Transkript
SCHWERPUNKT
Die Behandlung des Ovarialkarzinoms
Überblick über aktuelle Strategien in frühen und fortgeschrittenen Stadien
Aufgrund der unspezifischen Symptomatik und wegen fehlender Screeningverfahren werden etwa 75% der Ovarialkarzinome erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Bei betroffenen Patientinnen ist die primäre chirurgische Zytoreduktion mit anschliessender systemischer platinbasierter Chemotherapie die bevorzugte Erstbehandlung. Der Artikel erläutert die wichtigsten Bausteine der Therapie des frühen und fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms.
FRANZISKA SIEGENTHALER1, JULIAN WAMPFLER2
Foto: Johanna Probst
Franziska Siegenthaler Julian Wampfler
Das Ovarialkarzinom ist nach dem Mammakarzinom die häufigste tödliche gynäkologische Krebserkrankung in der Schweiz, da es zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in den meisten Fällen bereits fortgeschritten ist. Die Beschwerden fehlen im Frühstadium meist völlig und sind im späteren Verlauf der Erkrankung unspezifisch. Die Diagnose wird histologisch im Rahmen der Operation gestellt.
Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung ist empfehlenswert, da dadurch unmittelbar das chirurgische Vorgehen beeinflusst und eine zweite Operation vermieden werden kann. Die Schnellschnittuntersuchung von Adnextumoren hatte an unserem Patientinnenkollektiv eine sehr hohe Genauigkeit von 93,4%, mit etwas schlechteren Werten bei Borderlinetumoren oder nicht serösen Histologien (2).
Diagnostik und chirurgische Therapie
Die chirurgische Therapie sollte von einer Gynäkoonkologin oder einem Gynäkoonkologen an einem onkologischen Zentrum mit interdisziplinärer diagnostischer und therapeutischer Expertise erfolgen. Gemäss der aktuellen Literatur führt eine Zentralisierung der Behandlung zu einem besseren onkologischen Outcome, und die Mortalität korreliert mit dem jährlichen Fallvolumen des behandelnden Spitals (1).
Seröses tubares intraepitheliales Karzinom Seröse tubare intraepitheliale Karzinome (STIC) werden als früheste Manifestation respektive Vorläuferläsion des hochgradigen serösen Ovarialkarzinoms angesehen. Bei Nachweis von STIC besteht ein substanzielles Risiko, dass bereits ein invasiver Prozess vorliegt. Eine Staging-Operation zum Ausschluss eines hochgradigen serösen Ovarialkarzinoms sollte mit der Patientin besprochen werden (3).
Gynäkologisches Tumorzentrum, Universitätsspital Bern: 1 Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, 2 Universitätsklinik für Medizinische Onkologie, Inselspital
Merkpunkte
n Die vollständige Entfernung aller sichtbaren Tumormanifestationen ist der wichtigste unabhängige Prognosefaktor beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom.
n Bei klinisch unauffälligen Lymphknoten beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom soll auf die Durchführung einer pelvinen und paraaortalen Lymphonodektomie verzichtet werden.
n Eine Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren bei Patientinnen mit BRCA1/2-Mutationen oder homologer Rekombinationsdefizienz verlängert das Überleben.
n Eine platinhaltige Chemotherapie ist sehr effektiv, erreicht hohe Ansprechraten und eine rasche Besserung der Symptomatik.
Die primäre chirurgische Therapie Ovarialkarzinom im Frühstadium Bei Patientinnen mit einem frühen Ovarialkarzinom beschränkt sich die Erkrankung auf das kleine Becken (Stadium I bis IIA). Diese Gruppe entspricht zirka einem Viertel aller Ovarialkarzinompatientinnen. Ein komplettes chirurgisches Staging ist bei diesen Patientinnen eine zwingende Voraussetzung für die optimale adjuvante Therapie und geht mit einem verbesserten progressionsfreien (PFS) und Gesamtüberleben (OS) einher. Die meisten Leitlinien empfehlen eine mediane Längslaparotomie für die Staging-Operation, mit der Begründung, dass der offene Zugang im Gegensatz zur Laparoskopie eine genauere makroskopische Untersuchung erlaubt und das Risiko für eine Tumor-
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SCHWERPUNKT
invasivem Zugang. Ein peritoneales Restaging ist obligat, insbesondere um keine Tumorreste zu übersehen. Demgegenüber kann auf eine erneute Operation zum Lymphknotenstaging verzichtet werden, wenn der Lymphknotenstatus keinen Einfluss auf die adjuvante Therapie hat.
