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STUDIE REFERIERT
Fünf Jahre HPV-Impfung in Australien
Genitalwarzen bei jungen Frauen und Männern deutlich seltener diagnostiziert
In mehreren Ländern ist seit Einführung der Vierfachimpfung gegen das humane Papillomavirus (HPV) die Anzahl diagnostizierter Fälle von Genitalwarzen deutlich zurückgegangen. Für Australien, wo sich Mädchen und Frauen seit 2007 auf Staatskosten gegen HPV impfen lassen können, belegt eine neue Studie nun eine im Jahr 2011 um bis zu 93 Prozent verminderte Rate an positiven Diagnosen. Von diesem Schutz der Frauen profitieren offenbar auch ungeimpfte Männer durch Herdenimmunität.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Als eines der ersten Länder hat Australien im Jahr 2007 ein staatlich finanziertes Programm zur humanen Papillomavirus (HPV-)Vierfachimpfung
Merksätze
❖ Seit Implementierung des australischen Impfprogramms mit der Vierfachvakzine gegen HPV 2007 hat der Anteil von Frauen, bei denen Genitalwarzen diagnostiziert wurden, kontinuierlich abgenommen; am deutlichsten war dieser Rückgang in der Altersgruppe der unter 21-Jährigen.
❖ Ein ähnlicher, zahlenmässig jedoch geringerer Rückgang der Diagnosehäufigkeit war, wahrscheinlich aufgrund von Herdenimmunität, bei jungen heterosexuellen Männern bis 30 Jahre zu verzeichnen.
❖ Bei den unter 21 Jahren alten Frauen, die angaben, zuvor mit der Vierfachvakzine geimpft worden zu sein, sind 2011 keinerlei Genitalwarzen mehr festgestellt worden.
von Mädchen und jungen Frauen eingeführt. Das noch laufende Programm bietet 12- bis 13-jährigen Mädchen eine kostenlose Impfung in den Schulen an. Zusätzlich wurden von 2007 bis 2009 zwei Nachfolgeprogramme implementiert, eines für 13- bis 18-jährige Schülerinnen und eines für 18- bis 26jährige Frauen in der Bevölkerung. Neben den krebsverursachenden HPVTypen 16 und 18 bietet die Vierfachimpfung auch Schutz gegenüber HPV-6 und -11, welche Genitalwarzen hervorrufen. Die Durchimpfungsraten im schulbasierten Programm für 12- bis 13-jährige Mädchen betrugen 2010 für die erste Dosis 83, für die zweite Dosis 80 und für die dritte Dosis 73 Prozent und nahmen mit zunehmendem Alter ab. Die niedrigste Durchimpfungsrate von 52 Prozent für die erste Dosis wurde im Nachfolgeprogramm bei den 20- bis 26-jährigen Frauen beobachtet.
Sentinel-Erhebung Eine Gruppe von Wissenschaftlern vom Kirby Institute der University of New South Wales, vom Sydney Sexual Health Centre, vom Melbourne Sexual Health Centre und von der School of Population Health an der University of Melbourne hat nun die Ergebnisse ihrer Sentinel-Erhebung vorgelegt, die den Einfluss der Impfprogramme auf die Häufigkeit des Auftretens von Genitalwarzen bei insgesamt 85 770 Personen untersuchte, die im Zeitraum von 2004 bis 2011 an acht verschiedenen australischen Kliniken für Geschlechtskrankheiten vorstellig wurden. Dazu wurden jeweils Verhältnisgrössen der Anteile von Patienten miteinander verglichen, bei denen vor (2004 bis Mitte 2007) beziehungsweise nach Implementierung der HPV-Impfprogramme (Mitte 2007 bis Ende 2011) Genitalwarzen diagnostiziert worden waren.
Die Stärke der vorliegenden Untersuchung ergibt sich daraus, dass die erhobenen Daten aus einer Reihe von über das ganze Land verteilten Kliniken stammen. Verzerrungseffekte, wie sie durch eine Beschränkung auf Datenmaterial aus nur einer einzigen Klinik oder eine bestimmte Region möglich wären, sind somit weitestgehend auszuschliessen. Allerdings bekommen es Kliniken für Geschlechtskrankheiten hauptsächlich mit Personen zu tun, die mit einem höheren Risiko für sexuell übertragbare Infektionen behaftet sind. Da in Australien Patienten mit Symptomen in solche Kliniken triagiert werden, ist davon auszugehen, dass dort vorstellige Patienten auch häufiger von Genitalwarzen betroffen sind als die allgemeine Bevölkerung. Auf der anderen Seite zeigt die Datenanalyse, dass in der Impfperiode (2007–2011) der Anteil junger Frauen und Männer mit positivem Chlamydiennachweis angestiegen ist, was gegen die Annahme spricht, dass der beobachtete Rückgang von Genitalwarzen darauf beruht, dass die Kliniken Patienten mit niedrigerem Risiko zu Gesicht bekommen.
