Transkript
SCHWERPUNKT
Schwangerenbetreuung im 3. Trimenon
Aufgaben bei Niedrig- und Hochrisikoschwangerschaften
Im 3. Trimenon beginnt der Endspurt – nun geht es mit grossen Schritten auf die Geburt zu. Für den Fetus lautet die Devise «Reifen und Wachsen», für die Schwangere bedeutet dies häufig eine Zunahme von schwangerschaftstypischen Beschwerden. Inhaltlich geht es um die Geburt und die Vorbereitungen für die Zeit danach. Wie können Fachpersonen die Schwangere in dieser Zeit optimal begleiten?
SARA ARDABILI, MARKUS HODEL
Sara Ardabili
Mit dem 3. Trimenon wird das letzte Schwangerschaftsdrittel ab 28 Schwangerschaftswochen (SSW) bis zur Entbindung verstanden. Das fetale Gehirn und die Lunge machen in diesem Zeitraum nochmals einen deutlichen Entwicklungssprung und dann heisst es für den Fetus vor allem wachsen und an Gewicht zunehmen. Das merkt auch die Schwangere: Mit dem wachsenden Babybauch häufen sich nun die typischen Schwangerschaftsbeschwerden. Gerade gegen Ende der Schwangerschaft sind Probleme wie Sodbrennen, Kurzatmigkeit, Rückenschmerzen, zunehmende Ödeme oder Schlafprobleme keine Seltenheit. Zudem treten viele schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen und Komplikationen wie z. B. eine Präeklampsie, eine Schwangerschaftscholestase oder fetale Wachstumsstörungen gehäuft auf. Hinsichtlich Schwangerschaftskontrollen gilt grundsätzlich: Wie auch bisher in der Schwangerschaft sollte die Betreuung so gestaltet werden, dass Abweichungen vom physiologischen Verlauf frühzeitig erkannt und entsprechende Massnahmen eingeleitet werden können. Ein besonderes Augenmerk liegt im 3. Trimenon zudem auf der optimalen Vorbereitung und Planung der Geburt.
Merkpunkte
n Grundsätzlich werden in der Schweiz in einer normalen Schwangerschaft im 3. Trimenon 4 reguläre Kontrolluntersuchungen von der Krankenkasse übernommen, bei Überschreitung des Geburtstermins sind zusätzliche Kontrollen vorgesehen.
n Bei der Planung der Schwangerschaftskontrollen muss zwischen einem Low-Riskund einem High-Risk-Kollektiv, bei dem zusätzliche Kontrolluntersuchungen indiziert sind, unterschieden werden.
n Die routinemässige Durchführung eines Ultraschalls oder eines CTG ist im 3. Trimenon vor dem errechneten Geburtstermin nicht vorgesehen, sondern benötigt eine Indikation.
n Im Fokus der Schwangerschaftsbetreuung im 3. Trimenon steht neben der Gewährleistung der maternalen und fetalen Gesundheit die optimale Vorbereitung und Planung der Geburt und der Zeit danach.