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Abbildung 1: Intraoperativer Situs nach radikaler pelviner (a) und paraaortaler (b) Lymphonodektomie bei einer Patientin mit einem Ovarialkarzinom im Frühstadium.
ruptur kleiner ist. Es gibt jedoch bis anhin keinen Nachweis für einen Überlebensvorteil für Patientinnen, welche mittels Laparotomie behandelt wurden, verglichen mit minimalinvasivem Verfahren (4). Somit ist bei entsprechender Expertise ein minimalinvasiver Zugang vertretbar, sofern ein intraoperativer Tumorspillage vermieden werden kann. Die Operation umfasst eine Inspektion des gesamten Abdomens, eine peritoneale Spülzytologie, eine Hysterektomie mit Adnexektomie beidseits, eine infrakolische Omentektomie und eine radikale pelvine und paraaortale Lymphonodektomie (Abbildung 1), denn 10 bis 30% aller Patientinnen im mutmasslichen Frühstadium haben okkulte Lymphknotenmetastasen. Bei muzinöser Histologie sollte zudem eine Appendektomie durchgeführt werden. Neben Biopsien aus allen auffälligen Arealen des Peritoneums erfolgen bei makroskopisch unauffälligem Befund systematische Peritonealbiopsien aus dem Douglas-Raum, dem Blasenperitoneum, den Beckenwänden, den parakolischen Rinnen und den Zwerchfellkuppen (3).
Restaging Falls die Diagnose eines Ovarialkarzinoms als Zufallsbefund erst postoperativ gestellt wird, sollte eine zweite Operation zur Komplettierung des Stagings durchgeführt werden, sofern möglich mit minimal-
Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom Das Ziel der primären chirurgischen Therapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom (Stadium IIB bis IV) besteht aus einer makroskopisch vollständigen Tumorresektion, da die Prognose massgeblich vom Ausmass des postoperativen Tumorrests bestimmt wird und eine vollständige Entfernung aller makroskopisch sichtbaren Tumormanifestationen mit einem verlängerten Überleben assoziiert ist. Deshalb sollte allen Patientinnen ein primäres Upfront-Debulking als Standardbehandlung angeboten werden, sofern eine komplette Zytoreduktion hinsichtlich der Ausbreitung der Erkrankung sowie hinsichtlich des Allgemeinzustands möglich erscheint. Patientinnen mit Resttumor ≤ 1 cm haben zwar immer noch einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Patientinnen mit Resttumor > 1 cm, der Unterschied ist jedoch klein im Vergleich zur Komplettresektion (5). Makroskopische Tumorfreiheit wird häufiger von Gynäkoonkologen erreicht als von anderweitig spezialisierten Chirurgen. Eine vorgängige diagnostische Laparoskopie mit Schnellschnittuntersuchung liefert einerseits den Vorteil der histopathologischen Diagnosesicherung, andererseits detaillierte Informationen über die Ausbreitung des Tumors und die Operabilität. Wie wahrscheinlich eine optimale Zytoreduktion zu erreichen ist, lässt sich während der Laparoskopie mithilfe des Fagotti-Scores berechnen. Dabei handelt es sich um einen laparoskopischen Index, der Peritonealkarzinose, Omental Cake, Zwerchfellbeteiligung, Darmoder Mageninfiltration, Mesenterialretraktion und Lebermetastasen einschliesst (6). Bei Patientinnen mit einem Fagotti-Score von 8 oder mehr ist das Erreichen einer chirurgischen Komplettresektion sehr unwahrscheinlich. Falls eine komplette Zytoreduktion machbar ist, wird diese mit einer medianen Längslaparotomie durchgeführt. Die Operationsplanung sollte interdisziplinär erfolgen, da in mehr als der Hälfte der fortgeschrittenen Ovarialkarzinome Darmeingriffe erforderlich sind. Gemäss den Resultaten der AGO-LION-Studie kann bei makroskopischer Tumorfreiheit und klinisch unauffälligen Lymphknoten bei fortgeschrittenem Ovarialkarzinom auf die Durchführung eines systematischen Lymphknotenstagings verzichtet werden: Bei diesen Patientinnen führt die radikale pelvine und paraaortale Lymphadenektomie nicht zu einer Verbesserung des Überlebens, aber zu einer Erhöhung von Morbidität und Mortalität (7).
