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SCHWERPUNKT
Multigensignaturen in der adjuvanten Therapie bei frühem invasivem Brustkrebs
Welche prognostischen und prädiktiven Informationen bieten sie?
Die Molekularbiologie hat unser Verständnis von Brustkrebs nachhaltig verändert und unsere diagnostischen Möglichkeiten erweitert. Für adjuvante Therapieentscheidungen steht inzwischen – zusätzlich zu den klassischen klinischen, pathologischen und immunhistochemischen Markern – eine Reihe von Genexpressionstests zur Verfügung. Die Fakten zu vier Multigentests sind in diesem Beitrag zusammengefasst.
KONSTANTIN J. DEDES, OSSI R. KÖCHLI, DANIEL FINK
Nach der Operation stellen sich für Patientinnen mit einem frühen invasiven Mammakarzinom und ihre Therapeuten zwei entscheidende Fragen, und zwar I die nach der Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs und
insbesondere bei Östrogenrezeptor-(ER-)positiver, HER2-negativer, nodalnegativer Erkrankung oder bei bis zu drei befallenen Lymphknoten I die nach der Notwendigkeit einer adjuvanten Chemotherapie.
Zusätzliche Informationen über die individuelle Tumorbiologie in Form von Gensignaturen können heute beim Entscheidungsprozess helfen. Dabei werden nicht Veränderungen einzelner Gene bestimmt, sondern über die Messung der Expression mehrerer Gene genomische Profile des Tumors erstellt. Mehrere Gensignaturen stehen inzwischen für den klinischen Einsatz zur Verfügung und werden seit Januar 2015 in der Schweiz durch die obligatorische Krankenversicherung vergütet.
Merkpunkte
I Über die Messung der Expression mehrerer Gene können genomische Profile eines Tumors, sogenannte Gensignaturen, erstellt werden.
I Gensignaturen wie der 70-Gen-Assay (Mammaprint®), der 21-Gen-Test (Oncotype-DX®-Brustkrebstest), der 11-Gen-Assay (Endopredict®) und der PAM 50 (Prosigna™) bieten zusätzliche prognostische Informationen beim frühen invasiven Mammakarzinom.
I Die Evidenzgrundlage für die aufgeführten Gensignaturen ist unterschiedlich: 70-Gen-Assay Evidenzlevel II, 21-Gen-Test, 11-Gen-Assay und PAM 50 Evidenzlevel Ib. Bis anhin werden prospektive Daten nur mit Mammaprint und mit dem Oncotype-DX-Brustkrebstest erwartet.
I Es besteht nur eine geringe Konkordanz zwischen den verschiedenen Tests.
I Die Anwendung von Gensignaturen zur genaueren Risikoermittlung wird für Patientinnen mit HER2-negativem, ER-positivem, frühem invasivem Mammakarzinom von wichtigen Leitlinien wie diejenigen von St. Gallen, ESMO, ASCO, NCCN und AGO unterstützt.
I Patientinnen mit ER-positiver, nodalnegativer Erkrankung oder mit bis zu 3 befallenen Lymphknoten können identifiziert werden, sie haben mit alleiniger endokriner Therapie eine sehr gute Prognose.
I Genuine prädiktive Daten, die im individuellen Fall für eine Patientin mit ER-positivem, frühem invasivem Mammakarzinom eine Aussage zum potenziellen Nutzen einer Chemotherapie erlauben, liegen bisher nur für den 21-Gen-Test vor.
