Transkript
SGGG-EXPERTENBRIEF NR. 79 (ERSETZT Nr. 72)
In der GYNÄKOLOGIE werden – nach Auswahl der Herausgeber – an dieser Stelle aktuelle Expertenbriefe publiziert (verifizierte Printform).
Expertenbrief Nr. 79
(siehe auch: http://sggg.ch/de/members_news/1005)
Kommission Qualitätssicherung Präsident Prof. Dr. med. Daniel Surbek
Thromboembolierisiko unter hormonaler Kontrazeption
Das Update der SGGG fasst neue Erkenntnisse zur hormonalen Antikonzeption und Studiendaten zu neuen hormonalen Kontrazeptiva zusammen.
Evidenzlevel
Gabriele S. Merki-Feld, Sibil Tschudin, Bruno Imthurn, Petra Stute, Dorothea Wunder
Dieser Expertenbrief wurde mit Swissmedic diskutiert.
Hintergrund und Informationen zum Verständnis der Studienresultate
Das thromboembolische Risiko unter kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (CHC) wurde in den letzten 35 Jahren durch die Entwicklung niedrigdosierter CHC (nCHC) (≤ 35 µg Ethinylestradiol [EE]) gesenkt (1–3). Je nach Gestagenanteil der CHC variiert das auch bei den niedrigdosierten Präparaten noch gegenüber Nichtanwenderinnen gering erhöhte Thromboembolierisiko (4–6). CHC mit Gestagenen der dritten und vierten Generation (Gestoden, Desogestrel, Drospirenon) sowie Cyproteronacetat (CPA) sind im Vergleich zu solchen der zweiten Generation (z. B. Levonorgestrel; LNG) mit einem geringfügig höheren Thromboserisiko assoziiert. Eine etwas vermehrte Resistenz auf aktiviertes Protein C, ein Anstieg von Prothrombin und Faktor VII und ein Abfall des Faktors V könnte unter Einnahme von Pillen mit Drittgenerationsgestagenen zu einer höheren Koagulabilität führen (6, 7). Da die absoluten Fallzahlen für venöse Thromboembolien (VTE) bei gesunden, jungen Frauen unter nCHC niedrig sind, erfordert die Erkennung eines Risikounterschiedes in Abhängigkeit von der Gestagenkomponente, Studien mit sehr hohen
Die wichtigsten Neuerungen:
n Es liegen nun ausreichend Daten zum VTE-Risiko der Pille mit Estradiol/Nomegestrolazetat (Zoely®) vor. Diese kombinierte Pille scheint mit einem VTE-Risiko assoziiert zu sein, das nicht grösser ist, als jenes mit EE/LNG.
n Nun ist in der Schweiz eine Gestagenpille mit 4 mg Drospirenon auf dem Markt. Wie für die Gestagenpille mit Desogestrel ist hier das VTE-Risiko nicht erhöht. Sie ist auch zugelassen für die Verschreibung an Jugendliche unter dem Alter von 18 Jahren.
n Weiterhin ist die Kombinationspille mit Estetrol 14,2 mg/ Drospirenon 3 mg neu zugelassen. Sie enthält ein neues Östrogen. Das VTE-Risiko bewegt sich nach bisherigem Wissen im Rahmen der neuen CHC mit Gestagenen der dritten Generation. Kohortenstudien laufen.
Fallzahlen. Dies ist wichtig zu beachten bei der Interpretation der Studienresultate generell, aber auch von Studien mit Präparaten, die noch nicht so lange auf dem Markt sind und deshalb nur mit einer niedrigen Zahl an Frauenjahren in vergleichenden Studien und Datenbanken vertreten sind. Zu letzteren gehören aktuell CHC mit Estetrol/Drospirenon (E4/DRSP) und das Kombinationspräparat Estradiolvalerat mit dem Gestagen Dienogest. Die Studienlage zum VTE-Risiko hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, da mehr Studien vorliegen, welche nur noch Anwenderinnen von nCHC einschliessen, differenzierte Subanalysen für einzelne Gestagenkomponenten und Applikationsweisen durchführen und weil inzwischen erkannte besondere Risikofaktoren für eine VTE bei nCHC-Anwenderinnen in die Auswertung des Risikos mit einfliessen (8–10). Aspekte, die in Studien vor 2009 nicht oder nur vereinzelt berücksichtigt wurden (respektive in neueren Studien berücksichtigt wurden): n Neustarterinnen haben ein erhöhtes Risiko. n Mit steigendem Alter erhöht sich das VTE-Risiko. n Mit höherem BMI erhöht sich das VTE-Risiko. n Eine positive Familienanamnese erhöht deutlich das VTE-Ri-
siko. n Sicherung der Diagnose Thrombose: Nur Einschluss von
Studien mit Dokumentation einer Antikoagulation oder Phlebografie für eingeschlossene Frauen. n Patientinnen mit Tumorerkrankungen oder Zustand nach VTE müssen ausgeschlossen werden. Die verbesserte Diagnostik und das höhere Bewusstsein (Awareness) für die mit CHC assoziierten kardiovaskulären Ereignissen hat dazu geführt, dass insgesamt mehr Ereignisse als in älteren Studien diagnostiziert werden (11–13).
