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SGGG-EXPERTENBRIEF NR. 81
In der GYNÄKOLOGIE werden – nach Auswahl der Herausgeber – an dieser Stelle aktuelle Expertenbriefe publiziert (verifizierte Printform).
Expertenbrief Nr. 81
(siehe auch: http://sggg.ch/de/members_news/1005)
Kommission Qualitätssicherung Präsident Prof. Dr. med. Daniel Surbek
Screening und Management der Gestationsdiabetes
Es wird empfohlen, bei allen Schwangeren zwischen 24 und 28 Schwangerschaftswochen (SSW) ein Screening des Gestationsdiabetes mittels oralem Glukosetoleranztest (75g-OGTT) durchzuführen.
(= Nüchtern-Plasmaglukose-Bestimmung, gefolgt von oraler Einnahme von 75g Glukose und Blutzuckerbestimmung nach 1 und 2 Stunden unter standardisierten Bedingungen und qualitätsgesicherter Glukosemessung).
Evidenzlevel
I. Hösli, S. Amylidi-Mohr, G. Althof*, M. Brändle*, A. Hamza, C. Honegger, F. Jornayvaz*, R. Lehmann*, B. Martinez de Tejada, B. Le Tinier, J. J. Puder*, L. Raio,
M. Singer, D. Surbek, A. Troendle*
Gestationsdiabetes (GDM) ist eine Störung des Glukosestoffwechsels, die in der Regel durch ein Screening nach der 24+0 SSW erstmals diagnostiziert wird und die nach der Geburt wieder verschwindet. GDM ist mit folgenden fetalen, maternalen und neonatalen Risiken assoziiert: fetale Makrosomie (> 4000 g) oder large for gestational age (LGA > 95. Perzentile), intrauteriner Fruchttod (IUFT) im dritten Trimenon, Kaiserschnitt, Schulterdystokie, mütterliche und kindliche Geburtsverletzungen, postpartale Hämorrhagie, Frühgeburt, Präeklampsie, schwan-
Keypoints (Von den Autoren empfohlen)
n Frühes Screening auf einen vorbestehenden Diabetes mellitus (DM) in der Frühschwangerschaft im Anschluss an die erste Schwangerschaftskontrolle mit Nüchtern-Plasmaglukose oder HbA1c.
n Standardisierte Testbedingungen (u.a. Nüchternperiode ≥ 8 Stunden, Testbeginn zwischen 6 und 9 Uhr).
n Einzeitiges Screening auf GDM zwischen 24+0 und 28+0 SSW bei Risikofaktoren.
n Zweistufiges Vorgehen mittels Nüchtern-PlasmaglukoseBestimmung, sofern keine Risikofaktoren.
n Glukose-Tagesprofil (statt 75g-OGTT) bei Status nach bariatrischen Eingriffen oder nach Erbrechen bei vorherigem OGTT.
n Spezielle Situationen beachten (Status nach bariatrischen Eingriffen, Status nach antepartaler Kortikosteroidgabe, Zwillingsschwangerschaften).
n Antepartales Management: sonografische Kontrollen abhängig von klinischen und Risikofaktoren alle 2 bis 4 Wochen.
n Bei GDM mit zusätzlichen mütterlichen Risikofaktoren oder zusätzlichen sonografischen Anomalien können wöchentliche CTG-Kontrollen ab der 34. bis 36. SSW durchgeführt werden.
n Geburtseinleitung individuell planen, abhängig von Blutzuckerwerten und Ultraschallbefunden (Reduktion an Makrosomie und verringertes Risiko für höhergradige Dammrisse).
n Präpartale Kolostrumgewinnung, Stillempfehlungen, Screening auf DM postaartal.
n Wiederholungsrisiko.
gerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH), peripartale Depression, fetaler Hyperinsulinismus (neonatale Hypoglykämie). Langzeitrisiken für die Mutter sind die Wiederholung eines GDM in der Folgeschwangerschaft und später die Entwicklung eines Typ-2Diabetes mellitus (DM) sowie kardiovaskuläre Erkrankungen, Hepatopathien sowie für die Kinder im Erwachsenenalter Adipositas und/oder ein gestörter Glukosemetabolismus (1). Die Pathophysiologie des Gestationsdiabetes entspricht zu einem grossen Teil der des DM-Typ 2. Auf der Basis einer genetischen Prädisposition und Ethnizität spielen vor allem Übergewicht und der Lebensstil (Ernährung, Bewegung, sitzende Tätigkeit) der Frau eine grosse Rolle. Die in der zweiten Schwangerschaftshälfte physiologisch einsetzende Insulinresistenz führt im Falle eines GDM bei gleichzeitig vorliegendem (zumindest relativem) Insulinsekretionsdefekt zur Hyperglykämie in der Gravidität. Neben den hormonellen Veränderungen in der Gravidität dürften auch eine veränderte Freisetzung von Adipokinen und Zytokinen aus dem Fettgewebe und der Plazenta eine Rolle spielen (1). Die Beobachtungsstudie «Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome» (HAPO) hat gezeigt, dass eine lineare Beziehung zwischen Plasmaglukosewert und gewissen schlechten perinatalen Verläufen besteht und dass es keinen klaren Schwellenwert gibt, mit dem der GDM eindeutig definiert werden kann (2). Die SGGG sowie mehrere internationale diabetologische und geburtshilflich-gynäkologische Gesellschaften und Organisationen (= WHO, European Board and College of Obstetrics and Gynaecology EBCOG, European Association for Perinatal Medicine EAPM, International Diabetes Federation FIGO, International Association of Diabetes in pregnancy study groups IADPSG und andere) haben die Empfehlungen zum Screening des GDM von der Gruppe IADPSG übernommen (3). Diese Empfehlungen stützen sich auf die Resultate der HAPO-Studie, um die Art des Screeningtests festzulegen und um den kritischen Plasmaglukosewert zu definieren, mit dem bei schwangeren Frauen ein GDM diagnostiziert wird. Bei der Wahl des Schwellenwerts bezieht sich die Expertengruppe auf die Erhöhung des relativen Risikos (Odds Ratio) für eine Makrosomie und/oder auf die Erhöhung des C-Peptids im Nabelschnurblut von ungefähr 1,75.
* Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie
IIb IIb
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Mit Einführung dieses einzeitigen Screeningverfahrens und der maglukose) bestätigt. Schwangere mit erhöhtem Risiko für
Zunahme der Risikofaktoren Alter und Adipositas hat die Prä- GDM und erhöhten HbA1c-Werten (≥ 5,7% und < 6,5%) können valenz in den letzten Jahren stark zugenommen. In der Schweiz somit früh in der Schwangerschaft hinsichtlich Ernährung und III liegt die Prävalenz des GDM bei 9,0–10,9% (4, 5). Bei Frauen ≥ Lebensstil beraten werden (13–15). Sie weisen auch postpartal III/IV/ 30 Jahren ist die Prävalenz zweifach, bei einem BMI ≥ 30 kg/m2 ein erhöhtes Risiko für metabolische Störungen und kardiovas- IIa Ia sechsfach erhöht (6). kuläre Risiken auf (16). Es gibt bisher keine Evidenz, dass ein IIb Daten aus der Schweiz haben mit der Einführung des Scree- 75g-OGTT vor 24 SSW sinnvoll ist, um früher einen GDM zu nings gemäss IADPGS-Kriterien und Behandlung des GDM entdecken. eine Reduktion an LGA, neonatalen Hypoglykämien und Früh- Diagnostik eines DM: Eine Bestätigung des pathologischen geburten gezeigt, allerdings bei einem dreifachen Anstieg der Resultates im Sinne eines Diabetes mellitus muss durch ei- Diagnose GDM und ohne Reduktion anderer typisch GDM-as- nen weiteren anderen Test in der gleichen Blutentnahme soziierter Komplikationen (5). Da die Ursachen der Frühgeburt oder an einem anderen Tag erfolgen. Ein erhöhter HbA1cmultifaktoriell sind, lässt sich ein direkter kausaler Zusammen- Wert soll durch die Bestimmung eines Nüchtern-Plasmaglu- hang mit der Einführung der Kriterien nicht ausschliessen, aber kosewertes oder mittels oGTT überprüft werden. Bestim- auch nicht bestätigen. Ebenfalls konnte in zwei anderen Stu- mungen sind mit Laborgeräten auszuführen (i.d.R. venöse dien gezeigt werden, dass die Behandlung des GDM auch in Blutentnahme). mild ausgeprägter Form die Rate an Präeklampsien, SIH und Bei einem negativen Test in der Frühschwangerschaft wird ein Sectiones reduziert und das neonatale Outcome (weniger LGA) reguläres Screening in der 24. bis 28. SSW durchgeführt. Ib verbessert (7–9). Die Datenlage für ein Screening mit dem 75g-OGTT in der Frühes Screening auf vorbestehenden Diabetes mellitus (DM) in der Frühschwangerschaft – Frühschwangerschaft vor 20 SSW und die Behandlung zeigte im Vergleich zum Screening mit 24–28 SSW in einer grossen RTC (TOBOGM-Studie) einen nur geringen Benefit in Bezug im Anschluss an die erste Schwangerschaftskontrolle auf das neonatale Outcome (Frühgeburt, Gewicht > 4500 g,
Weist eine Frau einen oder mehrere Risikofaktoren für DM- Geburtstraumata, neonatale respiratorische Störungen, Foto-
Typ-2 auf, wird das Screening auf einen präkonzeptionellen Dia- therapie, IUFT, neonatale Mortalität) und keinen signifikanten
betes bei der ersten Schwangerschaftskontrolle in der Früh- Unterschied in SIH oder dem neonatalen Lean Body Mass. Bei
schwangerschaft (< 15 SSW) empfohlen. Risikofaktoren sind: Schwangeren mit nur leicht erhöhten Plasmaglukosewerten war n Alter > 35 Jahre
das Risiko in der frühen Behandlungsgruppe höher für SGA. Es
n Status nach bariatrischen Eingriffen (10, 11)
ist nicht geklärt, ob die Diagnose des frühen GDM auf densel-
n Adipositas (BMI > 30 kg/m2) vor der Schwangerschaft n Herkunft: nicht europäisch (Afrika, Asien, Lateinamerika)
ben Diagnosekriterien, die für 24–28 SSW etabliert sind, beruhen kann (17).
