Transkript
STUDIE REFERIERT
Sequenzielle Therapie postmenopausaler Frauen mit Osteoporose
Denosumab und Teriparatid: Auf die Reihenfolge kommt es an
Medikamente zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose werden zwei Kategorien zugeordnet: Entweder handelt es sich um antiresorptive, also den Knochenabbau hemmende, oder um osteoanabolische, das heisst den Knochenaufbau fördernde Wirkstoffe. Mehrere qualitativ hochwertige randomisierte, kontrollierte Untersuchungen haben sich in der Vergangenheit den Effekten einer aufeinanderfolgenden Therapie mit sowohl anabolischen Substanzen als auch antiresorptiv wirkenden Bisphosphonaten gewidmet. Die aktuellen Ergebnisse der DATA-Switch-Studie zeigen nun erstmals für die spezielle sequenzielle Therapie mit Denosumab und Teriparatid, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, in welcher Reihenfolge beide Medikamente eingesetzt werden.
The Lancet
Anders als bei anderen chronischen Erkrankungen beschränkt sich die Therapie bei der Osteoporose im Allgemeinen auf eine einzelne Substanz mit fixer Dosis und Einnahmefrequenz. Bei den meisten Patienten ist jedoch keiner der derzeit verfügbaren Wirkstoffe in der Lage, die Knochengesundheit wiederherzustellen, und ihr Langzeitgebrauch ist aufgrund von zwar seltenen, jedoch gravierenden Nebenwirkungen wie
MERKSÄTZE
O In der DATA-Switch-Studie an postmenopausalen Frauen mit Osteoporose führte ein Therapiewechsel von Teriparatid zu Denosumab zu einem kontinuierlichen Anstieg der Knochenmineraldichte.
O Ein Wechsel von Denosumab zu Teriparatid resultierte in einer fortschreitenden oder vorübergehenden Knochendichteabnahme.
O Diese Ergebnisse sollten bei der Auswahl der anfänglichen und späteren Behandlung osteoporotischer postmenopausaler Patientinnen berücksichtigt werden.
Kieferknochennekrose oder Oberschenkelfrakturen umstritten. Deshalb werden die Patienten häufig sequenziell mit zwei oder mehr Medikamenten behandelt. In der randomisierten, kontrollierten Studie DATA (Denosumab and Teriparatide Administration) konnte an 94 postmenopausalen Frauen mit Osteoporose gezeigt werden, dass eine kombinierte Therapie, bestehend aus dem in den Prozess der Osteoklastendifferenzierung und -aktivierung hemmend eingreifenden und damit antiresorptiv wirkenden Antikörper Denosumab (60 mg alle 6 Monate) sowie dem die Osteoblasten und somit den Knochenaufbau stimulierenden rekombinanten humanen Parathormonfragment Teriparatid (20 mg täglich über 24 Monate), die Knochenmineraldichte (bone mineral density, BMD) stärker (+9,1% in 12 Monaten) erhöht als die jeweiligen Einzelsubstanzen (Denosumab: 5,5%; Teriparatid: 6,2%) allein. Dieser Effekt war jedoch nach Absetzen beider Medikamente rasch rückläufig.
Was bewirkt
der Medikamentenwechsel?
In der jetzt im «Lancet» publizierten randomisierten, kontrollierten DATASwitch-Studie (1), einer vorab geplan-
ten Fortsetzung der DATA-Studie, konnten 77 der zuvor dort eingeschlossenen 94 Patientinnen für eine Untersuchung des potenziellen Effekts eines Medikamentenwechsels auf die BMD für weitere 2 Jahre nachbeobachtet werden. Diejenigen Patientinnen, die in der DATA-Studie Teriparatid erhalten hatten, bekamen nunmehr Denosumab (Teriparatid-zu-Denosumab[TzD-]Gruppe, n = 27), und jene, die ursprünglich Denosumab eingenommen hatten, wurden fortan mit Teriparatid behandelt (Denosumab-zu-Teriparatid[DzT-]Gruppe, n = 27). Diejenigen Frauen, die in der DATA-Studie beide Medikamente bekommen hatten, erhielten für die folgenden 24 Monate ausschliesslich Denosumab (Kombination-zu-Denosumab-[KzD-]Gruppe, n = 23). Jeweils 6, 12, 18 und 24 Monate nach vollzogenem Medikamentenwechsel erfolgten BMD-Messungen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüfte und des Handgelenks sowie die Serumkonzentrationsbestimmungen von Osteocalcin und C-Telopeptid als biochemischen Markern des Knochenumsatzes. Als primärer Endpunkt galt die prozentuale Veränderung der BMD an der Wirbelsäule über einen Zeitraum vor und nach dem Therapiewechsel von insgesamt 4 Jahren. Bei der Auswertung der Daten zeigte sich, dass die an der Wirbelsäule gemessenen BMD-Werte über die gesamten 48 Monate in der TzD-Gruppe um 18,3 Prozent (95%-Konfidenzintervall [KI]: 14,9–21,8), in der DzT-Gruppe um 14,0 Prozent (10,9–17,2) und in der KzD-Gruppe um 16,0 Prozent (14,0–18,0) zugenommen hatten, wobei sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede (TzD vs. DzT: p = 0,13; TzD vs. KzD: p = 0,30; DzT vs. KzD: p = 0,41) ergaben. Zwar war die Wirbelsäulen-BMD in der DzTGruppe somit insgesamt ebenfalls angestiegen, bei alleiniger Betrachtung des auf den Medikamentenwechsel folgenden Zeitraums zeigte sich jedoch, dass die BMD während der ersten 6 Monate gesunken war und erst im Anschluss daran wieder zugenommen hatte. Dagegen waren die BMD-Werte in der TzD-Gruppe nach dem Wechsel der Therapie (24–48. Monat) stärker angestiegen (8,6 ± 5%) als in den beiden anderen Gruppen (DzT: 4,8 ± 5,6%, p=0,0203; KzD: 3,4±3,5%, p=0,0005).
