Transkript
SCHWERPUNKT
Geburtsvorbereitung durch Hebammen
Nachhaltige Stärkung von Frauen und Familien durch systemische Hebammenarbeit
Die Geburtsvorbereitung durch Hebammen findet auf der körperlichen, mentalen und psychologischen Ebene statt und hat dabei immer die Stärkung des Kohärenzgefühls (Salutogenese) zum Ziel. Insbesondere auf der psychologischen Ebene haben systemisch arbeitende Hebammen grosses Potenzial, werdende Eltern und Familien nachhaltig zu stärken.
MELANIE GERBER, LARISSA ZELLER
Melanie Gerber Larissa Zeller
Wer an Geburtsvorbereitung denkt, hat oft Bilder von schwangeren Frauen auf Gymnastikbällen vor Augen. Geburtsvorbereitung ist jedoch weit mehr als das Üben von Atemtechniken oder die Anleitung zur Dammvorbereitung. Diese und andere gesundheitsfördernde Massnahmen beschreiben die Geburtsvorbereitung auf der körperlichen Ebene. Ein weiterer bekannter Aspekt ist die mentale Ebene, auf der es vor allem um Wissensvermittlung geht: Physiologische Vorgänge und Regelabweichungen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett werden erklärt. Gleichzeitig vermittelt die Hebamme Copingstrategien. Sie zeigt zum Beispiel, wie verschiedene Positionen während der Geburt helfen können. Die dritte Dimension ist die psychologische Ebene, auf der die Schwangerschaft als bedeutsames Lebensereignis betrachtet wird, welches herausfordernde Phasen der Veränderung und diverse Übergänge mit sich bringt. Die Hebamme begleitet dabei die schwangere Frau in ihrem Kontext. Die Gliederung der Geburtsvorbereitung in diese drei Ebenen hat sich in der Praxis der Autorinnen als geeignet erwiesen.
Merkpunkte
n Die systemische Hebammenarbeit geht über die medizinische Erfassung der schwangeren Frau und des Fetus hinaus.
n Die werdende Mutter wird als Teil eines komplexen Systems erkannt, dessen Ressourcen nutzbar gemacht werden sollen.
n Die Mäeutik als Methodik der Hebamme befähigt die werdenden Eltern durch sensibilisierende Fragen, Selbsterkenntnisse zu gewinnen.
n Präsente Hebammen haben die Chance, präventiv und sensibilisierend zu wirken und die werdenden Eltern in ihren Prozessen zu bestärken.
n Ganzheitliche und systemische Geburtsvorbereitung hat einen nachhaltig positiven Einfluss auf werdende Eltern und ist Teil der gesamten Schwangerenvorsorge.
Die Theorie der Salutogenese als Grundlage der Hebammenarbeit
Die Stärkung des Kohärenzgefühls auf allen Ebenen der Geburtsvorbereitung – körperlich, mental und psychologisch – basiert auf der Theorie der Salutogenese (siehe Kasten 1: «Salutogenese») (1) und ist ein prägendes Merkmal für die Arbeitsweise der Hebammen. Damit stärkt die Hebamme die Resilienz als Fähigkeit, die raschen adaptiven Veränderungen im Prozess des Elternwerdens bewältigen zu können (2). Am Beispiel der Geburtsmechanik wird der physiologische Vorgang mit Beckenmodell und Puppe demonstriert (Förderung der Verstehbarkeit). Die Anpassungen des Beckens prä- sowie peripartal (Lockerung von Sehnen und Bändern), aber auch die Anpassung des fetalen Kopfes an die maternalen Beckenverhältnisse werden erklärt (Förderung der Sinnhaftigkeit). Ausserdem haben die Frauen die Möglichkeit, verschiedene Positionen auszuprobieren, bei welchen der Raumgewinn in den verschiedenen Beckenräumen wahrgenommen wird (Förderung der Handhabbarkeit).