Ib
n Positive Familienanamnese für DM-Typ-2 (Verwandtschaft ersten Grades)
n Positive persönliche Anamnese eines Gestationsdiabetes
Screening auf GDM zwischen 24+0 und 28+0 SSW
n Makrosomie in vorausgegangener Schwangerschaft n PCOS
Einzeitiges Screening Standardvorgehen
n Diabetesspezifische Symptome in der Frühschwangerschaft Ist die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests 75 g
(Polyurie, Polydipsie, ausgeprägte Glukosurie).
(75g-OGTT) bei allen schwangeren Frauen zwischen der 24+0
und 28+0 SSW unter Standardbedingungen (= keine akute Er-
Screening durch Nüchtern-Plasmaglukose
krankung, Fieber, Hyperemesis, ärztlich verordnete Bettruhe,
Dieses Screening erfolgt durch Bestimmung des venösen keine Aufnahme kontrainsulinärer Medikamente am Morgen
Plasmaglukosewertes. Bei Nüchtern-Plasmaglukosewerten des Tests wie Progesteron, L-Thyroxin, Kortikosteroide, Beta-
< 5,1 mmol/l ist ein früher GDM ausgeschlossen. Liegen die Sympathomimetika, keine aussergewöhnliche körperliche Be- Werte ≥ 5,1 mmol/l, sollte ein zweiter Test (z. B. HbA1c) erfolgen. lastung direkt vor dem Test, normale individuelle Ess- und TrinkEin alleiniger Test ist nicht ausreichend für die Diagnostik (12). gewohnheiten mit der üblichen Menge an Kohlenhydraten in Ein DM liegt vor bei Nüchtern-Plasmaglukose ≥ 7,0 mmol/l den letzten 3 Tagen vor der Blutentnahme). oder bei einer Plasmaglukose 2 Stunden postprandial von Die Grenzwerte zur Diagnose eines GDM sind dabei: ≥ 11,1 mmol/l. n Nüchternblutzucker: ≥ 5,1 mmol/l Liegen die Werte ≥ 5,6–6,9 mmol/l nüchtern und ≥7,8 –< 11,1 n Blutzucker nach 1 Stunde: ≥ 10 mmol/l mmol/l 2 Stunden postprandial, besteht ein Prädiabetes. Eine n Blutzucker nach 2 Stunden: ≥ 8,5 mmol/l Ernährungsberatung und Blutzuckerselbstkontrollen sind emp- Ein einziger pathologischer Wert genügt, um die Diagnose fohlen (2). GDM zu stellen. Screening durch HbA1c Bei einem HbA1c-Wert < 5,7% besteht kein früher GDM. Bei Werten ≥ 6,5% ist ein DM nachgewiesen, wenn er sich in einem zweiten unterschiedlichen Testverfahren (z. B. Nüchtern-Plas- Weitere Kriterien zur Evaluation: Ein Nüchtern-Plasmaglukosewert ≥ 7,0 mmol/l gilt als Verdacht auf einen vorbestehenden DM, ein Belastungstest mit 75g-Glukose sollte in diesen Fällen nicht durchgeführt werden und eine GYNÄKOLOGIE 1/2024 27 Zweitmessung am Folgetag ist angezeigt, beide Werte müssen sikofaktoren in der Frühschwangerschaft). Schwangere mit ≥ 7,0 mmol/l liegen. einem oder mehreren Risikofaktoren hatten in einer Schwei- Ein Wert ≥ 11,1 mmol/l 2 Stunden nach Belastung erlaubt eben- zer Kohorte signifikant häufiger perinatale Komplikationen falls die Diagnose eines DM. In diesem Fall sollte aber 6 bis 8 und metabolische Störungen bis zu einem Jahr nach der Ge- Wochen postpartal nochmals nachgetestet werden, da nicht burt (19). IIb alle Frauen postpartal auch wirklich einen DM haben. Die Bestimmung des Blutzuckers muss in venösem Plasma er- Zweizeitiges Screening folgen. Es ist wichtig, sich zu vergewissern, dass die Frau tat- Das Screening in zwei Etappen basiert auf einem anfänglichen sächlich nüchtern ist bzw. eine Nüchternperiode von mindes- 50g-Glukose-Belastungstest mit Plasmaglukosebestimmung tens 8 Stunden einhält. Der Testbeginn sollte nicht vor 6 Uhr nach einer Stunde, gefolgt von einem 2-Stunden-75g-OGTT und nicht nach 9 Uhr beginnen (tageszeitliche Abhängigkeit oder von einem 3-Stunden-100g-OGTT nur bei auffälligem Re- der Glukosetoleranz). Die Schwangere sollte sich während des sultat (wie von SOGC und ACOG empfohlen) (20, 21). Die Dis- IV Tests nicht unnötig bewegen, und sie sollte nicht rauchen. Ka- kussion, ob ein einzeitiges oder zweizeitiges Screening durch- pilläre Blutentnahmen genügen den Anforderungen zur exak- geführt werden soll, ist nach Publikation von zwei RCT und einer ten Plasmaglukosebestimmung nicht. Metaanalyse jedoch nach wie vor aktuell und