Transkript
KONGRESS AKTUELL
Jahreskongress der American Association of Neurology (AAN)
OPERA-OLE: Weniger Rückfälle und Behinderung
Patienten mit Multipler Sklerose (MS) unter einer Therapie mit Ocrelizumab haben nach 8,5 Jahren eine geringere Behinderung als jene, die erst mit Interferon (IFN) beta-1a begonnen haben und später zu Ocrelizumab wechseln. Das zeigte die offene Verlängerungsstudie der OPERA-I- und -II-Zulassungsstudien, die am AAN-Kongress in Boston präsentiert wurde. Eine weitere, am Kongress präsentierte Studie wies auf einen starken Zusammenhang zwischen mediterraner Ernährung und besserer Kognition bei MS-Patienten hin.
D ie OPERA-Studien verglichen Behandlungen mit Ocrelizumab und IFN beta-1a bei 1656 Patienten mit schubförmig verlaufender MS während eines Zeitraums von 96 Wochen. Die annualisierte Rückfallrate als primärer Endpunkt war bei Patienten unter Ocrelizumab 46 bzw. 47% tiefer als bei den Patienten unter IFN beta-1a. Nach Ende der Laufzeit wurde die Studie als Open-label-Verlängerungsstudie (open label extension, OLE) fortgesetzt, und Patienten der IFN beta-1a-Gruppe konnten in die Ocrelizumabgruppe wechseln. Endpunkt dieser Verlängerungsstudie war das Erreichen von definierten Behinderungs-Meilensteinen unter einer Therapie mit Ocrelizumab von Anfang an (8,5 Jahre), verglichen mit einer zunächst 2 Jahre dauernden Therapie mit IFN beta-1a und einer darauffolgenden Therapie mit Ocrelizumab während 6,5 Jahren. Als Behinderungs-Meilensteine waren die bestätigte Behinderungsprogression während 24 Wochen, Gehstörungen und die Notwendigkeit einer Gehhilfe definiert. Es zeigte sich, dass in der Gruppe mit durchgehender Ocrelizumabtherapie alle drei Parameter im Vergleich zu IFN beta-1a/Ocrelizumab besser abschnitten: Hazard Ratio (HR) 0,42 für Behinderungsprogression (p = 0,0303); HR 0,69 für Gehstörung (p = 0,0486); HR 0,67 für die Notwendigkeit einer Gehhilfe (p = 0,0207). Während der Gesamtdauer von 8,5 Jahren mit durchgehender Ocrelizumabtherapie erlitten 85% der Patienten keine Progression in der EDSS (Expanded Disability Status Scale) > 2 und 92% keine > 6 (1). Mit diesen Resultaten zeige sich, dass eine frühzeitige hochpotente Therapie die Funktionalität bewahren könne, die mit der gleichen Therapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht
wieder aufzuholen sei, zog Erstautor Prof. Martin Weber, Institut für Neuropathologie und stv. Direktor Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen, sein Fazit.
Mediterrane Ernährung für bessere Kognition bei MS MS-Patienten könnte mediterrane Kost helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu bewahren oder zu verbessern. Das zeigte eine Studie mit 564 durchschnittlich 44-jährigen (± 11,3 Jahre) Patienten mit MS (71% weiblich), die sich mit einer mediterranen Kost ernährten. Die Adhärenz an die mediterrane Kost wurde mit dem Mediterranean Diet Adherence Screen (MEDAS) (Score 0–14) überprüft. Je höher die Punktzahl ausfiel, desto strenger wurde die Diät eingehalten. Die Kognition wurde mit der BICAMS-(Brief International Cognitive Assessment for Multiple Sclerosis-)Batterie überprüft, mit der die 3 Bereiche Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit/Arbeitsgedächtnis, verbale Lern-/Merkfähigkeit und das visuell-räumliche Kurzzeitgedächtnis und Lernen getestet werden. Die Tests ergaben eine kognitive Beeinträchtigung bei 108 Patienten (19,2%). Ein höherer MEDAS-Score war mit einer signifikanten Senkung des Risikos für kognitive Beeinträchtigung von 20% verbunden (Odds Ratio: 0,80; 95%-Konfidenzintervall: 0,73–0,89; p < 0,001). MEDAS war bei weitem der beste gesundheitsassoziierte Prädiktor für einen kognitiven Z-Score und kognitive Beeinträchtigung im Vergleich zu den ebenfalls überprüften Gesundheitsparametern wie BMI, Bewegung, Schlaf, Hypertonie, Diabetes, Dyslipidämie, Rauchen (2). Nach der Bereinigung für andere Confounder ergab sich eine signifikante Assoziation zwischen einer mediterranen Ernährungsweise
und der Kognition bei Patienten mit MS. Die
Stärke dieses Zusammenhangs bei einer pro-
gressiven Erkrankung weist auf einen mögli-
chen neuroprotektiven Mechanismus hin, so
das Fazit des Studienleiters Prof. James F.
Sumowski, Neurologie und Psychiatrie, Icahn
School of Medicine, Mount Sinai.
l
Valérie Herzog
Quelle: 1. Weber M et al.: Delayed signs of early disability
progression after 8.5 years of ocrelizumab treatment in patients with relapsing multiple sclerosis. Abstract S46.003 präsentiert am Jahreskongress der American Association of Neurology, 22.-27. April.2023, Boston. 2. Katz Sand I et al.: Mediterranean diet is associated with cognition in multiple sclerosis. Abstract S46.010 präsentiert am Jahreskongress der American Association of Neurology, 22.-27. April.2023, Boston.
4/2023
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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