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FORTBILDUNG
Vorhofflimmern: Immer im Rhythmus bleiben!
Therapeutische Optionen zur Herzrhythmuskontrolle
Studien haben zuletzt neue Belege dafür liefern können, dass eine herzrhythmuskontrollierende Therapie insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) und Herzinsuffizienz wirksam und sicher ist. Zudem gab es auf diesem Gebiet in jüngster Zeit Innovationen, welche zur weiteren Verbesserung dieser Behandlung beitragen können. Ein aktueller Review hat die bestehende Evidenz, die für die Rhythmustherapie bei VHF spricht, sowie die Konsequenzen, die sich aus ihrer Anwendung bei verschiedenen Indikationen ergeben, zusammengetragen.
European Heart Journal
Auch unter optimaler Antikoagulation und Herzfrequenzkontrolle besteht bei VHF-Patienten ein hohes Risiko für kardiovaskulär bedingten Tod, insbesondere plötzlichen Herztod und Tod aufgrund von Herzinsuffizienz. Zur Besserung von VHF-assoziierten Symptomen wird klinisch eine Therapie zur Rhythmuskontrolle angewendet, bei welcher antiarrythmische Medikamente sowie Verfahren zur Kardioversion oder Ablation von VHF eingesetzt werden können. Bei VHF-Patienten, die trotz adäquater Frequenzkontrolle symptomatisch bleiben, stellen die Wiederherstellung und die Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus zum Zwecke der Symptomlinderung das übergeordnete Behandlungsziel dar. Die Auswirkungen einer solchen therapeutischen Massnahme auf die Lebensqualität sind jedoch nicht entsprechend homogen, was unter anderem den naturgemässen Schwankungen dieses von den Patienten berichteten Parameters und den unpräzisen Instrumenten für deren Erfassung sowie den diesbezüglich individuell unterschiedlich ausgeprägten Effekten der Rhythmustherapie selbst geschuldet ist. Hinzu kommt, dass vermeintlich VHF-bezogene Symptome nicht immer tatsächlich auf VHF zurückgehen und dass kardiovaskuläre Begleit-
MERKSÄTZE
� Randomisierte und Beobachtungsstudien (z.B. CASTLE-AF, CABANA) unterstreichen die Sicherheit der rhythmuskontrollierenden Therapie bei VHF-Patienten, auch bei solchen mit fortgeschrittenem Alter und kardiovaskulären Komorbiditäten.
� Verglichen mit Antiarrhythmika ist die VHF-Ablation hinsichtlich Wiederherstellung und Beibehaltung des Sinusrhythmus wirksamer.
� Antiarrhythmika sind auch nach bereits durchgeführter VHF-Ablation noch effektiv.
� Die Resultate mehrerer kleinerer Studien deuten darauf hin, dass die Ablation bei ausgewählten Patienten mit VHF und Herzinsuffizienz die linksventrikuläre Funktion verbessern kann.
erkrankungen und Risikofaktoren ebenfalls einen Einfluss auf das subjektive Befinden der Patienten nehmen. Ein einfaches Instrument zur Quantifizierung VHF-bezogener Symptome ist der im Jahr 2007 von der European Heart Rhythm Association (EHRA) vorgestellte gleichnamige Score.
Wirksamkeit und Sicherheit einer rhythmuskontrollierenden Therapie
Der Erfolg einer Rhythmustherapie ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie etwa Anzahl, Art und Schwere der zugrunde liegenden Störung, Alter, Geschlecht und Compliance gegenüber Antiarrhythmika sowie Qualität der VHF-Ablation.