70-Gen-Assay (Mammaprint®)
Der Test ist etwa seit 2006 erhältlich und basiert auf der Microarray-Technik. Er liefert ein Expressionsprofil von 70 Genen und klassifiziert Patientinnen mit frühem Brustkrebs und einem Alter unter 62 Jahren in zwei Gruppen – in eine mit niedrigem und in eine mit hohem Risiko für ein Fernrezidiv innerhalb von 5 Jahren nach Primärdiagnose (1, 2). Die Durchführung des Tests erfolgt in einem zentralen Labor. Ursprünglich war dafür frisches oder schockgefrorenes Gewebe notwendig, das auch für die Validierungsstudien verwendet wurde. Seit 2011 ist der Test auch aus formalinfixiertem, in Paraffin eingebettetem (FFPE) Tumorgewebe durchführbar (3). Die klinische Validierung basiert auf den Daten von 2 retrospektiven Kohortenstudien. In einer wurde Tumorgewebe von Frauen mit frühem invasivem Mammakarzinom (ER-positiv und ER-negativ) und einem Alter < 53 Jahre untersucht. Davon hatten 151 (51%) eine nodalnegative Erkrankung, 40 (14%) waren adjuvant mit Hormontherapie und 110 (37%) mit Chemotherapie behandelt worden. Patientinnen mit einer Hochrisikosignatur hatten ein 4,6-fach höheres Risiko, Fernmetastasen zu entwickeln (1). Be-
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SCHWERPUNKT
Beispiele aus der Praxis
Gemäss der vor Kurzem abgeschlossenen schweizweiten SAKK-26/10-Studie mit Oncotype DX kommt es in der täglichen Praxis zu einer Therapieänderung bei bis zu 35% der Patientinnen, bei welchen dieser Test angeordnet wird. Häufiger führt das Resultat dabei zu einer Verhinderung einer Chemotherapie als zu einer Therapieänderung mit zusätzlich indizierter Chemotherapie. In den 2 dargestellten Beispielen aus den Tumorboard-Vorstellungen anlässlich des SGGGKongresses 2015 in Lugano werden 2 unterschiedliche Tests dargestellt, welche auch in der Schweiz am häufigsten gebraucht werden: I Oncotype DX mit zusätzlicher Indikation zur Chemotherapie und I Endopredict mit Verhinderung einer Chemotherapie.
Oncotype DX
48-jährige prämenopausale Patientin mit duktalem Mammakarzinom rechts entsprechend einem pT1c (15 mm), pN0 (0/2 sn), M0, L1, V0 mit Resektion im Gesunden nach Brusterhaltung. Grading: G3, Ki-67: 35%, ER 70%, PR 90%. HER2-negativ. I Therapieentscheid am Tumorboard
Tamoxifen, Oncotype DX und lokale Radiotherapie Oncotype-Resultat: Recurrence-Score 40 entsprechend einer High-Risk-Situation und Indikation zur Chemotherapie und in der Folge antihormonellen Therapie (siehe Abbildung 1 S. 24).
Endopredict
53-jährige postmenopausale Patientin mit einem duktalen Mammakarzinom links entsprechend einem pT2 (40mm), pN1a (1/16), G2, R0, ER/PR 100%, HER2negativ. Ki-67: 20%. I Therapieentscheid am Tumorboard
Chemotherapie und Aromatasehemmer, lokale Radiotherapie und Indikation zur Genexpressionsanalyse mittels Endopredict beziehungsweise EPclinTest. Endopredict-Resultat: EP-Score 2,2 und EPclin-Resultat 2,9 entsprechend einer Low-Risk-Situation mit Verzicht auf Chemotherapie. Stattdessen Systemtherapie lediglich mit Aromatasehemmer (siehe Abbildung 2 S. 24).
stätigt wurde die prognostische Aussagekraft in einer zweiten retrospektiven Studie mit Tumormaterial von Patientinnen mit nodalnegativer Erkrankung und einem Alter < 61 Jahre, die keine adjuvante systemische Therapie erhalten hatten (2). Kleinere retrospektive Studien mit Tumoren von Frauen mit nodalnegativer Erkrankung oder 1 bis 3 befallenen Lymphknoten, postmenopausalen Patientinnen oder Frauen bis zu einem Alter von 70 Jahren kamen zu ähnlichen Ergebnissen (4–7). In einer weiteren retrospektiven Analyse mit gepoolten Daten von 541 Patientinnen aus 5 Studien zeigte sich nur für Hochrisikopatientinnen ein Vorteil im brustkrebsspezifischen 5-JahresÜberleben mit zusätzlich zur endokrinen Therapie verabreichter Chemotherapie (8). Prospektive Validierungsdaten werden 2015 aus der MINDACT-Studie erwartet.