Die systemische Bedeutung der Hebammenarbeit in der Geburtsvorbereitung
Geene und Bacchetta beschreiben 2017 in ihrem 10-Phasen-Modell das Spektrum ab Präkonzeption bis zum Ende des 3. Lebensjahres des Kindes und gliedern dieses in 10 Phasen (3). Der Wechsel von einer Phase in die nächste bedeutet demnach einen Übergang, welcher aus psychologischer Sicht als Herausforderung betrachtet wird, da diverse adaptive Prozesse gemeistert werden müssen. Dies betrifft beispielsweise den Übergang von der «Orientierungsphase» (bis ca. 12. SSW), die oft mit Verunsicherung und ambivalenten Gefühlen verbunden ist, zur
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Phase der «Selbstkonzeption» (12. bis ca. 20. SSW), in der bereits ein erstes Selbstkonzept vom Elternsein entsteht und auch wichtige Entscheidungen über pränataldiagnostische Untersuchungen getroffen werden müssen (3). In all diesen Übergängen geht es unter anderem um körperliche Anpassungsvorgänge, um Rollenfindung, aber auch um Veränderungen auf der Ebene der Paarbeziehung. Die Hebamme begleitet die Paare während diesen Übergängen. Dabei agiert sie als Teil verschiedener Systeme, welche im Modell der Autorinnen (Abbildung) bildlich dargestellt sind und im Folgenden genauer ausgeführt werden.
Das System Hebamme-Frau
Die Hebamme ist für die schwangere Frau oft eine wichtige Ansprechperson während der Schwangerschaft und bei der Geburtsvorbereitung. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Hebamme und Frau bildet die Grundlage dafür, offen über individuelle Bedürfnisse und persönliche Werte zu sprechen. Der Aufbau einer solchen partnerschaftlichen Beziehung erfordert Zeit, Kontinuität, Motivation und eine Offenheit für individuelle Bedürfnisse. Guilliland und Pairman beschreiben diese Beziehung ausführlich. Die Beziehung der Hebamme zur schwangeren Frau ist frauenzentriert und empowernd. Sie zielt darauf ab, die Selbstbestimmung und das Kontrollgefühl der Frau zu fördern (4). Die Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstbestimmung unterstützt die Frau darin, Entscheidungen zu treffen und Eigenverantwortung zu übernehmen.DieBedeutungeinersolchenpartnerschaftlichen Beziehung zwischen Hebamme und Frau wird auch in der im Fachjournal «The Lancet» publizierten Studie von Renfrew und Kollegen betont: Darin konnten eine gesteigerte Effizienz und verbesserte Outcomes auf mehreren Ebenen nachgewiesen werden, wenn Hebammen in der prä- und perinatalen Betreuung präsent sind (5). Ausserdem sprechen sich dieselben Autoren ebenso für einen ganzheitlichen, systemischen Ansatz aus, in welchem auch die persönlichen Normen und Werte der Frau sowie die sozio-psycho-physischen (Teil-) Prozesse unterstützt und gefördert werden. Auch soll darauf hingewiesen werden, dass bereits Sokrates den Begriff der «Mäeutik» (griechisch für Hebammenkunst) schuf und darunter die Fähigkeit verstand, dem/der Gesprächspartner/in durch geeignete Fragen zu helfen, den Sachverhalt selbst zu ergründen (6). Durch eine wertschätzende Begegnung auf Augenhöhe und geeignete Fragen kann das Gegenüber so befähigt werden, selbst Antworten zu finden, was wiederum das Selbstwertgefühl und die Selbstbestimmung stärkt. Dieser Ansatz ist in der Geburtsvorbereitung wesentlich.
Abbildung: Dimensionen der systemischen Hebammenarbeit (adaptiert an das Modell «The Midwifery Partnership» von Guilliland & Pairman, 1995) (4).
Kasten 1:
Salutogenese – ein Modell der Resilienz
Aaron Antonovsky sieht die Grundlage der Gesunderhaltung im Kohärenzgefühl. Er beschreibt drei Bedingungen, welche die gesunden und ressourcenbildenden Anteile eines Menschen stärken. Das Kohärenzgefühl entsteht aus der Kombination von Ressourcen oder Bewältigungsstrategien (Coping) bezüglich der drei Bedingungen Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit (1). Je besser das Kohärenzgefühl eines Menschen ist, desto mehr bewegt sich dieser auf dem Kontinuum Gesundheit – Krankheit in Richtung Gesundheit und ist somit resilienter.
