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KONGRESSBERICHT
San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Dezember 2022
Frühes Mammakarzinom
Therapien mit Langzeitdaten neu beurteilt und bestätigt
Beim San Antonio Breast Cancer Symposium wurden Studien bei frühem Brustkrebs präsentiert, die zu neuen Therapieoptimierungen im klinischen Alltag führen dürften. Dabei ging es sowohl um die Deeskalierung der Therapie zur Vermeidung von Nebenwirkungen als auch um die Intensivierung der Wirksamkeit durch neue Substanzen.
10-Jahres-Daten: TamoxifenGabe in niedriger Dosierung
In der TAM 01-Studie erhielten 500 Frauen im Alter < 75 Jahren mit nicht invasivem Mammakarzinom randomisiert über den Zeitraum von 3 Jahren täglich 5 mg Tamoxifen oder Plazebo. Beim SABCS 2022 konnten nun 10-Jahres-Daten präsentiert werden, die die Studienergebnisse von vor 4 Jahren, ebenfalls beim SABCS vorgestellt, bestätigen (1): Die in die TAM 01-Studie eingeschlossenen Patientinnen waren durchschnittlich 54 Jahre alt, zu 40 bis 43% prämenopausal und hatten einen durchschnittlichen Body-Mass-Index (BMI) von 25,3 bis 25,7. Bei den meisten Patientinnen (69–70%)
Auf einen Blick
lag ein duktales Karzinom in situ (DCIS) vor, bei 10 bis 11% ein lobuläres Karzinom in situ (LCIS) und bei 20% eine atypische duktale Hyperplasie (ADH). Bei 61% der Patientinnen war bereits eine Bestrahlung erfolgt. Mit den 5-Jahres-Daten wurden im Tamoxifen-Arm signifikant weniger Ereignisse an der ipsilateralen wie auch an der kontralateralen Brust verglichen zum Plazebo-Arm berichtet (HR: 0,48 bzw. 0,24). Das Auftreten von Hitzewallungen war allerdings unter der endokrinen Therapie häufiger und intensiver als im Plazebo-Arm. In den USA wurde das niedrig dosierte Tamoxifen («Babytam» genannt) zur bevorzugten Therapiewahl bei Patientinnen mit Hochrisikoläsionen und führte zu einer geringeren Therapieabbruchrate nach einem Jahr im Vergleich zur 20 mg-Dosierung.
n Eine niedrige Mortalität von 0,6% innerhalb von 10 Jahren stützt die Deeskalierung der Tamoxifen-Dosis bei Patientinnen mit DCIS. Der Effekt auf die kontralaterale Brust bahnt möglicherweise den Weg für die Prävention mit niedrig dosiertem Tamoxifen.
n Bei Patientinnen mit BRCA-Mutation könnte Carboplatin durch Olaparib ersetzt werden, bei Patientinnen ohne BRCA-Mutation bringt die platinhaltige neoadjuvante Therapie möglicherweise einen überlegeneren Nutzen (Phase-II-Studie GeparOLA).
n Neue Resultate RxPONDER-Studie zeigen, dass Patientinnen mit einem Oncotype DX Breast Recurrence Score 0-25 nicht von einer Chemotherapie profitieren. Eine Substudie unterstreicht die Verwendung des Scores aufgrund des Risikos einer anhaltenden kognitiven Verschlechterung unter und nach Chemotherapie.
n Aktualisierte Ergebnisse der monarchEStudie bestätigen den Vorteil der 2-jährigen Abemaciclib-Gabe zur adjuvanten endokrinen Therapie mit einer Nachbeobachtungszeit von 42 Monaten.
Rezidivrisiko um fast die Hälfte verringert Mit nunmehr median 9,7 Jahren Nachbeobachtungszeit waren insgesamt 66 Ereignisse eingetreten, 25 im Tamoxifenund 41 im Plazebo-Arm. Mit der «Babytam»-Dosierung wurde das Risiko für ein Ereignis, definiert als Brustkrebs oder DCIS, um 42% reduziert (HR: 0,58; 95%-KI: 0,35–0,95; p = 0,28). Ein Vorteil wurde numerisch für ipsilaterale (HR: 0,68; 95%-KI: 0,36–1,28; p = 0,227) und signifikant für kontralaterale Ereignisse (HR: 0,36; 95%-KI: 0,14–0,92; p = 0,025) beobachtet. Insbesondere profitierten Patientinnen in der Postmenopause, mit Östrogenspiegeln ≤ 15,8 pg/ml, mit einem BMI > 30, mit Mastektomie, Nie-Raucherinnen sowie Patientinnen mit DCIS besser von Tamoxifen als von Plazebo. Es wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen bezüglich der Nebenwirkungen beob-
achtet. Am Mammakarzinom verstarben 1 versus 2 Patientinnen, klinisch relevante Nebenwirkungen traten bei 3 versus 6 Patientinnen auf.
