Transkript
SCHWERPUNKT
Planung der Geburt – Management am Termin
Mütterliche Erkrankungen, Status nach Sectio, Geburtsmodus im Visier
Im dritten Trimenon nimmt die Vorbereitung und Planung der bevorstehenden Geburt einen grossen Stellenwert ein. Die Betreuung der Schwangeren findet idealerweise durch Ärzte und Hebammen gemeinsam statt. Eine individuelle Betreuung und Beratung hinsichtlich des Geburtszeitpunktes als auch des Geburtsmodus schafft Vertrauen und Sicherheit bei den werdenden Eltern und Klarheit im betreuenden geburtshilflichen Team.
ELISABETH KAPFHAMMER-SELTENHEIM, LEILA SULTAN-BEYER
Elisabeth KapfhammerSeltenheim
Das 3. Trimenon umfasst die 28. Schwangerschaftswoche (SSW) bis zum Geburtstermin und beinhaltet folgenden Aufgaben: n Ein oraler Glukosetoleranztest erfolgt zwischen
der 26. und 28. SSW. n Bei einer Rhesuskonstellation erfolgt die prä-
partale Verabreichung von Rhophylac® in der 28. SSW. Die präpartale Gabe von Rhophylac entfällt und kann eingespart werden, wenn bei rhesusnegativen Frauen konsequent zwischen der 12. und 16. SSW die fetale Blutgruppenbestimmung erfolgt und der Fetus rhesusnegativ ist. n Allen Frauen wird in jeder Schwangerschaft unabhängig vom Schwangerschaftsintervall zur letzten Schwangerschaft die Pertussis- und saisonal die Influenzaimpfung empfohlen. Um eine ausreichende Menge transplazentar übertragener Antikörper beim Fetus zu erreichen, sollte die Pertussisimpfung Ende des 2. Trimenons, jedoch spätestens zwei Wochen vor der Geburt verabreicht werden (1). n Gemäss den deutschen Mutterschaftsrichtlinien findet zwischen der 28+0 bis 31+6 SSW das dritte Ultraschallscreening statt, in der Schweiz ist dies jedoch noch keine Krankenkassenleistung. Bei
Merkpunkte
n Im 3. Trimenon ist das Erfassen von fetalen und maternalen Risikofaktoren für die weitere Schwangerschaftsbetreuung und Geburtsplanung essenziell.
n Bei maternalen Erkrankungen spielt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachspezialisten eine grosse Rolle.
n Bei Status nach (St. n.) Sectio und einer tiefliegenden Vorderwandplazenta sollte an eine Plazentationsstörung gedacht werden und ein Ultraschall in einem Perinatalzentrum erfolgen.
n Der Versuch einer vaginalen Geburt bei St. n. Sectio caesarea bedarf einer ausführlichen Aufklärung insbesondere über das Risiko einer Uterusruptur.
dieser dritten Screeninguntersuchung werden die zeitgerechte Entwicklung, Fruchtwassermenge, Plazentalokalisation und -struktur sowie die fetale Lage kontrolliert. Gemäss den Leitlinien der International Society in Obstetrics and Gynecology und AWMF wird zudem ein erneutes Screening entsprechend dem zweiten Screening empfohlen. Begründet ist dies, da pathologische Befunde möglicherweise erst im 3. Trimenon erkennbar werden (z. B. Mikrozephalus, Skelettdysplasien, Darmatresien, obstruktive Uropathie, Anomalien des Herzens und der grossen Gefässe), welche im zweiten Screening noch nicht detektierbar sind. Bezüglich des Herzens betrifft dies insbesondere Obstruktionen des ventrikulären Ausflusstraktes bzw. Stenosen der grossen Gefässe (z. B. eine Aortenisthmusstenose, Herzmuskelveränderungen sowie kardiale Tumoren [Rhabdomyome]).
Erfassung mütterlicher Erkrankungen
Neben der Wachstums- und Entwicklungskontrolle des Fötus ist das Erfassen maternaler Risikofaktoren respektive vorbestehender Erkrankungen von enormer Bedeutung. Insbesondere vorbestehende Herzerkrankungen, Autoimmunerkrankungen (systemischer Lupus erythematodes, Antiphospholipidsyndrom) und Nierenerkrankungen – welche mit einem deutlich erhöhten Risiko einhergehen, im Schwangerschaftsverlauf eine Präeklampsie zu entwickeln – werden als Hochrisikoschwangerschaften eingestuft und erfordern insbesondere im 3. Trimenon eine intensivierte Betreuung. Unverzichtbar ist bei bekannter Grunderkrankung der Mutter eine engmaschige, interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachspezialisten, um das peripartale Management festzulegen und ein optimales maternales Outcome zu erreichen.