Epidemiologische Daten
Die Inzidenz venöser thromboembolischer Erkrankungen (VTE) n ist altersabhängig und liegt ohne CHC bei Frauen im Alter
von 15 bis 34 Jahren bei 1–2 und im Alter von 35 bis 44 Jahren bei 3–5 pro 10 000 Frauenjahren (FJ) (2, 12, 14–17). In einer aktuellen finnischen Studie von hoher Qualität war das Risiko deutlich höher mit 9,4 Ereignissen/10 000 FJ (Altersgruppe 15–49 Jahre) (13) n ist um das 2- bis 5-Fache im Durchschnitt unter CHC-Einnahme erhöht und liegt altersabhängig unter niedrigdosier-
IIa IIa
26 GYNÄKOLOGIE 2/2023
ten CHC im Durchschnitt bei 5,5–13 pro 10 000 Frauenjahren
FJ) verdoppelt gegenüber Frauen unter 20 Jahren (Alter >
(2, 3, 6, 13, 14, 18–23)
40 Jahre Multiplikator 4!) (3, 13, 21, 22, 32, 34).
Ib
n ist in der Schwangerschaft respektive im Wochenbett ge- n Ethinylestradiolhaltige CHC mit Desogestrel, Gestoden, Cy-
III
genüber gesunden, nicht schwangeren Frauen ohne CHC
proteronacetat, Chlormadinoacetat, Dienogest und Drospi-
altersabhängig um den Faktor 4 bis 8 erhöht und liegt bei 8–30 Ereignissen pro 10 000 Schwangerschaften (24) IIa n wird entscheidend durch die genetische Prädisposition und
renon sind assoziiert mit einem um den Faktor 1,5–2 höheren relativen Risiko für eine VTE im Vergleich zu CHC mit Levonorgestrel (3, 21–23, 31–34, 38). Dies gilt auch für die
Ib– IIa
Risikofaktoren der einzelnen Frau bestimmt (25–29).
transdermale und vaginale Applikationsweise der Hormone.
Das Risiko für eine VTE ist vor allem bei Erstanwenderinnen und n Für die Pille mit Estradiolvalerat/Dienogest wurde in einer
im ersten Anwendungsjahr (speziell in den ersten 3 Monaten)
Studie, die gepowert war, ein zweifach erhöhtes VTE-Risiko
erhöht, was die Bedeutung der Prädisposition zeigt. Etwa 20%
dieser Pille im Vergleich zu EE/LNG-Präparaten zu finden,
der betroffenen Frauen entwickeln ein invalidisierendes post-
keine solche Risikoerhöhung gefunden (39). Offen bleibt so-
thrombotisches Syndrom und etwa 10% erleiden eine Lungen-
mit weiterhin, ob das relative Risiko (RR), eine Thrombose zu
embolie. Die Letalität wird bei VTE auf 1–2% geschätzt (30). Die
erleiden, höher ist als – oder gleich hoch wie – eine Pille mit
nicht orale Verabreichung (Vaginalringe, Pflaster) einer Kombi-
EE/LNG. In anderen neueren Studien sind die Fallzahlen zu
nation von EE mit einem Gestagen senkt das Risiko nicht (11,
klein, um eine solide Aussage zu machen (38).
