Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause (SGEM)
Mehr schlafen – mehr abnehmen: Eine randomisierte Studie
Hintergrund: Bisherige Forschungen zeigen sehr konsistent Schlafmangel als einen der Risikofaktoren für die Entstehung von Adipositas auf. Lässt man eine Person in einem Schlaflabor nur 4 bis 5 Stunden pro Nacht schlafen, nimmt sie am folgenden Tag mehr Kalorien zu sich. Der Mechanismus dieser Beziehung – Hormone, Zytokine und andere Substanzen, die die Schlaf-Hunger-Achse beeinflussen – wird zwar noch erforscht, die Beziehung aber ist eindeutig: Wenn Menschen weniger schlafen, essen sie mehr (vgl. Abbildung). Was aber passiert im umgekehrten Fall? Essen Menschen weniger, wenn sie mehr schlafen? Gemäss einer neuen Studie scheint das tatsächlich der Fall zu sein.
Zusammenfassung der Studie von Tasali und Kollegen
Um das herauszufinden, wurden 80 übergewichtige Personen (BMI 25,0–29,9), die alle weniger als 6,5 Stunden pro Nacht schliefen, nach einer 2-wöchigen Beobachtungsphase in 2 Gruppen randomisiert. Die Interventionsgruppe erhielt personalisierte Schlafempfehlungen mit dem Ziel einer Schlaferweiterung/-verlängerung auf 8,5 Stunden pro Nacht. Die Kontrollgruppe behielt ihre Schlafgewohnheiten unverändert bei. Die Empfehlungen waren ziemlich einfach (Dinge, die wir alle ein bisschen besser machen können): eine Zielvorgabe für die Schlafens- und Aufwachzeit (Zielschlafenszeit: 8,5 Stunden), weniger Umgebungslicht, weniger Telefon- und Fernsehnutzung im Bett, weniger Koffeinkonsum und mehr Bewegung. Und siehe da, die Empfehlungen funktionierten: Nach einer 2-wöchigen Einführungsphase schlief die Interventionsgruppe, wie die Handgelenkmonitore zeigten, etwa 1,2 Stunden länger pro Nacht, und das blieb auch für die restli-
chen 2 Wochen der Studie so. Die Forscher untersuchten ausserdem die Energiebilanz dieser Personen – das Verhältnis der täglichen Energiezufuhr (Nahrungsmittelaufnahme) zum täglichen Energieverbrauch – unter Verwendung von doppelt markiertem Wasser, um genaue Messungen zu erhalten. Sie fanden heraus, dass die Gruppe, die nach dem Zufallsprinzip länger schlief, während des Studienzeitraums eine signifikante Verringerung der Gesamtenergiezufuhr aufwies, und zwar in einer Grössenordnung von etwa 150 Kalorien weniger pro Tag. Beim Gesamtenergieverbrauch ergab sich kein Unterschied. Da die Kalorienzufuhr sank, während der Kalorienverbrauch gleich blieb, verlor die Interventionsgruppe in 2 Wochen 0,5 kg an Gewicht. 150 Kalorien weniger pro Tag mögen nicht viel erscheinen, aber kleine Veränderungen in der Kalorienzufuhr summieren sich über einen längeren Zeitraum. Hierfür gibt es validierte Modelle. Und natürlich wirkt sich Schlaf nicht nur positiv auf eine Verringerung des Körper-
Stress
Essstörungen
Präferenz für hyperkalorische Nahrung
Geringe Impulskontrolle
Aktivierung der HPA-Achse Kortisol
Insulinresistenz Adiponectin Ghrelin Leptin
Schlafstörungen
Schlafverlust
Verschlechterter Schlaf
Gewichtszunahme
Appetit, Nahrungszunahme
Risiko für Diabetes und Adipositas
Metabolische Dysfunktion
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der SGEM, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert im Turnus mit Kolleg*innen, hier mit
Dr. med. Susanne Weidlinger, Bern
kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und teilweise kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Tasali E, Wroblewski K, Kahn E, Kilkus J, Schoeller DA.: Effect of sleep extension on objectively assessed energy intake among adults with overweight in real-life settings – a randomized clinical trial. JAMA Intern Med. 2022;182(4):365-374.
gewichts aus. Die Teilnehmer des Studienarms mit der Schlafverlängerung berichteten zudem, dass sie tagsüber deutlich wacher waren, mehr Energie hatten und besserer Stimmung waren.
Kommentar
Aus dieser randomisierten Studie lassen
sich 2 wichtige Erkenntnisse mitnehmen:
1. Mehr zu schlafen, ist gesund. Die Ver-
besserung und die Aufrechterhaltung
einer gesunden Schlafdauer über
einen längeren Zeitraum könnten
unter anderem Teil von Programmen
zur Vorbeugung von Adipositas und
zur Gewichtsabnahme sein.
2. Mehr Schlaf zu bekommen, ist mög-
lich. Letzteres ist vor allem für diejeni-
gen von grosser Bedeutung, die auf
kaum mehr als 6 Stunden Schlaf pro
Nacht kommen. Mit einem einfachen
Schlafplan kann man bereits einiges
erreichen.
In diesem Sinne: Schlafen Sie sich aus!
Schlafen Sie sich schlank!
n
Prof. Dr. med. Petra Stute Herausgeberin der SGEM-Newsletter Universitätsfrauenklinik, Inselspital Bern E-Mail: petra-stute@insel.ch Internet: www.meno-pause.de
Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. Tasali E et al.: Effect of sleep extension on objectively assessed energy intake among adults with overweight in reallife rettings – a randomized clinical trial. JAMA Internal Medicine. 2022;182(4):365-374. 2. Hirotsu C et al.: Interactions between sleep, stress, and metabolism: from physiological to pathological conditions. Sleep Science. 2015 Nov;8(3):143-152.
GYNÄKOLOGIE 5/2022
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