21-Gen-Test (Oncotype-DX®-Brustkrebstest)
Der in den USA seit 2004 und in Europa seit 2009 verfügbare Test bestimmt die Expression eines Panels von 21 Genen in Tumorgewebeproben mithilfe einer Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreak-
tion (high-throughput, real-time reverse-transcriptase polymerase chain reaction; RT-PCR), die speziell für FFPE-Tumorgewebe entwickelt wurde (9). Es kann somit Gewebe verwendet werden, das im Rahmen der Routine ohnehin aufbereitet wird. Ein zusätzlicher Eingriff oder zusätzliche logistische Massnahmen wie bei der Verwendung von frischem oder schockgefrorenem Gewebe sind nicht nötig. Der Genexpressionstest wird in einem zentralen Labor mit standardisierten Prozessen und Qualitätskontrollen durchgeführt, um konsistente Ergebnisse und eine langfristige Reproduzierbarkeit zu gewährleisten (10). Er kann klinisch eingesetzt werden, um bei Patientinnen mit ERpositivem, HER2-negativem, frühem invasivem Brustkrebs und nodalnegativer Erkrankung oder bis zu 3 befallenen Lymphknoten die Wahrscheinlichkeit eines Fernrezidivs 10 Jahre nach Diagnosestellung und den potenziellen Nutzen einer zusätzlich zur adjuvanten endokrinen Therapie verabreichten Chemotherapie vorherzusagen (11–17). Aus den relativen Expressionswerten von 16 krebsassoziierten Genen zu 5 Referenzgenen wird mittels eines empirisch ermittelten Algorithmus ein numerischer Rezidivwert oder Recurrence-Score®-Wert zwischen 1 und 100 berechnet. Jeder Punktwert entspricht einem bestimmten Risiko für das Auftreten eines Fernrezidivs 10 Jahre nach der Erstdiagnose. Für die klinische Validierung wurden drei Risikogruppen prädefiniert: eine «low risk»-Gruppe (Recurrence-Score-Werte < 18), eine «intermediate risk»Gruppe (Recurrence-Score-Werte 18–30) und eine «high risk»-Gruppe (Recurrence-Score-Werte ≥ 31) (11). Es liegt eine umfangreiche Datenbasis aus sogenannten prospektiv-retrospektiven Studien – retrospektive Untersuchungen von Tumormaterial von Patienten aus prospektiven, randomisierten Studien – mit konsistenten Ergebnissen vor, die einem Evidenzlevel Ib entspricht (18). In der NSABP-B14-Studie konnte gezeigt werden, dass das Recurrence-ScoreErgebnis bei mit Tamoxifen behandelten Patientinnen mit nodalnegativem, ER-positivem frühem Mammakarzinom zuverlässig die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs 10 Jahre nach Erstdiagnose vorhersagen kann (11). Mit Tumormaterial aus der britischen ATAC-Studie wurde der Recurrence-Score-Wert bei postmenopausalen nodalnegativen und nodalpositiven Patientinnen mit ER-positiver Erkrankung und adjuvanter endokriner Therapie mit Tamoxifen oder Anastrozol als unabhängiger prognostischer Marker bestätigt (12). Aus 3 weiteren randomisierten PhaseIII-Studien (ECOG 2197, NSABP B28, PACS01) liegen Daten vor, die die prognostische Aussagekraft des Tests bei nodalnegativen und nodalpositiven Patientinnen belegen, die mit Anthrazyklin- und/oder Taxan-haltigen Chemotherapien behandelt wurden (13–15).