34 ARS MEDICI 1 I 2016
STUDIE REFERIERT
Bei Auswertung der Daten der sekundären Endpunkte ergab sich für die BMD-Werte der Hüftknochen eine stärkere Zunahme in der TzD-Gruppe (6,6%; 95%-KI: 5,3–7,9) als in der DzT-Gruppe (2,8%; 1,3–4,2; p=0,0002); am deutlichsten jedoch war die BMDZunahme in der KzD-Gruppe ausgefallen (8,6%; 7,1–10,0; p = 0,0446 vs. TzD, p < 0,0001 vs. DzT). Auch die Oberschenkelknochen-BMD war in der TzD-Gruppe (8,3%; 95%-KI: 6,1–10,5) und in der KzD-Gruppe (9,1%; 6,1– 12,0) stärker angestiegen als in der DzT-Gruppe (4,9%; 2,2–7,5; TzD vs. DzT: p=0,0447; KzD vs. DzT: p=0,0336; KzD vs. DzT: nicht signifikant). Die BMD des Speichenknochens blieb nach 48 Monaten in der TzD-Gruppe unverändert (0,0%; 95%-KI: -1,3 bis 1,4) und hatte sich in der KzD-Gruppe um 2,8 Prozent (1,2 bis 4,4) erhöht, in der DzT-Gruppe hingegen um 1,8 Prozent (-5,0 bis 1,3) vermindert (TzD vs. KzD: p = 0,0075; DzT vs. KzD: p = 0,0099). Teriparatid nach Denosumab vermeiden Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse der DATA-Switch-Studie, dass der Wechsel von Teriparatid zu Denosumab die BMD-Werte in sämtlichen untersuchten Skelettregionen weiter erhöhte, wohingegen ein umgekehrter Therapiewechsel zu einem transienten Knochenverlust an Hüfte und Wirbelsäule sowie zu einem fortschreitenden Abbau von Knochensubstanz am distalen Radius führte. Die 24-monatige kombinierte Denosumab-/Teriparatidgabe, gefolgt von 24 Monaten alleiniger Denosumabtherapie, führte an Hüfte wie Speiche zu einer deutlicheren BMD-Zunahme als bis anhin für jedwedes andere verfügbare Osteoporosemedikament bei ähnlicher Behandlungsdauer nachgewiesen. Aus diesen Resultaten lassen sich nach Ansicht des Autors eines in derselben Ausgabe von «Lancet» veröffentlichten Kommentars zur DATA-Switch-Studie (2) drei wichtige Punkte ableiten: 1. Bei der Entscheidung für eine se- quenzielle Kombinationstherapie ist zu beachten, dass die Gabe von Teriparatid, gefolgt von Denosumab, zu einem anhaltenden BMD-Anstieg führt. 2. Die grösste BMD-Zunahme lässt sich mit einer Kombinationstherapie, bestehend aus Teriparatid und Denosumab, im Vergleich zu den jeweiligen Einzelsubstanzen dann verzeichnen, wenn sich eine Denosumabgabe an sie anschliesst. 3. Eine auf eine alleinige Denosumabgabe folgende Teriparatidmonotherapie ist zu vermeiden, da dies einen vorübergehenden BMD-Verlust im Bereich der Wirbelsäule und der Hüfte sowie eine fortschreitende BMD-Abnahme am distalen Radius nach sich zieht. Auch wenn die DATA-Switch-Studie nicht auf die Bewertung des Fraktur- risikos ausrichtet war, geben die in die- ser Studie gemessenen BMD-Verände- rungen für den Kommentator im Falle eines angedachten Wechsels von einer antiresorptiven zu einer anabolischen Therapie Anlass zur Vorsicht und un- terstützen eher das Konzept eines an- fänglichen osteoanabolischen Schubs und einer anschliessenden antiresorp- tiven Behandlung, um die BMD-Zu- nahme bei Hochrisikopatienten, die einer langfristigen Osteoporosethera- pie bedürfen, zu konsolidieren. O Ralf Behrens 1. Leder BZ et al.: Denosumab and teriparatide transitions in postmenopausal osteoporosis (the DATASwitch study): extension of a randomised controlled trial. Lancet 386 (9999): 1147–1155. 2. Hofbauer LC, Rachner TD: More DATA to guide sequential osteoporosis therapy. Lancet 2015; 386 (9999): 1116–1118. Interessenkonflikt: Einige der Autoren der DATA-SwitchStudie haben als Berater für verschiedene Pharmaunternehmen gearbeitet und Forschungsunterstützung von diesen Firmen erhalten. 36 ARS MEDICI 1 I 2016