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FORTBILDUNG
Gestörter Schlaf
Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten
Der Schlaf begleitet die Menschen über das ganze Leben. Ein guter Schlaf wird oft mit Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit in Zusammenhang gebracht. Ist der Schlaf gestört, kann das zum Problem werden, denn der Wunsch, schlafen zu können, rückt ins Zentrum der Gedanken. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass Schlafstörungen häufig mit einer Verschlechterung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, wie auch der Befindlichkeit insgesamt verbunden sind (1, 2).
Foto: zVg
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Ulrich Michael Hemmeter Theofanis Ngamsri
von Ulrich Michael Hemmeter, Theofanis Ngamsri
Epidemiologie Schlafstörungen treten bei zirka 6% der Erwachsenen in den industrialisierten Ländern auf, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (3). Schlafstörungen können in jedem Lebensalter auftreten, nehmen jedoch mit steigendem Alter zu. Die Gründe hierfür liegen in einer physiologischen Veränderung des Organismus, vor allem aber in der Zunahme von Krankheiten, die mit Schlafstörungen direkt assoziiert sind oder sich auf den Schlaf negativ auswirken (4).
Ursachen von Schlafstörungen und Diagnostik Schlafstörungen können viele verschiedene Ursachen haben, sie können Symptom einer anderen Grunderkrankung sein, wie auch als isolierte Schlafstörung auftreten. Grundsätzlich wird zwischen Insomnien (gestörter Nachtschlaf ) und Hypersomnien (vermehrter Schlaf mit Tagesschläfrigkeit) unterschieden. Im DSM-V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders-V), dem ICSD-3 (International Classification of Sleep Disorders 3) wie auch im ICD-11 (International Classification of Diseases 11) wird die ursprünglich im ICD-10 vorhandene Unterscheidung von organischen vs. nicht-organischen Schlafstörungen aufgegeben, insbesondere im Hinblick auf eine Insomnie, auf die sich dieser Artikel bezieht (5). Eine «insomnische Störung» wird diagnostiziert, wenn eine Ein- oder Durchschlafstörung mit Beeinträchtigung am Tag mehrmals pro Woche für einen Verlauf von mindestens 3 Monaten auftritt (Krit. A); zudem muss eine Beeinträchtigung der Alltagsfunktionalität vorliegen (Krit. B).
Tritt die Insomnie im Rahmen einer anderen spezifischen Schlaferkrankung (z. B. Schlafapnoe), einer psychischen Erkrankung (z. B . Depression), somatischer Krankheiten (z. B. Schmerzen) oder als Folge einer Substanz- oder Medikamenteneinnahme auf (sekundäre Insomnien), sollten diese Erkrankungen/Bedingungen identifiziert, diagnostiziert und dann auch spezifisch behandelt werden. Bestehen jedoch Hinweise, dass trotz erfolgreicher Behandlung der Grunderkrankung die Insomnie (mit den oben genannten Kriterien) weiterhin persistiert, kann neben der Grunderkrankung zusätzlich eine «insomnische Störung» diagnostiziert werden. Diese sollte dann auch insomniespezifisch behandelt werden (6, 7). Für kürzere insomnische Störungsbilder (kürzer als 3 Monate) mit gleichzeitig vorliegender deutlicher Alltagsbeeinträchtigung kann im ICD-11 die «kurzzeitige insomnische Störung» diagnostiziert werden (ICD-11 2023), die meist nach einer akuten Belastung oder einem Stressereignis auftritt. Für Insomnien als Folge anderer Erkrankungen kommen endokrine, metabolische, orthopädische (Schmerzen), zerebrale, kardiovaskuläre, medikamentös bedingte Erkrankungen (organische Insomnien), wie