Das System Hebamme-Frau-Kind
Die pränatale Psychologie zeigt, dass bereits im Mutterleib die Basis für Bindung und Beziehungsaufbau gelegt wird (7). John Bowlby, Pädiater, Kinderpsychiater sowie Pionier in der Bindungsforschung, vermutete bereits Mitte des 20. Jahrhunderts, dass in der frühen Kindheit eine sichere Bindung zu einer Bezugsperson von entscheidender Bedeutung ist für eine gesunde Entwicklung der Psyche (8). Eine sichere Bindung zeichnet sich durch eine feinfühlige, adäquate und prompte Reaktion der Bezugsperson auf die Signale des Kindes aus. Ausserdem wurde nachgewiesen, dass eine sichere Bindung einen Schutzeffekt gegen die Entstehung von Psychopathologien hat, welcher sogar dann fortbesteht, wenn im späteren Leben Traumata erlebt werden (9). Verbindet man die Erkenntnisse aus der pränatalen Psychologie und der Bindungsforschung miteinander, so wird auch die Förderung der pränatalen Bindung essenziell (10). Die Hebamme hat bei diesem Prozess eine wichtige Vorbildfunktion inne, wenn es ihr zum Beispiel bei der körperlichen Untersuchung der schwangeren Frau nicht nur um den diagnostischen Aspekt (wie Fundusstand oder Lagebestimmung) geht, sondern auch um eine Kontaktaufnahme mit dem ungeborenen Kind. Hebammen haben in solchen Situationen
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Kasten 2:
Bindungsfördernde Fragen:
n Was denken Sie: Wie fühlt es sich für Ihr Kind an, in Ihrem Bauch heranzuwachsen? n Wie macht sich Ihr Kind bei Ihnen bemerkbar? n Haben Sie als Paar ein Ritual, das Sie mit Ihrem Kind im Bauch machen?
einwirkenden Faktoren ist in der Abbildung veranschaulicht. Es soll alle möglichen Familienkonstellationen inkludieren. Besonders wichtig in diesem System sind die Paarbeziehung und der andere werdende Elternteil. Im Folgenden werden der Lesbarkeit halber die Begriffe «Vater» und «Partner» verwendet.
Kasten 3:
Fragen zur Sensibilisierung für Familienwerdung und Paarbeziehung
n Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie daran denken, bald Eltern zu werden? n Was denken Sie: Welches werden die grössten Veränderungen sein? n Was könnte Ihnen schwerfallen? n Was schätzen Sie: Wie viel Zeit pro Tag nehmen Ernährung und Körperpflege des Babys
in Anspruch? n Haben Sie Ideen, wie sie als Paar mit der knapperen Zeit umgehen werden?
Kasten 4:
Fragen an den werdenden Vater zur Unterstützung in der Rollenfindung
n Was geht in Ihnen vor, wenn Sie an die Zeit nach der Geburt denken? Worauf freuen Sie sich? Was macht Ihnen Angst?
n Wollten Sie schon immer Vater werden? n Was für ein Vater möchten Sie sein? n Was wünschen Sie sich, dass Ihr Kind einmal über Sie als Vater erzählt?
