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Lebensmittelrecht bei Allergenkennzeichnung
Rechtsgrundlagen für Information zu Allergenen und Allergenmanagement
Evelyn Kirchsteiger-Meier
Seit dem 1. Mai 2017 ist in der Schweiz das totalrevidierte Lebensmittelrecht in Kraft. Als ein Vorteil des neuen Lebensmittelrechts wurde vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) der stärkere Konsumenten- und Täuschungsschutz aufgeführt, welcher unter anderem durch eine bessere Deklaration der Allergene im Offenverkauf erreicht werden sollte.
Im Rahmen der nächsten Revision des Lebensmittelverordnungsrechts (Projekt «Stretto 4») sind zudem Anpassungen und Ergänzungen im Bereich der Allergene vorgesehen. Aus diesen Gründen soll im nachfolgenden Artikel eine grundlegende Übersicht über die rechtlichen Grundlagen für die Information zu Allergenen und zum Allergenmanagement dargestellt sowie eine Aussicht auf neue Entwicklungen gemacht werden. Der Fokus liegt hierbei auf dem schweizerischen Lebensmittelrecht, es werden aber auch Bezüge zum EU-Lebensmittelrecht hergestellt.
Kennzeichnungsvorschriften betreffend Stoffe, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, auf vorverpackten Lebensmitteln Bei der Kennzeichnung von Stoffen, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob die Stoffe als Zutat oder als unbeabsichtigte Vermischungen/ Kontaminationen im Produkt vorkommen. Werden die Stoffe als Zutaten zugegeben, sind sie in der Schweiz gemäss Art. 11 Abs. 1 der Verordnung des EDI betreffend Information über Lebensmittel (LIV, SR 817.022.16) immer anzugeben. Die zu kennzeichnenden 14 Stoffe bzw. Stoffgruppen, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, sind in Anhang 6 LIV aufgeführt (siehe Kasten 1). Zu beachten ist, dass «Schwefeldioxid und Sulfite» als einzige Stoffe einen Grenzwert hinsichtlich der Kennzeichnung aufweisen. Alle anderen Stoffe weisen keinen Grenzwert auf, sind demnach unabhängig von der eingesetzten Menge kennzeichnungspflichtig, wenn sie als Zutat zugegeben werden. Könnten die Stoffe hingegen als unbeabsichtigte Vermischungen oder Kontaminationen während des Herstellprozesses im Lebensmittel vorhanden sein, gilt es, Art. 11 Abs. 5 LIV zu beachten, das heisst, unbeabsichtigte Vermischungen oder Kontaminationen sind immer dann anzugeben, wenn der Anteil ein bestimmtes Mass übersteigt oder übersteigen könnte (siehe Kasten 2). Wichtig ist, dass die Kennzeichnung von unbeabsichtigten Vermischungen und Kontaminationen nicht
Kasten 1:
Kennzeichnungspflichtige Stoffe gemäss Anhang 6 LIV, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können
1 Glutenhaltiges Getreide, namentlich Weizen, wie Dinkel und Khorasan-Weizen, Roggen, Gerste, Hafer oder Hybridstämme davon sowie daraus gewonnene Erzeugnisse, ausser:
1.1 Glukosesirupe auf Weizenbasis, einschliesslich Dextrose und daraus gewonnene Erzeugnisse, soweit das Verfahren, das sie durchlaufen haben, die Allergenität nicht erhöht
1.2 Maltodextrine auf Weizenbasis und daraus gewonnene Erzeugnisse, soweit das Verfahren, das sie durchlaufen haben, die Allergenität nicht erhöht
1.3 Glukosesirupe auf Gerstenbasis 1.4 Getreide zur Herstellung von Destillaten oder Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs für
Spirituosen und andere alkoholische Getränke 2 Krebstiere und daraus gewonnene Erzeugnisse 3 Eier und daraus gewonnene Erzeugnisse 4 Fische und daraus gewonnene Erzeugnisse, ausser: 4.1 Fischgelatine, die als Träger für Vitamin- oder Karotinoidzubereitungen verwendet wird 4.2 Fischgelatine oder Hausenblase, die als Klärhilfsmittel in Bier und Wein verwendet wird 5 Erdnüsse und daraus gewonnene Erzeugnisse 6 Sojabohnen und daraus gewonnene Erzeugnisse, ausser: 6.1 vollständig raffiniertes Sojabohnenöl und -fett und daraus gewonnene Erzeugnisse, soweit das