22, 31). Ebenso reduziert nach heutigem Wissen die weitere n Das VTE-Risiko mit Estradiol/Nomegestrolazetat war nicht
Reduktion von 30 µg auf 20 µg EE das Risiko für eine VTE nicht
erhöht im Vergleich zu EE/LNG-Präparaten (37).
weiter (3, 10, 23).
n Das VTE-Risiko für E4/DRSP ist wahrscheinlich nicht höher
Risiko für venöse Thromboembolien unter Kombinationspräparaten mit unterschiedlichen Gestagenen
als das Risiko mit Drittgenerationspillen (35, 36, 40). n Es gibt keine Evidenz dafür, dass das VTE-Risiko durch eine
Reduktion des EE-Anteils von 30 µg auf 20 µg oder 15 µg weiter reduziert werden kann (2, 3, 10, 23).
III
Ib III
Seit dem Jahr 2011 wurden 13 weitere Studien publiziert, die n Adipositas (BMI > 30 kg/m2) führt zu einer Verdoppelung des
einige der genannten methodischen Probleme in Bezug auf
VTE-Risikos bereits bei gesunden jungen Frauen, die keine
VTE eliminieren konnten und Auswertungen über 10 Millionen
CHC einnehmen (21, 41).
IIa
Frauenjahre zur Verfügung stellen: Es handelt sich um sechs n Mehrere Risikofaktoren haben einen kumulativen Effekt auf
Fall-Kontroll-Studien und sechs Kohortenstudien sowie um
das VTE-Risiko (20).
IIb
eine Metaanalyse der WHO (11, 13, 21–23, 31–38). Die Stärken n Gestagen-Monopräparate, die nur Desogestrel oder Dro-
dieser Studien liegen einerseits darin, dass nur neuere Daten
spirenon enthalten, und Hormonspiralen führen nicht zu ei- IIa
(ab 2001) berücksichtigt wurden und nur Fälle mit gesicherter
nem erhöhten Risiko für VTE (2, 13, 42, 43).
IIa
VTE (meist aufgrund der dokumentierten Antikoagulantient-
herapie) eingeschlossen wurden. Eine auf Registerdaten basie- Arterielle thromboembolische Ereignisse (ATE)
rende Studie berücksichtigt nur junge Frauen im Alter von 10 Neben dem erhöhten VTE-Risiko darf nicht vergessen werden,
bis 19 Jahren, enthält aber erstmals grössere Zahlen zu nCHC dass CHC auch das Risiko für die selteneren, aber häufig fol-
mit Chlormadinoazetat (38). Zwei Studien mit eher kleinen Fall- genschweren arteriellen thromboembolischen Ereignisse, das
zahlen geben einen Anhalt zum VTE-Risiko bei Anwendung von heisst Schlaganfälle (ischämische Insulte) und Herzinfarkte er-
E4/DRSP (35, 36). Neu ist eine grosse qualitativ hochstehende höhen (11, 18, 22, 44).
Kohortenstudie zum VTE-Risiko mit Estradiol/Nomegestrolaze- Dieses Risiko steigt stark mit zunehmendem Alter an (Herzin-
tat im Vergleich zu EE/LNG.
farktereignisse/100 000 Frauenjahre: um 0,7 für 20- bis 24-jäh-
Ausserdem wurde versucht, bei der Auswertung die Neustarte- rige; 25,4 für 40- bis 44-jährige und um 38,2 für 45-bis 49-jährige
rinnen separat zu analysieren (13, 21, 22, 32–34, 37) und Analy- Frauen) (11). Gemäss den aktuellsten Studien und einem Coch-
sen in Abhängigkeit vom Alter durchzuführen (12, 22, 23, 34). rane-Review von 2018 gibt es keine signifikanten Unterschiede,
Eine Limitation einiger dieser neuen Studien liegt darin, dass was das Risiko von CHC mit Gestagenen der zweiten und der
die erhobenen Daten zumeist aus Datenbanken stammen, wel- dritten Generation anbelangt (45). Ob das Risiko für drospire-
che die Dauer der Anwendung nur indirekt erfassen und keine nonhaltige CHC etwas höher liegt, ist aufgrund der aktuellen
Ib standardisierte, alle Frauen betreffende Diagnostik als Grund- Datenlage weiterhin nicht konklusiv zu beantworten (12, 46). lage der Erfassung von VTE haben. Ausserdem konnte die Fa- Hingegen zeigt sich eine ATE-Risikozunahme mit steigender
milienanamnese in nur einer dieser Studien berücksichtigt wer- Östrogendosis (11, 47). Die vaginale und transdermale CHC-
den (3).
