Transkript
Fortbildung EGONE
Polypen von Korpus und Zervix uteri
Epidemiologie, Krankheitsbild, Diagnostik, Therapie
Endometriale Korpuspolypen (Cavumpolypen) und Zervixpolypen sind häufig ein Zufallsbefund im Rahmen einer spekulären Untersuchung der Zervix oder transvaginalen Ultraschalluntersuchung des Uterus. Sie sind in vielen Fällen harmlos, können aber – analog zum umgebenden Endometrium – auch eine prämaligne oder maligne Histologie aufweisen. In diesem Artikel werden in der Praxis relevante Themen evidenzbasiert erläutert.
SUSANNE LANZ, MICHAEL MUELLER
VIOLA HEINZELMANN-SCHWARZ (REVIEW)
Als Polypen werden hyperplastische Vorwölbungen der Schleimhaut bezeichnet. Im Uterus kommen sie als endometriale Korpuspolypen (Synonym: Cavumpolypen) sowie als Zervixpolypen vor.
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Polypen sind ein häufiges Phänomen – oft oligooder asymptomatisch, oft ein Zufallsbefund im Rahmen einer spekulären Untersuchung der Zervix oder einer transvaginalen Ultraschalluntersuchung des Uterus. Folgende Fragen sind relevant und sollen in diesem Beitrag evidenzbasiert erläutert werden: n Bedürfen asymptomatische Polypen einer Thera-
pie? n Wie werden Polypen korrekt entfernt? n Ist das Vorgehen unterschiedlich bei prä- oder
postmenopausalen Patientinnen? n Bei asymptomatischen oder mit abnormen uteri-
nen Blutungen (AUB) symptomatischen Patientinnen? n Können Polypen eine maligne Histologie aufweisen? Wenn ja: Gibt es Parameter zum Abschätzen des Malignitätsrisikos? n Welchen Stellenwert haben Endometriumpolypen im Zusammenhang mit Fertilität/Sterilität?
Definitionen
Korpuspolypen Diese entstehen aus einer lokalisierten Hyperplasie des Endometriums. Sie können breitbasig auf der Schleimhaut sitzen oder gestielt ins Uteruscavum hineinragen und können wenige Millimeter klein oder mehrere Zentimeter gross sein (Abbildung 1). Grosse oder sehr langstielige Korpuspolypen können sogar durch die gesamte Zervix reichen und vor dem äusseren Muttermund sichtbar werden (= in statu nascendi).
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Zervixpolypen Diese entstehen aus Hyperplasien der endozervika-
len Schleimhaut. Sie liegen eingezwängt im Zervi-
kalkanal oder ragen aus dem äusseren Muttermund
(Abbildung 2).
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Abbildung 1: Hysteroskopische Bilder von Cavumpolypen.
A B
Abbildung 2: A und B: Kolposkopische Ansicht von Zervixpolypen C: Hysteroskopische Ansicht des Stiels eines Polypen (Bild B)
C
Endometriumpolypen Diese bestehen aus: n endometrialen Drüsen n Stroma n Blutgefässen.
Epidemiologie
Endometriumpolypen sind häufig; die exakte Inzidenz ist unklar, da sie oft asymptomatisch sind. Durch die heutzutage grosszügige Durchführung von transvaginalen Ultraschalluntersuchungen, oft auch bei Routinekontrollen ohne klare Indikation und dank verfeinerter Technik der Geräte, werden auch solche asymptomatischen Polypen immer häufiger diagnostiziert. In Studien wird die Prävalenz – abhängig von der untersuchten Population – mit zirka 8-35% angegeben. Bekannte Risikofaktoren sind: Alter, Adipositas, Hypertonie, Diabetes, Tamoxifen-Therapie. Zum natürlichen Verlauf von Endometriumpolypen gibt es wenige Daten. Gemäss einer Studie können Polypen innerhalb eines Beobachtungszeitraums von einem Jahr in bis zu 27% der Fälle spontan verschwinden. Die Prävalenz von Polypen mit prämaligner (Hyperplasie mit Atypien) und maligner (Endometriumkarzinom) Histologie beträgt zwischen 3,4% und 4,9% bei postmenopausalen und 1,1% bei prämenopausalen Frauen. Das Risiko ist dabei deutlich höher bei symptomatischen als bei asymptomatischen Frauen; die oben aufgelisteten Risikofaktoren erhöhen zusätzlich auch das Risiko für Malignität.