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SCHWERPUNKT
Die Analysen von 2 weiteren Phase-III-Studien, in denen Patientinnen in endokrine oder chemoendokrine Therapiearme randomisiert worden waren, bestätigten den Test als prognostischen Marker. Sie zeigen darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen Recurrence-Score-Ergebnis und dem Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie bei ER-positivem frühem Mammakarzinom, dies in der NSABP-B20-Studie bei nodalnegativer Erkrankung (16) sowie in der SWOGS8814-Studie bei postmenopausalen, nodalpositiven Patientinnen (17). Bei Frauen mit hohen RecurrenceScore-Ergebnissen lag mit adjuvanter Chemotherapie nach 10 Jahren die Fernrezidivrate signifikant um 28% niedriger (16) und das krankheitsfreie Überleben nach 10 Jahren um 12% höher (17). Ausserdem laufen derzeit parallel 4 grosse Phase-IIIStudien (TailorX, RxPONDER, Plan B, ADAPT), die weitere prospektive Daten für die Aussagekraft des Oncotype-DX-Brustkrebstests liefern werden. Erste prospektive Daten aus der deutschen Phase-III-Studie PlanB haben gezeigt, dass das ereignisfreie Überleben von Patientinnen mit ER-positivem, frühem invasivem Mammakarzinom, 0 bis 3 befallenen Lymphknoten und einer Indikation für eine Chemotherapie nach konventionellen Entscheidungskriterien bei niedrigem Recurrence-Score-Ergebnis und endokriner Therapie alleine nach 3 Jahren bei über 98% liegt und damit auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann (19).
11-Gen-Assay (Endopredict®)
Für diesen seit 2011 verfügbaren Test werden die Expressionsniveaus von 8 spezifischen und 3 Kontrollgenen gemessen. Er basiert auf qRT-PCR mit RNA aus FFPE-Gewebe und wird dezentral von lokalen Pathologen durchgeführt. Er bietet eine Einschätzung der Prognose bei postmenopausalen Frauen mit ERpositivem, nodalnegativem oder nodalpositivem HER2-negativem frühem Mammakarzinom und adjuvanter Tamoxifen-Therapie (20). Mithilfe eines Algorithmus, in den die relativen Expressionswerte der 8 krebsspezifischen Gene mit unterschiedlicher Gewichtung eingehen, wird ein Rezidiv-Risiko-Score (EP) berechnet. Dieser liegt zwischen 0 und 15, wobei jeder Punktwert einer bestimmten Wahrscheinlichkeit für ein Fernrezidiv innerhalb von 5 respektive 10 Jahren nach Diagnose entspricht. Die Patientinnen werden in eine Gruppe mit niedrigem Risiko (EP < 5) und hohem Risiko (EP ≥ 5) eingeteilt. Es wird ausserdem unter Einbeziehung von Tumorgrösse und Nodalstatus ein kombinierter Score (EPclin) berechnet. Patientinnen mit einem EPclin unter 3,3 werden der Niedrigrisikogruppe zugerechnet (20). Die klinische Validierung beruht auf der retrospektiven Untersuchung von Tumorproben aus den Tamoxifen-Armen von 2 prospektiv randomisierten Studien
mit postmenopausalen Patientinnen mit ER-positivem frühem Mammakarzinom: der ABCSG-6-Studie und der ABCSG-8-Studie. In beiden Kohorten waren EP und EPclin unabhängige prognostische Marker hinsichtlich des fernrezidivfreien Überlebens. 8% (ABCSG-6) respektive 6% (ABCSG-8) der Patientinnen in der Niedrigrisikogruppe und 22% (ABCSG-6) respektive 15% (ABCSG-8) der Patientinnen in der Hochrisikogruppe hatten nach 10 Jahren ein Fernrezidiv erlitten (20). Die retrospektive Untersuchung von Tumorproben aus der prospektiv randomisierten GEICAM-9906-Studie bestätigte die prognostische Aussagekraft des EP-Scores bei nodalpositiven Patientinnen mit ER-positivem frühem Mammakarzinom, die adjuvant chemoendokrin mit Anthrazyklin-basierter Therapie oder Anthrazyklin, gefolgt von Taxan behandelt worden waren (21). Die prädiktive Aussagekraft von EP oder EPclin zum potenziellen Nutzen einer Chemotherapie wurde bisher nicht untersucht. Konfirmatorische Daten aus prospektiven Studien werden bis anhin nicht erwartet.