Antiarrhythmika Im Schnitt kann durch die Gabe von Antiarrhythmika der Anteil an Patienten, welche einen Sinusrhythmus aufrechterhalten, verdoppelt werden. Dabei gilt Amiodaron unter den verschiedenen für diesen Zweck verfügbaren Medikamenten als das Präparat, das am effektivsten ist; noch wirksamer als Antiarrhythmika ist die Katheterablation. Hinsichtlich ihrer Langzeitkomplikationsraten sind Antiarrhythmikatherapie und VHF-Ablation vergleichbar. Frühere Sicherheitsbedenken hinsichtlich der medikamentösen Rhythmustherapie wurden in jüngeren randomisierten Studien an VHF-Patienten nicht bestätigt: So war etwa in der ATHENA-Studie eine medikamentöse Rhythmustherapie mit Dronedaron gegenüber Plazebo mit weniger kardiovaskulär bedingten Spitaleinweisungen und Todesfällen assoziiert. In der PALLAS-Studie dagegen war dieselbe Substanz, hier allerdings eingesetzt zur Frequenztherapie, zwar mit höheren Raten an Herzinsuffizienz, Schlaganfall und kardiovaskulärer Mortalität verbunden, doch die Patienten in dieser Untersuchung litten unter schwerer Herzinsuffizienz und kamen für eine Rhythmuskontrolle nicht in Frage, sodass insgesamt die in ATHENA beobachteten positiven Effekte von Dronedaron auf dessen rhythmuskontrollierende Wirkung zurückzuführen sein dürften. Antiarrhythmika sind zudem nicht nur alternativ zur, sondern auch nach einer bereits erfolgten VHF-Ablation wirksam. So konnten zuletzt zwei randomisierte Studien (AMIO-CAT,
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POWDER-AF) zeigen, dass eine zusätzlich zur VHF-Ablation durchgeführte medikamentöse antiarrhythmische Therapie die Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus für die Dauer der Behandlung verbessert.
VHF-Ablation Ursprünglich evaluiert an jüngeren Patienten (< 55 Jahre) mit hoch symptomatischem VHF, welche auf eine medikamentöse Rhythmustherapie nicht ansprechen, ist die VHF-Ablation in der Lage, den Sinusrhythmus besser aufrechtzuerhalten, als dies mit Antiarrhythmika gelingt, was vor Kurzem durch die Ergebnisse der CABANA-Studie bestätigt werden konnte. Gemäss einer Metaanalyse randomisierter Studien mit insgesamt mehr als 6000 Patienten lässt sich mittels Ablation annähernd bei der Hälfte der Patienten ein Wiederauftreten von VHF verhindern. Periprozedurale Komplikationen (Tamponade [ca. 1%], Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke [TIA; ca. 0,5–1% bei antikoagulierten Pat.], Folgeschäden an der Zugangsstelle [ca. 2–3%], Tod [<1%]) traten bei etwa 5 Prozent der Patienten auf; eine Reablation musste bei 20 bis 30 Prozent der Patienten nach einer ersten durchgeführten Prozedur vorgenommen werden. Im Langzeitverlauf von bis zu 10 Jahren war bei bis zu 60 Prozent der abladierten Patienten kein klinisch relevantes VHF wiederaufgetreten.
Nach CABANA: Ablation vs. Antiarrhythmika
Die CABANA-Studie hat untersucht, ob sich durch Ablation im Vergleich zur medikamentösen antiarrhythmischen Therapie die Mortalität und das Auftreten schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse bei VHF-Patienten mit Schlaganfallrisiko senken lassen. Der primäre Endpunkt, definiert als eine Kombination aus Tod, Schlaganfall mit nachfolgender Behinderung, schwerer Blutung und Herzstillstand, wurde in beiden Studienarmen gleich häufig erreicht (8,0% [Ablation] vs. 9,2% [Antiarrhythmika], HR [Hazard Ratio]: 0,86; 95%KI [Konfidenzintervall]: 0,65–1,15; p = 0,30). In der Ablationsgruppe kam es jedoch seltener zu einem Wiederauftreten von VHF als unter medikamentöser Therapie. Beide Behandlungsformen führten zu besseren Resultaten hinsichtlich der Lebensqualität, die mit dem T-Score (AFEQT = Atrial Fibrillation Effect on Quality of Life) und dem MAFSI (Mayo AF-Specific Symptom Inventory) erfasst worden waren, wobei allerdings die abladierten Patienten hier leicht im Vorteil waren.
