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EDITORIAL
Persönlichkeitsstörungen können sehr herausfordernd sein
Persönlichkeitsstörungen sind tiefverwurzelte, andauernde und generalisierte Muster des Denkens, der Wahrnehmung, des Verhaltens, und der sozialen Beziehungen. Sie sind mit psychosozialen Funktionsbeeinträchtigungen und persönlichem Leidensdruck verbunden.
Persönlichkeitsstörungen beginnen typischerweise in der Jugend und zeigen nicht selten einen chronischen Verlauf, wenn Symptomausprägung und Leidensdruck im Alter auch abnehmen. Ein typisches Merkmal besteht darin, dass sie die Kliniker durch ihre akute Symptomatik mit Aggressivität, Selbstverletzungen und Suizidalität nicht selten vor grosse Herausforderungen stellen.
Die häufigste Persönlichkeitsstörung in der Klinik ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Sie tritt bei ca. 10% der ambulanten und ca. 20% der stationären Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie auf.
In unserem psychiatrischen Schwerpunt «Persönlichkeitsstörungen» der Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie und Psychotherapie werden drei grundlegende Arbeiten zu diesem Thema vorgestellt.
Michel Dang geht in seinem Artikel «Umgang mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) im notfallpsychiatrischen Behandlungssetting» auf die häufigen Notfallsituationen ein und beschreibt, wie insbesondere eine konsequente Umsetzung der leitliniengerechten Behandlungs- und Reaktionsalgorithmen der maladaptiven Verhaltensmuster eine Behandlung in der Akutphase überhaupt erst ermöglicht, und wie durch einen geeigneten Umgang in der Akutpsychiatrie, die Grundlage für eine anschliessende Psychotherapie-Phase geschaffen wird.
Caroline Machina und Tobias Melcher zeigen in ihrem Beitrag zur «Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen» auf, wie wichtig eine Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen ist. Sie können und sollten gut diagnostiziert werden, damit die geeigneten Psychotherapieverfahren angewandt werden können. Die Arbeit ist auch deswegen von grosser klinischer Relevanz, da wir uns gerade in einem Umbruch hinsichtlich der diagnostischen Einordnung befinden – weg von einer kategorialen Klassifikation, hin zu einer dimensionalen Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen, die sich in erster Linie an dem Schweregrad einer Persönlichkeitsstörung ausrichtet (ICD-11) .
Daniel Sollberger beschreibt in seinem Artikel «Therapie schwerer Persönlichkeitsstörungen» abschliessend die störungsspezifische Psychotherapie der schweren Persönlichkeitsstörungen. Die Psychotherapie ist die Methode der Wahl in der Behandlung der Persönlichkeitsstörungen und sollte, wenn immer möglich, im ambulanten Setting von geschulten Therapeutinnen und Therapeuten durchgeführt werden. Aktuell liegen hier vier manualisierte, evidenzbasierte Verfahren vor (DBT, MBT, TFP, Schematherapie), deren Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte und deswegen in der Praxis auch angewendet werden sollten.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre!
Prof. Dr. med. Marc Walter Klinikleiter und Chefarzt Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Mitglied der Geschäftsleitung Psychiatrische Dienste Aargau AG Königsfelderstrasse 1 5210 Windisch E-Mail: marc.walter@pdag.ch
psychiatrie & neurologie 1 | 2025
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