PAM 50 (Prosigna™)
Diesem Test, der seit 2013 kommerziell verfügbar ist, liegt die Gensignatur zur Klassifikation der intrinsischen Subtypen zugrunde. Mit der aus FFPE-Gewebe gewonnenen RNA wird die Expression von 50 brustkrebsspezifischen Genen und 8 Referenzgenen zur Normalisierung bestimmt, dies mittels qRT-PCR oder mit einer patentgeschützten erweiterten Technologie, der sogenannten Nanostring-nCounter®-Methode, bei der Zielmoleküle bei der Hybridisierung mit einem Fluoreszenz-Farbcode markiert werden und dann ohne Amplifikation individuell gezählt werden (22, 23). Der Test wird in wenigen qualifizierten zentralen Labors durchgeführt, wobei er theoretisch nach Anschaffung der entsprechenden von der Herstellerfirma des Tests angebotenen Geräte und Reagenzien auch im lokalen Labor erfolgen kann (23). Mit dem Test kann der intrinsische Subtyp bestimmt werden. Er erlaubt darüber hinaus eine Einschätzung der Prognose bei postmenopausalen Frauen mit hormonrezeptorpositivem, nodalnegativem oder nodalpositivem (1 bis 3 befallene Lymphknoten) Mammakarzinom im Stadium I oder II und adjuvanter endokriner Therapie (23–26). Mithilfe eines Algorithmus, in den neben der speziell gewichteten Expression eines Sets proliferationsassoziierter Gene auch die Tumorgrösse eingeht, wird ein Rezidiv-Risiko-Wert (risk of recurrence, ROR) berechnet. Dieser liegt zwischen 0 und 100, wobei jeder Punktwert einer bestimmten Wahrscheinlichkeit für ein Fernrezidiv innerhalb von 10 Jahren nach Diagnose entspricht. Es wurden ausserdem Grenzwerte für 3 Risikogruppen festgelegt: geringes Risiko (0–40
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SCHWERPUNKT
Abbildung 1: Oncotype-DX-Resultat mit High-Risk-Situation und Indikation zur Chemotherapie (Verhinderung eines «Undertreatments»)
Abbildung 2: Endopredict-Resultat mit Low-Risk-Situation und Indikation zur antihormonellen Therapie (Verhindung eines «Overtreatments»)
für nodalnegative und 0–15 für nodalpositive [1–3 befallene Knoten] Patientinnen), mittleres Risiko (41–60 für nodalnegative Patientinnen) und hohes Risiko (61–100 für nodalnegative, 41–100 für nodalpositive [1–3 Lymphknoten], 0–100 für nodalpositive [> 4 befallene Knoten] Patientinnen) (23, 25, 26). 3 Studien unterstützen die klinische Validierung beim hormonrezeptorpositiven frühen Mammakarzinom (24–26). In einer retrospektiven Kohortenstudie mit adjuvant mit Tamoxifen behandelten Patientinnen wurde die prognostische Aussagefähigkeit des RORScores überprüft. Nodalnegative Patientinnen in der Niedrigrisikogruppe hatten eine mehr als 95%ige Chance, 10 Jahre nach Diagnose ohne Rückfall und krankheitsfrei zu sein (24). Auch in der retrospektiven
Auswertung von Tumorproben von adjuvant endokrin behandelten Patientinnen aus der prospektiv randomisierten ATAC-Studie zeigte sich der ROR als unabhängiger prognostischer Marker (25). Die retrospektive Auswertung der prospektiv randomisierten ABCSG-8-Studie bestätigte die prognostische Aussagekraft des ROR bei adjuvant endokrin behandelten postmenopausalen Patientinnen. Die Analyse zeigte für das fernrezidivfreie 10-Jahres-Überleben eine signifikante Diskrimination zwischen Niedrigund Hochrisikogruppe (26). Es gibt bisher keine Daten aus Studien, die adjuvante endokrine und chemoendokrine Therapien verglichen und somit prädiktive Aussagen zum Chemotherapienutzen erlauben. Auch Daten aus prospektiven Studien liegen bisher nicht vor.