Krankheitsbild
Korpuspolypen n Kleinere Polypen sind meist asymptomatisch.
Manchmal führen sie zu blutig-braunem Fluor («spotting»). n Grössere Polypen können eine Hypermenorrhö, Menorrhagien oder auch Metrorrhagien verursachen. Die Rolle von Korpuspolypen in der Abklärung von Sterilität wird kontrovers diskutiert (s. u.). n Ein Durchtritt des Polypen durch den Zervikalkanal kann wehenartige Schmerzen erzeugen.
Merke: 40% der Blutungen in der Postmenopause gehen von Korpuspolypen aus!
Zervixpolypen n Häufig asymptomatisch n Gelegentlich vermehrter Fluor und/oder Kontakt-
oder Schmierblutungen.
Polypen und Malignitätsrisiko
Weitaus die meisten Endometriumpolypen sind gutartig. Aber wie im normalen Endometrium können in endometrialen Polypen prämaligne (atypische Hyperplasien) oder maligne (Karzinome, Karzinosarkome) Histologien vorkommen. Ist ein Polyp mit atypischer Hyperplasie hysteroskopisch entfernt worden, dann beträgt das Risiko für ein gleichzeitig vorliegendes Karzinom im umgebenden Endometrium 30,8%. Postmenopausalen Frauen mit dieser Konstellation wird man daher klar die Hysterektomie (meist mit bilateraler Adnexektomie) empfehlen, prä-
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Abbildung 3: 2D-Sonografie, Power-Doppler-Sonografie und hysteroskopisches Bild eines Korpuspolypen
menopausalen Frauen je nach Situation ebenfalls die Hysterektomie oder – in ausgewählten Fällen, vor allem bei Wunsch nach Erhalt der Fertilität – eventuell eine Gestagentherapie. Generell ist das Risiko für prämaligne oder maligne Polypen höher bei postmenopausalen (knapp 5%) als bei prämenopausalen Frauen (1,1%). Es ist zudem höher bei Frauen mit abnormen uterinen Blutungen (AUB) (5%) als bei asymptomatischen Frauen (1,8%). Als Risikofaktoren für das Vorliegen einer prämalignen oder malignen Histologie in einem Endometriumpolypen gelten die bekannten Risikofaktoren für ein Endometriumkarzinom wie Adipositas, Alter und Diabetes. Bestrebungen, weitere Parameter (beispielsweise die Grösse im Ultraschall) zur Abschätzung des Malignitätsrisikos zu definieren, waren bisher nicht erfolgreich. Gerade aus dem Grund, dass keine klar definierten Kriterien vorliegen, die ein Malignom sehr wahrscheinlich machen oder aber mit hoher Sicherheit ausschliessen können, wird man im praktischen Alltag den betroffenen Patientinnen sehr grosszügig die hysteroskopische Resektion der Polypen empfehlen. Der operative Aufwand ist dabei gering, das Komplikationsrisiko niedrig und die Treffsicherheit des Ergebnisses in der Histologie nach vollständiger Resektion sehr zuverlässig.
Polypen und Fertilität/Sterilität
Bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter finden sich in zirka 8% bis 12% Endometriumpolypen. Ihre blosse Präsenz ist nicht klar mit verminderter Fertilität verknüpft. Bei Sterilitätspatientinnen steigt aber die Prävalenz von Polypen auf zirka 32%. Mögliche Erklärungen für den negativen Einfluss von Polypen auf die Fertilität sind nebst dem mechanischen Effekt die Sekretion von gewissen Molekülen, die den Spermientransport oder die Implantation des Embryos beeinflussen und die sogenannte endometriale Rezeptivität verschlechtern können. Als Beleg für die Verantwortung der Polypen für die Sterilität konnten in einer randomisierten Studie von Sterilitätspatientinnen mit Endometriumpolypen in der Gruppe mit hysteroskopischer Polypektomie vor einer intrauterinen Insemination doppelt so viele
Schwangerschaften erzielt werden wie in der Gruppe, in der die Polypen in utero belassen wurden.