Neoadjuvant: Olaparib plus Paclitaxel bei BCRA-Mutation möglich
Bei Patientinnen mit HER2-negativem, frühem Brustkrebs wurde in der Phase-II-Studie GeparOLA Olaparib versus Carboplatin, jeweils in Kombination mit Paclitaxel und gefolgt von Epirubicin plus Cyclophosphamid (EC), untersucht. Es wurde bereits eine vergleichbare Rate an pathologisch komplettem Ansprechen (pCR: 55,1 vs. 48,6%) sowie eine bessere Verträglichkeit des Olaparib-haltigen Regimes berichtet. Beim SABCS 2022 wurden nun die Überlebensdaten mit einer medianen Nachbeobachtungszeit > 4 Jahre präsentiert (2). Insgesamt 106 Patientinnen mit Brustkrebs im Stadium cT2-cT4a-d oder cT1c und Hochrisiko (BRCA1/2-Mutation oder hoher HRD-Score), die zuvor nicht mit einem PARP-Inhibitor behandelt wurden, erhielten neoadjuvant 12 Zyklen Paclitaxel sowie 2:1-randomisiert Olaparib (100 mg bid) oder Carboplatin (AUC 2, q1w), in beiden Studienarmen gefolgt von Epirubicin plus Cyclophosphamid und Operation. Einen hohen HRD-Score wiesen 96 und einen niedrigen HRDScore 3 Patientinnen auf, bei weiteren 7 Patientinnen war der HRD-Score nicht bestimmbar. Bei etwa der Hälfte aller Patientinnen wurde eine BRCA-Mutation nachgewiesen. Mit der längeren Nachbeobachtungszeit wurde ein Vorteil durch die neoadjuvante Therapie mit Olaparib/Paclitaxel (PO) gegenüber der Therapie mit Carboplatin/Paclitaxel (PCb) nicht bestätigt. Die pCR-Raten lagen für BRCA-mutierte Patientinnen in beiden Studienarmen bei 60% und bei BRCA-Wildtyp-Patientinnen bei 50% (PO) versus 37,5% (PCb). Ereignisse bezüglich des invasiverkrankungsfreiem Überleben (iDFS) wurden bei 15 versus 3 Patientinnen beobachtet, Ereignisse zum fernmetastasenfreien Überleben (dDFS) und Gesamtüberleben (OS)
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bei 11 versus 2 bzw. 6 versus 1 Patientinnen. Mit der längeren Nachbeobachtungszeit von median 49,8 Monaten betrug die 4-Jahres-iDFS-Rate im PCb-Arm 88,5% versus 76,0% im PO-Arm (HR: 2,86; 95%KI: 0,83–9,90). Der Therapieerfolg für Patientinnen mit BRCA-mutiertem Tumor war im Vergleich der zwei Studienarme nicht verschieden. Wiesen Patientinnen einen BRCA-Wildtyp (d. h. gemäss Einschlusskriterien einen hohen HRD-Score) auf, so war ein Vorteil mit 0 versus 7 Ereignissen im PCb-Arm zu sehen (p = 0,0369). Die 4-Jahres-DDFS- und -OS-Rate waren mit 93,4% versus 81,2% (HR: 3,03; p = 0,1290) bzw. 96,9% versus 89,2% (HR: 3,27; p = 0,2444) vorteilhafter für Patientinnen im Carboplatin-Arm. Für eine klinische Umsetzung müssten die Ergebnisse in einer grösseren klinischen Studie bestätigt werden, erklärten die Autoren.
Chemotherapie geht mit kognitiven Verlusten einher
Bekannt ist, dass die Brustkrebstherapie mit einer tumorbezogenen kognitiven Störung («cancer-related cognitive impairment»; CRCI) einhergeht. Der Einfluss der endokrinen im Vergleich zur Chemotherapie mit nachfolgender endokriner Therapie auf die CRCI ist bisher aber nicht gut untersucht worden. Auch die Abhängigkeit des Menopausenstatus ist nicht bekannt. Um mehr Informationen zu dieser Thematik zu erhalten, wurden die Daten der RxPONDER-Studie bezüglich kognitiver Störungen unter Studienmedikation ausgewertet (3). In die RxPONDER-Studie wurden 5083 Brustkrebspatientinnen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem, nicht fernmetastasierten Tumoren und 1 bis 3 befallenen Lymphknoten eingeschlossen. Die Patientinnen wurden randomisiert mit alleiniger endokriner Therapie versus Chemotherapie gefolgt von endokriner Therapie behandelt. In die Substudie zur kognitiven Funktion wurden konsekutiv englischsprachige US-Amerikanerinnen eingeladen und die Fragebögen von 139 prämenopausalen sowie 429
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postmenopausalen Patientinnen ausgewertet. Es wurden nur Patientinnen mit einem Oncotype DX Breast Recurrence Score zwischen 0 und 25 ausgewertet.
