Transkript
E D I T O R I A L Das neue Gebiet der Neuroonkologie
nimmt Fahrt auf
D ie Neuroonkologie befindet sich in einer Zeit spannender Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen. Einerseits werden zahlreiche neue Therapieverfahren erprobt und mit dem positiven Ausgang der ersten randomisierten Studie zu einem pharmakologischen Inhibitor mutierter Isozitratdehydrogenase (IDH), Vorasidenib (PMID 37272516), könnte eine neue Therapiestrategie für Patienten mit niedergradigen IDH-mutierten Gliomen noch in diesem Jahr Einzug in die klinische Neuroonkologie halten. Andererseits wird umfassender auf die Diagnostik und Behandlung von seltenen Hirntumorerkrankungen und auf Komorbiditäten und Komplikationen eingegangen.
Im ersten Beitrag stellt ein Team aus St. Gallen, unter Führung von Thomas Hundsberger, neue diagnostische und therapeutische Entwicklungen bei den neurokutanen Syndromen (Phakomatosen) zusammen. Nach Jahren des Stillstands ergeben sich hier neue medikamentöse Therapieoptionen, unter anderem Selumetinib bei Neurofibromatose Typ 1, Bevacizumab bei Neurofibromatose Typ 2, mTORHemmung bei tuberöser Sklerose oder zuletzt Belzutifan bei Von Hippel-Lindau-Erkrankung.
In einem weiteren Artikel geht Hans-Georg Wirsching aus Zürich auf das neue Gebiet Cancer Neuroscience ein und stellt dar, wie die Interaktionen zwischen Hirnparenchymzellen und Tumorzellen die Tumorentwicklung begünstigen können, und dass solche Interaktionen andererseits aber auch einen neuen therapeutischen Angriffspunkt darstellen können. In der Schweiz untersucht die randomisierte, unverblindete Phase-Ib/II-Studie GLUGLIO bei Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom die Wirksamkeit einer Dreifachbehandlung mit potenziell «anti-glutamatergen» Medikamenten, Gabapentin, Sulfasalazin und Memantin (NCT 05664464).
Im Beitrag zu zerebrovaskulären Komplikationen fasst Katharina Seystahl aus Luzern neue Erkenntnisse bei Patienten mit Hirntumorerkrankungen, deren Ursachen und Therapie zusammen. Zentrale Themen sind die Fragen des Screenings auf nicht bekannte systemische Tumorerkrankungen bei Patienten mit ungeklärter Schlaganfallätiologie und die Risiko-Nutzen-Abwägung für die Thrombolyse bei Patienten mit bekannten Tumorerkrankungen.
Im Beitrag von Caroline Hertler, Zürich, gemeinsam mit Steffen Eychmüller, Bern, werden palliativmedizinische Therapiekonzepte und «Advance Care Planning» in der Neuroonkologie diskutiert. Auf diese medizinischen Angebote sollte frühzeitig im Verlauf vieler Hirntumorerkrankungen hingewiesen werden, wenn deutlich wird, dass keine Heilung möglich ist.
Wir hoffen, dass die Zusammenstellung dieser aktuellen Themen das Interesse unserer Leserschaft findet.
Prof. Dr. med. Michael Weller Klinikdirektor
Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich Frauenklinikstrasse 26 8091 Zürich
E-Mail: michael.weller@usz.ch
Foto: zVg
Michael Weller
2/2024
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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