Transkript
FORTBILDUNG
So weicht der Magenkeim
Infektionen mit Helicobacter pylori
Helicobacter pylori ist mit verschiedenen Magenerkrankungen wie chronischer Gastritis, Ulcus ventriculi und duodeni, Magenkarzinom sowie mit dem MALT-Lymphom des Magens assoziiert. Die H.-pylori-Prävalenz hat kontinuierlich abgenommen und beträgt derzeit etwa 20 Prozent bei den nach 1980 Geborenen. Aufgrund der verminderten H.-pylori-Prävalenz werden in der deutschen S3-Leitlinie zwei Testverfahren für eine sichere Diagnose gefordert. Für die Wahl des Therapieregimes ist die Kenntnis der lokalen Antibiotikaresistenzen entscheidend, wobei die Clarithromycinempfindlichkeit eine Schlüsselrolle spielt. Gegenwärtig ist die Clarithromycin-Tripeltherapie noch Standard, zusätzlich stellt die Bismut-Quadrupeltherapie eine wichtige neue Therapieoption dar.
Nikola Argirovic und Siegfried Wagner
Helicobacter pylori ist ein gramnegatives Stäbchenbakterium, mit dem fast die Hälfte der Weltbevölkerung infiziert ist und das mit gastroduodenalen Erkrankungen wie peptischen Ulzera, Magenkarzinom und MALT-Lymphom kausal assoziiert ist (1).
Verbreitung Weltweit haben epidemiologische Studien einen kontinuierlichen Abfall der Prävalenz der Infektion mit H. pylori gezeigt. Auch in Deutschland hat die H.-pylori-Prävalenz seit 1980 kontinuierlich abgenommen. In einer aktuellen Studie aus Sachsen-Anhalt beträgt die Seroprävalenz von H. pylori 44 Prozent. Es zeigte sich eine signifikante Abnahme bei nach 1980 geborenen Personen mit einer Prävalenz von etwa 20 Prozent (2). In einer Querschnittstudie aus dem Saarland wurde bei gesunden Personen zwischen dem 50. und 74. Lebensjahr eine Prävalenz von 50,8 Prozent gefunden (3).
MERKSATZ
O Entscheidend für die Therapiewahl sind die Resistenzverhältnisse der wichtigsten Antibiotika.
In einer aktuellen prospektiven Kohortenstudie aus Amerika (NHANES III) wurde der Einfluss von H. pylori auf die Mortalität untersucht. Hierbei zeigte sich zwar ein 41-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko für ein Magenkarzinom, aber H. pylori hatte keinen Einfluss auf die Gesamtmortalität (4).
Leitlinien
Für die tägliche Praxis stehen zum Thema H. pylori zwei evidenzbasierte Leitlinien zur Verfügung: O die deutsche S3-Leitlinie von 2009 unter Federführung der
Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Aktualisierung 2014 ist geplant; O die europäische Leitlinie (Maastricht IV) von 2012 unter Federführung der European Helicobacter Study Group (5).
Diagnostik
Für die Diagnose einer H.-pylori-Infektion sind invasive Verfahren, die eine Endoskopie erfordern (kulturelle Anzüchtung, Histologie, Urease-Schnelltest), und nicht invasive Verfahren (Stuhlantigentest, Harnstoff-Atemtest) von praktischer Bedeutung. In der Regel wird im Rahmen einer Endoskopie die Kombination aus Urease-Schnelltest und Histologie mit Versilberungstechnik (Warthin-Starry-Färbung) zur sicheren Diagnose eingesetzt. Die in der europäischen Leitlinie empfohlene «Test-and-treat»-Strategie (Einsatz eines nicht invasiven Tests bei dyspeptischen Beschwerden ohne Endoskopie und probatorische Behandlung bei positivem Testergebnis) wird in der deutschen Leitlinie abgelehnt. Die Kultur mit Antibiogramm spielt eine besondere Rolle bei Therapieversagen und bei Kindern. Für eine exakte Diagnostik ist es wichtig, dass PPI möglichst zwei Wochen und Antibiotika vier Wochen vor der Endoskopie abgesetzt werden. Eine Erfolgskontrolle sollte ebenfalls frühestens vier Wochen nach beendeter Eradikationstherapie erfolgen.