Breast Cancer Index™
Dieser multigene Test basiert auf zwei Komponenten: I Die erste Komponente rekapituliert mittels eines
Panels von 5 Genen das Tumorgrading (molecular grade index). I Die zweite Komponente besteht aus dem Verhältnis der Genexpression von 2 Genen (HOXB13 und IL17BR), welche beim hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom stark prognostisch mit Rezidiven assoziiert sind. In der TransATAC-Kohorte (ER-positive Karzinome behandelt mit endokriner Therapie) konnte dieser Test einen signifikanten prognostischen Nutzen für sowohl frühe als auch späte Fernrezidive zeigen (34). Dieser Test diskriminiert, ähnlich wie Oncotype DX, 3 prognostische Gruppen: «low», «intermediate» und «high risk». Vergleichbare Resultate lieferten auch Validierungsstudien an 2 kleineren, unabhängigen Kohorten. Eine weitere Untersuchung konnte auch einen prädiktiven Wert des Breast-Cancer-Index für die verlängerte sequenzielle endokrine Therapie mit Tamoxifen und Letrozol (MA.17 trial) zeigen (35). Dabei fand man, dass die «intermediate»- und die «high risk»-Gruppen deutlich mehr von einer verlängerten endokrinen Therapie profitieren konnten.
Zusammenfassung
Die vorgestellten Gensignaturen liefern auf der Basis einer sehr unterschiedlichen Evidenzgrundlage zusätzliche prognostische Informationen beim frühen Mammakarzinom. Vergleichende Studien fanden allerdings nur eine schwache Konkordanz zwischen den verschiedenen Tests (27, 28). Die Anwendung von Gensignaturen zur genaueren Risikoermittlung wird von den wichtigen Leitlinien von St. Gallen, ESMO, ASCO, NCCN und AGO unterstützt (29–33). Damit können Patientinnen mit ER-positiver, nodalnegativer Erkrankung oder mit bis zu 3 befallenen Lymphknoten identifiziert werden, die mit alleiniger
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SCHWERPUNKT
endokriner Therapie eine sehr gute Prognose haben. Genuine prädiktive Daten, die im individuellen Fall für eine Patientin mit ER-positivem, frühem, invasivem Mammakarzinom tatsächlich eine Aussage zum potenziellen Nutzen einer Chemotherapie erlauben, liegen jedoch bisher nur für den Oncotype-DXBrustkrebstest vor. So hat sich auch eine deutliche Mehrheit (80,5%) der Experten der St.-Gallen-Konsensuskonferenz 2015 – im Gegensatz zu den Abstimmungsergebnissen für die anderen hier beschriebenen Tests – dafür ausgesprochen, dass sich die Indikation für eine Chemotherapie bei einer Patientin mit HER2-negativem, endokrin sensitivem frühem Mammakarzinom vom Ergebnis des Oncotype-DX-Recurrence-Score ableiten lässt (36, 37). I
Dr. med. Konstantin J. Dedes (Korrespondenzadresse) Koordinator Brustzentrum UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich E-Mail: konstantin.dedes@usz.ch
Prof. Dr. med. Ossi R. Köchli Leiter BrustCentrum Zürich-Bethanien und Privatpraxis, Zürich 8044 Zürich
Prof. Dr. med. Daniel Fink Klinikdirektor Gynäkologie und Leiter Brustzentrum UniversitätsSpital Zürich UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich
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