Unter 21-jährige Frauen profitieren am meisten Wie die erhobenen Daten zeigen, hat der Anteil von Frauen, bei denen Genitalwarzen diagnostiziert wurden, seit Implementierung des australischen Vierfachimpfprogramms 2007 kontinuierlich abgenommen. Am deutlichsten ausgeprägt war die Abnahme der Häufigkeit diagnostizierter Genitalwarzen bei Frauen unter 21 Jahren. Während zu Beginn der Impfperiode 2007 noch 11,5 Prozent betroffen gewesen waren, erhielten 2011 nur noch 0,85 Prozent eine entsprechende Diagnose (p < 0,001). Diese Gruppe (92,6% aller untersuchten Individuen) hatte zu einem grossen Teil bereits vor Aufnahme sexueller Aktivitäten Zugang zur kostenfreien Vierfachimpfung in den Schulen. Der eher moderate Rückgang bei den 21- bis 30-jährigen Frauen (72,6%; 2007: 11,3%, 2011: 3,1%; p < 0,001) spiegelt die niedrigere Durchimpfungsrate in dieser Altersgruppe wider. Über 30-jährige Frauen waren bereits vor Beginn des Impfprogramms lediglich zu einem geringen Anteil von Genitalwarzen betroffen, welche hauptsächlich im späten Teenager- und
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frühen Erwachsenenalter auftreten; bei ihnen war mit Start des Impfprogramms kein Rückgang zu verzeichnen, möglicherweise weil sie nicht teilnahmeberechtigt waren. Bei den 235 unter 21 Jahre alten Frauen, die angaben, zuvor mit der Vierfachvakzine geimpft zu sein, waren im Jahr 2011 überhaupt keine Genitalwarzen mehr festgestellt worden. Möglicherweise sind daher sämtliche Fälle von Genitalwarzen in Australien HPV6 und -11 (oder zusätzlich HPV-16 und -18) zuzuschreiben, oder aber die Vakzine bietet auch Schutz gegenüber den anderen warzenbildenden HPVErregern. Die Abnahme der Häufigkeit von Genitalwarzen in den beiden jüngeren Altersgruppen heterosexueller Männer lässt sich höchstwahrscheinlich auf Herdenimmunität zurückführen. Dabei war der Rückgang bei den unter 21-jährigen Männern (81,8%; 2007: 12,1%, 2011: 2,2%; p < 0,001) stärker ausgeprägt als bei den 21- bis 30-jährigen (51,1%; 2007: 18,2%, 2011: 8,9%; p < 0,001). Bei über 30-jährigen heterosexuellen Männern war dagegen kein Rückgang der Diagnosehäufigkeit zu verzeichnen.
Eine moderate, aber signifikante Abnahme zeigte sich in der Vakzinierungsperiode jedoch bei Männern, die angaben, sexuellen Verkehr mit Männern zu haben. Dieser Effekt liess sich bei bisexuell aktiven Männern nicht beobachten und geht daher nicht auf Herdenimmunität zurück. Vielmehr scheint die Tatsache, dass die Anzahl von homosexuellen (definiert als nach eigenen Angaben seit mindestens 12 Monaten ohne weiblichen Partner) Männern, die die Kliniken für Geschlechtskrankheiten aufsuchten, im Zeitraum von 2007 bis 2011 angestiegen ist, die gesunkene Rate von Genitalwarzen zu erklären.
Staatlich geförderte Impfprogramme auch für Jungen 2013 hat die australische Regierung ein weiteres staatlich finanziertes, schulbasiertes Programm gestartet, mit dem 12- bis 13-jährige Jungen eine HPVVierfachimpfung erhalten können. Ein Nachfolgeprogramm bezieht für einen zweijährigen Zeitraum auch die Impfung 14- bis 15-jähriger Schüler ein. Es wird erwartet, dass diese Impfprogramme nicht nur Genitalwarzen sowie Anal-, Penis- und Oropharynxkarzinome bei Männern verhindern
können, sondern auch die Herdenim-
munität weiter erhöhen und somit auch
auf ungeimpfte Frauen eine indirekte
Schutzwirkung ausüben werden. In
Kombination mit einer weiteren Steige-
rung der Durchimpfungsraten bei
Frauen liesse sich so eventuell eine
Kontrolle (Reduktion der Krankheits-
inzidenz/-prävalenz auf lokal akzep-
table Werte) wenn nicht gar Eliminie-
rung der Ziel-HBV-Erreger bei jungen
Australiern erreichen.
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Ralf Behrens
Quelle: Hammad A et al.: Genital warts in young Australians five years into national human papillomavirus vaccination programme: national surveillance data. BMJ 2013; 346: f2032.
Interessenkonflikt: Einer der Autoren hält Anteile an der Firma CSL Biotherapies, ein anderer ist Mitglied des Advisory Boards für den Impfstoff Gardasil, ein weiterer ist involviert in eine HPV-Vakzine-Studie der Firma Merck. Mehrere Autoren erhielten Honorare und Forschungsgelder von den Firmen CSL Biotherapies, Sanofi Pasteur, MSD und Merck.
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