Low-Risk- versus High-Risk-Schwangerschaft
Für die genaue Festlegung der Häufigkeit und des Inhaltes der Schwangerschaftskontrollen ist es sinnvoll, in einem ersten Schritt zwischen einem LowRisk- und einem High-Risk-Kollektiv zu unterscheiden. Das spiegelt sich auch in der KrankenpflegeLeistungsverordnung (KLV) wider, nach welcher die Schweizer Krankenkassen in einer normalen (LowRisk-) Schwangerschaft die Kosten für insgesamt 7 Kontrolluntersuchungen (durch eine/n Ärztin/Arzt oder Hebamme) und 2 Ultraschalluntersuchungen übernehmen, während in einer Risikoschwangerschaft bzw. auf Indikation nach klinischem Ermessen zusätzlich Kontrollen übernommen werden (KLV Art. 13). Low-Risk-Schwangerschaften sind Schwangerschaften, für die keine erhöhten Risiken für Mutter und/ oder den Fetus identifiziert wurden. Dazu gehören dementsprechend Schwangerschaften mit einem unkomplizierten pränatalen Verlauf mit einer gesunden Mutter und unauffälligem Fetus, bei denen grundsätzlich auch eine unkomplizierte Geburt zu erwarten ist (1). In High-Risk-Schwangerschaften dagegen ist aufgrund der Anamnese oder erhobenen Befunden mit einem erhöhten Risiko für das Leben bzw. die Gesundheit von Mutter und/oder den Fetus zu rechnen, und damit ist eine intensivierte Schwangerschaftsbetreuung indiziert (1–3). Dabei können in verschiedenen Situationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Schwangerschaft andere Faktoren für die Einteilung in ein Low-Risk- oder High-Risk-Kollektiv eine Rolle spielen. Zudem ist zu bedenken, dass Risiken dynamisch sind und damit aus einer Low-Risk-Schwangerschaft aufgrund eines Befundes jederzeit eine High-Risk-Schwangerschaft werden kann (1–3). In Tabelle 1 sind potenzielle Risikofaktoren, die sich aus der maternalen Anamnese oder aus Befunden in der jetzigen Schwangerschaft ergeben, aufgeführt.
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SCHWERPUNKT
Abbildung: Schwangerschafts-(SS)kontrollen im 3. Trimenon (eigene Darstellung)
Organisation der Schwangerschaftsbetreuung im 3. Trimenon
Von den 7 regulären, von den Krankenkassen in einer physiologischen Schwangerschaft übernommenen Kontrollen verbleiben für das dritte Trimenon 4 Kontrollen, welche in der 30. bis 32. Schwangerschaftswoche (SSW), der 36. SSW, der 38. SSW und am errechneten Geburtstermin stattfinden sollten. Im Falle einer Terminüberschreitung werden anschliessend zusätzliche Kontrollen geplant. Für einen Überblick bezüglich Zeitpunkt und Inhalt der Schwangerschaftskontrollen im 3. Trimenon siehe Abbildung.
Inhalt der Schwangerschaftskontrollen im 3. Trimenon
Anamnese und Basisuntersuchung Die Anamnese bildet die Grundlage einer jeden Schwangerschaftskontrolle. Neben der Frage nach dem allgemeinen physischen und psychischen Wohlbefinden sollte bei jeder Kontrolle explizit nach folgenden Auffälligkeiten gefragt werden: n Regelmässige Kontraktionen n Vaginale Abgänge (Blut, Fruchtwasser) n Abnehmende Kindsbewegungen n Gestosesymptome wie Kopfschmerzen, Augen-
flimmern, rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Übelkeit oder Ödeme n Cholestasesymptomatik wie Juckreiz palmar/ plantar. Zudem gehören zu jeder Kontrolle folgende Basisuntersuchungen dazu: n Blutdruck, Puls n Gewicht n Urinstix: Protein, Glukose n Inspektion: Ödeme, Varizen n Symphysen-Fundus-Abstand (SFA).
Die KLV in der Schweiz sieht in einer unauffälligen Schwangerschaft mit einem unauffälligen Ultraschall bei 20 bis 23 SSW keine Indikation für die erneute Durchführung eines Ultraschalls im 3. Trimenon. Deshalb muss der Verdacht auf eine fetale Wachstumsstörung mit Hilfe klinischer Mittel rechtzeitig gestellt werden. Am besten ist hierfür die Messung des SFA geeignet. Bei Abweichung der Perzentilenkurve ist ein zusätzlicher Ultraschall im 3. Trimenon indiziert (1–3). Vorzunehmen sind auch: n Leopold‘sche Handgriffe: Die fetale Poleinstel-
lung sollte ab 36 SSW palpiert werden. Bei Unsicherheiten sollte eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden (1). n Gegebenenfalls fetale Herztöne (auf Wunsch der Schwangeren) n Gegebenenfalls Blutbild: Hämoglobinkontrollen sind generell mindestens einmal pro Trimenon empfohlen. Bei bekannter Anämie oder Risikofaktoren für einen vermehrten Blutverlust sub partu können diese auch häufiger indiziert sein (4).