ist bis jetzt nicht Die Analyse des Glukosewertes sollte schnell erfolgen. Es muss eindeutig geklärt. Die Ergebnisse zeigten, dass bei einem ein- ein für die Glukosebestimmung spezielles Blutentnahmeröhr- zeitigen Vorgehen gemäss den IADPSG-Kriterien im Vergleich chen verwendet werden, das mit einem Glykolyse-Inhibitor be- zu einem zweizeitigen Vorgehen mit 100g-OGTT bei auffälli- schichtet ist, sonst nimmt die Glukosekonzentration im Verlauf gem vorgängigem 50g-Suchtest doppelt so häufig die Diag- der Zeit nach der Blutentnahme ab. nose eines GDM gestellt wurde. Beim klinischen Outcome (LGA, Präeklampsie oder SIH, Sectiorate) und beim perinatalen Zweistufiges Vorgehen mittels Nüchtern-Plasmaglukosebe- Composite Outcome zeigte sich jedoch kein Unterschied bzw. stimmung kam zu einer höheren Rate an neonataler Hypoglykämie und Da die Einnahme von 75g-Glukose von manchen Schwangeren Verlegung auf die Neonatologie (22–24). Die gross angelegte Ib/Ia als unangenehm empfunden wird und auch in der Logistik Studie von Hillier weist jedoch einige wesentliche methodische schwierig sein kann, kann ein zweistufiges Vorgehen gewählt Mängel auf, so dass die Ergebnisse weiterer geblindeter rando- werden: Zuerst wird ein Nüchtern-Plasmaglukosewert be- misierter Studien abgewartet werden sollten (25). Es liegen IV stimmt. Ist der Wert ≥ 5,1 mmol/l (und die Frau ist tatsächlich keine Daten zum Langzeitoutcome nach 10 bis 14 Jahren von nüchtern), ist die Diagnose GDM gegeben («rule in»). Liegt der Müttern und Kindern vor, wie sie inzwischen aus den Nachfol- Wert < 4,4 mmol/l, so ist die Diagnose eines GDM weniger gestudien von HAPO publiziert sind (26–28). Bei der Diagnose IIb wahrscheinlich – bei allerdings deutlich tieferer Sensitivität von GDM wurden in einer retrospektiven Arbeit Frauen mit mil- (78,5–95%) («rule out)». Diese Variante würde es erlauben, bei der Hyperglykämie mit dem zweizeitigen Screening nicht de- 40–63% der Frauen auf den oralen Belastungstest zu verzichten tektiert, die im direkt durchgeführten 75g-OGTT entdeckt und (< 4,4 mmol/lL: 35% und ≥ 5,1 mmol/lL: 8,3%) (4). Ähnliche Er- behandelt wurden. Die Behandlung dieses Kollektivs verrin- gebnisse erbrachte eine grössere belgische Studie: Dort hatte gerte das Risiko für LGA und das Risiko für ein Geburtsgewicht ein Nüchtern-Plasmaglukosewert < 4,3 mmol/l eine Sensitivität > 4000 g um das Dreifache (29).
III
von 81%, einen negativen Vorhersagewert von 97,3% (95%-KI; Die Frage, welches Screeningverfahren zu bevorzugen ist, lässt
96,5–98,0) für GDM bei gleichzeitiger Vermeidung von 52,2% sich zurzeit nicht abschliessend beurteilen; bei der Wahl sollten
IIa OGTTs (18). Bedingung für diese Strategie ist, dass das Labor- individuelle maternale und geburtshilfliche Risiken miteinbezo-
resultat sehr schnell zur Verfügung steht oder aber, dass der gen werden. Der Weg zu einem kosten- und gleichzeitig
allfällig notwendige orale Glukosetoleranztest mit 75g Glukose schwangeren- und anwenderfreundlichen Screening liegt wahr-
an einem anderen Tag wiederholt wird, wenn der Wert zwischen scheinlich auch eher bei einem risikoadaptierten Screening, bei
4,4 und 5,0 mmol/l liegt.
dem beide, das ein- und das zweizeitige Vorgehen zum Einsatz
Sollte die Glukose erbrochen werden, kann man auch anhand kommen (25).
des Nüchtern-Plasmaglukosewerts und der Risikosituation ent-
scheiden, ob der Test wiederholt oder z. B. ein kapillär gemes- Nicht empfohlen:
senes Blutzuckertagesprofil durchgeführt wird. Um das Resultat aus venösem Plasma rasch zu erhalten, ist es eine vertretbare Strategie, ein schnelles Laborgerät mit einer Variabilität von ≤
n Eine Diagnostik, die sich auf die Bestimmung des HbA1c stützt, ist nicht hilfreich, da zwischen dem HbA1c-Wert und ungünstigen perinatalen Verläufen keine Korrelation besteht
3% zu verwenden (z. B. «Hemocue 201», der Vollblut verwen-
(HAPO-Studie).
