Transkript
Fasten liegt im Trend
EDITORIAL
Nun liegt das Exemplar also vor mir! Es war mir wichtig, dass die Redaktion der «Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin» diesem wichtigen Thema einen Schwerpunkt widmet. Das Thema beschäftigt mich in meiner täglichen ärztlichen Arbeit. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht in meiner Sprechstunde darauf angesprochen werde. FASTEN gehört genauso wie Essen zum Leben, und sowohl Tiere als auch Menschen aller Kulturen tun das, gewollt oder ungewollt. Es wird als ein evolutionsbiologisch sinnvolles Prinzip angesehen. Die Reaktionen des Körpers auf das FASTEN helfen uns, in Zeiten grössten Hungers leistungsfähig zu bleiben. Gleichzeitig löst das FASTEN im Körper heilsame Prozesse aus, wie zum Beispiel die Blockade von Krebs- und Altersgenen. Häufig diskutiere ich mit meinen Patienten, inwieweit sich Fasten und Diät unterscheiden. In meinen Augen geht es beim FASTEN nicht ausschliesslich um Gewichtsreduktion, auch wenn das ein angenehmer Nebeneffekt sein kann. Vielmehr kann FASTEN die Entgiftung im Körper anstossen und verschiedene Regenera tionsprozesse fördern. Die Prozesse der Autophagie und der Entschlackung verstehen wir immer besser. FASTEN bedeutet viel mehr als nur Verzicht auf Essen. Immer mehr medizinische Publikationen, aber auch die Laienpresse widmen sich vermehrt diesem Phänomen, und wir stellen verblüfft fest, welche unerwarteten positiven Effekte zum Beispiel bei kardiovaskulären oder rheumatischen Krankheiten ein systematischer Verzicht von Nahrung auf unseren Körper haben kann.
Zuerst erläutert Reinhard Imoberdorf die verschiedenen Phasen einer Fastenperiode und deren Auswirkung auf den Stoffwechsel und die Psyche und beschreibt die grossen Anpassungsleistungen unseres Körpers. Neben den positiven Wirkungen zeigt er die potenziellen Gefahren eines unsachgemässen Fastens auf. David Fäh berichtet darüber, welchen Einfluss die Zusammensetzung der Nahrung bei einer Kalorienrestriktion hat. Die Makronährstoffe haben einen unterschiedlichen Effekt auf den Gewichtsverlauf bei einer Kalorienrestriktion. Am diesjährigen ESPEN-Kongress war das Thema Fasten ebenfalls präsent. Luigi Fontanta präsentierte die F orschungsergebnisse der letzten Jahre, von den Tierversuchen bis zu Studien am Menschen. Mit einer Kalorienrestriktion konnten nicht nur Risikofaktoren gesenkt werden, sondern auch die Morphologie und die Funktion von Organen verbessert werden. Ausserdem präsentierte er Studien, mit denen Fasten nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt wurden, und diskutiert mögliche Gründe. Ich hoffen, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, an dieser Ausgabe der «Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin» genauso Freude haben werden wie ich.
Prof. Dr. med. Stephan Vavricka Facharzt für Innere Medizin
und Gastroenterologie FMH, Spez. Hepatologie Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie
AG, Zürich
Stephan Vavricka
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 5|2022 1