auch nahezu alle psychischen Erkrankungen in Frage. Insomnien können auch im Rahmen von definierten Schlafstörungen wie schlafbezogene Atemstörungen (Schlafapnoe) Restless-Leg-Syndrom (Periodic-Leg-Movement-Syndrom, PLMS) oder REM-Schlafverhaltensstörung (rapid eye movement, REM; REM-sleep behavior disorder, RBD) auftreten (6). Die Diagnostik einer Schlafstörung wird zunächst mit dem Ziel durchgeführt, festzustellen, ob es sich überhaupt um eine Schlafstörung von Krankheitsrelevanz handelt. Ist das der Fall, muss das Ausmass (die Intensi-
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Tabelle 1:
Diagnostische Instrumente zur Erfassung von Schlafstörungen
Verfahren Zielsetzung Kurzbeschreibung
Pittsburgher
Erfassung der subjektiven
Fragebogen zur Selbsteinschätzung,
Schlafqualitätsindex (PSQI)
Schlafqualität sowie von
Dauer 5 bis 10 Min.,
Schlafstörungen inklusive
Gesamt-Score 0-21 mit
Fremdanamnese innerhalb
zufriedenstellender
der letzten 2 bzw. 4 Wochen
Reliabilität und Validität
Schlaffragebogen A (SF-A)
Spezifische Erfassung des Schlafs Schlaffragebogen mit 22 Fragen;
der vorhergehenden Nacht und Dauer ca. 3 bis 5 Min., 5 Subskalen
der Befindlichkeit des Vortags
Abend- und Morgenprotokolle Schlaftagebuch zur Diagnostik Schlaftagebuch, das mit geringem
«Schlaftagebuch»
und Therapieverlaufsmessung
Zeitaufwand für längere Zeiträume
genutzt werden kann
ISI (Insomnia Severity Index)
Erfasst den Schweregrad
Fragebogen mit 7 Items,
insomnischer Störungen
Dauer 3–5 Min., Wertebereich 0–28,
validiert für den Einsatz als Screening-
instrument und für die Erfassung
von Therapieeffekten
Quelle: mod. nach (7)
tät) der Schlafstörung erfasst werden. Hierfür ist eine exakte Anamnese und wenn möglich auch eine Fremdanamnese notwendig. Zudem stehen standardisierte Fragebogen zur Verfügung (Tabelle 1), die auch die Tagesmüdigkeit/Schläfrigkeit umfassen. In den aktuellen Leitlinien wird dringend empfohlen, den Patienten ein Schlaftagebuch mitzugeben, das sie selbst, am besten über zwei Wochen, ausfüllen müssen (6, 7). Eine objektive und einfache MögIichkeit zur Erfassung des Nachtschlafs und der Tagesaktivität stellt die Methode der Aktimetrie dar, die ebenfalls kontinuierlich über mindestens eine bis zwei Wochen angewendet werden soll (8). Bevor ein Patient zur weiteren Diagnostik in ein Schlaflabor überwiesen wird, geht es um den Ausschluss von Erkrankungen, bei denen die Insomnie ein Symptom der Störung sein kann (sekundäre Insomnien). Aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten ist eine breite Diagnostik notwendig, die eine internistische, neurologische und psychiatrische Untersuchung sowie Laborabklärungen umfasst (Tabelle 2). Ergeben sich daraus eine (oder mehrere) mögliche Ursachen für eine Schlafstörung, so ist primär die Grunderkrankung zu behandeln. Liegen Hinweise auf eine spezifische Schlafstörung (Schlafapnoe, PLMS, REM-Schlafverhaltensstörung, Narkolepsie sowie weitere seltenere Schlafstörungen) vor, kann eine Überweisung an ein schlafmedizinisches Zentrum zur Durchführung einer Polysomnografie erfolgen. Als weitere Kriterien für die Überweisung zur Polysomnografie gelten eine therapieresistente Insomnie, insbesondere bei Risikogruppen in Verbindung mit Eigen- oder Fremdgefährdung, z. B. bei Berufskraftfahrern oder Patienten, die mit gefährlichen Maschinen arbeiten, oder ein Verdacht auf erhebliche Diskrepanz zwischen der subjektiv erlebten Schwere der Insomnie und dem polysomnografischen Befund (6, 9).