det und das Resultat der Plasmakalibration entsprechend kor- n Ein nur selektives Screening im zweiten Trimenon nach
rigiert, oder «Fuji-Drichem», der Plasma verwendet, was eine
GDM-Risikofaktoren (= Alter > 35 Jahre, BMI > 30 kg/m2 vor
vorgängige Zentrifugierung des Blutes bedingt). Liegt der
der Schwangerschaft, Mehrlinge, Schwangerschaft nach re-
Wert zwischen 4,4 und 5,0 mmol/l, sollte ein 75g-OGTT im An-
produktionsmedizinischen Massnahmen, Rauchen, chroni-
schluss oder baldmöglichst durchgeführt werden.
sche Hypertonie, vorausgegangene Makrosomie, Nichtkau-
Diese Alternative sollte nicht durchgeführt werden bei Vor-
kasier). Länder wie UK (NICE), Frankreich, Italien oder Irland
liegen von Risikofaktoren für einen GDM (siehe Abschnitt Ri-
führen den 75g-OGTT nur bei Vorhandensein von Risikofak-
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toren durch (11–13). Damit werden ca. 40% der Fälle von nen wie HPL (humanes Plazentalaktogen), die zu einer stärkeren
GDM verpasst.
Insulinresistenz führen, zurückgeführt. Bei Patientinnen mit diä-
Screening des GDM im dritten Trimester
tetisch behandeltem GDM in einer Zwillingsschwangerschaft kann eine zu strikte glykämische Einstellung das Risiko für SGA/
Wenn das Screening zwischen der 24+0 und der 28+0 SSW IUGR erhöhen (30). Es ist bisher nicht durch RCT belegt, ob für III
nicht durchgeführt wurde, soll es sobald als möglich im dritten Zwillingsschwangerschaften höhere Cut-off-Werte beim 75g-
Trimenon nachgeholt werden. Findet die erste Untersuchung OGTT-Screening gewählt werden sollten als für Einlingsschwan-
der schwangeren Frau sehr spät statt (z. B. nach der 32. SSW), gerschaften (31).
III
kann eine Plasmaglukosebestimmung nüchtern (≥ 7,0 mmol/l)
und/oder postprandial (≥ 11,1 mmol/l) genügen, weil eine Antepartales Management und Geburt
eventuell nötige Behandlung in diesem Schwangerschaftsalter Die Behandlung des GDM soll multidisziplinär in enger Abspra-
wohl nur noch einen beschränkten Einfluss haben wird. Bei feh- chen mit den Endokrinologen erfolgen. Die Zielwerte bei der
lenden Risikofaktoren oder Anzeichen beim Kind ist vor allem Behandlung des GDM sollten bei Blutzucker-Selbstbestim-
ein Screening nach der Geburt wichtig.
mung wie folgt aussehen:
Es kann vorkommen, dass eine Frau, die bei 24 bis 28 SSW ein n Nüchternblutzucker: < 5,3 mmol/l normales Screeningresultat hatte, im späteren Verlauf der n Blutzucker 1 Stunde postprandial: < 8 mmol/l oder Schwangerschaft zusätzliche Risikofaktoren aufweist (z. B. un- n Blutzucker 2 Stunden postprandial: < 7 mmol/l. klares Polyhydramnion, Verdacht auf Makrosomie, Langzeitbe- In den meisten Fällen können diese Ziele durch Ernährungs- handlung mit Progesteron oder Kortikosteroiden), die einen umstellung nach Ernährungsberatung und vermehrter körper- Hinweis für die Entwicklung eines spät aufgetretenen GDM licher Aktivität erreicht werden. Sollten sich die Werte nach 1 geben können. Unter Berücksichtigung der individuellen klini- bis 2 Wochen nicht erreichen lassen, wird eine medikamentöse schen Situation könnte in solchen Fällen ein zweites Screening Behandlung empfohlen. Hinsichtlich Gewichtskontrolle wird (Nüchternplasmaglukose oder eine Belastung mit 75 g Glukose gemäss IOM empfohlen (siehe Tabelle) (32, 33). IV < 32 SSW) oder eine Blutzuckerselbstmessung (≥ 32 SSW) ein- geleitet werden. Spezielle Situationen Sonografische Kontrollen Es liegen keine randomisierten Studien vor, die bei GDM die Anzahl der Schwangerschaftskontrollen, der Ultraschallunter- Screening nach bariatrischen (malabsorptiven Verfahren) Eingriffen In diesen Situationen sollte kein 75g-OGTT wegen möglicher suchungen, den Einsatz des fetalen und fetomaternalen Dopplers und das Intervall der CTG-Überwachung prospektiv untersucht haben. Das Intervall der Überwachung sollte abhängig Hypoglykämien (Cave: Dumping Syndrom) durchgeführt wer- von der klinischen Situation und den Risikofaktoren zwischen 2 den, sondern ein Blutzuckertagesprofil über 1 bis 2 Wochen mit und 4 Wochen liegen. Die Schwangerschaftskontrollen sollten Blutzucker-Einzelmessungen, nüchtern und 1 Stunde postpran- den sonografischen Wachstumsverlauf, die Bestimmung der dial unter normalen Ernährungsbedingungen, und zwar bei Fruchtwassermenge sowie die fetomaternalen und fetalen 24–28 SSW. Bei Überschreiten der Zielwerte soll Rücksprache Doppler miteinschliessen. Dabei ist vor allem der fetale Abdo- mit dem bariatrischen Zentrum sowie den betreuenden Endo- menumfang ein wichtiger Parameter zur Erfassung eines diabe- krinologen erfolgen (1). Die Zielwerte liegen nüchtern < 5,3 togenen übermässigen Wachstums. Bei auffälligen Werten mmol/l, nach 1 Stunde postprandial < 8 mmol/l und nach 2 sollte die Blutzuckereinstellung und/oder die Insulintherapie Stunden porstprandial < 7 mmol/l (adaptiert für die Schweiz überdacht werden. Der Ultraschall bzw. die Information aus der IV nach [10]). Alternativ kann auch eine kontinuierliche Glukose- fetoplazentaren Einheit (Plazentadicke) sollten verwendet wer- messung während 7 bis 10 Tagen durchgeführt werden (auch den, um die maternale Therapie zu modulieren. Allenfalls kann wenn es dazu noch keine RCT gibt) (27). Bei Risikopatientinnen zusätzlich ein CTG eingesetzt werden. Eine Abweichung in der für GDM werden zusätzliche Blutzucker-Selbstmessungen in der 12. bis 16. SSW und Wiederholung mit 24 bis 28 SSW emp- fohlen. Mindestens eine HbA1c-Bestimmung sollte im ersten Trimenon erfolgen. Bei einem HbA1c-Wert > 5,9% liegt ein IV GDM vor (11).