Zusätzliche Untersuchungen Bei High-Risk-Schwangerschaften oder bei Auffälligkeiten in der Basisuntersuchung können zusätzliche Untersuchungen indiziert sein:
Ultraschall Es gibt verschiedene Indikationen, bei denen neben den beiden Screeninguntersuchungen im 1. und 2. Trimenon auch im 3. Trimenon eine Ultraschalluntersuchung indiziert ist (Tabelle 2). Inhalt bzw. Fokus einer Ultraschalluntersuchung kann je nach Indikation ein jeweils anderer sein. Grundsätzlich werden im 3. Trimenon folgende Parameter beurteilt:
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SCHWERPUNKT
Tabelle 1:
Risikofaktoren in der Schwangerschaft (eigene Zusammenstellung angelehnt an [1–3])
Maternale Anamnese Allgemeine Erkrankungen:
n Uterusfehlbildungen, Myome
n Genetische Erkrankungen
n Hypertonie
n Herzfehler
n Diabetes
n Epilepsie
n Adipositas, Untergewicht/Anorexie
n Hypo-/Hyperthyreose
n Autoimmunerkrankungen: z. B. Lupus, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, Morbus Basedow
n Hämatologische Erkrankungen: z. B. Thrombozytopenie, schwere Anämie, Thrombophilie, irreguläre Antikörper
n Weitere kardiovaskuläre, hämatologische, endokrinologische, pulmonale, nephrologische, infektiologische,
neurologische, psychiatrische, Darm-, Leber- oder Tumorerkrankungen
Voroperationen:
n Uterusoperationen: Sectio, Kurettage, Myomektomie, Konisation
n Bariatrische Chirurgie
Medikamente: z. B. Antiepileptika, Psychopharmaka, Antihypertensiva, Blutverdünner
Noxen: Nikotin, Alkohol, Drogen
Familienanamnese:
n Gerinnungsstörungen, Thrombosen
n genetische Erkrankungen
n Fehlbildungen
Maternales Alter: > 40 Jahre oder < 18 Jahre Sozialanamnese: schwierige soziale Verhältnisse Sterilitätsbehandlung: IVF/ICSI, Eizellspende Frühere Schwangerschaften und Geburten: n St. n. Erkrankungen in der Schwangerschaft, z. B. Gestationsdiabetes, Präeklampsie, Cholestase, Hypothyreose n St. n. IUGR n St. n. fetaler Fehlbildung oder genetischer Erkrankung n St. n. Frühgeburt n St. n. IUFT, habituelle Aborte n Pathologien während früherer Geburt: z. B. PPH, schwere Schulterdystokie, Plazentationsstörung Befunde in der jetzigen Sonografische Befunde: Schwangerschaft n Fetus: – Mehrlinge – Fetale Fehlbildung, genetische Auffälligkeit – Fetale Infektion: z. B. durch CMV, Toxoplasma gondii, Parovirus B19 – Wachstumsstörung: LGA, SGA, IUGR, pathologische Dopplerindizes, abnehmende Kindsbewegungen – Auffällige Kindslage nach 35 SSW n Uterus und Plazenta: – Plazenta praevia, tiefsitzende Plazenta – Plazentationsstörung – marginale Nabelschnurinsertion, Insertio velamentosa – Vasa praevia – Pathologische Uterinadoppler – Ausgedünnte Uterotomie, Sectionarbendehiszenz – Zervixverkürzung Erkrankungen/Komplikationen in der Schwangerschaft: n Anämie n Hyperemesis gravidarum n Schilddrüsenerkrankungen n Gestationsdiabetes n Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Gestationshypertonie, Präeklampsie, HELLP n Schwangerschaftscholestase n Infektionen: Appendizitis, Pyelonephritis, Pneumonie, usw. n Blutgruppeninkompatibilität, irreguläre Antikörper n Abdominale Operationen in der Schwangerschaft: Appendektomie, Cholezystektomie, Hernienoperation n Frühgeburtsbestrebungen: vorzeitige Kontraktionen, stille Portioreifung, Fruchtblasenprolaps, früher vorzeitiger Blasensprung n Vaginale Blutung n Abnehmende