Tabelle 2:
Diagnostisches Vorgehen bei Insomnie
1. Medizinische Anamnese/Diagnostik ● Frühere und jetzige körperliche Erkrankungen (z. B. Schmerzen) ● Medikamente, Alkohol, Nikotin, Drogen ● Labor, z. B. Schilddrüsenwerte, Blutbild, Gamma-GT, Leberwerte ● Gegebenenfalls EEG, EKG, CT/MRT des Schädels nach Klinik
2. Psychiatrische/psychologische Anamnese ● Jetzige und frühere psychische Störungen ● Persönlichkeitsfaktoren ● Arbeits- und partnerschaftliche Situation ● Aktuelle Konflikte
3. Schlafanamnese ● Auslösende Faktoren einschliesslich Traumata ● Arbeitszeiten/zirkadiane Faktoren (Schicht- und Nachtarbeit) ● Aktuelles Schlafverhalten ● Vorgeschichte der Schlafstörung ● Schlaftagebuch ● Fremdanamnese (periodische Beinbewegungen/Atempausen)
4. Aktimetrie
5. Polysomnografie
Quelle: mod. nach (7)
Sind sämtliche Ursachen für eine Schlafstörung als Folge einer anderen Grunderkrankung oder durch Substanzoder Medikamenteneinnahme ausgeschlossen und lässt sich im diagnostischen Prozess keine definierte Schlafstörung in engeren Sinn wie RLS oder Schlafapnoe identifizieren, wird eine insomnische Störung diagnostiziert.
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Schlafprozess S
Zirkadianer Prozess C
Schlaf
7 23 7
Wachheit
Tageszeit (Std.)
23
7
Abbildung 1: Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation, nach Borbély & Wirz-Justice 1982 (mod. nach [10])
Dysfunktionale Kognition ● Sorge über Schlafverlust ● Grübeln über Konsequenzen ● unrealistische Erwartungen
Erregung ● emotional ● kognitiv ● physiologisch
Insomnie Konsequenzen ● Stimmungsschwankungen ● Fatigue ● Leistungseinbussen ● soziales Unbehagen
Maladaptive Gewohnheiten ● exzessive Bettzeit ● irreguläre Schlafzeiten ● Nickerchen tagsüber ● schlafinkompatible Aktivitäten
Abbildung 2: Insomnie-Modell von Charles Morin, 1993 (mod. nach [18])
Allerdings ist auch neben der Behandlung der Grunderkrankung häufig bereits zeitgleich ein zusätzlicher Behandlungsversuch der Schlafstörung indiziert.
Schlafregulation Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation Für eine erfolgreiche Behandlung der Insomnie ist ein grundlegendes Verständnis der Schlafregulation notwendig. Ein anschauliches Modell für die Schlaf-WachRegulation und ein Erklärungsmodell für viele Schlafstörungen liefert das Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation von Borbely und Wirz-Justice (1982) (10) (Abbildung 1). Es beschreibt 2 interagierende Prozesse, den Prozess S, der die Schlafintensität oder den Schlafdruck darstellt, und den Prozess C, der die zirkadiane Variation der Müdigkeit bzw. des Schlafdrucks beschreibt. Die Intensität von Prozess S wird durch die Länge der Wachzeit bestimmt, das heisst, je länger der Mensch wach ist, umso stärker wird der Schlafdruck (asymptotischer Verlauf ). Der Prozess C wird durch unsere innere Uhr, den endogenen Schrittmacher im Zwischenhirn, den Nucleus suprachiasmaticus, sowie unsere weiteren Zeitgeber, die seine Impulse synchronisieren, bestimmt. Die Schlafregulation ist ein Zusammenspiel des Prozesses S und C, das optimal funktioniert, wenn beide Prozesse ungestört und möglichst gleich und konstant ablaufen.
Eine insomnische Störung kann durch eine Störung des Prozesses S, z. B. durch ein abendliches Nickerchen vor dem Fernseher, oder eine Störung von Prozess C (Phasenverschiebung [z. B. bei Schichtarbeit] oder Amplitudenveränderung des zirkadianen Rhythmus [z. B. bei Depression]) sowie durch eine gestörte Interaktion beider Prozesse bedingt sein. Möglichkeiten, die Schlafregulation im Rahmen des Zwei-Prozessmodells durch Verhaltensänderung zu optimieren, sind: l Intensivierung von Prozess S beispielsweise durch
eine Schlafrestriktion bzw. Verlängerung der Wachzeit l Vor- oder Nachverlagerung des zirkadianen Rhythmus zum Beispiel durch Lichttherapie l Änderung der individuell für die jeweilige Person massgeblichen Zeitgeber.