Kasten 5:
«10 Effekte väterlicher Präsenz»
Wissenschaftlich belegt ist, dass Kinder mit präsenten Vätern …
1. mehr Geborgenheit erleben und die Welt mutiger erkunden 2. bessere Problemlösefähigkeiten und einen höheren IQ entwickeln 3. widerstandsfähiger und seelisch robuster sind 4. sich sprachlich, schulisch und beruflich erfolgreicher entwickeln 5. fleissiger sind, sich besser konzentrieren können und weniger ablenken lassen 6. als Erwachsene zufriedener mit ihrem Leben und ihrer Paarbeziehung sind 7. Stress, Frust, Impulse und Affekte besser bewältigen können 8. sich mehr zutrauen und ein höheres Selbstwertgefühl entwickeln 9. höhere soziale Kompetenzen entwickeln, in der Gleichaltrigen-Gruppe besser akzeptiert
sind und Konflikte leichter lösen 10. weniger Drogen konsumieren, kriminell werden und Risiken eingehen sowie seltener
auf der Notfallstation oder im Gefängnis landen.
zitiert nach «niudad» (2023) (24) auf der Basis von Allen & Daly (2007) (25).
die Gelegenheit, werdende Eltern für das Erleben und Empfinden des vorgeburtlichen Kindes sowie für die Bedeutung der Bindung zu sensibilisieren. Konkret bedeutet dies, dass im Rahmen der Schwangerenvorsorge gezielt nach dem Wohlbefinden und Verhalten des Kindes gefragt wird oder die Frau darin befähigt wird, die Kindslage selbst zu ertasten (siehe Kasten 2: Bindungsfördernde Fragen).
Das System Hebamme-Frau im Kontext
In diesem System werden die verschiedenen Wechselwirkungen und Beziehungen im Kontext der schwangeren Frau betrachtet. Die Komplexität der
Paare werden Eltern – und dann? Kinder haben gemäss verschiedenen Untersuchungen einen stabilisierenden und glücksbringenden Effekt auf die Paarbeziehung und erhöhen die Verbindlichkeit (11). Auf der anderen Seite wurde in der Metaanalyse von Mitnick und Kollegen (12) gezeigt, dass nach der Geburt des ersten Kindes die Beziehungszufriedenheit abnimmt, weniger Gefühle der Zuneigung und öfter ambivalente Gefühle in der Partnerschaft vorhanden sind. Die Paare verbringen nach der Geburt signifikant weniger Zeit miteinander (13). Wie eine Untersuchung zur Familienzeitgestaltung zeigte, werden oftmals die Bedürfnisse des Kindes gegenüber denjenigen des Paares priorisiert (14). Ausserdem kommt es in vielen Familien zu einer Traditionalisierung der Rollenverteilung. Frauen übernehmen in diesem Zusammenhang in der Regel mehr Haushaltsarbeit als ihre Partner. All diese Fakten sind oft mit Frustration und enttäuschten Erwartungen verbunden und erhöhen die Konflikthäufigkeit, so weitere Beobachtungen (15). Tritt eine postnatale Depression auf, die global gesehen eine Prävalenz von 17,22% bei Frauen (95%-KI; 16,0018,51) und 8,75% bei Männern hat, werden dadurch die Partnerschaft und das Elternsein massgeblich geprägt (16, 17). Folglich ist der Übergang zur Elternschaft eine wertvolle Erfahrung, er wird gleichzeitig aber auch als eine äusserst vulnerable Lebensphase erlebt. Eine niedrige Beziehungsqualität, häufige destruktive elterliche Konflikte, aber auch eine postnatale Depression haben einen ungünstigen Einfluss auf die elterlichen Kompetenzen hinsichtlich deren Feinfühligkeit für die Bedürfnisse des Kindes und damit einen nachweislich ungünstigen Effekt auf die kindliche Entwicklung (18). Hebammen verfügen gemäss professionsspezifischen Abschlusskompetenzen über das erforderliche Wissen und über die nötige Beziehung zum Paar, um das Thema der psychischen und partnerschaftlichen Vulnerabilität anzusprechen (19). Hebammen können werdende Eltern in der Geburtsvorbereitung, aber auch in der Schwangerenvorsorge für diese Themen frühzeitig sensibilisieren (siehe Kasten 3). Sie haben dabei die Gelegenheit, wertvolle Impulse für eine wertschätzende Kommunikation sowie für ein lösungsorientiertes Konfliktmanagement zu geben, welches die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt – im Sinne einer Streitkultur ohne Verlierer.