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SCHWERPUNKT
In komplexen medizinischen, aber auch schwierigen sozialen Fällen ist es in einer solchen Konstellation bereits frühzeitig von grossem Vorteil für Mutter und Kind, die Zeit nach der Geburt proaktiv anzusprechen, damit die Schwangere sich auf die Veränderungen vorbereiten kann. Des Weiteren kann frühzeitig professionelle Unterstützung angeboten werden und ein Netzwerk, je nach Problematik, organisiert werden. Dazu gehört auch, die Ernährung des Neugeborenen anzusprechen respektive die Frage, ob die werdende Mutter stillen möchte. Bei früher Thematisierung hat die Schwangere genügend Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, denn beispielsweise wird Schwangeren mit Diabetes mellitus und Gestationsdiabetes die präpartale Kolostrumgewinnung empfohlen. Dieses Kolostrum dient als erste Nahrung für das Neugeborene, denn damit kann die neonatale Hypoglykämie vermieden werden (2).
Schwangerschaften mit besonderem Überwachungsbedarf
Adipositas Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas steigt weltweit kontinuierlich an und betrifft demzufolge auch Frauen im gebärfähigen Alter (3). Damit sind Geburtshelfer zunehmend mit übergewichtigen und adipösen Schwangeren und den daraus resultierenden Komplikationen konfrontiert. Adipositas wird gemäss der WHO-Kriterien mittels BMI (Body-Mass-Index) klassifiziert und wird in drei Schweregrade eingeteilt (Tabelle 1). Übergewichtige Frauen mit einem BMI > 30 kg/m2 gelten als Risikoschwangere. Ein zentraler Punkt in der Betreuung stellt die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft dar. Bei einem BMI > 30 kg/m2 sollte gemäss Institute of Medicine die Gewichtszunahme 5 bis 9 kg nicht übersteigen (Tabelle 2) (4). Eine Gewichtszunahme über dieser Empfehlung ist mit einer fetalen Makrosomie vergesellschaftet und das Risiko für damit verbundene Geburtskomplikationen wie Geburtsstillstand und Schulterdystokie steigen. Eine besondere Herausforderung stellt die Ultraschalldiagnostik bei adipösen Schwangeren dar. Aufgrund der Adipositas ist oftmals die Bildqualität eingeschränkt und die diagnostische Aussage hinsichtlich einer fetalen Makrosomie mit einem höheren Messfehler behaftet. Das Risiko eines makrosomen Feten ist bei adipösen Schwangeren doppelt so hoch wie bei einer normalgewichtigen Schwangeren (5, 6). Demzufolge ist in dieser Situation die Planung einer Geburtseinleitung gehäuft indiziert, um auf diesem Weg das Risiko der genannten Geburtskomplikationen wie auch prolongierte Geburtsverläufe mit (in Folge häufiger auftretender) postpartaler Hämorrhagie und sekundären Sectiones mit erschwerter Kindsentwicklung zu reduzieren.