Kindsbewegungen n Terminüberschreitung 8 GYNÄKOLOGIE 5/2023 SCHWERPUNKT Tabelle 2: Typische Indikationen für eine Ultraschalluntersuchung im 3. Trimenon (angelehnt an [1–3]) Indikationen für eine Ultraschalluntersuchung n Vaginale Blutung n Unklare Unterbauchschmerzen n Frühgeburtsbestrebungen (z. B. vorzeitige Kontraktionen, vorzeitiger Blasensprung) n Lagekontrolle des Kindes n Erhöhte Nackentransparenz und normaler Karyotyp n Unklare oder auffällige Befunde in den Voruntersuchungen n V. a. IUGR, SGA, LGA (deutlich aus dem bisherigen Perzentilenverlauf abweichender SF-Abstand oder gKG < 10. Perzentile bei 20 bis 23 SSW) n Auffällige Doppler der A. uterina bei 20 bis 23 SSW n Abnehmende Kindsbewegungen n Mehrlinge n St. n. fetaler Fehlbildung n Medikamenteneinnahme in der Frühschwangerschaft, bei welchen eine Häufung von fetalen Fehlbildungen bekannt ist oder vermutet wird n Schwangerschaftsinduzierte Erkrankungen (z. B. hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, Cholestase, Gestationsdiabetes) n Präexistente internistische Erkrankungen (z. B. Diabetes, Autoimmunvaskulitis, Nephropathie, zerebrale Anfallsleiden) n Auffällige maternale Serologie n Wunsch der Patientin nach Vermeidung eines invasiven Eingriffs n Tiefsitzende Plazenta oder Plazenta praevia bei 20 bis 23 SSW n Fetale Lage: Bei fetaler Beckenend- oder Querlage sollte die Schwangere ab 30 bis 32 SSW über alternative Wendungsmöglichkeiten aufgeklärt werden. Ab 36+0 SSW sollte zudem eine äussere Wendung angeboten werden. n Fetale Biometrie: Eine Biometrie sollte frühestens alle 10 bis 14 Tage wiederholt werden, um der üblichen Messungenauigkeit Rechnung zu tragen (5). n Fruchtwassermenge (FW): Ein Poly- oder Oligohydramnion kann ein Hinweiszeichen für Schwangerschaftskomplikationen oder auch fetale Fehlbildungen sein. Die Bestimmung im 3. Trimenon erfolgt mittels «amniotic fluid index» (AFI) oder «single deepest pocket» (SDP). Dabei ist das SDP dem AFI in der Diagnose eines relevanten Oligohydramnions überlegen (6). n Kindsbewegungen (KB) n Biophysikalisches Profil (BPP) n Plazentasitz und -struktur n Gegebenenfalls Beurteilung der Uterotomie bei St. n. Sectio n Gegebenenfalls Zervixlänge: Bis 34+0 SSW sollte bei Frühgeburtsbestrebungen wie vorzeitigen Kontraktionen, einem frühen vorzeitigen Blasensprung oder vorbekannter Zervixverkürzung die Messung der Zervixlänge erfolgen (7). n Gegebenenfalls Dopplersonografie: Eine Dopplersonografie sollte im Low-Risk-Kollektiv nicht routinemässig durchgeführt werden, da es hier, im Gegensatz zur fetalen Wachstumsretardierung, keine Evidenz für einen Nutzen gibt (1, 5, 8). In Tabelle 3 sind typische Indikationen für den Einsatz einer Dopplersonografie zusammengefasst. Die Gefässauswahl richtet sich nach der Indikation und dem Gestationsalter (1). n Fetale Sonoanatomie («3. Screening»): Anders als beispielsweise in Deutschland (2) ist in der Schweiz gemäß KLV im 3. Trimenon im LowRisk-Kollektiv keine erneute Fehlbildungsdiagnostik vorgesehen. Neben einer sonografischen Kontrolle des fetalen Wachstums zur verbesserten Detektion von späten Wachstumsstörungen kann jedoch auch die erneute Überprüfung der fetalen Sonoanatomie sinnvoll sein, da sich mit der fetalen Entwicklung einige Pathologien erst später manifestieren und/oder mit dem Wachstum des