Tabelle:
BMI-adaptierte Gewichtszunahmen
in der Schwangerschaft
Screening nach antepartaler Kortikosteroidgabe Wenn zum geplanten Zeitpunkt eine antepartale Kortikostero-
idgabe zur fetalen Lungenreifung indiziert ist, sollte das Scree-
ning 5 bis 7 Tage nach der letzten Kortikosteroiddosis erfolgen.
Normalgewicht Untergewicht
BMI vor Schwanger- schaft in kg KG/m2 18,5–24,9 < 18,5 Empfohlene Gewichtszunahme in kg 11,5–16 12,5–18 Screening bei Zwillingsschwangerschaften Bei Zwillingsschwangerschaften ist die Inzidenz von GDM hö- Übergewicht Adipositas Klasse I Adipositas Klasse II 25–29,9 30–34,9 35–39,9 9,7–11,5 5–9 1–<5 her als bei Einlingsschwangerschaften. Dies wird auf die grös- Adipositas Klasse III ≥ 40 keine sere Plazentamasse und höhere Werte an plazentaren Hormo- GYNÄKOLOGIE 1/2024 29 Wachstumskurve (Perzentilensprung des fetalen Abdomen- Geburtseinleitung bei schlecht eingestelltem GDM durchmessers) kann dazu führen, die Blutzuckerwerte strikter Eine Einleitung in der Regel ab 38 bis 39+0 SSW sollte angebo- einzuhalten, um einer Makrosomie vorzubeugen. Bei einer feta- ten werden bei len Makrosomie oder schlecht eingestellten Werten kann sich n schlecht kontrolliertem GDM (keine normoglykämischen auch ein Polyhyramnion entwickeln. Das Auftreten eines IUGR Werte, Perzentilensprung, Makrosomie, IUGR, Polyhdram- kann die Folge eines zu strikt eingestellten Blutzuckers (Malnu- nion) und trition) sein oder eine Komplikation der vorliegenden assoziier- n Auftreten von maternalen Komplikationen wie SIH. ten Risikofaktoren (Plazentarinsuffizienz). Eine weniger strikte Ib Einstellung des Blutzuckers kann hierbei notwendig sein (34). Bei sonografischem Verdacht auf fetale Makrosomie respektive LGA (> 95. Perzentile) sollte eine Geburtseinleitung nach er-
CTG-Kontrollen
folgter Messung diskutiert werden. Die Messung des Abdo-
Es gibt keine Evidenz, ab welchem Zeitpunkt und wie häufig ein menumfangs (AC) > 35 cm ist prädiktiv für eine Makrosomie;
antepartales CTG bei GDM durchgeführt werden sollte. Bei jedoch ist die Sensitivität und Spezifität nicht sehr hoch (40).
III
Schwangerschaftsdiabetes mit zusätzlichen mütterlichen Risi- Eine Einleitung wegen schlechter Blutzuckereinstellung vor 38
kofaktoren oder zusätzlichen sonografischen Anomalien kön- SSW sollte wegen frühgeburtlichkeitsbedingter Morbidität ver-
nen wöchentliche CTG-Kontrollen ab der 34. bis 36. SSW durch- mieden werden (38). Vielmehr sollte eine (meist ambulante)
geführt werden.
pränatale Optimierung der Blutzuckerwerte erfolgen.