Tabelle 1: BMI-Kategorien gemäss World Health Organisation
Gewichtskategorie
Body-Mass-Index (BMI; kg/m2)
Untergewicht
weniger als 18,5
Normalgewicht 18,5–24,9
Übergewicht 25,0–29,9
Adipositasklasse I
30,0–34,9
Adipositasklasse II
35,0–39,9
Adipositasklasse III
40 oder mehr
Tabelle 2: Empfehlung der Gewichtszunahme in der Schwangerschaft gemäss Insitute of Medicine
Totale Gewichtszunahme
BMI vor der Schwangerschaft Spanne in kg Körpergewicht
Untergewicht
12,5–18
Normalgewicht
11,5–16
Übergewicht
7–11,5
Adipositas
5–9
Raten der Gewichtszunahme im 2. und 3. Trimester Mittel (Spanne) in kg/Woche 0,51 (0,44–0,58) 0,42 (0,35–0,50) 0,28 (0,23–0,33) 0,22 (0,17–0,27)
adaptiert nach Siega-Riz et al., 1994; Abrams et al., 1995; Carmichael et al., 1997
Gestationsdiabetes In den letzten 15 Jahren ist auch die Prävalenz des Gestationsdiabetes deutlich angestiegen. Dies liegt zum einen an der Veränderung des Screeningverfahrens und der Einführung neuer Grenzwerte, andererseits an der Zunahme maternaler Risikofaktoren. Gemäss SGGG-Expertenbrief No. 37 wird empfohlen, bei allen Schwangeren zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche ein Screening auf Gestationsdiabetes mittels oralem Glukosetoleranztest durchzuführen (d. h. eine Nüchternblutzuckerbestimmung gefolgt von oraler Einnahme von 75 g Glukose und Blutzuckerbestimmungen nach 1 und 2 Stunden) (6). Die Grenzwerte zur Diagnose eines Gestationsdiabetes sind: n Nüchternblutzucker ≥ 5,1 mmol/L n Blutzucker nach einer Stunde ≥ 10 mmol/L n Blutzucker nach zwei Stunden ≥ 8,5 mmol/L.
Um die Diagnose des Gestationsdiabetes zu stellen, reicht ein einziger pathologischer Wert. Als bedeutendste Risikofaktoren gelten familiäre Diabeteserkrankungen, Ethnizität, maternales Alter, maternaler BMI, Parität und frühere Schwangerschaften mit Gestationsdiabetes. Bei einem Diabetes mellitus Typ I, Typ II und Gestationsdiabetes ist das Risiko für hypertensive Erkrankungen, Infektionen und Frühgeburtlichkeit erhöht. Zudem ist in diesem Patientinnenkollektiv die Rate an Sectiones und höhergradigen Geburtsverletzungen deutlich erhöht. Eine engmaschige interdisziplinäre Betreuung durch Geburtshelfer, Diabetologen und Ernährungsberater ist für das maternale und das fetale Outcome zwingend notwendig. Können die Zielwerte des Blutzuckers mittels Lebensstilmassnahmen, insbesondere Ernährungstherapie und körperliche Aktivität, alleine nicht erreicht werden, ist eine Insulintherapie zu erwägen. Die Indikation soll gestellt werden, wenn innerhalb einer Woche 50% der Werte überschritten sind oder der
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SCHWERPUNKT
Abbildung: a) Normale Präsentation der Plazenta mit hypoechogenem Randsaum in Ab-
grenzung zum Myometrium b) Plazenta mit unregelmässiger Abgrenzung und fehlender hypoechogener
Randsaum c) Uterovesikale Hyperperfusion «bridging vessels» d) Lakunen
fetale Abdominalumfang über der 95. Perzentile liegt. Auch ein Beginn der Therapie mit Insulin in Terminnähe kann sinnvoll sein, um neonatale Hypoglykämien zu vermeiden (7). Eine Biometrie in dreiwöchigem Abstand, bei auffälligem Wachstumsverhalten (LGA, IUGR, Polyhydramnion) in entsprechend kürzerem Intervall, ist empfehlenswert. Der wichtigste Parameter ist der Abdomenumfang, der mit den Blutzuckerwerten korreliert. Es muss jedoch auch hier berücksichtigt werden, dass das sonografisch geschätzte Gewicht, bei diabetesbedingtem übermässigem Wachstum, häufig überschätzt wird. Bei Schwangeren mit diätetisch eingestelltem Gestationsdiabetes werden wöchentliche CTG-Kontrollen ab der 36+0 SSW empfohlen. Bei insulinpflichtigem Gestationsdiabetes sind wie bei Schwangeren mit Typ-I-Diabetes mellitus entsprechend der Leitlinie CTG-Kontrollen ab 32+0 SSW zu diskutieren (8). Bei Gestationsdiabetes wird ein individualisiertes Vorgehen in Bezug auf eine Geburtseinleitung zwischen der 38 (+0) und 40 (+0) SSW empfohlen. Bei insulinpflichtigem Gestationsdiabetes gibt es Hinweise, dass sich die fetale Morbidität durch eine Geburtseinleitung bei 40+0 SSW verringern lässt und daher der Frau angeboten werden sollte. Dabei sollen der Insulinbedarf, die Ultraschallbefunde, maternale Erkrankungen und vorausgegangene Schwangerschaftsverläufe berücksichtigt werden. Eine Einleitung vor der 38+0 SSW aufgrund mangelnder Blutzuckerwerteinstellung soll möglichst vermieden werden und eine pränatale Optimierung der Blutzuckerwerte sollte im Vordergrund stehen. Bei einem geschätzten Gewicht über 4500 g sollte bei einer Schwangeren mit Gestationsdiabetes eine Sectio empfohlen werden. Die Schwangere sollte jedoch auf die Ungenauigkeit der Schätzung, die mit steigendem Geburtsgewicht zunimmt, aufgeklärt werden (9).
