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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), 3. bis 7. Juni 2022
Fortgeschrittenes Mammakarzinom (HR+, HER2-)
Neue Hoffnung bei HER2-negativem Brustkrebs ab Erstlinie
Beim hormonrezeptorpositiven (HR+), HER2-negativen Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium zeigen die Kombinationen mit dem CDK4/6-Hemmer (Palbociclib, Ribociclib) weiterhin deutliche Überlebensvorteile, so die neu präsentierten Studienresultate. Bei stark vorbehandelten Patientinnen bewirkte das Konjugat Sacituzumab-Govitecan ein signifikant verbessertes PFS gegenüber Chemotherapie bei beherrschbarem Toxizitätsprofil – ein Highlight-Studienresultat am diesjährigen ASCO-Kongress.
Erstlinie mit Palbociclib/ Letrozol
Der zyklinabhängige Kinase-4/6-(CDK4/6-) Hemmer Palbociclib war der erste seiner Art, der für fortgeschrittenen HR+, HER2negativen Brustkrebs zugelassen wurde, das infolge der sehr positiven Ergebnisse der randomisierten Phase-II-Studie PALOMA-1. Die Folgestudie in Phase III, PALOMA-2 im randomisierten, doppelblinden Design, bestätigte ein klinisch bedeutendes und statistisch signifikant verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS) in der Erstlinientherapie mit der Kombination Palbociclib/Letrozol gegenüber Plazebo/Palbociclib. Dabei betrug das PFS 27,6 versus 14,4 Monate und war damit fast verdoppelt gegenüber der Kontrollgruppe (Hazard Ratio [HR]: 0,56; 95%-KI: 0,46–0,69; p < 0,0001). Das PFS war primärer Endpunkt. Zum Zeitpunkt der PFS-Analyse waren die Daten zum Gesamtüberleben (OS) noch nicht reif.
PALOMA-2: OS verlängert, aber nicht signifikant wie PFS Die OS-Daten der 666 postmenopausalen Frauen in der PALOMA-2-Studie wurden am diesjährigen ASCO-Kongress präsentiert (1). Die geplante OS-Analyse erfolgte, nachdem eine festgesetzte Zahl an Todesfällen eingetreten war, sodass Signifikanzlevel errechnet werden konnten. Die wichtigsten Resultate zum Zeitpunkt des Daten-Cut-offs (November 2021) und nach einer medianen Beobachtungszeit von 90 Monaten: n 10% (n = 43) der Palbociclib/Letro-
zol-Gruppe blieben unter der Therapie gegenüber 2% (n = 5) in der Kontrollgruppe.
n Das mediane OS (95%-KI) betrug 51,6 Monate (46,9–57,1) in der Studienversus 44,6 Monate (37,0–52,3) in der Kontrollgruppe (HR: 0,869; 95%-KI: 0,706–1,069). Diese Daten beziehen sich auf eine Post-hoc-Sensitivitätsanalyse, da ein Teil der behandelten Studienteilnehmerinnen (21% bzw. 13% in jeder Gruppe) nicht im gesamten Beobachtungszeitraum geblieben war.
n Bei den Patientinnen mit krankheitsfreiem Intervall von mehr als 12 Monaten betrug das mediane OS in der Studiengruppe 66,3 Monate (n = 179) gegenüber 47,4 Monaten (n = 93) (HR: 0,728), was einem erheblichen Benefit der Palbociclib-Therapie entspricht. Das Toxizitätsprofil entsprach den vorgängigen Analysen.
Von den Therapieabbrecherinnen erhielten 81% bzw. 88% anschliessend eine Systemtherapie, 12% bzw. 27% einen CDK4/6-Hemmer. Die Studienleiter folgerten, dass die Studie ihren primären Endpunkt – signifikante Verbesserung des PFS –, aber nicht den sekundären Endpunkt erreicht hat. Dabei hatten die Frauen unter Palbociclib/Letrozol ein deutlich längeres OS, allerdings war es nicht statistisch signifikant.