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SCHWERPUNKT
Intervaldebulking Falls eine komplette chirurgische Resektion aller abdominalen Tumormanifestationen nicht möglich ist oder der Allgemeinzustand der Patientin einen grossen Eingriff nicht erlaubt, wird eine neoadjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel durchgeführt. Nach 3 Zyklen folgt eine Reevaluation mittels Bildgebung, und bei nachgewiesenem Therapieansprechen kann die Intervaldebulking-Operation nach vorgängiger diagnostischer Laparoskopie geplant werden (Abbildung 2). Gemäss der aktuellen Literatur sind die Überlebensraten bei Ovarialkarzinom nach Primäroperation vergleichbar mit denjenigen nach Intervaldebulking-Chirurgie (8). Gemäss der CILOVE-Studie (Phase II) ist ein minimalinvasiver Zugang bei chemosensiblen Patientinnen zum Intervaldebulking machbar und sicher (9).
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Vorgehen bei Rezidiv Der Stellenwert der Chirurgie beim Ovarialkarzinomrezidiv wurde prospektiv in der DESKTOP-III-Studie untersucht. Es zeigte sich ein deutlicher Überlebensvorteil von mehr als 6 Monaten für Patientinnen mit einem platinfreien Intervall, wenn nicht nur eine platinbasierte Chemotherapie, sondern vorgängig zusätzlich eine Rezidivoperation durchgeführt wurde. Entscheidend für das positive Outcome war ein positiver AGO-Score (ECOG 0, R0-Resektion bei der Primärchirurgie und Aszites < 500 ml) und dass eine komplette makroskopische Tumorresektion durchgeführt werden konnte (10). Fertilitätserhaltende Chirurgie Die fertilitätserhaltende Chirurgie beim Ovarialkarzinom besteht aus einer einseitigen Adnexektomie und einem vollständigen chirurgischen Staging einschliesslich peritonealer Spülzytologie, infrakolischer Omentektomie, Peritonealbiopsien und radikaler pelviner und paraaortaler Lymphonodektomie. Gemäss den aktuellen Leitlinien kann ein Fertilitätserhalt bei jungen Patientinnen mit unilateralen serösen, endometrioiden oder muzinös-expansiven Tumoren G1-2 (low grade) im Stadium IA (und wahrscheinlich auch IC1) angeboten werden. Es gibt jedoch keine randomisierten Studien, welche die onkologische Sicherheit des Fertilitätserhalt beim Ovarialkarzinom belegen. In jedem Fall muss die Patientin über ein erhöhtes Rezidivrisiko bei einem fertilitätserhaltenden Vorgehen aufgeklärt werden, und es müssen engmaschige Nachsorgen erfolgen (3, 11). Medikamentöse Therapie Dieser Abschnitt befasst sich ausschliesslich mit dem hochgradigen serösen Ovarialkarzinom, der häufigsten Histologie. Es wird auf den Stellenwert einer platinhaltigen Chemotherapie als adjuvante oder neoadjuvante Therapie sowie der Behandlung von b Abbildung 2: Intraoperativer Situs bei Erstdiagnose eines fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms mit einem Fagotti-Score von 8 (a) und nach 3 Zyklen neoadjuvanter Chemotherapie mit gutem Ansprechen und einem Fagotti-Score von 0 (b). Rezidivsituationen eingegangen. Darüber hinaus wird der Nutzen von Poly-(ADP-ribose-)PolymeraseInhibitoren (PARPi; PARP-Hemmer) diskutiert sowie Anwendungsmöglichkeiten des antiangiogenetischen Antikörpers Bevacizumab aufgezeigt. Daneben werden die Schwierigkeiten bei der Behandlung platinresistenter Ovarialkarzinome beschrieben. Neoadjuvante und adjuvante Chemotherapie (1. Therapielinie) Eine Indikation für eine adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel besteht ab FIGO-Stadium IC. Es sind grundsätzlich 6 Zyklen Chemotherapie indiziert. Da Paclitaxel bei 3-wöchentlicher Anwendung eine komplette Alopezie verursacht, kann das Medikament dosisdicht wöchentlich verabreicht und eine Kühlhaube angewendet werden. Das