Betreuung bei Status nach Sectio
Plazenta-accreta-Spektrum (PAS) Die Anzahl der Schnittentbindungen hat sich in der Schweiz in den letzten 30 Jahren verdoppelt und
steigt weltweit weiter an. Das Risiko einer Plazenta praevia bzw. PAS ist von der Anzahl der vorausgegangenen Schnittentbindungen und von dem Intervall zum letzten chirurgischen Eingriff abhängig. Das Risiko für eine Plazenta praevia liegt bei einer Sectio bei 0,3 bis 0,8% und steigt auf 3% nach mehreren Sectiones an. Gleichzeitig nimmt auch das Risiko einer Plazentationsstörung im Rahmen einer Plazenta praevia zu, womit nach zwei Sectiones und einer Plazenta praevia in 40% der Fälle eine Plazenta accreta vorliegt (10). Daher ist es von essenzieller Bedeutung, die Indikation der Sectio streng zu prüfen und die Schwangere bereits im Aufklärungsgespräch auf das Risiko einer Implantations- bzw. Plazentationsstörung in einer Folgeschwangerschaft hinzuweisen. Im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung bei Frauen mit St. n. Sectio und einer tiefliegenden Vorderwandplazenta sollte an eine PAS gedacht werden und zwischen 32 und 34 SSW ein Ultraschall zur Beurteilung einer möglichen Plazentationsstörung durchgeführt werden. Eine präpartal diagnostizierte Plazentationsstörung ermöglicht eine interdisziplinäre Operationsplanung mit Urologen, Anästhesisten und Gynäkologen, wodurch die maternale Morbidität und Mortalität deutlich gesenkt werden können. Sonografische Hinweiszeichen sind ein fehlender echoarmer, myometraler retroplazentarer Randsaum, prominente Lakunen, eine abnorm starke Vaskularisierung von Plazenta und Myometrium sowie der uterinen Serosa an der Uterus-Blasen-Grenze, scheinbare Brückengefässe («brigding vessels») von Plazenta zum Myometrium, der Verlust der normalen Gewebetrennung zwischen Plazenta und Myometrium nach Rücknahme des Drucks mit dem Schallkopf und Verlust der normalen Verschieblichkeit zwischen Uterus und Blase. (Abbildung). Sollten sonografische Hinweiszeichen darstellbar sein, ist es ratsam, die Patientin in einem Perinatalzentrum vorzustellen; in manchen Fällen kann ein MRI zur Diagnosestellung hilfreich sein.
Spontangeburt bei Status nach Sectio Die vaginale Geburt bei St. n. Sectio (VBAC) beschreibt den Versuch einer vaginalen Geburt nach einem Kaiserschnitt. Im Vorfeld ist ein Gespräch mit einem erfahrenen Geburtshelfer über den Geburtsmodus notwendig, wobei die Präferenz der Patientin zu berücksichtigen ist und auch die Risiken und Komplikationen einer Spontangeburt im Vergleich zu einer Re-Sectio zu besprechen sind. Ein relevanter Punkt, welcher in der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Geburtsmodus mitberücksichtigt werden sollte, ist das Interpregnancy-Intervall. Die WHO definiert das optimale Intervall zwischen Geburt und erneuter Schwangerschaft mit mindestens 24 Monaten. Kürzere Intervalle bringen ein erhöhtes Risiko einer Uterusruptur unter Geburt mit sich. Eine VBAC nach
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weniger als 18 Monaten zur vorausgehenden Sectio geht mit einem Risiko einer Uterusruptur von 2,3% im Vergleich zu einem Risiko von 1,1% bei einem längeren Intervall einher. Das Risiko ist in dem Gespräch mit der Patientin ausführlich zu diskutieren und zu dokumentieren.
