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KONGRESSBERICHT
18th St Gallen International Breast Cancer Conference (SGBCC), Wien, März 2023
Brustkrebs im Frühstadium
Adjuvante Optionen bei Niedrig- und Hoch-Risiko-Tumoren
Beim diesjährigen SGBCC wurden zum frühen, hormonrezeptorpositiven (HR+) Brustkrebs interessante Studienresultate in den Posterpräsentationen vorgestellt, die je nach Risikotyp eine Deeskalation oder auch Erweiterung von Standardtherapien prüften.
21-Gen-Recurrence-Score (RS) im klinischen Alltag
Eine retrospektive Beobachtungsstudie in Irland sollte herausfinden, inwieweit die Anwendung des RS bei frühem nodalpositivem Mammakarzinom Einfluss auf Therapieentscheidungen und deren wirtschaftliche Folgen unter klinischen Alltagsbedingungen hat (1). Die Ergebnisse der RxPonder-Studie bestätigen, dass prämenopausale Patientinnen mit HR+, HER2-negativer Krankheit, 1 bis 3 positiven Lymphknoten und einem 21-Gen-RS von ≤ 25 von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren, wohingegen postmenopausale Patientinnen mit den gleichen Tumoreigenschaften mit dieser Therapie keine Vorteile haben. Zwischen November 2021 und Oktober 2022 erfolgte die retrospektive Untersuchung bei 421 Brustkrebspatientinnen mit den genannten Tumorcharakteristika in den zwei grössten Tumorzentren in Irland. Vor der Testung (mit Oncotype®) sollten alle Frauen mit nodalpositiver Krankheit eine adjuvante Chemotherapie erhalten. Gemäss der RxPonder-Risikogruppierung wurde mit der Testung in Niedrigrisiko (RS 0–13), mittleres (intermediate) Risiko (RS 14–25) und Hochrisiko (RS > 25) eingeteilt. Die Daten zur aktuellen Untersuchung wurden mittels elektronischen Patientendossiers und klinischen Unterlagen gesammelt; die Therapiekostenanalyse erfolgte durch den Vergleich der vorherig geplanten und der neuen Therapieentscheide im Studienzeitraum.
55% konnten auf Chemotherapie verzichten Von den 421 Patientinnen (mittleres Alter 58 Jahre) hatten 146 (34,6%) einen RS von 0–13, 210 (50%) einen RS von 14–25 und
65 (15,4%) einen RS von > 25. (Bei der Diagnose hatten 26% einen RS von 0–13, 53% einen RS von 14–25 und 21% had RS von > 25). Die Post-RS-Testung ermöglichte bei 230 (55%) der Patientinnen einen Wechsel des Therapieentscheids: 211 erhielten eine alleinige Hormontherapie und 19 Frauen wechselten zur Hormontherapie plus ovarieller Funktionssuppression (OFS). 45% der Patientinnen wurde die adjuvante Chemotherapie empfohlen (11% verzichteten darauf), von den 180 Patientinnen unter Chemotherapie hatten 15 (8%) einen RS von 0–13, 104 (58%) einen RS von 14–25 und 61 (34%) einen RS von > 25. Insgesamt konnten durch die Testung 2,4 Millionen Euro an Therapiekosten gespart werden, abzüglich der RS-Testkosten wurde 1 Million Euro gespart. Als erstes nationales Gesundheitssystem prüfte Irland die Einsparungen durch RS-Testung bei nodalpositiven Patientinnen.
HER2-positive Hochrisikopatientinnen
ELEANOR-Studie mit adjuvantem Neratinib (Zwischenresultate) Trotz Fortschritte in der post-/neo-/adjuvanten Therapie zur Rezidivprophylaxe bei HER2-positivem frühem Brustkrebs kommt es zu Rückfällen bei einem grösseren Teil der Betroffenen. Neratinib ist als erweiterte adjuvante Therapie bei HER2+, HR+-Mammakarzinom im Frühstadium nach vor weniger als einem Jahr abgeschlossener Trastuzumab-basierter Behandlung zugelassen. Die Phase-IIIStudie ExteNET hatten klinisch markante Benefits unter Neratinib versus Plazebo bei dieser Patientinnengruppe nachgewiesen (u. a. ein signifikant verbessertes
5-Jahres-krankheitsfreies Überleben; Hazard Ratio 0,58). Die Studie ELEANOR untersuchte als erste prospektive Nichtinterventionsstudie die erweiterte adjuvante Neratinib-Gabe bei HER2+, HR+-Brustkrebspatientinnen in Deutschland, der Schweiz und in Österreich (2). Primärer Endpunkt war die Rate der Frauen, die unter der Neratinib-Therapie blieben (≥ 75% Therapietage). Zu den sekundären Endpunkten gehörten Rezidivraten, Verträglichkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität. Im Rahmen der Studie wurde eine e-Health-App zur Unterstützung der Arzt-Patientinnen-Kommunikation eingesetzt.
Therapiesicherheit nachgewiesen Die geplante Zwischenanalyse unter Einzug der ersten 200 Teilnehmerinnen (mittleres Alter: 53 Jahre), die 3 Monate beobachtet wurden, zeigte: 67,9% hatten ein erhöhtes Rezidivrisiko (definiert als non-pCR oder AJCC-Stadium von > I oder nodalpositiv). Die meisten (80,7%) hatten eine neoadjuvante Therapie erhalten, die post-neoadjuvante Therapie schloss die duale HER2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab (39% resp. 25,4% pCR- resp. non-PCR)-Patientinnen und Trastuzumab-Emtansine (T-DM1; 53,7% der non-pCR-Patientinnen) ein. Die meisten Nebenwirkungen waren Diarrhö (78,6%); 85,6% der Betroffenen erhielten mindestens eine Diarrhö-Prophylaxe, 68,4% eine Diarrhö-Therapie. Die Studienleiter folgern aus dieser ersten Analyse, dass die Neratinib-Behandlung, welche auf die adjuvante T-DM1- und Pertuzumab/TrastuzumabGabe folgt, unter klinischen Alltagsbedingungen bei Hochrisiko für ein Rezidiv sicher ist und weiter erfolgen kann.