Applikation bieten keine Vorteile betreffend des ATE-Risikos
Diese Studien kamen zu folgenden Resultaten:
(12, 22, 47). Gefährdet für eine ATE sind vor allem Frauen im
n Die Thromboserate ist am höchsten im ersten Anwendungs- Alter > 35 Jahre, Neustarterinnen, Raucherinnen und Frauen
jahr eines CHC. In den ersten 12 Monaten der Anwendung mit weiteren arteriellen Risikofaktoren (11, 22).
ist sie um das 2- bis 3-Fache höher im Vergleich zum jährli-
chen Risiko danach (2, 3, 10, 22, 23, 34).
Klinische Bedeutung der Resultate
n Das Thromboserisiko unter CHC nimmt mit dem Alter zu Die Anwendung von nCHC erhöht das Risiko nicht nur für VTE,
und ist für Frauen im Alter von 30 bis 34 Jahren (6–10/10 000 sondern auch für ATE. Risikofaktoren wie Alter > 35 Jahre, Adi- IIa
28 GYNÄKOLOGIE 2/2023
positas, Rauchen und eine positive Familienanamnese müssen
lien- und Eigenanamnese für alle bekannten Risikofaktoren
erkannt und in die Kontrazeptionsberatung mit einbezogen
(wie Status nach VTE oder kardio- und zerebrovaskulären
werden. Dies erfordert eine sorgfältige Erhebung der Anam-
Ereignissen, arterielle Hypertonie, Migräne, Nikotinabusus,
nese. CHC haben aber nicht nur Risiken, sondern für viele
Adipositas, Hyperlipidämie oder östrogenabhängige Tu-
Frauen auch günstige Wirkungen auf Organe wie Knochen,
moren) zu erheben (siehe Check-Liste). Diese Risikofaktoren
Ovar, Endometrium oder auf das allgemeine Wohlbefinden.
müssen bei der jährlichen Neuverschreibung regelmässig
Gestagenmonopräparate als Pille, Implantat, LNG-IUP, kupfer-
reevaluiert werden. Für Frauen mit erhöhten Risiken, meh- IIb
freisetzende Intrauterinpessare und die Unterbindung/Vasekto-
reren relativen oder einer absoluten Kontraindikation ste-
mie sind sehr effiziente Verhütungsmethoden und nicht mit ei-
hen als sichere Alternativen zu CHC reine Gestagenpräpa-
ner Risikoerhöhung assoziiert. Dies gilt es in die Abwägung von
rate, Intrauterinpessare oder nach abgeschlossener
IIa Nutzen und Risiko mit einzubeziehen. Daraus ergeben sich fol-
Familienplanung operative Methoden (Sterilisation/Vasek-
gende Konsequenzen:
tomie) zur Verfügung.
1. VTE gehören zu den seltenen unerwünschten Nebenwir- 4. Frauen mit Alter > 35 Jahre sollten aufgrund der neuen
kungen kombinierter hormonaler Kontrazeptiva. Ethinylös-
Datenlage auf das mit dem Alter ansteigende Risiko für
tradiolhaltige nCHC mit Levonorgestrel und E2/Nomege-
eine VTE oder einen arteriellen Verschluss hingewiesen und
IIa
strolazetat sind gemäss neuerer Kohortenstudien und der
über Alternativen zur Verhütung informiert werden (13, 21, IIA
Mehrzahl der Fall-Kontroll-Studien mit einem geringeren
22, 48). Dies gilt für Neustarterinnen wie auch für Langzeit-
thromboembolischen Risiko assoziiert als solche mit Ethin-
anwenderinnen. Beim Vorliegen einer medizinischen Indi-
ylestradiol und Desogestrel, Gestoden, Drospirenon, Die-
kation zur Verschreibung von CHC sind die Risiken gegen-
nogest, Chlormadinoacetat und CPA. Die Patientin muss
über den Nutzen abzuwägen.
vor Verschreibung über diese Ergebnisse informiert werden 5. Wenn keine neuen medizinischen Risikofaktoren aufgetre-
(48). Bei Erstverschreibung oder Wechsel eines CHC ist im-
ten sind, gibt es keinen Grund, bei Frauen, die bereits eine
mer abzuwägen, ob gewisse Benefits die Verschreibung
Drittgenerationspille oder eine Pille mit Drospirenon res-
IV
eines Präparates mit einem geringfügig höheren Thrombo-
pektive CPA verwenden und sich damit wohl fühlen, auf ein IIa
serisiko rechtfertigen.
anderes Präparat zu wechseln (48).