Betreuung bei Zwillingsschwangerschaften Zwillingsschwangerschaften sind Hochrisikoschwangerschaften, die einer besonderen Betreuung bedürfen. Voraussetzung für die erweiterte Schwangerschaftsbetreuung ist die Bestimmung der Chorionizität und Amnionizität mittels Frühultraschall. Bei dichorialer-diamnioter Geminigravidität sind im 3. Trimenon sonografische Verlaufskontrollen alle vier Wochen mit Bestimmung der fetalen Lage und Biometrie, Fruchtwassermenge, Nabelschnurdoppler und Messung der Zervixlänge empfohlen. Monochoriale Zwillinge sollen wegen der Risiken eines fetofetalen-Transfusionssyndromes, einer Twin-AnemiaPolycythemia-Sequenz oder einer selektiven Wachstumsretardierung bereits ab 16 SSW mittels Ultraschall- und Dopplerkontrollen mindestens zweiwöchentlich kontrolliert werden (11). Der Geburtsmodus ist in der 32. bis 34. SSW zu besprechen; prinzipiell ist unter Einhalten der Voraussetzungen eine Spontangeburt auch bei einer Geminigravidität möglich. Absolute Kontraindikationen sind: n Erster Geminus liegt nicht in Schädellage n < 2000 g Körpergewicht (relative Kontraindikation) n < 32. SSW (relative Kontraindikation) n intrauterine Wachstumsretardierung mit einer Ge-
wichtsdiskrepanz über 20% zugunsten des zweiten Geminus n Fehlbildungen mit Störung der Geburtsmechanik n Monochorial-monoamniote Geminigravidität n St. n. Re-Sectio caesarea oder St. n. korporalem Längsschnitt n Velamentöse Gefässe bei Geminus B.
Gemäss der Literatur ist nach der 32+0 SSW und vor der 37+0 SSW eher eine Vaginalgeburt zu favorisieren, nach der 37+0 SSW ist die primäre Sectio caesarea mit einem besseren perinatalem Outcome verbunden (12). In dem individuellen Beratungsgespräch ist die Patientin darüber aufzuklären, dass die Spontangeburt insbesondere für den zweiten Geminus eine Risikosituation darstellt. Nach Geburt des ersten Geminus kann eine vorzeitige Plazentalösung eintreten und zu einem Notfallkaiserschnitt führen. Im Falle einer unkomplizierten dichorialen-diamnioten Geminigravidität ist eine Geburt zwischen der 37+0 und 38+0 SSW empfohlen. Bei einer unkomplizierten monochorialen-diamnioten Geminigravidität sollte die Schwangerschaft bereits zwischen 36+0 SSW und 37+0 SSW beendet werden.
Das Management am Geburtstermin
Ab dem errechneten Termin sollten bei Schwangeren mit unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf engmaschige Verlaufskontrollen erfolgen – gemäss der AWMF-Leitlinie alle 3 bis 5 Tage. Die Kontrollintervalle sind nicht einheitlich festgelegt, sondern meist klinikintern geregelt. Ein Überschreiten des Geburtstermines bis 41+6 SSW wird als Terminüberschreitung bezeichnet, ab der 42+0 SSW spricht man von einer Übertragung. Geburtseinleitungen gehören heutzutage zum geburtshilflichen Alltag und werden immer häufiger durchgeführt (13). Die Prävalenz der Einleitungen nimmt in den letzten Jahren zu und liegt bei etwa 20% (14). Im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung soll daher eine Aufklärung über die individuelle Risikosituation erfolgen, die Vor- und Nachteile einer Geburtseinleitung dargestellt und gemeinsam mit der Schwangeren in einer umfassenden Beratung abgewogen werden. Die Einleitung soll ab 41+0 SSW angeboten, ab 41+3 SSW empfohlen und ab 42+0 SSW indiziert werden. Bei bestehenden Risikofaktoren für einen intrauterinen Fruchttod wie maternales Alter >35 Jahre, Adipositas, Nikotinabusus oder Nulliparität soll die Geburtseinleitung bereits früher durchgeführt werden (15). Studien zeigen, dass eine Geburtseinleitung im Vergleich zum exspektativen Vorgehen die peripartale Morbidität und Mortalität senkt, ohne die operativ vaginalen Interventionen und Rate an Kaiserschnitten zu erhöhen (16). Neben der Terminüberschreitung stellt der vorzeitige Blasensprung häufig eine Einleitungsindikation dar und bei fehlendem Hinweis auf ein Amnioninfektsyndrom ist die Geburtseinleitung spätestens ab 37+0 SSW indiziert. Bei einem vorzeitigen Blasensprung am Termin sollte die Einleitung spätestens nach 24 Stunden empfohlen werden, da das Risiko für ein Amnioninfektsyndrom ab 24 Stunden signifikant ansteigt (17).