Therapie
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Empfehlungsgrade hinsichtlich einer H.-pylori-Eradikationstherapie bei verschiedenen Indikationen, basierend auf der deutschen und der europäischen S3-Leitlinie. Alle H.-pylori-positiven gastroduodenalen Ulzera (DU/GU) sollen behandelt werden, ebenso jedes MALT-Lymphom. Für die funktionelle Dyspepsie wird ebenfalls ein hoher Empfehlungsgrad angegeben, hier beträgt die NNT (number needed to treat) 15. Weitere Indikationen sind Magenkrebsprophylaxe bei Risikopersonen, die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP), Eisenmangelanämie nach vorheriger vollständiger endoskopischer Abklärung,
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FORTBILDUNG
Tabelle 1:
Empfehlungsgrade für die Indikation einer H.-pylori-Therapie nach der deutschen und europäischen Leitlinie
Indikationen
deutsch europäisch
O alle Ulzera (DU/GU) O MALT-Lymphom O funktionelle Dyspepsie O Magenkrebsprophylaxe (Risikoperson) O ITP O Eisenmangelanämie O Vitamin-B12-Mangel O M. Ménétrier, lymphozytäre Gastritis
A A A C B C – C
A A A A A A A –
Tabelle 2a:
Erstlinientherapie der H.-pylori-Infektion
Clarithromycin-Tripeltherapie
Name
Tag Schema
Dosierung
Französische TT Italienische TT
1–7 PPI
1–0–1
1–7 Clarithromycin 500 mg 1–0–1
1–7 Amoxicillin 1000 mg
1–0–1
1–7 Clarithromycin 500 mg 1–0–1
1–7 PPI
1–0–1
1–7 Clarithromycin 500 mg 1–0–1
1–7 Metronidazol 400–500 mg 1–0–1
Bismut-Quadrupeltherapie
Bismut-Quadrupel 1–10 PPI
1–0–1–0
1–10 Pylera®*
3–3–3–3
*Dreifachkombinationspräparat aus Bismut-Kalium-Salz, Metronidazol und Tetrazyklinhydrochlorid, in der Schweiz nicht im Handel
Tabelle 2b:
Zweitlinientherapie der H.-pylori-Infektion
Erstlinientherapie
französische Tripel italienische Tripel
BismutQuadrupel
Bismut-Quadrupel
Levofloxacin-Tripel
Zweitlinien- Tag Schema Dosierung
therapie
1–10 PPI 1–0–1–0
Tag Schema 1–10 PPI
Dosierung 1–0–1
1–10 Pylera®* 3–3–3–3
1–10 Amoxicillin 1–0–1 1000 mg
1–10 Levofloxacin 1–0–1 500 mg
*Dreifachkombinationspräparat aus Bismut-Kalium-Salz, Metronidazol und Tetrazyklinhydrochlorid, in der Schweiz nicht im Handel
Vitamin-B12-Mangel und die seltenen Krankheiten M. Ménétrier und lymphozytäre Gastritis. Entscheidend für die Wahl des Therapieregimes ist die Kenntnis der Resistenzverhältnisse für die wichtigsten Antibiotika (Clarithromycin, Metronidazol, Levofloxacin). Für Deutschland werden diese Daten vom Nationalen Referenzzentrum für H. pylori an der Uniklinik Freiburg erhoben und zur Verfügung gestellt (6). Derzeit zeigt sich eine primäre Resistenz für Clarithromycin von 12 Prozent, für Metronidazol von 37 Prozent und für Levofloxacin von 12 Prozent. Bis zu einer Resistenzschwelle von 15 Prozent kann eine clarithromycinbasierte Tripeltherapie als kalkulierte Erstlinientherapie eingesetzt werden (Tabelle 2a). Als neue Therapieoption steht seit Januar 2013 die bismutbasierte Quadrupeltherapie in Deutschland zur Verfügung (7), welche in der europäischen Zulassungsstudie der Clarithromycin-Tripeltherapie überlegen war. Wenn eine Erstlinientherapie versagt und aus klinischen Gründen keine Verlaufsgastroskopie indiziert ist, kann eine kalkulierte Zweitlinientherapie durchgeführt werden (Tabelle 2b). Falls eine Gastroskopie durchgeführt wird, sollte eine H.