2. Eine ausführliche Information der Erstanwenderin ist drin- 6. Die Östrogendosis von nCHC ist innerhalb des Spektrums
gend erforderlich. Sie sollte neben verständlichen Informa-
der Mikropillen hinsichtlich des VTE-Risikos für die Erstein-
tionen zum Thromboserisiko bei Anwendung des verschrie-
stellung bei gesunden jungen Frauen nach heutigem Wis-
benen Präparates auch darüber in Kenntnis gesetzt werden,
sen weniger relevant. Bei Adoleszentinnen und jungen
warum ein bestimmtes Gestagen gewählt wird. Daneben ist
Frauen mit ungenügender endogener Östrogenproduktion
IIa
es wichtig, über Frühsymptome einer Thrombose oder Lun-
bleibt zudem offen, welche Dosis noch eine optimale Ent- IIa
genembolie zu informieren, um eine schnell einsetzende
wicklung der Peak Bone Mass garantiert.
Therapie zu gewährleisten (s. Patientinneninformation der 7. Das VTE-Risiko ist unter nicht oralen CHC (Pflaster, Vaginal-
Ib
SGGG).
ringe) dasselbe wie unter einer kombinierten oralen Kontra-
3. Vor jeder Verschreibung von CHC ist es essenziell, die Fami-
zeption (22, 49).
IIB
* Evidenzlevel und Empfehlungsgrade der Therapieangaben
Evidenzlevel Ia Evidenz durch die Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten
Untersuchungen Ib Evidenz durch mindestens eine randomisierte, kontrollierte
Untersuchung IIa Evidenz durch mindestens eine gut angelegte, kontrollierte
Studie ohne Randomisierung IIb Evidenz durch mindestens eine gut angelegte andere quasi-
experimentelle Studie III Evidenz durch gut angelegte, beschreibende Studien, die nicht
experimentell sind, wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien oder Fallstudien IV Evidenz durch Expertenberichte oder Meinungen und/oder klinische Erfahrung anerkannter Fachleute
Empfehlungsgrad A Es ist in der Literatur, die gesamthaft von guter Qualität und
Konsistenz sein muss, mindestens eine randomisierte, kontrollierte Untersuchung vorhanden, die sich auf die konkrete Empfehlung bezieht (Evidenzlevel Ia, Ib). B Es sind zum Thema der Empfehlung gut kontrollierte, klinische Studien vorhanden, aber keine randomisierten, klinischen Untersuchungen (Evidenzlevel IIa, IIb, III). C Es ist Evidenz vorhanden, die auf Berichten oder Meinungen von Expertenkreisen basiert und/oder auf der klinischen Erfahrung von anerkannten Fachleuten. Es sind keine qualitativ guten, klinischen Studien vorhanden, die direkt anwendbar sind (Evidenzlevel IV). ✔ Good-Practice-Punkt Empfohlene Best Practice, die auf der klinischen Erfahrung der Expertengruppe beruht, die den Expertenbrief/die Guideline herausgibt.
Übersetzt aus dem Englischen (Quelle: RCOG Guidelines Nr. 44, 2006)
GYNÄKOLOGIE 2/2023
29
8. Präparate mit Estradiol/Nomegestrolazetat sind mit einem
über Risiken eine besonders sorgfältige Risikoevaluation er-
ähnlich niedrigen VTE-Risiko assoziiert wie Präparate mit
forderlich. Ausgenommen davon ist das Präparat Zoely®,
EE/LNG und scheinen daher auch für die Erstverschreibung
welches aufgrund einer noch ungenügenden Datenlage
geeignet.
bezüglich des Einflusses auf die Knochendichte nicht zuge-
9. Für das Kombinationspräparat mit E4/DRSP liegen für diese
lassen ist für Frauen unter 18 Jahren. Ebenso davon ausge-
Fragestellung keine ausreichenden epidemiologischen
nommen ist das Präparat Drovelis®. (Vorschrift Swissmedic).