Verfahren, das sie durchlaufen haben, die Allergenität nicht erhöht 6.2 natürliche gemischte Tocopherole (E306), natürliches D-alpha-Tocop herol, natürliches
D-alpha-Tocopherolacetat und natürliches D‑alpha-Tocopherols uccinat aus Sojabohnenquellen 6.3 aus pflanzlichen Ölen aus Sojabohnen gewonnene Phytosterine und Phytosterinester 6.4 aus Pflanzenölsterinen gewonnene Phytostanolester aus Sojabohnenquellen 7 Milch und daraus gewonnene Erzeugnisse, einschliesslich Laktose, ausser: 7.1 Molke zur Herstellung von Destillaten oder Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs für
Spirituosen und andere alkoholische Getränke 7.2 Lactit 8 Hartschalenobst oder Nüsse: Mandeln (Amygdalus communis L.), Haselnüsse (Corylus avellana),
Walnüsse (Juglans regia), Cashewnüsse (Anacardium occidentale), Pecannüsse (Carya illinoiesis [Wangenh.] K. Koch), Paranüsse (Bertholletia excelsa), Pistazien (Pistacia vera), Macadamianüsse oder Queenslandnüsse (Macadamia ternifolia) und daraus gewonnene Erzeugnisse, ausser Hartschalenobst für die Herstellung von Destillaten oder Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs für Spirituosen und andere alkoholische Getränke 9 Sellerie und daraus gewonnene Erzeugnisse 10 Senf und daraus gewonnene Erzeugnisse 11 Sesamsamen und daraus gewonnene Erzeugnisse 12 Schwefeldioxid und Sulfite in Konzentrationen von mehr als 10 mg/kg oder 10 mg/l, ausgedrückt als SO2 13 Lupinen und daraus gewonnene Erzeugnisse 14 Weichtiere und daraus gewonnene Erzeugnisse
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Kasten 2:
Kennzeichnungsvorgaben gemäss Art. 11 Abs. 5 LIV für Stoffe, die via unbeabsichtigte Vermischungen oder Kontaminationen im Produkt enthalten sein könnten und die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können
• Bei Sulfiten: 10 mg SO2 pro Kilogramm oder Liter genussfertiges Lebensmittel • Bei glutenhaltigem Getreide: 200 mg Gluten pro Kilogramm oder Liter genussfertiges Lebensmittel • Bei pflanzlichen Ölen und Fetten mit vollständig raffiniertem Erdnussöl: 10 g Erdnussöl pro Kilogramm
oder Liter genussfertiges Lebensmittel • Bei Laktose: 1 g pro Kilogramm oder Liter genussfertiges Lebensmittel • In den übrigen Fällen: 1 g pro Kilogramm oder Liter genussfertiges Lebensmittel
anstelle von Vorkehrungen und Massnahmen im Rahmen der guten Verfahrenspraxis treten darf (Art. 11 Abs. 6 LIV). Die Kennzeichnung unbeabsichtigter Vermischungen oder Kontaminationen kann auch freiwillig erfolgen, das heisst, wenn diese unterhalb der angegebenen Deklarationsgrenzwerte liegen. Bei der Spurenkennzeichnung von Stoffen, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, handelt es sich um eine schweizerische Sonderregelung. In der EU ist dieser Aspekt nicht reglementiert; die entsprechende Kennzeichnung wird aber aus haftungsrechtlichen Überlegungen dennoch oft vorgenommen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang zudem, dass Produkte aus dem EU/EWR-Raum, die den Anforderungen des Art. 11 Abs. 5 LIV (Kennzeichnung von unbeabsichtigten Vermischungen oder Kontaminationen) nicht entsprechen, vom sogenannten Cassis-de-Dijon-Prinzip ausgenommen sind, das heisst, sie können keine Allgemeinverfügung für den Import erhalten (Art. 2 lit. b. Ziffer 7 der Verordnung über das Inverkehrbringen von nach ausländischen technischen Vorschriften hergestellten Produkten und über deren Überwachung auf dem Markt, VIPaV, SR 946.513.8). Im Zutatenverzeichnis müssen die Zutaten gemäss Anhang 6 LIV deutlich gekennzeichnet und hervorgehoben werden, zum Beispiel durch die Schriftart, den Schriftstil oder die Hintergrundfarbe. Unbeabsichtigte Vermischungen oder Kontaminationen oberhalb der in Kasten 2 angegebenen Deklarationsgrenzwerte müssen als Spuren-Hinweis unmittelbar nach dem Verzeichnis der Zutaten angegeben werden (siehe Kasten 3).