Ribociclib-Kombination nach Progression im Switch
Kevin Kalinsky aus Atlanta (USA) präsentierte erste Ergebnisse der Phase-II-Studie MAINTAIN mit Fulvestrant oder Exemestan mit/ohne den CDK4/6-Hemmer Ribociclib bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs (2). Bei den Frauen war die Erkrankung unter einer Anti-
östrogentherapie plus einem CDK4/6Hemmer fortgeschritten, sie wurden jetzt erneut behandelt. Basis dieser Strategie waren Beobachtungen, die einen Nutzen durch einen Switch der Substanzen gezeigt hatten. Die daraufhin lancierte multizentrische, randomisierte und doppelblinde Studie untersuchte Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Strategien bei 120 Männern und Frauen mit vorbehandeltem HR+/HER2-negativem, metastasiertem Brustkrebs.
MAINTAIN-Studie: Signifikant verbessertes PFS erreicht Patientinnen, die zuvor Fulvestrant erhalten hatten, bekamen fortan Exemestan als endokrine Therapie und umgekehrt respektive eine Hormontherapie nach Wahl des Arztes. Das PFS – primärer Endpunkt – war definiert als Zeitperiode ab Randomisierung bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Tod. Die 120 Patientinnen (1 Person entfiel während der Studie, 1 Patient war männlich) waren im Schnitt 57 Jahre alt, nahmen zu 83% Fulvestrant (n = 99) und zu 17% (n = 20) Exemestan. Bezüglich des CDK4/6-Hemmers hatten zuvor 84% Palbociclib, 11% Pribociclib, 2% Abemaciclib und 3% Palbociclib plus einem anderen CDK-4/6-Inhibitor erhalten. Die Resultate: n Es zeigte sich ein statistisch signifikant
verbessertes PFS bei Patienten unter Fulvestrant oder Exemestan plus Ribociclib (median: 5,33 Monate; 95%KI: 3,25–8,12 Monate) gegenüber einer Endokrintherapie plus Plazebo (median: 2,76 Monate; 2,66–3,25 Monate). Die HR betrug 0,56 (0,37–0,83), das PFS war also fast verdoppelt. n Ähnliche Ergebnisse waren bei einer Untergruppe unter Therapie mit Fulvestrant zu verzeichnen: Das PFS betrug 5,29 Monate bei denen, die zusätzlich Ribociclib bekamen, und nur 2,76 Monate, die zusätzlich Plazebo erhielten (HR: 0,59 [0,38–0,91]). n Nach 6 Monaten waren im RibociclibArm noch 42% progressionsfrei (vs. 24% im Plazeboarm).
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Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), 3. bis 7. Juni 2022
n Nach 12 Monaten waren noch 25% versus 7% progressionsfrei.
Konjugat SacituzumabGovitecan ab der Drittline
Stark vorbehandelte Patientinnen mit endokrinresistentem, metastasiertem Brustkrebs profitieren gemäss der randomisierten Phase-III-Studie TROPICS-02 von der Behandlung mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat SacituzumabGovitecan (SG) durch ein signifikant verlängertes PFS gegenüber einer Chemotherapie (3). Bisher ist der Wirkstoff bei tripelnegativem, metastasiertem Brustkrebs nach mindestens 2 Vortherapien zugelassen. Vorangegangene Studien mit Patientinnen mit stark vorbehandeltem HR+, HER2-negativem Brustkrebs hatten sich als vielversprechend erwiesen, und zwar mit einer objektiven Ansprechrate (ORR) von 31,5%, einem medianen PFS von 5,5 Monaten und einem medianen OS von 12 Monaten bei behandelbarem Toxizitätsprofil.