Flip-Flop-Modell von Saper Ein weiteres Modell, das die Schlaf-Wachregulation auf eine neuroantomische Grundlage stellt, ist das FlipFlop-Modell von Saper et al. (2005) (11). Es postuliert schlaffördernde Hirnareale sowie Areale, die die Wachheit bzw. Arousal induzieren und sich üblicherweise gegenseitig hemmen, sodass es im Schlaf wie auch in der Wachzeit zur klaren Dominanz der einen oder anderen Areale kommt. Unter Stress liegt während der Schlafzeit eine Aktivierung beider Zentren vor, sodass die Hemmung nicht mehr suffizient ist, wodurch es zu einem instabilen Schlaf im Sinn einer Insomnie kommt (11). Die Annahme des Saper-Modells, dass Stress und ein damit verbundenes erhöhtes Arousalniveau eine wesentliche Ursache für die Entwicklung von akuten wie auch chronischen Insomnien ist, konnte in mehreren Studien gezeigt werden (12).
Erklärungsmodelle der insomnischen Störung Für die Erklärung einer insomnischen Störung, die nicht Folge einer anderen Grunderkrankung oder einer Substanzeinnahme ist, wurden verschiedene Modelle publiziert (6). Die meisten Modelle gehen davon aus, dass es prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren für die Schlafstörung gibt (3-P-Modell der Insomnie [13]). Das Hyperasousalmodell der Insomnie nimmt als weiteres erklärendes Modell an, dass es bei Menschen mit einer entsprechenden Prädisposition nach einem belastenden Ereignis nicht zu einer Herabregulation des Stresssystems kommt (14). Die dann permanente Überaktivierung (Hyperarousal) führt zu einer chronischen Insomnie mit einer persistierenden Übererregung auf kognitiver, emotionaler und physiologischer Ebene (6, 7, 14, 15). Befunde, nach denen bei Patienten mit Insomnie ein erhöhter Anteil schneller Frequenzen im EEG des NonREM-Schlafs sowie eine erhöhte Frequenz von Mikroarousals spezifisch im REM-Schlaf vorliegen, die zu einer verstärkten Wahrnehmung des REM-Schlafs als Wachheit bei Insomniepatienten beitragen könnte (16, 17), bestätigen das Modell. In Kombination mit dem neurobiologischen Regulationsmodell von Schlafen und Wachen (11) kann ange-
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nommen werden, dass das Hyperarousal (und damit die Insomnie) die Folge einer Dominanz von Arousal-vermittelnden Hirnarealen gegenüber schlafinduzierenden Hirnarealen darstellt (6). Kognitive Modelle der Insomnie (z. B. [9]) haben sich aus der Beobachtung entwickelt, dass viele Betroffenen vor allem abends im Bett grübeln und das Gefühl haben, nicht abschalten zu können. Inhaltlich beziehen sich diese Gedanken häufig auf belastende Ereignisse oder, typischerweise, auf die Schlafstörung und ihre realen oder antizipierten Konsequenzen. Diese Gedanken führen zu einem Hyperarousal mit folgender Insomnie oder zur weiteren Aufrechterhaltung des Arousals und damit zu einer Festigung der Insomnie. Diese Zusammenhänge wurden im Insomniemodell von Morin (1993, Abbildung 2, (18)) formuliert.