Rechtsvorgaben betreffend Angabe der Glutenfreiheit und des reduzierten Glutengehalts sowie betreffend laktosearmer und laktosefreier Lebensmittel Die Angaben «glutenfrei» sowie «sehr geringer Glutengehalt» sind in Art. 41 LIV geregelt. Sie können freiwillig erfolgen, wenn die Anforderungen in Art. 41 Abs. 1 LIV erfüllt sind, das heisst: • «Glutenfrei», wenn ein Lebensmittel beim Verkauf
an die Konsumentinnen und Konsumenten einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg aufweist, • «Sehr geringer Glutengehalt», wenn 1. ein Lebensmittel aus einer oder mehreren Zutaten aus Weizen, Roggen, Gerste, Hafer oder Kreuzungen dieser
Getreidearten besteht oder solche Zutaten enthält, die auf spezielle Weise zur Reduzierung des Glutengehalts verarbeitet wurden, und 2. dieses Lebensmittel beim Verkauf an Konsumentinnen und Konsumenten einen Glutengehalt von höchstens 100 mg/kg aufweist. Solche Lebensmittel dürfen zusätzlich den Hinweis «geeignet für Menschen mit Glutenunverträglichkeit» oder «geeignet für Menschen mit Zöliakie» tragen. Ausserdem dürfen entsprechende Lebensmittel, die in spezieller Weise hergestellt, zubereitet oder verarbeitet worden sind, um den Glutengehalt einer oder mehrerer Zutaten zu reduzieren oder glutenhaltige Zutaten durch andere, von Natur aus glutenfreie Zutaten zu ersetzen, den Hinweis «speziell formuliert für Menschen mit Glutenunverträglichkeit» oder «speziell formuliert für Menschen mit Zöliakie» tragen (Art. 41 Abs. 3 und 4 LIV). Für Säuglingsanfangs- und folgenahrungen sind alle diese genannten Informationen nicht zulässig (Art. 41 Abs. 5 LIV); für diese Produkte gelten eigene Bestimmungen, die in der Verordnung des EDI über Lebensmittel für Personen mit besonderem Ernährungsbedarf (VLBE, SR 817.022.104) geregelt sind. Was die Information über laktosearme und laktosefreie Lebensmittel anbelangt, so sind diese in Art. 42 LIV geregelt. Demnach gilt ein Lebensmittel als laktosearm, wenn der Laktosegehalt im genussfertigen Produkt 1. im Vergleich zum entsprechenden Normalerzeugnis mindestens um die Hälfte herabgesetzt ist und 2. höchstens 2 g pro 100 g Trockenmasse beträgt. Ein Lebensmittel gilt als laktosefrei, wenn das genussfertige Produkt weniger als 0,1 g Laktose pro 100 g oder 100 ml enthält. Bei Nahrungsergänzungsmitteln gilt diese Menge pro Tagesdosis. Bei der Verwendung von Angaben nach Art. 41 und 42 LIV muss immer eine Nährwertdeklaration erfolgen, selbst dann, wenn einzelne Produkte an sich davon ausgenommen wären (Art. 22 Abs. 3 und 4 LIV). Anzumerken ist, dass in der EU – im Unterschied zur Schweiz – bislang keine Regelungen betreffend laktosearmer und laktosefreier Lebensmittel bestehen (die Vorgaben betreffend Angabe der Glutenfreiheit sowie des reduzierten Glutengehalts sind in der Verordnung [EU] Nr. 828/2014 aufgeführt). In Erwägungsgrund 42 der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 besteht jedoch eine Absichtserklärung, entsprechende Vorgaben festzulegen, welche dem wissenschaftlichen Gutachten der EFSA (European Food Safety Authority) vom 10. September 2010 über Laktosegrenzwerte für Laktoseintoleranz und Galaktosämie Rechnung tragen sollen.