Diagnostik
Bei abnormen uterinen Blutungen (AUB) wird der allgemein übliche Abklärungsgang eingeleitet: n spekuläre Einstellung der Portio n transvaginale Ultraschalluntersuchung (wobei hier
die 3D-Sonografie mit Doppler der 2D-Sonografie noch etwas überlegen ist). Bei schwieriger sonografischer Abgrenzung zwischen hoch aufgebautem Endometrium und Korpuspolyp kann eine Hydrosonografie (das Cavum uteri wird durch via Zervikalkanal eingebrachte Kochsalzlösung distendiert) hilfreich sein. n diagnostische Hysteroskopie.
Korpuspolypen Sie werden anlässlich einer Vaginalsonografie oft als Zufallsbefund entdeckt (Abbildung 3).
Zervixpolypen Diese variieren in der Grösse von einigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern. Wenn direkt sichtbar, imponieren sie an der Portio als glattbegrenzte, rundliche, meist rötliche Raumforderungen (Abbildung 4).
Differenzialdiagnose Zervixpolypen haben ein typisches Erscheinungsbild und werden daher kaum je mit anderen Pathologien verwechselt. Alle Endometriumpolypen werden histologisch aufgearbeitet zur Abgrenzung gegenüber: n Adenom/Adenomyom n submuköses Myom n Karzinom (differenzialdiagnostisch bedeutsamste
Blutungsursache!) n Sarkom n Restmaterial nach Schwangerschaft/Plazentapolyp.
Therapie
Endometriumpolypen werden immer unter Sicht abgetragen. Das instrumentelle Abtragen des Polypen (immer mit Stiel) erfolgt mit meist folgenden (differenzialdiagnostisch indizierte) Zusatzmassnahmen:
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Korpuspolypen n Erscheint ein Polyp vor dem äusseren Mutter-
mund, darf er bei prämenopausalen, regelmässig menstruierenden Frauen (also ohne AUB) einfach abgedreht werden. (histopathologische Auffälligkeiten vorbehalten erfolgen ansonsten keine weiteren Massnahmen). n In allen anderen Fällen (Sitz im Cavum, Postmenopause, AUB) ist eine Hysteroskopie zur gezielten Resektion unter Sicht indiziert. Welches technische Instrumentarium dabei bevorzugt werden sollte, ist noch ungenügend belegt: Es kommt die Resektion mit der elektrischen Schlinge oder mit Hilfe von hysteroskopischen Geräten, die das Gewebe mit rotierenden oder vibrierenden Klingen abtrennen und direkt aspirieren in Frage. n Um kein Endometriumkarzinom und keine sarkomatöse Veränderung zu verpassen, wird die hysteroskopische Resektion bei entsprechenden Risikopatientinnen mit einer Kürettage des Cavums ergänzt. n Anmerkung: «Blinde» Entfernungsversuche mittels alleiniger Korpuskürettage (ohne Hysteroskopie) sind obsolet.
Die Hysterektomie ist zu erwägen, insbesondere in der Postmenopause: n bei zahlreichen Polypen im Sinne einer Polyposis
endometrii n bei zusätzlichen Pathologien (z. B. Adenomyose,
Myome etc.) Vor Durchführung einer Hysterektomie muss obligat eine Histologie der Schleimhaut gewonnen werden, entweder mit einer Pipelle de Cornier (alleine, falls Ergebnis darin Malignität bestätigt) oder durch eine Hysteroskopie/Resektoskopie und fraktionierte Kürettage.
Merke: Durch das Kombinieren der hysteroskopischen Polypektomie mit einer Kürettage wird mit hoher Treffsicherheit ein Endometriumkarzinom diagnostiziert oder ausgeschlossen.
Zervixpolypen n Gestielte Polypen werden bei prämenopausalen
Frauen ohne AUB durch Abdrehen möglichst an der Basis entfernt. Eine Histologie wird empfohlen. n In der Postmenopause oder bei differenzialdiagnostischer Unsicherheit (beispielsweise unklare Angaben zu AUB, sonophobe Verhältnisse) sollen zusätzlich der Abtragung des Zervixpolypen auch eine Hysteroskopie zur Beurteilung des Cavums und eine vollständige Kürettage erfolgen. n
Abbildung 4: Gestielter, in die Vagina ragender, gefiederter Polyp (am längs eröffneten Uterus).
Dr. med. Susanne Lanz E-Mail: susanne.lanz@insel.ch
Prof. Dr. med. Michael Mueller E-Mail: michael.mueller@insel.ch
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern
Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Autorin S. Lanz.
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