Polysomnografie In einer Polysomnografie lassen sich spezifische Schlafstörungen (z. B. RBD, RLS/PLMS; schlafbezogene Atemstörungen) erfassen bzw. bestätigen. Die Polysomnografie liefert jedoch neben der Erfassung von Atmungs-, Muskelaktivität und der Schlafkontinuität (Ein- und Durchschlafen sowie frühmorgendliches Erwachen) auch Informationen über die Architektur des Schlafs mit den verschiedenen Schlafstadien und deren Verteilung über die Nacht. Die objektiven Messungen des Schlafs bei jungen gesunden Menschen zeigen eine gute Schlafeffizienz mit einer kurzen Einschlafzeit und wenigen nächtlichen Wachphasen (Schlafkontinuität). In der Schlafarchitektur kommt es zu einem regelhaften Wechsel zwischen NonREM und REM-Phasen, mit einer Abnahme der NonREM-Intensität und einer Zunahme des REM-Schlafs im Verlauf der Nacht. Im Alter kommt es zu einem leichteren Schlaf mit häufigerem nächtlichen Erwachen und einer Verkürzung der Schlafdauer. Zudem ist der Schlaf weniger tief als im jungen Erwachsenenalter, die leichten Schlafstadien des Non-REMSchlafs (Stadien 1 und 2) treten häufiger auf und der Tiefschlaf wie auch der REM-Schlaf, wenngleich geringer ausgeprägt als der Tiefschlaf, nehmen im Alter ab (3, 4, 19). Bei nahezu allen psychischen Erkrankungen finden sich neben einer Störung der Schlafkontinuität auch eine Störung der Schlafarchitektur, die in Abhängigkeit von der Diagnose unterschiedlich ist. Am besten untersucht ist diesbezüglich die Depression, die eine charakteristische Schlafarchitektur und REMSchlafveränderungen aufweist (Abbildung 3). Neurochemische und neuroendokrine Prozesse sind eng mit der Schlafregulation und einzelnen Schlafstadien verbunden (20).
Schlafstörungen als Indikator und Risikofaktor für Erkrankungen Wie für somatische Erkrankungen können Schlafstörungen auch für zugrundeliegende psychische Erkrankungen ein Indikator sein. Nahezu alle psychischen Erkrankungen gehen mit Schlafstörungen einher (6). Gerade Depressionen können im Alter durch somatische Symptome sowie Schlafstörungen überlagert sein und daher nicht gleich erkannt werden. Auch bei Demenzen können Schlafstörungen bei einem Teil der
Abbildung 3: Schlaf-EEG eines gesunden Probanden und eines Patienten mit Depression. (Abbildung: © U. Hemmeter)
Tabelle 3:
Therapie der Schlafstörungen im Alter
1. Therapie einer möglichen Grunderkrankung plus Therapie der Insomnie (Schlafstörung), falls nötig
2. Therapie der Insomnie Wichtig ist es, homöostatische und zirkadiane Ursachen zu berücksichtigen und, wenn möglich, den Anteil beider Komponenten an der Schlafstörung zu bestimmen.
Beginn mit nicht medikamentöser Therapie: ● chronobiologisches Verhaltensmanagement vor medikamentöser Therapie ● Lichttherapie ● Schlafrestriktion, partieller Schlafentzug ● Schlafhygiene, Entspannungsverfahren ● psychotherapeutische Interventionen (Stimuluskontrolle, Ruhebilder, Phanta-
siereisen, kognitive Umstrukturierung)
medikamentöse Therapie: ● Benzodiazepin-Hypnotika und -substanzen nur kurzzeitig ● bei länger notwendiger Behandlung: schlafanstossende und schlafregulieren-
de Antidepressiva und Antipsychotika (ohne anticholinerges Nebenwirkungsspektrum)
Quelle: mod. nach (19)
Patienten unerkannt bleiben, da diese Patienten im Gegensatz zu Patienten mit Depression oder Angststörungen nicht oder nur selten über ihren schlechten Schlaf klagen (19, 21). Über längere Zeit nicht oder unzureichend behandelte Schlafstörungen gehen mit einer Zunahme von kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen sowie ins-
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gesamt einer erhöhten Mortalität einher (22–24). Insbesondere für die spätere Entwicklung von Depressionen wie auch weitere psychische Erkrankungen stellt die Insomnie ein hohes Risiko dar (25). Zudem sind somatische und psychische Erkrankungen bei persistierenden Schlafstörungen schwerer und teilweise nicht vollremittierend behandelbar.