Feten besser detektierbar sind (z. B. Aortenisthmusstenose, Ventrikelseptumdefekt, Gyrierungsstörung, Ventrikulomegalie, Hydronephrose, Darmobstruktionen) (9). Auf diese Weise kann die Rate an pränatal festgestellten Auffälligkeiten/Fehlbildungen erhöht und dadurch die postpartale Versorgung des Kindes besser geplant werden. Kardiotokografie (CTG) Im Low-Risk-Kollektiv gibt es keine evidenzbasierte Indikation zur routinemässigen präpartalen Durchführung eines CTG (1). In der Schweiz werden die Kosten für die Durchführung eines CTG bei entsprechender Indikation in einer High-Risk-Schwangerschaft übernommen. Beispiele für eine Indikation sind Frühgeburtsbestrebungen, eine vaginale Blutung, fehlende Kindsbewegungen, eine fetale Wachstumstardierung (IUGR), Mehrlinge und Erkrankungen GYNÄKOLOGIE 5/2023 9 SCHWERPUNKT Tabelle 3: Dopplersonografie im 3. Trimenon (angelehnt an [1–3]) Indikationen für eine Dopplersonografie n Präexistente maternale Gefässerkrankungen (z. B. Hypertonie, Nephropathie, Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen, Gerinnungsstörungen) n St. n. IUGR oder IUFT n St. n. Präeklampsie/Eklampsie n Gestationshypertonie, Präeklampsie n Maternale Infektionen (z. B. Parovirus B19) n IUGR n V. a. fetalen Herzfehler oder fetale Herzrhythmusstörung n V. a. fetale Fehlbildung/Erkrankung n Monitoring bei Alloimmunisierung n V. a. fetale Anämie n V. a. fetale Infektion n Hydrops fetalis n Auffälligkeiten der fetalen Herzfrequenz im CTG n Mehrlinge: generell diskordantes Wachstum oder diskordante Fruchtwassermenge und Monitoring bei monochorialen Gemini n Diagnostik pathologischer Nabelschnurinsertionen oder Vasa praevia n Diagnostik von Plazentationsstörungen in der Schwangerschaft wie eine Cholestase oder eine schwere Anämie (1, 2). Die Beurteilung des CTG sollte analog zum intrapartalen CTG mittels FIGOScore erfolgen (1). Beratung Thematisch stehen im 3. Trimenon klar die Themen Geburt und Wochenbett im Vordergrund. Es werden der Geburtsmodus festgelegt, Methoden für eine optimale Geburtsvorbereitung und, wenn gewünscht, das Stillen besprochen und organisatorische Details für die Zeit nach der Geburt geklärt. Zudem sollten die Schwangeren Hilfetipps zur Linderung der nun häufig auftretenden körperlichen Schwangerschaftsbeschwerden erhalten. Für weitere Details zum Inhalt der Beratung im Rahmen der Schwangerschaftskontrollen siehe auch Abbildung. Neben der Beratung im Rahmen der regulären Schwangerschaftskontrollen ist für eine optimale Geburtsvorbereitung zudem der Besuch eines Geburtsvorbereitungskurses empfohlen. Vorgehen bei Terminüberschreitung Mit dem Begriff Terminüberschreitung ist der Zeitraum ab 40+1 SSW bis 41+6 SSW gemeint. Der Zeitraum ab 42+0 SSW wird als Übertragung bezeichnet (10). Ab 40+0 SSW sollten engmaschige Verlaufskontrollen erfolgen, um Risiken frühzeitig zu erkennen. Hierbei sind Kontrollintervalle von zunächst 5 Tagen und anschliessend 2 bis 3 Tagen sinnvoll (z. B. T+0, T+5, T+7, T+9, T+11, T+13). Die Kontrollen sollten neben der Anamnese und Basisuntersuchung ein CTG und auch einen Ultraschall (Kindslage, FW, KB, BPP, Biometrie bei T+0) beinhalten (siehe auch Abbildung). Bei unauffälligem Verlauf und fehlenden Risikofaktoren kann ab 41+0 SSW eine Geburtsein- leitung angeboten werden, ab 41+3 SSW sollte diese empfohlen