HER2-negative Hochrisikopatientinnen
monarchE-Studie mit adjuvantem Abemaciclib (OS-Zwischenresultate) Bei Patientinnen mit frühem HR+, HER2-, nodalpositivem Brustkrebs mit hohem Rezidivrisiko hat die adjuvante Gabe von
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Abemaciclib plus Hormontherapie zu einer signifikanten, klinisch markanten Verbesserung des invasiv krankheitsfreien und fernmetastasenfreien Überlebens geführt, so die Studie monarchE, deren Resultate bereits zur EMA-Zulassung geführt haben. Die Patientinnen wurden in der Studie randomisiert in 2 Gruppen für die Hormontherapie bis zu 10 Jahre mit versus ohne Abemaciclib für 2 Jahre. Stratifiziert wurde in zwei Hochrisikogruppen: Die C1-Gruppe betraf solche mit ≥ 4 axilliären befallenen Lymphknoten oder 1 bis 3 Lymphknoten und Grad-3-Krankheit und/oder Tumorgrösse von ≥ 5 cm. Die C2-Gruppe hatte 1 bis 3 positive Lymphknoten und den zentral gemessenen Biomarker Ki-67 von ≥ 20% (als alleiniges Hochrisikokriterium).
Anhaltende Wirksamkeit nach Therapieende über 4 Jahre Auf dem SGBCC 2023 wurden nun wie geplant Zwischenresultate zum Gesamtüberleben (2 Jahre nach primärer Analyse) nach medianem Follow-up von 42 Monaten präsentiert (3). Die Abemaciclib-Therapie war bei allen Patientinnen beendet. Die Intent-to-Treat-(ITT) -Population schloss 5120 Patientinnen des Kollektivs C1 und 517 Patientinnen des Kollektivs C2 ein. Hier zeigte sich anhaltende Wirksamkeit bezüglich des invasiv krankheitsfreien (IDFS) (Hazard Ratio, HR 0,664) und des fernmetastasenfreien Überlebens (DRFS) (HR 0,659) über die Therapiephase hinaus. Auf die 4 Jahre bezogen bedeutet dies eine Verbesserung der IDFS-Rate von 79,4% auf 85,8% und der DRFS von 82,5% auf 88,4%.
Die Daten zum Gesamtüberleben (OS)
blieben unreif – mit geringerer Zahl an
Todesfällen im Abemaciclib/Hormonthe-
rapie- gegenüber dem Hormonthera-
pie-allein-Kollektiv (5,6% vs. 6,1%), was
auf einen deutlichen Benefit beim IDFS
und DRFS in der Studiengruppe hin-
weist.
Bezüglich Toxizität gab es keine neuen
Meldungen.
n
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Browne IM et al.: Real-world analysis of the clinical and economic impact of 21- gene recurrence score (RS) testing in early-stage node positive breast cancer in Ireland. SGBCC 2023, # P008. 2. Bartsch R, Harbeck N et al.: Interim analysis of ELEANOR (n = 200): a multi-national, prospective, non-interventional study (NIS) among patients with HER2+ and HR+ early breast cancer (eBC) treated with extended adjuvant neratinib. SGBCC 2023; #P014. 3. Johnston S et al.: Abemaciclib + endocrine therapy (ET) for HR+, HER2-, node- positive, high-risk EBC: results from a pre-planned monarchE overall survival (OS) interim analysis (IA), including 4-year efficacy outcomes. SGBCC 2023; P017.
In Gedenken an Prof. Hansjörg Senn
Am 13. Januar 2023 ist Prof. Dr. med. Hans-Jörg Senn im Alter von 88 Jahren gestorben.
Er war eine herausragende Persönlichkeit in der Senologie und gehörte zum Gründerteam
der weltweit renommierten St. Gallen International Breast Cancer Conference und deren
Konsensusempfehlungen, welche erstmals 1978 in St. Gallen einberufen wurde. Der inter-
nationale Erfolg der Konsensuskonferenz zur Therapie des frühen Brustkrebs führte schliess-
lich dazu, dass die inzwischen alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung nach Wien verlegt
wurde. Für die stetig wachsenden Teilnehmerzahl aus der ganzen Welt war die Ostschweizer
Stadt zu klein geworden.
Der Onkologe aus St. Gallen schuf mit Kollegen aus Klinik und Wissenschaft zuvor unter anderem die Stiftung
der International Breast Cancer Study Group (IBCSG), welche fortan Basis für bedeutende Brustkrebs-For-
schungsgruppen vieler Länder und Ideenplattform für neue Therapieansätze des Mammakarzinoms bildete.
Ehemals Chefarzt der von ihm aufgebauten Klinik für Onkologie-Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen über
zwei Jahrzehnte schuf er nach seiner Pensionierung das private Zentrum für Tumordiagnostik- und Prävention
(ZeTuP) in St. Gallen, das heute unter dem Namen Tumor- und Brustzentrum mit ausgeweitetem Spektrum in
vier Ostschweizer Städten aktiv ist.
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GYNÄKOLOGIE 2/2023
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