Zusammenfassung
Die Schwangerschaftsbetreuung im 3. Trimenon ist
eine herausfordernde Aufgabe und bedarf in Risiko-
situationen häufig einer interdisziplinären Zusam-
menarbeit mit Fachspezialisten. Eine individuelle
Beratung hinsichtlich Geburtsmodus und Geburts-
zeitpunkt ist elementar, um das bestmögliche Out-
come für Mutter und Kind zu erreichen.
n
Dr. med. Elisabeth Kapfhammer-Seltenheim E-Mail: elisabeth.kapfhammer-seltenheim@ksw.ch
Dr. med. Leila Sultan-Beyer E-Mail: leila.sultan-beyer@ksw.ch
Frauenklinik Kantonsspital Winterthur 8401 Winterthur Interessenkonflikte: keine.
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Quellen: 1. Berger C, et al.: Influenza- und Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft. SGGG-Expertenbrief 2018; No 55. 2. Chertok IR et al.: Effects of early breastfeeding on neonatal glucose levels of term infants born to women with gestational diabetes. J Hum Nutr Diet. 2009. 22(2): 166-169. 3. Heslehurst N, et al.: Trends in maternal obesity incidence rates, demographic predictors, and health inequalities in 36,821 women over a 15-year period. BJOG 2007;114(2):187-194. 4. Rasmussen KM et al.: Recommendations for weight gain during pregnancy in the context of the obesity epidemic. Obstet Gynecol. 2010;116(5):1191-1195. 5. Kalliala I et al.: Obesity and gynaecological and obstetric conditions: umbrella review of the literature. BMJ 2017; 359: j4511. 6. Boulvain M et al.: Screening des Gestationsdiabetes. SGGG-Expertenbrief 2011; No 37. 7. Durnwald CP et al.: Glycemic characteristics and neonatal outcomes of women treated for mild gestational diabetes. Obstet Gynecol. 2011;117(4):819-827. 8. Deutsche Diabetes Gesellschaft: S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. 2018. 9. American Congress Obstet Gynecol (ACOG): Gestational Bulletin No. 137: Gestational diabetes mellitus. Obstet Gynecol, 2013;122:406-416. 10. Hoesli I, et al.: SGGG-Guideline Sectio caeasarea. 2015. 11. Morin L, Lim K.: Ultrasound in twin pregnancies. J Obstet Gynaecol Can. 2011; 33(6):643-656. 12. Schmitz T et al.: Perinatal outcome after planned vaginal delivery in monochorionic compared with dichorionic twin pregnancy. Ultrasound Obstet Gynecol. 2021; 57(4):592-599. 13. Rayburn WF, Zhang K.: Rising rates of labor induction: present concerns and future strategies. Obstet Gynecol. 2002; 100(1):164-167. 14. Fonseca L et al.: Randomized trial of preinduction cervical ripening: misoprostol vs oxytocin. Am J Obstet Gynecol. 2008; 199(3):305.e1-5. 15. Pretscher J et al.: Induction of labour in nulliparous women beyond term in a low-risk population. Z Geburtshilfe Neonatol. 2019; 223(1):33-39. 16. Mozurkewich E et al.: Indications for induction of labour: a best-evidence review. BJOG 2009;116(5):626-636. 17. Seaward PG et al.: International multicentre term prelabor rupture of membranes study: evaluation of predictors of clinical chorioamnionitis and postpartum fever in patients with prelabor rupture of membranes at term. Am J Obstet Gynecol. 1997;177(5):1024-1029.
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