Statistische Signifikanz Innerhalb der prämenopausalen Subgruppe wurde für Patientinnen unter alleiniger endokriner Therapie ein leichtes Absinken der kognitiven Funktion nach 6 Monaten beobachtet, das bis zu 12 Monate anhielt, aber nach 36 Monaten wieder auf den Stand bei Randomisierung anstieg. Bei Gabe von Chemotherapie plus endokriner Therapie war die kognitive Funktion nach 6 Monaten niedriger, nach 12 Monaten weiter gesunken und erholte sich kaum bis nach 36 Monaten. Die postmenopausalen Patientinnen zeigten keinen Verlust der kognitiven Funktion unter endokriner Therapie, aber das gleiche Bild der kognitiven Schädigung unter Chemotherapie mit leichter, aber nicht vollständiger Erholung nach 36 Monaten. Der Unterschied zwischen den Therapiearmen erreichte für beide Patientinnensubgruppen die statistische Signifikanz. Eine klinisch relevante Verschlechterung der kognitiven Funktion nach 36 Monaten gaben 28% versus 42% der prämenopausalen und 36% versus 41% der postmenopausalen Frauen unter alleiniger endokriner Therapie versus Chemo- und nachfolgender endokriner Therapie an. Eine klinisch relevante Verbesserung wurde von 28% versus 19% bzw. 32% versus 24% der Patientinnen berichtet.
4-Jahres-Daten bestätigen adjuvantes Abemaciclib
In der monarchE-Studie wurde für die Hinzunahme von Abemaciclib zur adjuvanten Behandlung mit einer endokrinen Therapie ein signifikanter Vorteil beim iDFS und dem fernrezidivfreien Überleben (DRFS) bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem, lymphknotenpositivem frühen Brustkrebs beobachtet. Beim SABCS wurde nun eine vorgeplante Zwischenanalyse zum Gesamtüberleben mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42 Monaten präsentiert (4). In die monarchE-Studie wurden insgesamt 5637 Patientinnen eingeschlossen. Eine vorangegangene (neo)adjuvante Chemotherapie war mit einem maximalen Intervall von 16 Monaten zwischen Operation und Studieneinschluss erlaubt. Die Dauer der Abemaciclib-Gabe innerhalb der Studie betrug 2 Jahre.
Risiko für Progression reduziert Die aktualisierte Auswertung bestätigte den Vorteil durch Abemaciclib bezüglich des iDFS und des DRFS. Das Risiko für eine invasive Erkrankung wurde um 34% reduziert (HR: 0,664; 95%-KI: 0,578–0,762; p < 0,0001). Nach 48 Monaten waren 85,8% der Patientinnen im Abemaciclib-Arm ohne invasive Erkrankung versus 79,4% im Kontrollarm. Ein verbesserter Therapieerfolg wurde für alle untersuchten Subgruppen gesehen. Auch bezüglich des DRFS wurde eine Risikoreduktion durch Abemaciclib um 34% bestätigt (HR: 0,659; 95%-KI: 0,567–0,767; p < 0,0001). Nach 48 Monaten waren
88,4% versus 82,5% der Patientinnen
ohne Fernrezidiv. Für beide Wirksam-
keitsparameter, iDFS und DRFS, zeigte
sich eine Vertiefung des Vorteils durch
Abemaciclib über die Zeit.
Das Gesamtüberleben war in beiden
Studien vergleichbar. Mit 157 Ereignis-
sen im Abemaciclib-Arm versus 173 Er-
eignissen im Kontrollarm betrug die Ha-
zard Ration 0,929 (95%-KI: 0,748–1,153;
p = 0,5027). 118 versus 139 Patientinnen
und Patienten waren an ihrer Krebs-
erkrankung verstorben, 39 versus 34 auf-
grund anderer Ursachen. Am Leben mit
metastasierter Erkrankung waren 125
versus 249 Patientinnen und Patienten.
Patientinnen und Patienten, deren Er-
krankung aufgrund des Ki-67-Status als
Hochrisiko eingestuft wurde, zeigten ei-
nen prognostischen Unterschied, aber
keinen prädiktiven Einfluss des Ki-67-Sta-
tus auf den Nutzen der Abemaciclib-Be-
handlung.
n
Ine Schmale
Quelle: San Antonio Breast Cancer Symposium 2022, 6. bis 10. Dezember 2022, San Antonio/Texas.
Referenzen: 1. De Censi A et al.: 10 year results of a phase 3 trial of lowdose tamoxifen in noninvasive breast cancer. SABCS 2022, Abstr. #GS4-08. 2. Fasching PA et al.: Neoadjuvant paclitaxel/olaparib in comparison to paclitaxel/carboplatinum in patients with HER2-negative early breast cancer and homologus recombination deficiency – long-term survival of the GeparOLA study. SABCS 2022, Abstr. #GS5-02. 3. Kang I et al.: Patient-reported cognitive impairment in women participating in the RxPONDER trial (SWOG S1007) by menopausal status. SABCS 2022, Abstr. #GS1-04. 4. Johnston SRD et al.: Abemaciclib plus endocrine therapy for HR+, HER2-, noce-positive, high-risk early breast cancer: Results from a pre-planned monachE overall survival interim analysis, including 4-year efficacy outcomes. SABCS 2022, Abstr. #GS1-09.
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