Rhythmustherapie bei VHF und Herzinsuffizienz
Bei vielen Patienten sind VHF und Herzinsuffizienz miteinander vergesellschaftet, was mit einer hohen Morbidität und Mortalität einhergeht. Zur Reduzierung dieser Risiken sind in dieser Situation die Wiederherstellung und die Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus indiziert. Einziges Antiarrhythmikum, für welches ausreichend Daten von Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) vorliegen, ist Amiodaron. In grossen randomisierten Vergleichsstudien haben sich für eine Behandlung mit Antiarrhythmika einerseits und eine frequenzkontrollierende Therapie andererseits hinsichtlich Tod jedweder Ursache, kardiovaskulärer Sterblichkeit oder Hospitalisation aufgrund von Herzinsuffi-
zienz ähnliche Resultate ergeben. Ebenso errechneten sich für Patienten, bei denen es mit einer erfolgreichen Rhythmustherapie gelang, einen Sinusrhythmus aufrechtzuerhalten, keine günstigeren Überlebensraten als für solche mit rezidivierendem VHF. Aus den Resultaten kleinerer Fallstudien und kontrollierter Studien, wie etwa CASTLE-AF und AATAC, lässt sich jedoch ableiten, das ausgewählte Patienten mit VHF und Herzinsuffizienz, insbesondere solche mit reduzierter LVEF, von der Ablation profitieren. Zwar sind in diesem Zusammenhang weitere Untersuchungen, etwa zur Frage der Auswahl geeigneter Patienten, vonnöten, doch inzwischen enthalten die aktualisierten VHF-Guidelines von AHA (American Heart Association)/ACC (American College of Cardiology)/HRS (Heart Rhythm Society) eine Klasse-IIb-Empfehlung für die VHF-Ablation bei Herzinsuffizienzpatienten.
Rhythmuskontrolle und Schlaganfall
Obwohl aus früheren Studien zum Vergleich von Rhythmusmit Frequenzkontrolle keine Hinweise vorliegen, dass sich durch Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus Schlaganfallereignissen vorbeugen lässt, ergab sich im Rahmen einer Posthoc-Analyse der ATHENA-Studie bei zu einer Behandlung mit dem Antiarrhythmikum Dronedaron randomisierten Patienten ein geringeres Risiko für Schlaganfälle und TIA. Auch Daten aus Propensity-Score-gematchten Analysen von VHF-Patienten in Schweden und in Israel legen nahe, dass die VHF-Ablation mit einer geringeren Inzidenz von ischämischen Schlaganfällen assoziiert sein könnte.
Rhythmuskontrolle und kognitiver Abbau
VHF steht in Beziehung mit kognitiver Dysfunktion und De-
menz. Das Auftreten Letzterer lässt sich offenbar durch Anti-
koagulation reduzieren, wie eine Kohortenstudie aus Schwe-
den ergab. Während es wenig wahrscheinlich ist, dass
Antiarrhythmika zerebrale Komplikationen verursachen,
besteht für Patienten, die sich einer VHF-Ablation unterzie-
hen, ein periprozedurales Risiko für ischämische Schlagan-
fälle (0,3–1%) und klinisch stumme ischämische Hirnläsio-
nen, was sich letztlich in kognitivem Leistungsverlust
niederschlagen könnte. Dennoch lässt sich durch eine rhyth-
muskontrollierende Therapie über die günstige Beeinflussung
der atrialen Kardiomyopathie, die Reduzierung stummer
embolischer Läsionen sowie möglicherweise verbesserte zer-
brebrale Durchblutung und Stoffwechselprozesse das
VHF-bedingte Schlaganfallrisiko eventuell senken. Die Daten
aus hierzu bis anhin durchgeführten Studien sind zwar nicht
sämtlich konsistent, doch überwiegen die Hinweise, dass die
VHF-Ablation das Neuauftreten von Demenz reduzieren be-
ziehungsweise die kognitive Funktion verbessern kann – in
der AXAFA-AFNET-5-Studie sogar trotz gleichzeitig bei
knapp einem Drittel der abladierten Patienten per Magnet-
resonanztomografie (MRT) nachgewiesener kleiner Hirnlä-
sionen.
s
Ralf Behrens
Quelle: Willems S et al.: Cabins, castles, and constant hearts: rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. Eur Heart J 2019; 40(46): 3793– 3799c.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Übersichtsarbeit gibt an, Forschungsunterstützung, Zuschüsse, Honorare und/oder Reisespesen von diversen Pharmafirmen erhalten zu haben.
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