-pylori-Kultur mit Antibiogramm erfolgen. Als Zweitlinientherapie ist nach erfolgloser clarithromycinbasierter Tripeltherapie eine Bismut-Quadrupeltherapie oder eine Levofloxacin-Tripeltherapie möglich. Bei erfolgloser Bismut-Quadrupel-Ersttherapie steht die Levofloxacin-Tripeltherapie als Zweitlinientherapie zur Verfügung. Spätestens nach erfolgloser Zweitlinientherapie ist die Durchführung einer Endoskopie mit kultureller Anzüchtung und Antibiogramm zwingend erforderlich. Die Drittlinientherapie sollte dann antibiogrammgesteuert erfolgen. Gegen Amoxicillin gibt es praktisch keine Resistenzentwicklungen, sodass dieses Antibiotikum in allen Therapielinien eingesetzt werden kann. Rifabutin steht als Reserveantibiotikum zur Verfügung, da die primäre Antibiotikaresistenz gegen H. pylori unter 1 Prozent liegt. Auch eine zweiwöchige duale Hochdosistherapie mit Amoxicillin und PPI ist als Rescuetherapie möglich.
Nachkontrolle
Die Überprüfung des Erfolgs einer Eradikationstherapie
sollte erst vier Wochen nach Therapieende erfolgen. Wenn
aus klinischen Gründen keine Endoskopieindikation besteht,
können auch nicht invasive Tests (Atemtest, Stuhltest)
verwendet werden.
O
Korrespondenzadresse: Dr. med. univ. Nikola Argirovic Assistenzarzt für Innere Medizin Medizinische Klinik II DONAUISAR Klinikum Deggendorf D-94469 Deggendorf
Interessenkonflikte: keine deklariert Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 18/2014. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren. Anpassungen an Schweizer Verhältnisse erfolgten durch die Redaktion von ARS MEDICI.
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Literatur: 1. Fischbach W et al.: S3-Leitlinie «Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkus-
krankheiten». Z Gastroenterol 2009; 47: 68–102. 2. Wex T et al.: Serological prevalence of Helicobacter pylori infection in Saxony-Anhalt,
Germany, in 2010. Clin Vaccine Immunol 2011; 18: 2109–2112. 3. Schöttker B et al.: Helicobacter pylori infection ist strongly associated with gastric
and duodenal ulcers in a large prospective study. Clin Gastroenterol Hepatol 2012; 10: 487–493. 4. Chen Y et al.: Association between Helicobacter pylori and mortality in the NHANES III study. Gut 2013; 62: 1262–1269. 5. Malferteiner P et al.: Management of Helicobacter pylori infection – the Maastricht IV/Florence Consensus Report. Gut 2012; 61: 646–664. 6. Glocker E: Überblick zu aktuellen Projekten des Nationalen Referenzzentrums für Helicobacter pylori. Epidemiologisches Bulletin Nr. 3, Robert Koch-Institut, 21.01.2013: 24–27. 7. Malfertheiner P et al.: Helicobacter pylori eradication with a capsule containing bismuth subcitrate potassium, metronidazole, and tetracycline given with omeprazole versus clarithromycin-based triple therapy: a randomised, open-label, non-inferiority, phase 3 trial. Lancet 2011; 377 (9769): 905–913.
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