungeklärt.
Diskussion um Früherkennungsprogramm
Franzen nannte Zahlen zur Diagnostik:
Gemäss einer Studie (Fry, 1999) werden
24% der Bronchialkarzinome im Stadium
I, 7% im Stadium II, 31% im Stadium III
und die meisten, 38%, im Stadium IV ent-
deckt. Auch wenn die Lebenserwartung
selbst in fortgeschrittenen Stadien auf-
grund verbesserter Diagnostik und
neuen Therapiemodalitäten steigt,
bleibt die Behandlung meist palliativ.
Ein CT-Screening und entsprechendes
Programm zur Früherkennung für Risiko-
personen kann gemäss neuerer klini-
scher Studien vor früher Mortalität be-
wahren. Insgesamt wird der Effekt in
Fachkreisen noch diskutiert, hinzu kom-
men in der Schweiz Hindernisse für eine
Implementierung wie solche der kanto-
nalen Organisation, Stigmatisierung und
Ängste der Teilnehmer und nicht zuletzt
der Kostenfaktor.
n
Bärbel Hirrle * Quelle: Lung Cancer Awareness Event. Bern, 29. Februar 2024.
GYNÄKOLOGIE 2/2024
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