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Der werdende Vater im System – was braucht er? Die Männer rücken oft als Partner der schwangeren Frau in den Hintergrund (20). Doch auch werdende Väter haben Bedürfnisse, die Beachtung finden sollten. In der Praxis fällt auf, dass die Partner ihre Sorgen und Bedürfnisse kaum ansprechen. Es liegt also an den betreuenden Fachpersonen, gezielte Fragen zu stellen, um die Bedürfnisse des Vaters zu erkennen. Sorgen, Ängste und Unsicherheiten sollten konkret angesprochen werden, zum Beispiel die Angst vor einer Geburt im Auto oder vor dem Anblick von Blut. Die werdenden Väter sind oft unsicher über ihre Rolle während der Geburt und inwiefern sie unterstützend sein können. Oftmals fürchtet sich der Mann auch davor, dass seine Frau und das Kind bei der Geburt Schaden nehmen könnten (21). Hierbei ist es wichtig, fundiertes Wissen über normale Abläufe in Schwangerschaft und Geburt zu vermitteln und zu betonen, dass es sich dabei grundsätzlich um physiologische und sich selbst regulierende Prozesse handelt. Die Präsenz des werdenden Vaters in der Schwangerschaft, sei dies in Vorsorgeuntersuchungen, an Informationsabenden oder im Geburtsvorbereitungskurs, muss gefördert werden. Dabei wird das Vertrauen in die beteiligten Professionen und Institutionen gestärkt. Auch der werdende Vater braucht eine vertrauensvolle Beziehung zur Hebamme. Gerade in Situationen, die ihn überfordern, oder bei Regelabweichungen kann diese ihm Sicherheit oder wenigstens die Gewissheit vermitteln, dass seine Frau in guten Händen ist. Um die Rollenfindung des werdenden Vaters zu unterstützen, sollte er im Gespräch oder im Kurs dazu angeregt werden, seine Bedürfnisse zu reflektieren und sich darüber auszutauschen, sei dies mit seiner Partnerin, mit anderen Männern oder vielleicht auch mit dem eigenen Vater (siehe Kasten 4). Nicht zu vergessen ist der grosse Bedarf an Vermittlung von Fakten zur Bedeutung der Vaterrolle. Werdende Väter sollen über die zahlreichen Vorteile einer guten Vater-Kind-Beziehung sowie über die Bedeutung eines präsenten Vaters für die Entwicklung seines Kindes Bescheid wissen (siehe Kasten 5) (22, 23).
Fazit
Geburtsvorbereitung durch Hebammen bedeutet weit mehr als Wissensvermittlung zu Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und den bekannten therapeutischen Massnahmen der letzten Wochen vor der Geburt. Geburtsvorbereitung durch Hebammen ist Beziehungsarbeit in diversen Systemen und Subsystemen (Modell «Dimensionen der systemischen Hebammenarbeit»). Es handelt sich um das Erkennen von Bedürfnissen, um das Nutzbarmachen von Ressourcen, um die Stärkung innerer Copingstrategien (Kohärenzgefühl) und um Empowerment. Im
Fokus stehen die Beziehung und die Bindung als
Ressource mit weitreichender Tragweite. Und letzt-
lich geht es um einen wertschätzenden und achtsa-
men Umgang mit der Vulnerabilität, die mit dieser
enormen Anpassungsleistung auf körperlicher und
psychologischer Ebene verbunden ist.
Diese Art der Geburtsvorbereitung und eine Schwan-
gerenvorsorge, in der die Profession der Hebamme
so früh wie möglich eine bedeutende Rolle spielt,
stärken nachhaltig und leisten somit einen entschei-
denden Beitrag für bindungsbewusste, präsente El-
tern, gestärkte Paare und gesunde Kinder.