Informationsvorschriften betreffend Stoffe, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, auf Lebensmitteln im Offenverkauf Wie einleitend erwähnt, wurde im Rahmen des totalrevidierten schweizerischen Lebensmittelrechts, in Kraft seit dem 1. Mai 2017, ein verbesserter Konsumenten- und Täuschungsschutz unter anderem durch eine bessere Deklaration der Allergene im Offenverkauf angestrebt. Grundsätzlich ist anzumerken, dass
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gemäss Art. 12 Abs. 5 des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LMG, SR 817.0) über offen in den Verkehr gebrachte Lebensmittel (z. B. Lebensmittel, die in der Gastronomie, in Bäckereien, Metzgereien oder Take-away-Ständen abgeben werden) auf Verlangen die gleichen Angaben gemacht werden müssen wie über vorverpackte. Gemäss Art. 39 Abs. 1 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV, SR 817.02) kann allerdings auf schriftliche Angaben verzichtet werden, wenn die Information der Konsumentinnen und Konsumenten auf andere Weise gewährleistet ist. Zutaten, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, stellen hierbei jedoch eine Ausnahme dar, das heisst, die Angaben müssen grundsätzlich immer schriftlich gemacht werden. Vom Grundsatz der Schriftlichkeit kann nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden, nämlich dann, wenn (Art. 5 Abs. 1 lit. d LIV): • gut sichtbar darauf hingewiesen wird, dass die
Informationen dazu mündlich eingeholt werden können, und • die Informationen dem Personal schriftlich vorliegen (z. B. in einer Tabelle oder auf einem Informationsblatt) oder eine fachkundige Person (z. B. Verkaufspersonal, Koch oder Servicepersonal) sie unmittelbar erteilen kann. Eine unbefriedigende (unkorrekte, unklare) Antwort des Personals entspricht nicht den Anforderungen des Lebensmittelrechts und würde zu einer Beanstandung führen. Wichtige Hilfsmittel, um solchen Problemen entgegenzuwirken, sind unter anderem schriftliche Arbeitsanweisungen bzw. dokumentierte Rezepturen und dergleichen für das Personal. Als Bedingung für die mündliche Angabe wurde demnach festgelegt, dass am Verkaufsort ein deutlicher schriftlicher Hinweis an gut sichtbarer Stelle angebracht werden muss, wie die Konsumentinnen und Konsumenten die entsprechenden Informationen erhalten können (Kasten 4). Auf unbeabsichtigte Vermischungen oder Konta minationen nach Art. 11 Abs. 5 LIV muss allerdings im Offenverkauf nicht hingewiesen werden (Art. 5 Abs. 1 lit. f LIV). Im Rahmen einer gesamtschweizerischen Kampagne im Jahr 2018 wurden von den kantonalen Lebensmittelinspektionsbehörden über 1100 Betriebe hinsichtlich der korrekten Information über Allergene im Offenverkauf überprüft. Es hat sich gezeigt, dass hierzu bei vielen Betrieben noch Handlungsbedarf besteht (Medienmitteilung des Verbandes der Kantonschemiker und Kantonschemikerinnen der Schweiz vom 18. Februar 2019).
Allergenmanagement – die Verantwortung der Lebensmittelbetriebe Um in der Lage zu sein, korrekt die genannten Informationsanforderungen zu Stoffen, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, zu erfüllen (sowohl bei vorverpackten Lebensmitteln als auch im Offenverkauf), ist ein umfassendes Allergenmanagement in den Betrieben unabdingbar.
Kasten 3:
Beispiel für ein Zutatenverzeichnis mit hervorgehobenen Allergenen in der Zutatenliste sowie mit Spurenkennzeichnung unmittelbar nach dem Verzeichnis der Zutaten
Milchschokolade Zutaten: Zucker, Kakaobutter, Vollmilchpulver, Kakaomasse, Magermilchpulver, Salz, Emulgator (E 322 aus Soja), natürliches Aroma. Kann Spuren von Haselnüssen und Mandeln enthalten.
Kasten 4:
Beispiel für einen Hinweis am Verkaufsort, durch den die Allergeninformation mündlich erfolgen kann
«Für Informationen zu Allergenen in den einzelnen Gerichten wenden Sie sich an unser Personal.»
Kasten 5:
Passus aus der Verordnung (EU) 2021/382 betreffend Allergenmanagement (zur Änderung von Anhang I der Verordnung [EG] Nr. 852/2004)
«Ausrüstungen, Transportbehälter und/oder Container, die für die Ernte, zur Beförderung oder zur Lagerung eines der in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 genannten Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, verwendet werden, dürfen nicht für die Ernte, zur Beförderung oder zur Lagerung von Lebensmitteln verwendet werden, die diesen Stoff oder dieses Erzeugnis nicht enthalten, es sei denn, die Ausrüstungen, Transportbehälter und/oder Container wurden gereinigt und es wurde zumindest überprüft, dass sie keine sichtbaren Reste dieses Stoffes oder Erzeugnisses enthalten.»