onkologische Ergebnis ist identisch, und die Nebenwirkungen unterscheiden sich nicht wesentlich (12). Bei Patientinnen im Stadium IV oder Stadium III R1 kann Bevacizumab das mediane OS um 9,5 Monate verlängern (Hazard Ratio [HR]: 0,78; 95%-KI: 0,63–0,97; p = 0,03). In diesem Fall ist eine Erhaltungsbehandlung für 18 Applikationen vorgesehen (13). Bei primär inoperablen Patientinnen kann eine neoadjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel eine Operation ermöglichen (8). Die Ansprechrate dieses GYNÄKOLOGIE 5/2022 11 SCHWERPUNKT gBRCA1/2mt & sBRCA1/2mt BRCA1/2mt Olaparib (2 Jahre) – SOLO 1 DBS Carbo/Taxol Olaparib (2 Jahre) + Bevacizumab (15 mt) PAOLA BRCA1/2wt – HRD pos. BRCA1/2wt – HRD DBS Carbo/Taxol Niraparib (3 Jahre) – PRIMA Olaparib (2 Jahre) + Bevacizumab (15 mt) PAOLA Carbo/Taxol IDS Carbo/Taxol Niraparib (3 Jahre) – PRIMA Carbo/Taxol IDS Carbo/Taxol Bevacizumab 18* (ICON7)* * nur Stadium IV oder III R+ BRCA1/2wt – HRD neg. Bevacizumab 18* (ICON7)* * nur Stadium IV oder III R+ DBS Carbo/Taxol Carbo/Taxol IDS Carbo/Taxol Bevacizumab 18* (ICON7)* * nur Stadium IV oder III R+ Abbildung 3: Möglichkeiten der Erhaltungstherapie nach Erstlinienchemotherapie für Patientinnen mit BRCA-Mutationen, mit homologer Rekombinationsdefizienz (HRD) und ohne HRD gemäss Zulassung der Swissmedic. Chemotherapieschemas liegt bei über 80% in Bezug auf eine Reduktion des Tumormarkers CA125 und über 60% gemäss der RECIST1.1-Kriterien (12). Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren PARP-Inhibitoren (PARPi) sind zielgerichtete Medikamente in Tablettenform, welche die Reparatur geschädigter DNA stören. Bei Patientinnen mit BRCAMutation(en) oder homologer Rekombinationsdefizienz (HRD) sind Ovarialkarzinomzellen von Natur aus in der DNA-Reparatur eingeschränkt. Der Einsatz von PARPi bei solchen Tumoren führt zu synthetischer Letalität, zum Absterben der Tumorzellen wegen zu vieler (letaler) Mutationen. Die Phase-III-Studie SOLO1 konnte zeigen, dass bei Patientinnen im Stadium FIGO III und IV und einer BRCA-Mutation das mediane PFS und das mediane OS statistisch signifikant verbessert werden konnte durch die Einnahme von Olaparib (Lynparza®) für 2 Jahre. 7 Jahre nach Beginn der Olaparib-Erhaltungstherapie waren 67% der Patientinnen am Leben, das im Vergleich zu 46,5% in der Plazebogruppe (HR: 0,55; 95%-KI: 0,40–0,76; p = 0,0004). 45,3% der Patientinnen lebten, ohne dass sie eine weitere Therapie erhielten, versus 20,5% in der Kontrollgruppe (HR: 0,37; 95%-KI: 0,28–0,48) (14, 15). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Olaparib den Erfolg der Therapie bei Patientinnen mit BRCAMutation erheblich verbessert. Die Phase-III-Studie PAOLA zeigte, dass bei Patientinnen mit einer HRD (diese schliesst Patientinnen mit einer BRCA-Mutation ein) eine kombinierte Erhaltungstherapie mit Bevacizumab über 15 Monate und Olaparib über 2 Jahre sowohl das mediane PFS als auch das mediane OS statistisch signifikant ver- bessert. Das mediane PFS betrug 37,2 Monate unter einer kombinierten Erhaltungstherapie mit Olaparib und Bevacizumab versus 21,7 Monate unter einer Erhaltungstherapie mit nur Bevacizumab (HR: 0,31; 95%-KI: 0,20–0,47) (16). Das OS nach 5 Jahren betrug 65,5% versus 48,4% bei Behandlung mit ausschliesslich Bevacizumab (HR: 0,62; 95%-KI: 0,45–0,85) (17). Die Phase-III-Studie PRIMA konnte zeigen, dass alle Patientinnen ein verlängertes PFS durch die 3-jährige Erhaltungstherapie mit dem PARPi Niraparib (Zejula®) erreichten. Allerdings ist der Vorteil für Patientinnen ohne HRD sehr klein (2,7 Monate), sodass Swissmedic dieses Medikament nur für HRD-Patientinnen zugelassen hat. Für diese Gruppe wurde eine erhebliche Verbesserung des PFS beobachtet (18). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle Patientinnen mit einer HRD eine Erhaltungstherapie mit einem PARPi erhalten sollen. Somit ist eine HRD-Testung bei Ovarialkarzinom sehr zu empfehlen. Patientinnen im Stadium IV oder III R1 profitieren von Bevacizumab (Abbildung 3). Therapie bei einem Rezidiv Bei platinfreiem Intervall von mehr als 6 Monaten Patientinnen mit einem Rezidiv später als 6 Monate nach der letzten Carboplatin-Applikation (platinfreies Intervall) gelten als platinsensibel. Deshalb ist die beste Behandlungsmöglichkeit eine kombinierte Chemotherapie mit Carboplatin. Diese kann entweder mit PEG-liposomalem Doxorubicin (Caelyx®), erneut Paclitaxel oder Gemcitabin und Bevacizumab kombiniert werden. Patientinnen haben in der Regel bei einem Rezidiv ohne potenziell kurative Operation eine Lebenserwartung von etwa 3 Jahren (19, 20). Die Kombination 12 GYNÄKOLOGIE 5/2022 SCHWERPUNKT mit Bevacizumab und in der Folge eine Erhaltungstherapie mit Bevacizumab bis zum Progress verlängern zwar das PFS, nicht aber das OS (20). Patientinnen mit einer BRCA-Mutation, die noch keinen PARPi erhalten haben, profitieren nun erheblich von einer Erhaltungstherapie mit Olaparib. Dieses Medikament verlängert das Überleben um über 1 Jahr, wenn auch das Resultat knapp nicht signifikant wegen des Cross-over-Effekts ist (21). Alternativ kann Niraparib eingesetzt werden, welches für alle Patientinnen mit platinsensitivem Rezidiv zugelassen ist. Allerdings zeigt sich hier für Patientinnen mit einer BRCA-Mutation kein Trend für eine Verlängerung des OS, wobei erwähnt sein soll, dass die Studie für diesen Endpunkt nicht genügend Patientinnen umfasst (22). Eine Behandlung von Patientinnen mit einem PARPi, nachdem schon ein solcher verwendet worden ist, hat in der OReO-Studie (Phase-IIIb) nur einen kleinen PFS-Vorteil von 1,5 Monaten bei BRCA-Mutation und von 2,5 Monaten bei Karzinomen ohne BRCA-Mutation ergeben. Das ist zwar ein statistisch signifikanter Vorteil, aber klinisch von wenig Relevanz, weshalb ein PARPi nach einem PARPi zurzeit keinen Therapiestandard darstellt (23). Bei platinfreiem Intervall von weniger als 6 Mona- ten (Platinresistenz) Patientinnen mit einer platinresistenten Krankheit ha- ben eine schlechte Prognose mit einem medianen Überleben von unter 12 Monaten trotz Therapie. Es können wahlweise wöchentlich Paclitaxel, Topote- can, PEG-liposomales Doxorubicin oder eine Kombi- nation mit Bevacizumab angewendet werden. Die Kombination mit Bevacizumab verbessert die An- sprechrate, verlängert zwar das PFS, nicht aber das OS (24). Zahlreiche Studien mit zielgerichteten The- rapien oder Immuntherapien verfehlten ihre End- punkte. Wegen eines fehlenden klaren Standards sind Studien und neue Ansätze bei diesem Patientin- nenklientel von grossem Interesse. n Dr. med. Franziska Siegenthaler (Erstautorin, Korrespondenzadresse) Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: franziska.siegenthaler@insel.ch Interessenkonflikte: keine. Quellen: 1. Bristow RE, Chang J, Ziogas A, Randall LM, Anton-Culver H.: High-volume ovarian cancer care: Survival impact and disparities in access for advanced-stage disease. Gynecol Oncol. 2014; 132(2): 403-410. doi:10.1016/j.ygyno.2013.12.017 2. Zumwald L, Siegenthaler F, Mueller MD.: Accuracy of intraoperative frozen section in adnexal tumors – a retrospective analysis of potentially reliable elements supposed to increase the diagnostic performance. 2021. 3. Wagner U, Reuss A.: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren. 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