III Daten vor. Deshalb gelten bis auf Weiteres die gleichen 13. CHC mit EE/CPA sind nur zugelassen für die Behandlung
Vorsichtsmassnahmen wie für Drittgenerationspillen.
von Frauen mit Androgenisierungserscheinungen bei gleich-
10. Für die Pille mit Estradiolvalerat/Dienogest gelten bis auf
zeitigem Kontrazeptionsbedarf. (Vorschrift Swissmedic).
Weiteres die gleichen Vorsichtsmassnahmen, wie für Dritt- Datum des Expertenbriefs: 06. Februar 2023.
generationspillen, da die vorliegenden Daten nicht gepo-
III
wered sind, um einen kleineren Unterschied als Faktor 2 zu levonorgestrelhaltigen CHC zu finden.
Deklaration von Interessenkonflikten: G. Merki-Feld: Teilnehmerin von Advisory Board von HRA, Theramex, Exeltis. S. Tschudin: keine.
11. Bei Vorliegen von absoluten Kontraindikationen oder mehre-
B. Imthurn: Berater bei Bayer AG, Deutschland. P. Stute: Jenapharm, Dr. Kade Besins, Exeltis.
ren relativen Kontraindikationen und bei Verdacht auf Throm- D. Wunder: Keine.
bophilie sind orale Gestagenmonopräparate, das Gestagen-
implantat oder Intrauterinpessare die Methoden der Wahl.
12. Bei der Verschreibung eines CHC an Frauen < 18 Jahren für die Indikation Kontrazeption handelt es sich laut Informa- tion von Swissmedic nicht um einen «off-label use». Gerade bei diesen jungen Frauen ist neben der üblichen Aufklärung 30 GYNÄKOLOGIE 2/2023 Quellen: 1. Lidegaard O, Edstrom B, Kreiner S.: Oral contraceptives and venous thromboembolism. A case-control study. Contraception. 1998;57(5):291-301. 2. Lidegaard O, Lokkegaard E, Svendsen AL, Agger C.: Hormonal contraception and risk of venous thromboembolism: national follow-up study. BMJ. 2009;339:b2890. 3. van Hylckama Vlieg A, Helmerhorst FM, Vandenbroucke JP, Doggen CJ, Rosendaal FR.: The venous thrombotic risk of oral contraceptives, effects of oestrogen dose and progestogen type: results of the MEGA case-control study. BMJ. 2009;339:b2921. 4. Bloemenkamp KW, Rosendaal FR, Helmerhorst FM, Buller HR, Vandenbroucke JP.: Enhancement by factor V Leiden mutation of risk of deep-vein thrombosis associated with oral contraceptives containing a third-generation progestagen. Lancet. 1995;346(8990):1593-1596. 5. Jick H, Jick SS, Gurewich V, Myers MW, Vasilakis C.: Risk of idiopathic cardiovascular death and nonfatal venous thromboembolism in women using oral contraceptives with differing progestagen components. Lancet. 1995;346(8990):1589-1593. 6. Vandenbroucke JP, Rosing J, Bloemenkamp KW, Middeldorp S, Helmerhorst FM, Bouma BN, et al.: Oral contraceptives and the risk of venous thrombosis. N Engl J Med. 2001;344(20):15271535. 7. Tans G, Curvers J, Middeldorp S, Thomassen MC, Meijers JC, Prins MH, et al.: A randomized cross-over study on the effects of levonorgestrel- and desogestrel-containing oral contraceptives on the anticoagulant pathways. Thromb Haemost. 2000;84(1):15-21. 8. Heinemann LA, Garbe E, Farmer R, Lewis MA.: Venous thromboembolism and oral contraceptive use: a methodological study of diagnostic suspicion and referral bias. Eur J Contracept Reprod Health Care. 2000;5(3):183-191. 9. Suissa S, Blais L, Spitzer WO, Cusson J, Lewis M, Heinemann L.: First-time use of newer oral contraceptives and the risk of venous thromboembolism. Contraception. 1997;56(3):141-146. 10. Dinger J, Bardenheuer K, Heinemann K.: Cardiovascular and general safety of a 24-day regimen of drospirenone-containing combined oral contraceptives: final results from the International Active Surveillance Study of Women Taking Oral Contraceptives. Contraception. 2014;89(4):253263. 11. Lidegaard O, Lokkegaard E, Jensen A, Skovlund CW, Keiding N.: Thrombotic stroke and myocardial infarction with hormonal contraception. N Engl J Med. 2012;366(24):2257-2266. 