Personen mit Nahrungsmittelallergien oder -intoleranzen sind darauf angewiesen, dass sie korrekt über enthaltene Stoffe, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, informiert werden. Das Allergenmanagement umfasst den gesamten Herstellungsweg eines Lebensmittels, denn nebst den in den Rezepturen verwendeten Rohstoffen können in einem Produktionsprozess bei jedem Schritt grundsätzlich unbeabsichtigte Vermischungen oder Kontaminationen stattfinden. Die Allergenthematik ist deshalb Teil der Gute Hygienepraxis (GHP) im Rahmen von risikobasierten, präventiven Lebensmittelsicherheitsmanagementsystemen und muss auch Eingang in das HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points) finden. Für ein umfassendes Allergenmanagementkonzept müssen verschiedene betrieblichen Elemente berücksichtigt werden (siehe Infografik mittels QR-Code). Die Codex-Alimentarius-Kommission hat dem All ergenmanagement in den vergangenen Jahren verstärkte Bedeutung zukommen lassen. So wurde in der Codex-Alimentarius-Verfahrensregel «General Principles of Food Hygiene» (CXC 1-1969), welche weltweit den fachlichen Bezugspunkt für die betrieblichen Präventivsysteme GHP und HACCP darstellt, das Thema Allergenmanagement akzentuiert. Zudem wurde im September 2020 eine eigene Verfahrensregel zum Thema publiziert («Code of Practice on Food Allergen Management for Food Business Operators», CXC 80-2020), welche detaillierte Leitlinien betref-
https://info.allergenbureau.net/infographic/
Infografik: Allergenmanagement – wichtige betriebliche Elemente
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fend Allergenmanagement über alle Stufen der Lebensmittelkette vorgibt. Auf der Basis dieser Entwicklungen auf internationaler Ebene (Codex Alimentarius) hat die EU mit der Verordnung (EU) 2021/382 Elemente des Allergenmanagements erstmals rechtlich festgeschrieben. Die ausdrückliche rechtliche Verankerung des Allergenmanagements kann als ein Meilenstein bezeichnet werden, da bislang ein Allergenmanagement nur indirekt, das heisst aufgrund entsprechender Kennzeichnungsvorschriften sowie der allgemeinen Anforderungen betreffend Vermeidung von Kontaminationen, gefordert war. In der genannten EU-Verordnung wird der Fokus auf die Kontaminationsvermeidung bei Ausrüstungen, Transportbehältern und Containern gelegt (siehe Kasten 5), demnach auf ein spezifisches Element eines wie oben stehend dargelegten umfassenden Allergenmanagements.
Neue Entwicklungen im Rahmen der Revision des Verordnungsrechts «Stretto 4» Im September 2022 hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die Vernehmlassung zu verschiedenen Änderungen im Verordnungsrecht eröffnet, die unter der Projektbezeichnung «Stretto 4» laufen. Unter anderem sollen in der Hygieneverordnung (HyV, SR 817.024.1) mittels des neu eingefügten Art. 12 Abs. 8 die entsprechenden Vorgaben aus der EU-Verordnung 2021/382 zum Allergenmanagement bei Ausrüstungen, Transportbehältern und Containern (siehe Kasten 5) übernommen werden. Überdies soll die Spurenkennzeichnung von Stoffen, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, angepasst werden. Es ist vorgesehen, dass freiwillige Spurenkennzeichnungen, das heisst Kennzeichnungen unterhalb der Deklarationsgrenzwerte (siehe Kasten 2), neu mit Gruppenbezeichnungen versehen werden dürfen, beispielsweise «Nüsse» oder «Schalenfrüchte». Für Spurenkennzeichnungen oberhalb der Deklarationsgrenzwerte hingegen sind nach wie vor die präzisen Bezeichnungen der Stoffe, welche Allergien oder unerwünschte Reaktionen auslösen können (gemäss Anhang 6 LIV), zu verwenden (siehe auch neu vorgeschlagener Art. 11 Abs. 7bis LIV). Mit dieser vereinfachten Regelung der Spurenkennzeichnung soll unter anderem Handelshemmnissen bei P rodukten entgegengewirkt werden, die nach EU-Lebensmittelrecht gekennzeichnet sind. Obwohl, wie oben stehend erläutert, in der EU die Kennzeichnung unbeabsichtigter Vermischungen oder Kontaminationen nicht reglementiert ist, werden oft Spuren von Stoffen, die Allergien oder andere unerwünschte Reaktionen auslösen können, unterhalb der Deklarationsgrenzwerte mit allgemeinen Begriffen wie «Nüssen» angegeben. Diese Gruppenbezeichnungen sollen neu im schweizerischen Recht zugelassen werden, jedoch nur dann – wie dargelegt – wenn es sich um freiwillige Kennzeichnungen unterhalb der Deklarationsgrenzwerte handelt. Die Vernehmlassung des Revisionspakets «Stretto 4» dauerte bis am 31. Januar 2023.