und ab 42+0 SSW dringend empfohlen werden, da mit steigendem Gestationsalter das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko stetig zunimmt (10, 11). Studien konnten zudem Benefits bei einer Geburtseinleitung bereits ab 39+0 SSW zeigen (10, 12). Vorgehen bei Zwillingsschwangerschaft Zwillinge bedeuten für die Schwangerschaft und die Geburt sowohl für die Mutter als auch für die Kinder eine erhöhte Rate an möglichen Komplikationen und gelten damit schon per se als Risikoschwangerschaft. Sie lassen sich, je nachdem ob sie sich eine Plazenta teilen oder nicht, in monochorial (MC) und dichorial (DC) und, je nachdem ob eine gemeinsame oder zwei Fruchthöhlen vorliegen, in monoamnial (MA) und diamnial (DA) unterteilen. Für die Festlegung der Häufigkeit und des Inhaltes der Schwangerschaftskontrollen ist diese Unterteilung essenziell, da einige Komplikationen nur bei MC- oder auch nur bei MA-Zwillingen auftreten können. Bei MC-Zwillingen kann es durch plazentare Gefässanastomosen in der gemeinsamen Plazenta zu einer Ungleichverteilung der Versorgung der beiden Feten kommen. Daraus resultieren Komplikationen wie das TTTS (Zwillingstransfusionssyndrom) oder TAPS (Twin Anemia Polycythemia Sequence). Selektive fetale Wachstumsrestriktionen (sFGR) können dagegen unabhängig von der Chorionizität auftreten (13). Grundsätzlich gilt es, bei jeder Ultraschalluntersuchung bei Zwillingen auf folgende Parameter besonders zu achten: Biometrie, Gewichtsdiskrepanz (ab 25% als Hinweis auf sFGR), FW mittels SDP, Doppler A. umbilicalis. Unkomplizierte DC-Zwillinge sollten im 3. Trimenon mindestens alle 4 Wochen Ultraschalluntersuchun- 10 GYNÄKOLOGIE 5/2023 SCHWERPUNKT gen erhalten, unkomplizierte MC-DA-Zwillinge mindestens alle 2 Wochen. Bei MC-Zwillingen erfolgt zusätzlich zur Basisuntersuchung immer die Messung der Maximalgeschwindigkeit (Vmax) in der Arteria cerebri media, um die Entwicklung eines TAPS auszuschliessen (13). Spätestens bei Komplikationen müssen die Kontrollintervalle verkürzt und Zusatzuntersuchungen wie z. B. die Durchführung eines CTG in Betracht gezogen werden (13). Zwillinge sollten immer vor dem errechneten Geburtstermin entbunden werden: Bei unkomplizierten DC-Zwillingen ist eine Entbindung zwischen 37+0 und 38+0 SSW optimal, bei MC-DA-Zwillingen zwischen 36+0 und 37+0 SSW. Diese Empfehlungen basieren im Wesentlichen auf verschiedenen Metaanalysen, die eine Entbindung versus ein exspektatives Management hinsichtlich des Totgeburtsrisikos versus des neonatalen Todesrisikos untersucht haben (13–15). MC-MA-Zwillinge sollten zwischen 32+0 und 32+6 SSW entbunden werden. Hier ist die Datenlage jedoch spärlich (13). Fazit Die letzten Monate der Schwangerschaft sind von gespannter Erwartung und Vorfreude, aber auch von körperlichen Beschwerden und Unsicherheiten geprägt. In dieser für die Schwangere emotional aufwühlenden Zeit ist es häufig ein Balanceakt, auf der einen Seite Mutter und Fetus ausreichend zu überwachen und genügend Informationen zu liefern, aber auf der anderen Seite die Schwangere nicht zu verunsichern oder zu überfordern. Grundsätzlich zielt die Schwangerschaftsbetreuung im 3. Trimenon darauf ab, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mutter und Fetus auch in dieser letzten Phase der Schwangerschaft zu gewährleisten und