Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause (SGEM)
Versorgungsrealität von Frauen in den Wechseljahren
Hintergrund: Die Hormonersatztherapie (HRT) ist gemäss der aktuellen S3-Leitlinie die Erstlinientherapie des klimakterischen Syndroms (1). Das entspricht jedoch nicht der Versorgungsrealität, wie schon diverse Umfragen von gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gezeigt haben. Das Ziel der vorliegenden Studie war, die Versorgungsrealität von Frauen in den Wechseljahren in Deutschland abzubilden.
Zusammenfassung der Studie
Auf der Basis einer Befragung von 1000 Frauen im Alter von 45 bis 60 Jahren zu den Themen Lebensqualität, Menopause und HRT und im Rahmen einer quantitativen, longitudinalen Versorgungsstudie, welche auf einem anonymisierten sowie alters- und geschlechtsadjustierten GKV-Routinedatensatz mit zirka 4 Millionen Versicherten pro Jahr beruht, wurden die medizinische Versorgungssituation und die Krankheitslast der Frauen in den Wechseljahren untersucht. Von mehr als einer halben Million gesetzlich versicherter Frauen im Alter von 35 bis 70 Jahren (n = 613 104) wurden bei 14% (n = 82 785) klimakterische Störungen als Erstdiagnose im Jahr 2014 dokumentiert. Der Anteil der Frauen mit klimakterischer Störung und ambulant verordneter HRT lag bei 21%. Gemäss Forsa-Umfrage fühlte sich von den befragten Frauen die Hälfte mittelmässig bis schlecht/sehr schlecht zu Therapiemöglichkeiten informiert. Das Intervall von der Erstdiagnose des klimakterischen Syndroms bis zur Erstverordnung einer HRT betrug zirka 1,5 Jahre. Die
Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine verstärkte Sensibilisierung sowie eine frühzeitige und fundierte Aufklärung zur HRT und deren Risiken und Nutzen dringend nötig sind.
Kommentar
Nur wenige symptomatische menopausale Frauen erhalten in Deutschland die Erstlinientherapie, eine HRT. Das ist international ähnlich. Viele Gründe sind diskutiert worden, wobei Brustkrebs die grösste Sorge ist. Auch 20 Jahre nach der WHI-Publikation ist es international trotz vielfacher Bemühungen nicht gelungen, die Bedenken gegenüber einer HRT zu relativieren. Des Weiteren kommt hinzu, dass das Fachwissen in der gynäkologischen Endokrinologie und Menopausenmedizin in diesen 20 Jahren unter anderem durch die Berentung erfahrener Kolleginnen und Kollegen fast verloren gegangen ist und dadurch der Zugang von Frauen zur Beratung erschwert ist. Das ist daran abzulesen, dass das klimakterische Syndrom regelmässig unterdiagnostiziert wird. Neue Wege müssen
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der SGEM, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert im Turnus mit Kolleg*innen kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und teilweise kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Stute P, Eversheim H, Ortius-Lechner D et al.: Care reality of menopausal women in Germany: healthcare research using quantitative (SHI claims data) and qualitative (survey) data collection. Arch Gynecol Obstet. 2022; 321. DOI: org/10.1007/s00404-022-06457-9
beschritten werden, wobei e-Health (z. B. digitale Gesundheitsapplikationen, DiGA) eine Rolle spielen könnten. n
Prof. Dr. med. Petra Stute Herausgeberin der SGEM-Newsletter Universitätsfrauenklinik, Inselspital Bern E-Mail: petra-stute@insel.ch Internet: www.meno-pause.de
Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenz: Inwald EC et al.: Perimenopause and Postmenopause – Diagnosis and Interventions. Guideline of the DGGG and OEGGG (S3-Level, AWMF Registry Number 015-062, September 2020). Geburtshilfe Frauenheilkd. 2021. 81(6): 612-636
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Weitere Infos www.menopause-gesellschaft.de Geschäftsstelle (Programme, Anmeldung): info-dmg@email.de; Tel 0049-6420-329486
26 GYNÄKOLOGIE 3/2022