In einer grossen randomisierten, kontrollierten Studie wurde
Antepartale Überwachung der Mutter
die Geburtseinleitung bei Verdacht auf LGA > 95. Perzentile
Bei Schwangeren mit GDM besteht ein erhöhtes Präeklampsie- oder einem geschätzten Kindsgewicht > 4000 g mit einem ab-
risiko.
wartenden Management verglichen: in ca. 10% lag ein GDM
vor. Durch die Einleitung konnte die Rate an Schulterdystokien
Geburtsplanung
gesenkt werden bei gleicher Rate an Sectiones. Eine zu frühe
Eine Überweisung an die Zentrumsklinik soll dann erfolgen, Geburtseinleitung (< 38 SSW) sollte vermieden werden, da dies wenn der GDM schlecht eingestellt ist und/oder sonografische das Risiko für eine neonatale Hyperbilirubinämie erhöht (41). Ib Zeichen der diabetischen Fetopathie vorliegen. Bei Tendenz zu Polyhydramnion und/oder Makrosomie soll niederschwellig ein Sectioindikationen Expertenultraschall indiziert werden, um eine Fetopathie zu ob- Bei einem geschätzten Geburtsgewicht von ≥ 4500 g steigt das IV jektivieren (1, 35). Eine elektive Geburtseinleitung aller Schwan- Schulterdystokierisiko signifikant. Hier sollte die primäre Sectio geren mit GDM weist keine Vorteile für Mutter und Kind auf. Es empfohlen werden (1). Bei einem Schätzgewicht von < 4500 g empfiehlt sich ein individuelles Vorgehen. sollte eine differenzierte Aufklärung der Schwangeren über das individuell erhöhte Schulterdystokierisiko erfolgen. Die Schwan- Geburtseinleitung bei gut eingestelltem GDM gere sollte jedoch auf die Ungenauigkeit der Schätzung, die mit Das optimale Geburtsmanagement bei GDM wird mangels steigendem Geburtsgewicht zunimmt, das Risiko der Sectio ausreichender Evidenz, der Heterogenität der Studien und der und die Konsequenzen für plazentare Nidationsstörungen in Fallzahlen kontrovers diskutiert. In einem systematischen Re- der folgenden Schwangerschaft aufmerksam gemacht werden view führte die Einleitung bei Frauen mit GDM zu einer signifi- (1). kanten Reduktion an Makrosomie (in RCTs 0,49 [0,30–0,81]); in Beobachtungsstudien 0,64 [0,54–0,77]) und einem geringeren Postpartalzeit Risiko für höhergradige Dammrisse (0,59 [0,39–0,88]), aber nicht Stillen für Sectio (in RCTs 0,95 [0,64–1,43]); in Beobachtungsstudien Neugeborene von Müttern mit GDM oder DM haben ein er- 1,03 [0,79–1,34]). Es wurde kein signifikanter Unterschied zwi- höhtes Risiko für eine neonatale Hypoglykämie. Frauen mit prä- schen den Gruppen in Bezug auf andere mütterliche oder neo- existentem DM oder GDM kann die präpartale Kolostrumge- natale Morbiditäten oder die perinatale Mortalität festgestellt winnung ab 37 bis 38 SSW angeboten werden, sofern keine Ia (36, 37). Kontraindikation zum Stillen besteht. Eine Anleitung zur korrek- Die Vor- und Nachteile einer Einleitung müssen unter Berück- ten Kolostrumgewinnung und Informationen zu sicheren Auf- sichtigung von Komorbiditäten und geburtshilflichen Aspekten bewahrung und zum Transport sollten vorgängig erfolgen. Das individuell mit der Schwangeren besprochen werden. Trotz der Kolostrum wird eingefroren zur Geburt mitgebracht; dabei ist Heterogenität der Studien wird eine Geburtseinleitung bei diä- die Frau selbst für die Qualität der Proben verantwortlich. Die tetisch gut eingestelltem GDM bei 40+0 SSW empfohlen oder präpartale Kolostrumgewinnung führt nicht zu einem erhöhten sollte zumindest angeboten werden, falls der Ultraschall unauf- Risiko für Frühgeburt oder zur häufigeren Aufnahme auf die fällig ist, um bei weiterem Zuwarten das Risiko einer Makrosomie neonatologische Intensivstation (42). Das pränatal meist in ge- Ib IIa und deren assoziierten Komplikationen zu verhindern (38). Bei ringen Mengen gewonnene Kolostrum hat zwar praktisch kei- gut eingestelltem insulinpflichtigem GDM sollte eine Geburts- nen Effekt auf den Blutzuckerspiegel des Neugeborenen, er- einleitung zwischen 39+0 bis 39+6 SSW erfolgen. Eine Einleitung höht aber die Rate an ausschliesslichem Stillen. Es gibt keine vor 39 SSW erhöht die neonatale Morbidität und Verlegungsrate Evidenz dafür, dass dieses Vorgehen schadet, und es könnte IIa auf die Neonatologie und sollte vermieden werden (39). die Kuhmilchexposition in den ersten Lebenstagen reduzieren. 30 GYNÄKOLOGIE 1/2024 Nach der Geburt sollte das Neugeborene möglichst früh Haut- Präkonzeptionelles Screening kontakt mit der Mutter erhalten und möglichst bald gestillt wer- Frauen mit Risikofaktoren für einen DM und Kinderwunsch den. Die Überwachung des Neugeborenen erfolgt gemäss den sollte ein präkonzeptionelles Screening angeboten werden. Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie Dabei gelten dieselben Kriterien wie beim frühen Screening in IV (43). Empfohlen wird, 4 bis 6 Monate zu stillen, um das Risiko der Schwangerschaft. einer Adipositas in der Kindheit und einer maternalen langfris- tigem Prädiabetes oder Diabetes zu reduzieren. Datum des Expertenbriefs: 4. Oktober 2023. Literatur bei den Autoren. Screening auf DM postpartal Frauen mit Gestationsdiabetes haben ein erhöhtes Risiko für einen DM-Typ-2 im späteren Leben. Dazu kommt, dass eine ge- Deklaration von Interessenkonflikten (Advisory Board, Vorträge): M. Brändle: Astra Zeneca, Boehringer Ingelheim, Daiichi Sankyo, E. Lilly, Novartis, Novo-Nordisk. wisse Anzahl von Diagnosen «GDM» in Wirklichkeit ein positi- Abkürzungen: ves Screening anderer Diabetesformen bedeuten, die während oGTT: Oraler Glukosebelastungstest GDM: Gestationsdiabetes der Schwangerschaft festgestellt wurden (DM-Typ-2, MODY). LGA: Large for gestational age IUFT: Intrauteriner Fruchttod Deshalb wird empfohlen, bei Frauen, die an einem GDM litten, SIH: schwangerschaftsinduzierte Hypertonie DM: Diabetes mellitus nach der Geburt ein Diabetesscreening durchzuführen. HAPO: Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome Ferner wird empfohlen, am 3. Tag postpartal ein Blutzuckerta- IADPSG: International Association of Diabetes in pregnancy study groups ADA: American Diabetes Association gesprofil (nüchtern und präprandial) durchzuführen, um eine Normalisierung des Blutzuckerhaushaltes zu dokumentieren. BMI: Body mass index (kg KG/m2) PCOS: Polyzystisches Ovarialsyndrom BZ: Blutzucker Dies ersetzt aber nicht die postpartale Kontrolle nach 6 bis 8 Wochen. Die allgemein gültige Empfehlung lautet dahinge- CTG: Kardiotokogramm IUGR: intrauterine Wachstumsretardierung pp: Postprandial hend, den Test am Ende der Stillperiode oder bei wiederein- RCT: Randomisierte kontrollierte Studie SSW: Schwangerschaftswoche setzendem Zyklus durchzuführen. Leider wird das so empfoh- AC: Abdomenumfang lene Screening nur bei einem kleinen Teil der betroffenen IOM: Institute of Medicine MODY: Maturity-onset Diabetes of the Young III Frauen durchgeführt (44). Demzufolge wird geraten, diese Untersuchung anlässlich der routinemässigen Nachkontrolle 6 bis NICE: National Institute for Health and Clinical Excellence WHO: Weltgesundheitsorganisation FIGO: The International Federation of Gynecology and Obstetrics EBCOG: European Board and 8 Wochen nach der Geburt durchzuführen. Die empfohlene Methode ist die Bestimmung der venösen Nüchtern-Plasmaglu- College of Obstetrics and Gynaecology EAPM: European Association for Perinatal Medicine kose (≥ 7,0 mmol/l für DM; 5,6–6,9 mmol/l für Prädiabetes) und/ oder ein 75g-OGTT (≥ 11,1 mmol/l nach 2 Stunden für DM und 7,8–11 mmol/l für Prädiabetes). Je nach Risikofaktoren soll die- ses Screening alle 1 bis 3 Jahre durchgeführt werden. Dabei können dann die Nüchtern-Plasmaglukose und das HbA1c verIIb wendet werden (45). Das Wiederholungsrisiko für einen GDM liegt bei 35–50%. Bei Ethnizität mit hohem Diabetesrisiko (Asien, Lateinamerika) erhöht sich das Nachfolgerisiko auf 50–84% (1). * Evidenzlevel und Empfehlungsgrade der Therapieangaben Evidenzlevel Ia Evidenz durch die Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten Untersuchungen Ib Evidenz durch mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung IIa Evidenz durch mindestens eine gut angelegte, kontrollierte Studie ohne Randomisierung IIb Evidenz durch mindestens eine gut angelegte andere quasi- experimentelle Studie III Evidenz durch gut angelegte, beschreibende Studien, die nicht experimentell sind, wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien oder Fallstudien IV Evidenz durch Expertenberichte oder Meinungen und/oder klinische Erfahrung anerkannter Fachleute Empfehlungsgrad A Es ist in der Literatur, die gesamthaft von guter Qualität und Konsistenz sein muss, mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung vorhanden, die sich auf die konkrete Empfehlung bezieht (Evidenzlevel Ia, Ib). B Es sind zum Thema der Empfehlung gut kontrollierte, klinische Studien vorhanden, aber keine randomisierten, klinischen Untersuchungen (Evidenzlevel IIa, IIb, III). C Es ist Evidenz vorhanden, die auf Berichten oder Meinungen von Expertenkreisen basiert und/oder auf der klinischen Erfahrung von anerkannten Fachleuten. Es sind keine qualitativ gute, klinische Studien vorhanden, die direkt anwendbar sind (Evidenzlevel IV). ✔ Good-Practice-Punkt Empfohlene Best Practice, die auf der klinischen Erfahrung der Expertengruppe beruht, die den Expertenbrief/die Guideline herausgibt. Übersetzt aus dem Englischen (Quelle: RCOG Guidelines Nr. 44, 2006) GYNÄKOLOGIE 1/2024 31