Korrespondenzadresse: Dr. Evelyn Kirchsteiger-Meier Dozentin und Fachgruppenleiterin QM und Lebensmittelrecht ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Department Life Sciences and Facility Management Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI) Campus Reidbach, Postfach 8820 Wädenswil E-Mail: meev@zhaw.ch Referenzen: 1. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen – BLV.
(2016). Fragen und Antworten: Das neue Lebensmittelrecht. Abrufbar von https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/lebensmittel-undernaehrung/rechts-und-vollzugsgrundlagen/lebensmittelrecht-2017. html 2. Verordnung des EDI vom 16. Dezember 2016 betreffend Information über Lebensmittel, SR 817.022.16, abrufbar von https://www. fedlex.admin.ch/eli/cc/2017/158/de 3. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 der Kommission vom 30. Juli 2014 über die Anforderungen an die Bereitstellung von Informationen für Verbraucher über das Nichtvorhandensein oder das reduzierte Vorhandensein von Gluten in Lebensmitteln, ABl. L 228 vom 31.7.2014, S. 5–8, abrufbar von http://data.europa.eu/eli/reg_ impl/2014/828/oj 4. Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung […], ABl. L 181 vom 29.6.2013, S. 35–56, abrufbar von http://data.europa.eu/eli/ reg/2013/609/oj 5. EFSA (2010). Scientific Opinion on lactose thresholds in lactose into lerance and galactosaemia. EFSA Journal 2010;8(9):1777, abrufbar von https://doi.org/10.2903/j.efsa.2010.1777 6. Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG, SR 817.0), abrufbar von https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2017/62/de 7. Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dezember 2016 (LGV, SR 817.02), abrufbar von https://www.fedlex.admin.ch/ eli/cc/2017/63/de 8. Verordnung vom 19. Mai 2010 über das Inverkehrbringen von nach ausländischen technischen Vorschriften hergestellten Produkten und über deren Überwachung auf dem Markt (VIPaV, SR 946.513.8), abrufbar von https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2010/350/de 9. Verband der Kantonschemiker und Kantonschemikerinnen der Schweiz, VKCS (2019). Medienmitteilung vom 18. Februar 2019; Informationen zu Allergenen: Kantonschemiker bemängeln über die Hälfte der Betriebe, abrufbar von https://www.kantonschemiker.ch/ mm/20190321_Medienmitteilung_Allergene_dt.pdf 10. Codex Alimentarius Commission (2020). General Principles of Food Hygiene (CXC 1-1969, Rev. 2020). Abrufbar von http://www.fao.org/ fao-who-codexalimentarius/codex-texts/codes-of-practice/en/ 11. Codex Alimentarius Commission (2020). Code of Practice on Food Allergen Management for Food Business Operators (CXC 80-2020). Abrufbar von http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/ codex-texts/codes-of-practice/en/ 12. Verordnung (EU) 2021/382 der Kommission vom 3. März 2021 zur Änderung der Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelhygiene hinsichtlich des Allergenmanagements im Lebensmittelbereich, der Umverteilung von Lebensmitteln und der Lebensmittelsicherheits kultur, ABl. L 74 vom 4.3.2021, S. 3–6. 13. Verordnung des EDI vom 16. Dezember 2016 über die Hygiene beim Umgang mit Lebensmitteln (HyV, SR 817.024.1), abrufbar von https:// www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2017/183/de 14. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen – BLV (2022). Schweizer Lebensmittelrecht soll angepasst werden. Abrufbar von https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/dokumentation/nsbnews-list.msg-id-90534.html
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