Transkript
STUDIE
Schilddrüsenstörungen und Vorhofflimmern
Selbst geringfügige Störungen der Schilddrüsenfunktion können sich auf das Herz auswirken. Besonders subklinische Formen der Hyperthyreose gehen gehäuft mit Vorhofflimmern einher.
ARCHIVES OF INTERNAL MEDICINE
Eine Schilddrüsenfehlfunktion ist in der allgemeinen Bevölkerung häufig und tritt mit dem Alter vermehrt klinisch zutage. Auch subklinische Dysfunktionen (abnormales Thyreotropin [TSH] bei normalem Thyroxinspiegel) sind mit einer Prävalenz von bis zu 12 Prozent bei Erwachsenen häufig und nehmen mit dem Alter zu. Die pathophysiologischen Konsequenzen geringfügiger Schilddrüsendysfunktionen bleiben unklar. Verschiedene Studien haben einen Effekt der subklinischen Hyperthyreose auf Funktion und Morphologie des Herzens belegen können. Insbesondere haben zwei grosse, prospektive Kohortenstudien sowie eine Querschnittsuntersuchung eine Assoziation zwischen subklinischer Hyperthyreose und Vorhofflimmern, einem unabhängigen Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse und Hirnschlag, erkennen lassen. Auch eine subklinische Hypothyreose könnte auf das Kreislaufsystem über die konsekutive Hyperlipidämie und linksventrikuläre Dysfunktion relevante Auswirkungen haben. Die Evidenz für eine Rückbildung dieser Verän-
derungen unter Thyroxinsubstitutionstherapie spricht in dieser Richtung, obwohl noch unklar bleibt, ob sich diese auch in einer geringeren Morbidität und Mortalität niederschlägt. Allerdings fand eine neue Metaanalyse, dass eine subklinische Hypothyreose mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheit einhergeht. Die vorliegende Studie wollte die Beziehung zwischen Schilddrüsenstörungen und Vorhofflimmern an einer grossen ambulanten Kohorte bei Probanden über 65 Jahre untersuchen.
Methodik Die Autoren der Universität Birmingham in Grossbritannien rekrutierten 5860 Patienten aus der Grundversorgung ab 65 Jahren, die weder wegen Schilddrüsenproblemen in Behandlung standen noch anamnestisch entsprechend belastet waren. Bei ihnen wurden Parameter der Schilddrüsenfunktion (freies Serum-T4, freies T3 und TSH) gemessen sowie ein Ruhe-EKG aufgenommen. Alle EKG wurden von einem einzigen Kardiologen blind beurteilt.
Resultate Das mittlere Alter betrug 72 Jahre (65–98 J.), 50,9 Prozent waren Frauen. 0,2 Prozent hatten eine zuvor nicht diagnostizierte klinische und 2,2 Prozent eine subklinische Hyperthytreose; 94,4 Prozent waren euthyreoid, und 2,9 Prozent hatten eine subklinische sowie 0,4 Prozent eine klinische Hypothyreose. Die Prävalenz des Vorhofflimmerns in der ganzen Kohorte betrug bei Männern 6,6 und bei Frauen 3,1 Prozent. In der logistischen Regressionsanalyse ergab sich eine höhere Vorhofflimmernprävalenz bei subklinischer Hyperthy-
Merksätze
■ Der Laborbefund einer subklinischen Hyperthyreose (freies Serum-T4 ↑) ist mit Vorhofflimmern im Ruhe-EKG assoziiert.
■ Selbst bei euthyreoten Individuen mit normalem TSH sind «hochnormale» freie T4-Konzentrationen unabhängig mit Vorhofflimmern assoziiert.
reose im Vergleich zu Euthyreose (9,5% vs. 4,7%, Odds Ratio [OR] 2,27, p = 0,01). Das mediane freie Serum-T4 war bei Vorhofflimmern höher als ohne (p < 0,001) und ebenfalls höher bei Vorhofflimmern als im euthyreotisch definierten Bereich (p = 0,001). In der logistischen Regressionsanalyse waren freies T4, zunehmendes Alter und männliches Geschlecht unabhängig mit Vorhofflimmern assoziiert. Ähnliche unabhängige Assoziationen waren bei euthyreoten Teilnehmern mit normalen TSH-Werten zu beobachten. Schlussfolgerungen Die grosse Kohortenstudie deutet auf eine grössere Wahrscheinlichkeit für Vorhofflimmern auch bei subklinischer Hyper-, nicht jedoch bei Hypothyreose. Damit stellt sich auch die Frage nach einem T4/TSH-Screening bei älteren Menschen. Für Menschen unter Thy- roxinsubstitutionsbehandlung bestätigt sich die Empfehlung, so zu dosieren, dass TSH und freies T4 im Referenz- bereich liegen. Die allgemeine Bedeu- tung eines höheren Risikos des Vorhof- flimmerns bei euthyreoten Individuen im hochnormalen T4-Bereich steht vor- derhand als Frage im Raum. ■ Quelle: M.D. Gammage et al.: Association between serum free thyroxin concentration and atrial fibrillation. Arch Inter Med 2007; 167: 928–934. Interessenkonflikte: keine deklariert Halid Bas 32 ARS MEDICI 1 ■ 2008