12. Lidegaard O, Nielsen LH, Skovlund CW, Lokkegaard E.: Venous thrombosis in users of nonoral hormonal contraception: follow-up study, Denmark 2001-10. BMJ. 2012;344:e2990. 13. Heikinheimo O, Toffol E, Partonen T, But A, Latvala A, Haukka J.: Systemic hormonal contraception and risk of venous thromboembolism. Acta Obstet Gynecol Scand. 2022;101(8):846-855. 14. Spitzer WO, Lewis MA, Heinemann LA, Thorogood M, MacRae KD.: Third generation oral contraceptives and risk of venous thromboembolic disorders: an international case-control study. Transnational Research Group on Oral Contraceptives and the Health of Young Women. BMJ. 1996;312(7023):83-88. 15. Silverstein MD, Heit JA, Mohr DN, Petterson TM, O’Fallon WM, Melton LJ.: Trends in the incidence of deep vein thrombosis and pulmonary embolism: a 25-year population-based study. Arch Intern Med. 1998;158(6):585-593. 16. Ho WK, Hankey GJ, Eikelboom JW.: The incidence of venous thromboembolism: a prospective, community-based study in Perth, Western Australia. Med J Aust. 2008;189(3):144-147. 17. Dinger JC, Heinemann LA, Kuhl-Habich D.: The safety of a drospirenone-containing oral contraceptive: final results from the European Active Surveillance Study on oral contraceptives based on 142,475 women-years of observation. Contraception. 2007;75(5):344-354. 18. Tanis BC, van den Bosch MA, Kemmeren JM, Cats VM, Helmerhorst FM, Algra A, et al.: Oral contraceptives and the risk of myocardial infarction. N Engl J Med. 2001;345(25):1787-1793. 19. The European Consensus Development Conference 2002: Sex Steroids and Cardiovascular Diseases. On the route to combined evidence from OC and HRT/ERT. Maturitas. 2003;44(1):69-82. 20. Farley TM, Collins J, Schlesselman JJ.: Hormonal contraception and risk of cardiovascular disease. An international perspective. Contraception. 1998;57(3):211-230. 21. Gronich N, Lavi I, Rennert G.: Higher risk of venous thrombosis associated with drospirenone-containing oral contraceptives: a population-based cohort study. CMAJ. 2011;183(18):E1319-25. 22. Combined Hormonal Contraceptives (CHCs) and the Risk of Cardiovascular Disease Endpoints. CHC-CVD final report 111022v2. 2011. 23. Vinogradova Y, Coupland C, Hippisley-Cox J.: Use of combined oral contraceptives and risk of venous thromboembolism: nested case-control studies using the QResearch and CPRD databases. BMJ. 2015;350:h2135. 24. James AH.: Pregnancy and thrombotic risk. Crit Care Med. 2010;38(2 Suppl):S57-63. 25. Bezemer ID, van der Meer FJ, Eikenboom JC, Rosendaal FR, Doggen CJ.: The value of family history as a risk indicator for venous thrombosis. Arch Intern Med. 2009;169(6):610-615. 26. Colucci G, Tsakiris DA.: Thrombophilia screening revisited: an issue of personalized medicine. J Thromb Thrombolysis. 2020;49(4):618-629. 27. Allman-Farinelli MA.: Obesity and venous thrombosis: a review. Semin Thromb Hemost. 2011;37(8):903-907. 28. Lowe GD.: Common risk factors for both arterial and venous thrombosis. Br J Haematol. 2008;140(5):488-495. 29. Myers DD, Jr.: Pathophysiology of venous thrombosis. Phlebology. 2015;30(1 Suppl):7-13. 30. Rosendaal FR.: Venous thrombosis: a multicausal disease. Lancet. 1999;353(9159):1167-1173. 31. Dragoman MV, Tepper NK, Fu R, Curtis KM, Chou R, Gaffield ME.: A systematic review and meta-analysis of venous thrombosis risk among users of combined oral contraception. Int J Gynaecol Obstet. 2018;141(3):287-294. 32. Lidegaard O, Nielsen LH, Skovlund CW, Skjeldestad FE, Lokkegaard E. Risk of venous thromboembolism from use of oral contraceptives containing different progestogens and oestrogen doses: Danish cohort study, 2001-9. BMJ. 2011;343:d6423. 