die Schwangere optimal auf die Geburt und die Zeit danach vorzubereiten, um ihr so ein möglichst sicheres und ihren individuellen Vorstellungen entsprechendes Geburtserlebnis und Wochenbett zu ermöglichen.n Dr. med. Sara Ardabili (Erstautorin) E-Mail: sara.ardabili@luks.ch KD Dr. med. Markus Hodel E-Mail: markus.hodel@luks.ch Frauenklinik Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16 Interessenkonflikte: keine. Quellen: 1. Schiermeier S, von Kaisenberg C et al.: Fetale Überwachung in der Schwangerschaft Indikation und Methodik zur fetalen Zustandsdiagnostik im low-risk Kollektiv. Leitlinie der DGGG & DEGUM (S3-Niveau, AWMF-Registernummer 015/089), 2023; 02. 2. GBA. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung («Mutterschafts-Richtlinien») in der Fassung vom 10. Dezember 1985, zuletzt geändert am 20. April 2023; veröffentlicht im Bundesanzeiger AT 28.06.2023 B5, in Kraft getreten am 30. Juni 2023. https://www.g-ba.de/richtlinien/19/ 3. SGUMGG. Empfehlungen zur Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft. Ergebnis der Arbeitstagung der Standardkommission für Schwangerschaftsultraschall vom 11. Juni 1997, revidiert 2019, 4. Auflage. 4. Breymann C, Honegger C, et al.: Diagnostik und Therapie der Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft und postpartal, Expertenbrief No 77, 08/2022. 5. Kehl S, et al.: Intrauterine Wachstumsrestriktion. Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Niveau, AWMF-Registernummer 015/080), 10/2016. 6. Nabhan AF, Abdelmoula YA: Amniotic fluid index versus single deepest vertical pocket: a meta-analysis and of randomized controlled trials. Int J Gynaecol Obstet 2009;104:184-188. 7. Berger R, et al.: Prävention und Therapie der Frühgeburt. Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Niveau, AWMF-Registernummer 015-025), 09/2022. 8. Alfirevic Z, Stampalija T, et al.: Fetal and umbilical Doppler ultrasound in normal pregnancy. Cochrane Database Syst Rev. 2015:CD001450. 9. Drukker L, Bradburn E, et al.: How often do we identify fetal abnormalities during routine third-trimester ultrasound? A systematic review and meta-analysis. BJOG 2021;128(2):259-269. 10. Kehl S, Abou-Dakn M, et al.: Geburtseinleitung. Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Niveau, AWMF-Registernummer 015/088), 12/2020, Addendum von 03/2021. 11. Vilchez G, Nazeer S, et al.: Risk of expectant management and optimal timing of delivery in low-risk term pregnancies: a population-based study. Am J Perinat 2018;35(03):262-270. 12. Sotiriadis A, Petousis S, et al.: Maternal and perinatal outcomes after elective induction of labor at 39 weeks in uncomplicated singleton pregnancy: a meta-analysis. Ultrasound Obstet Gynecol 2019;53(1):26-35. 13. von Kaisenberg CS, Klaritsch P, et al.: Überwachung und Betreuung von Zwillingsschwangerschaften. Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2e-Niveau, AWMF-Registernummer 015/087), 05/2020. 14. Saccone G & Berghella V: Planned delivery at 37 weeks in twins: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. J Matern Fetal Neonatal Med 2016;29(5):685-689. 15. Cheong-See F, Schuit E, et al.: Prospective risk of stillbirth and neonatal complications in twin pregnancies: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016; 354:i4353. GYNÄKOLOGIE 5/2023 11