TROPICS-02: Markant verbesserte Überlebensparameter (PFS, OS, ORR) Wie Hope S. Rugo aus San Francisco auf dem ASCO-Kongress 2022 weiter erläuterte, hatten die eingeschlossenen Patientinnen (ECOG-Performance-Status 0 oder 1) jeweils 2 bis 4 Chemotherapieregime (darunter ≥ 1 Taxan, CDK4/6-Hemmer und endokrine Therapie) erhalten. Die Patientinnen wurden im Verhältnis 1:1 für das Konjugat SG oder eine Chemoeinzeltherapie (TPC) (Capecitabin, Eribulin, Vinorelbin oder Gemcitabin) randomisiert, und zwar bis zur Progression bzw. nicht akzeptierter Toxizität. Primärer Endpunkt war das PFS, blind von einem unabhängigen Komitee gemes-
sen, und der schlüsselsekundäre Endpunkt war das OS bei erster geplanter Zwischenanalyse. Die Charakteristika in beiden Gruppen (n = 272 bzw. 271) und die Art der Vortherapien waren ähnlich (86% hatten zuvor eine Hormontherapie über > 6 Monate, 60% einen CDK4/6Hemmer über ≤ 12 Monate, 38% über > 12 Monate) zum Zeitpunkt des DatenCut-offs am 3. Januar 2022: n SG verbesserte das mediane PFS (5,5
vs. 4,0 Monate; HR: 0,66; 95%-KI: 0,53– 0,83). Die PFS-Raten nach 6 und 12 Monaten betrugen 46% (vs. 30%) und 21% (vs. 7%). n SG zeigte ein verlängertes, aber nicht signifikantes OS (13,9 vs. 12,3 Monate; HR: 0,84). n Die ORR (21% vs. 14%) und die klinische Benefitrate (34% vs. 22%) waren unter SG höher, die mediane Ansprechdauer betrug 7,4 (vs. 5,6) Monate. n 74% gegenüber 60% der Patientinnen hatten Grad-3-Nebenwirkungen und höher (meist Neutropenie [51% vs. 39%] und Diarrhö [10% vs. 1%]). Therapieabbrüche waren dennoch gering (6% vs. 4%), ein Todesfall trat in der SG-Gruppe auf. Diese Resultate mit signifikant verbessertem PFS und weiteren klinischen Benefits unter SG weckten neue Hoffnung bei den sehr stark vorbehandelten Patientinnen mit HR+, HER2-negativem fortgeschrittenem Brustkrebs, so die Autoren. Die Indikation mit dem Medikament sollte ausgeweitet werden.
Biomarkeranalyse bei PIK3CA-Mutation mit Alpelisib
Bei Tumoren mit PI3K-Mutationen zeigte die Behandlung mit Alpelisib/Fulvestrant unabhängig von einigen Driveronkoge-
nen ihre Wirkung, so gemäss einer Bio-
markeranalyse der SOLAR-1-Studie, die
Dejan Juric am ASCO-Kongress 2022
präsentierte (4).
PI3K-Mutationen sind mit einer schlech-
ten Prognose verbunden. Die randomi-
sierte, doppelblinde SOLAR-1-Studie
hatte unter der Therapie mit Alpelisib
plus Fulvestrant versus Plazebo bei HR+,
HER2-negativem fortgeschrittenem, vor-
behandeltem Brustkrebs in einer ersten
Auswertung bereits ein verbessertes PFS
erreicht. Die am ASCO-Kongress 2022
vorgestellte Biomarkeranalyse mit retro-
spektiver Testung mittels Next Genera-
tion Sequencing (NGS) bei 389 Biopsien
zeigte, dass die Therapie bei den meis-
ten Genalterationen wirksam ist.
n
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Richard S, Finn RS et al.: Overall survival (OS) with first-line palbociclib plus letrozole (PAL+LET) versus placebo plus letrozole (PBO+LET) in women with estrogen receptor–positive/human epidermal growth factor receptor 2–negative advanced breast cancer (ER+/HER2– ABC): Analyses from PALOMA-2. ASCO-Jahreskongress 2022, Abstract #LBA1003. 2. Kalinsky K et al.: A randomized, phase II trial of fulvestrant or exemestane with or without ribociclib after progression on anti-estrogen therapy plus cyclin-dependent kinase 4/6 inhibition (CDK 4/6i) in patients (pts) with unresectable or hormone receptor–positive (HR+), HER2-negative metastatic breast cancer (MBC): MAINTAIN trial. ASCO-Jahreskongress 2022, Abstract #LBA1004 3. Rugo HS et al.: Primary results from TROPiCS-02: A randomized phase 3 study of sacituzumab govitecan (SG) versus treatment of physician’s choice (TPC) in patients (Pts) with hormone receptor–positive/HER2-negative (HR+/HER2–) advanced breast cancer. ASCO-Jahreskongress 2022, Abstract #LBA 1001. 4. Juric D et al.: Alpelisib (ALP) + fulvestrant (FUL) in patients (pts) with hormone receptor–positive (HR+), human epidermal growth factor receptor 2–negative (HER2–) advanced breast cancer (ABC): Biomarker (BM) analyses by next-generation sequencing (NGS) from the SOLAR-1 study. ASCO-Jahreskongress 2022, Abstract #LBA1006.
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