33. Parkin L, Sharples K, Hernandez RK, Jick SS.: Risk of venous thromboembolism in users of oral contraceptives containing drospirenone or levonorgestrel: nested case-control study based on UK General Practice Research Database. BMJ. 2011;342:d2139. 34. Jick SS, Hernandez RK.: Risk of non-fatal venous thromboembolism in women using oral contraceptives containing drospirenone compared with women using oral contraceptives containing levonorgestrel: case-control study using United States claims data. BMJ. 2011;342:d2151. 35. Creinin MD, Westhoff CL, Bouchard C, Chen MJ, Jensen JT, Kaunitz AM, et al.: Estetrol-drospirenone combination oral contraceptive: North American phase 3 efficacy and safety results. Contraception. 2021;104(3):222-228. 36. E- Gemzell-Danielsson K, Apter D, Zatik J, Weyers S, Piltonen T, Suturina L, et al.: Estetrol-Drospirenone combination oral contraceptive: a clinical study of contraceptive efficacy, bleeding pattern and safety in Europe and Russia. BJOG. 2022;129(1):63-71. 37. Reed S, Koro C, DiBello J, Becker K, Bauerfeind A, Franke C, et al.: Prospective controlled cohort study on the safety of a monophasic oral contraceptive containing nomegestrol acetate (2.5mg) and 17beta-oestradiol (1.5mg) (PRO-E2 study): risk of venous and arterial thromboembolism. Eur J Contracept Reprod Health Care. 2021;26(6):439-446. 38. Schink T, Princk C, Braitmaier M, Haug U.: Use of combined oral contraceptives and risk of venous thromboembolism in young women: a nested case-control analysis using German claims data. BJOG. 2022. 39. Dinger J, Do Minh T, Heinemann K.: Impact of estrogen type on cardiovascular safety of combined oral contraceptives. Contraception. 2016;94(4):328-339. 40. Kluft C, Zimmerman Y, Mawet M, Klipping C, Duijkers IJM, Neuteboom J, et al.: Reduced hemostatic effects with drospirenone- based oral contraceptives containing estetrol vs. ethinyl estradiol. Contraception. 2017;95(2):140-147. 41. Borch KH, Nyegaard C, Hansen JB, Mathiesen EB, Njolstad I, Wilsgaard T, et al.: Joint effects of obesity and body height on the risk of venous thromboembolism: the Tromso Study. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2011;31(6):1439-1444. 42. Archer DF, Ahrendt HJ, Drouin D.: Drospirenone-only oral contraceptive: results from a multicenter noncomparative trial of efficacy, safety and tolerability. Contraception. 2015;92(5):439-444. 43. Palacios S, Colli E, Regidor PA.: Efficacy and cardiovascular safety of the new estrogen-free contraceptive pill containing 4 mg drospirenone alone in a 24/4 regime. BMC Womens Health. 2020;20(1):218. 44. Roach RE, Helmerhorst FM, Lijfering WM, Stijnen T, Algra A, Dekkers OM.: Combined oral contraceptives: the risk of myocardial infarction and ischemic stroke. Cochrane Database Syst Rev. 2015(8):CD011054. 45. Plu-Bureau GH-R, J et al.: Hormonal contraceptives and arterial disease: an epidemiological update. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2012;27:35-45. 46. Wu CQ, Grandi SM, Filion KB, Abenhaim HA, Joseph L, Eisenberg MJ.: Drospirenone-containing oral contraceptive pills and the risk of venous and arterial thrombosis: a systematic review. BJOG. 2013;120(7):801-810. 47. Gompel A, Plu-Bureau G.: Are we overestimating the stroke risk related to contraceptive pills? Curr Opin Neurol. 2014;27(1):29-34. 48. Neue Studien zum Risiko von Venenthrombosen und Lungenembolien unter hormonalen Verhütungsmitteln – Empfehlungen Swissmedic 5.12.2011. 49. Elliott TC, Montoya CC, Williams R.: Clinical inquiries: how does VTE risk for the patch and vaginal ring compare with oral contraceptives? J Fam Pract. 2008;57(10):680, 3, 5. GYNÄKOLOGIE 2/2023 31