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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Onkologie
Neues Testverfahren zur Wirksamkeit von Chemotherapeutika nun auch in der Schweiz verfügbar
Foto: © Sgerbic, CC BY-SA 3.0
Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit soliden malignen Tumoren weltweit schlägt die verabreichte Erstlinien-Chemotherapie nicht an. Noch schlechter sind die Ansprechraten bei der Secondoder Third-line-Behandlung. Das Berliner Biotech-Unternehmen ASC Oncology, das seit Kurzem mit einer Dependance in Widnau SG auch hierzulande vertreten ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese unbefriedigenden Erfolgsquoten deutlich zu verbessen.
Gelingen soll dies mit einem neuartigen, vom 2019 gegründeten Start-up entwickelten Testverfahren namens Reverse Clinical Engineering®. Mit dieser Methode kann im Falle einer indizierten medikamentösen Krebstherapie am individuellen Tumormodell des Patienten vorab getestet werden, welche der verfügbaren Substanzen voraussichtlich am besten wirken werden und auf welche der Tumor eher nur geringfügig oder gar nicht ansprechen wird. Aus im Rahmen einer Biopsie oder Resektion gewonnenem Tumorgewebe werden im Labor per Zellkultur sogenannte Organoide, gewissermassen Kopien des Tumors, gezüchtet, wobei dessen Eigenschaften auch ausserhalb des Organismus erhalten bleiben. An diesem Modell lassen sich dann in einem
nächsten Schritt robotergesteuert beliebig viele Chemotherapeutika, sukzessive oder in Kombination, hinsichtlich ihrer spezifischen Wirksamkeit untersuchen – ganz ohne Nebenwirkungen für den Patienten. Damit wäre zum einen zu vermeiden, dass eine womöglich ineffektive Therapie den Patienten unnötig belastet, und zum anderen würde die Chance auf ein Therapieansprechen deutlich erhöht. Vom Nutzen des von ihm mitentwickelten Verfahrens für Patienten und be-
handelnde Onkologen ist der Molekularbiologe und Mitbegründer von ASC Oncology, Dr. Christian Regenbrecht, überzeugt: «Anhand von Informationen können bessere Entscheidungen getroffen werden. Darum ist es unser Ziel, Patienten darin zu bestärken, lebenswichtige Entscheidungen bestmöglich informiert zu treffen. ASC Oncology versteht sich dabei als Teamplayer, der durch die Anwendung der Reverse-Clinical-Engineering®-Diagnostik den Onkologen und Patienten unterstützend zur Seite steht, um gemeinsam einen wichtigen Schritt in Richtung personalisierter Medizin zu ermöglichen.» Zwar hätte die neue Testmethode von ASC Oncology tatsächlich durchaus Potenzial, sich zu einem wichtigen Baustein der Präzisionsmedizin zu entwi-
ckeln, um durch die individuelle Ab-
stimmung den Patienten von Anfang an
die optimale Therapie anzubieten und
mithin ihre Lebensqualität zu erhöhen
und im besten Fall sogar Leben retten
zu können. Derzeit sind die Kosten für
das relativ teure Verfahren jedoch noch
nicht erstattungsfähig, auch wenn es,
wie Regenbrecht berichtet, bereits hoff-
nungsvolle Gespräche mit den Kran-
kenkassen gab und seitens der Ärzte
und Patienten, die den Test nutzen wol-
len, entsprechender Druck aufgebaut
wird. Bis es so weit ist, muss der Patient
die Kosten für die von ASC Oncology
angebotenen, verschieden umfangrei-
chen Testpakete, die sich im mittleren
bis hohen vierstelligen Bereich bewe-
gen, aber noch selbst tragen. Seinem
Unternehmen gehe es allerdings nicht
darum, ein besonders teures Paket zu
verkaufen, so Regenbrecht: «Die Paket-
auswahl hängt ganz von der individuel-
len Tumorsituation ab.» Und damit
seine Entwicklung vorerst nicht ledig-
lich Besserverdienenden vorbehalten
bleibt, hat das Unternehmen mit den
Cancer Rebels einen Verein ins Leben
gerufen, der spendenfinanziert schnell
und unbürokratisch dort helfen soll,
wo die Not doppelt gross ist: «Fast alle
Patienten und Angehörige, für die wir
unser Verfahren durchgeführt haben,
haben danach an den Verein gespen-
det.»
RABE s
Pressemitteilung ASC Oncology Schweiz AG, 12. August 2021
Gezielte Tumortherapie: Krebs: Mit dem Roboter die beste Therapie finden? Interview mit Dr. Christian Regenbrecht, ASC Oncology, 11.2.2021; www.rbb-online.de/rbbpraxis/rbb_praxis_service/ krebs/krebs-labor-startup-berlin-therapie-testeffizient-tumor-zellen-probe.html
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ARS MEDICI 19 | 2021