n
Melanie Gerber Dipl. Hebamme FH Kantonsspital Baden Gebärabteilung, Geburtsvorbereitung und Hebammensprechstunde E-Mail: melanie.gerber@ksb.ch
Larissa Zeller Dipl. Hebamme FH Kantonsspital Baden Gebärabteilung und Geburtsvorbereitung E-Mail: larissa.zeller@ksb.ch
Die Autorinnen bestätigen, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Quellen: 1. Antonovsky A, Franke A: Salutogenese zur Entmystifizierung der Gesundheit. Dgvt-Verlag 1997. 2. Frey D, Irle M: Theorien der Sozialpsychologie. Huber Verlag, 2001. 3. Geene R, Bacchetta B: Gesundheitsförderung rund um die Geburt. Das 10-Phasen-Modell zur Identifikation von Präventionsbedarf und -potenzialen. in: Das Gesundheitswesen 2018; 80(08/09): 774. doi: 10.1055/s-0038-1667617 4. Guilliland K, Pairman S: The midwifery partnership: a model for practice. Dept. of Nursing and Midwifery, Victoria University of Wellington. 1995. 5. Renfrew MJ et al.: Midwifery and quality care: findings from a new evidence-informed framework for maternal and newborn care. The Lancet 2014; 384, 1129– 1145. 6. Margraf J, Schneider S: Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren und Rahmenbedingungen psychologischer Therapie. Springer Verlag, 2018. 7. Alberti B, Janus L: Die Seele fühlt von Anfang an: Wie pränatale Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit prägen. Kösel Verlag, 2015. 8. Holmes J.: John Bowlby and attachment theory. London, Routledge Verlag, 1993. doi:10.4324/9780203136805. 9. Brisch KH: Bindungsstörungen: von der Bindungstheorie zur Beratung und Therapie. Verlag Klett-Cotta, 2023. 10. Brisch KH: SAFE. Sichere Ausbildung für Eltern: für Schwangerschaft und erste Lebensjahre. Verlag Klett-Cotta, 2011. 11. Heinrichs N, Bodenmann G, Hahlweg K.: Prävention bei Paaren und Familien. Hogrefe Verlag, 2008. 12. Mitnick DM, Heyman RE, Smith Slep AM: Changes in relationship satisfaction across the transition to parenthood: a meta-analysis. J Fam Psychol 2009;23: 848– 852. 13. Claxton A, Perry-Jenkins M: No fun anymore: leisure and marital quality across the transition to parenthood. Journal of Marriage and Family 2008; 70: 28–43. 14. Daly KJ.: Deconstructing family time: from ideology to lived experience. Journal of Marriage and Family 2001; 63: 283–294. 15. Kluwer ES: From partnership to parenthood: a review of marital change across the transition to parenthood. Journal of Family Theory & Review 2010; 2: 105–125. 16. Rao WW et al.: Prevalence of prenatal and postpartum depression in fathers: a comprehensive meta-analysis of observational surveys. J Affect Disord 2020; 263: 491–499. 17. Wang Z et al.: Mapping global prevalence of depression among postpartum women. Transl Psychiatry 2021; 11: 543. 18. Bodenmann G, Cina A, Ledermann T, Sanders MR: The efficacy of the triple p-positive parenting program in improving parenting and child behavior: A comparison with two other treatment conditions. Behaviour Research and Therapy 2008; 46: 411–427. 19. Fachkonferenz Gesundheit der Fachhochschulen Schweiz: Professionsspezifische Kompetenzen: BSc Ergotherapie, BSc Ernährung und Diätetik, BSc Hebamme, BSc Pflege, BSc Physiotherapie, BSc Medizinisch-technischer Radiologie, MSc Osteopathie. https://www.zhaw.ch/storage/gesundheit/studium/abschlusskompetenzen/professionsspezifische-kompetenzen-2021-gesundheitsberufe.pdf 2021. 20. Truc G: La paternité en maternité. Une étude par observation. Ethnologie française 2006; 36: 341–349. 21. Schäfer E: Plattform «Niudad»: Die fünf grössten Vätersorgen. 2023. 10 Effekte väterlicher Präsenz. https://niudad.ch/vaeterliche-praesenz. 23. Allen S, Daly K: The effects of father involvement: an updated research summary of the evidence inventory. FIRA Father Involvement Research Alliance. 2007. https://www.fatherhood.gov/research-and-resources/effects-father-involvement-updated-researchsummary-evidence
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