Funktionen des Schlafs Es besteht mittlerweile ein Konsens, dass dem Schlaf, insbesondere im tiefen NonREM-Schlaf, eine Erholungsfunktion sowohl für psychische wie auch somatische Funktionen zukommt (26). Zudem scheint der Schlaf auch eine reinigende Funktion für das Gehirn zu besitzen, indem Abfallprodukte von Stoffwechselvorgängen wie Proteine während des Schlafs entsorgt werden. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass vor allem während des Tiefschlafs beta-Amyloid durch das g-lymphatische System aus dem Gehirn transportiert wird und so den Alzheimer-typischen beta-Amyloid-Ablagerungen entgegenwirken kann (27). Viele Befunde zeigen einen Zusammenhang zwischen einem Schlafdefizit und einer Störung der Befindlichkeit sowie der kognitiven und der körperlichen Leistungsfähigkeit. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Schlaf und kognitiver Leistungsfähigkeit ist in den letzten Jahren intensiv untersucht worden. Einer der klarsten Befunde ist hier der Zusammenhang zwischen dem tiefen NonREM-Schlaf und dem deklarativen Gedächtnis im Sinn einer Gedächtniskonsolidierung während des Schlafs, aber auch zwischen REM-Schlafaspekten und weiteren kognitiven Funktionen, wie der psychomotorischen Geschwindigkeit (28). Neben dem subjektiven Leid der Patienten und der Einschränkung ihrer Alltagsfunktionalität weisen auch diese Erkenntnisse und Zusammenhänge auf die Notwendigkeit einer schnellen und intensiven Korrektur von bestehenden Schlafstörungen, auch im Sinn einer präventiven Funktion, hin.
Therapie der insomnischen Störung Liegt eine Insomnie in Folge einer anderen Grunderkrankung vor, muss diese zunächst behandelt werden. Das gilt ebenso für psychische Erkrankungen wie für somatische Erkrankungen. Sind Grunderkrankungen oder andere mögliche Ursachen (Einnahme von Substanzen oder schlafstörenden Medikamenten) ausgeschlossen oder besteht trotz bzw. auch während der Behandlung der Grunderkrankung weiterhin eine Insomnie, soll die spezifische Behandlung der Insomnie erfolgen. Diese besteht in medikamentösen und nicht medikamentösen Massnahmen (Tab. 3), wobei die nicht medikamentösen Massnahmen, wenn immer möglich, zuerst zum Einsatz kommen sollen. Ziel dieser Massnahmen muss eine Korrektur der Insomnie sein.
Nicht medikamentöse Behandlung Bei den nicht medikamentösen Massnahmen können Mittel unterschieden werden, die zu einer Stärkung von Prozess C führen (chronobiologische Massnahmen: konstante Schlaf- und Wachzeiten, fixe Zeitpunkte zur Einnahme von Mahlzeiten, fixe Tagesaktivitäten, ggf.
Lichttherapie zur festen Tageszeiten) sowie Massnahmen, die den Prozess S intensivieren (homöostatische Massnahmen: Schlafentzug, Schlafrestriktion, limitierter Mittagsschlaf ). Der individuell angepasste Einsatz von Lichttherapie (Prozess C) sowie alle Massnahmen der Schlafhygiene (meist beide Prozesse betroffen) sind weitere nicht medikamentöse Therapiemöglichkeiten, die direkt auf die beiden Prozesse der Schlafregulation einwirken, mit positiver Wirkung auf das Auftreten von tiefem NonREM-Schlaf (Prozess S) und einer Stabilisierung des REMSchlafs (Prozess C) (5, 19). Gerade in letzter Zeit stellt sich der positive Effekt von körperlicher Aktivität und Sport auf die Besserung von Schlafstörungen, auch bei älteren, sonst gesunden Personen, zunehmend heraus. Besonders wirksam waren dabei Programme mit mittlerer Intensität und einer Frequenz von drei Trainingseinheiten pro Woche über 3 bis 6 Monate. Über 50% der dort untersuchten Studien zeigten positive Wirkungen auf die Einschlaflatenz, die Dauer intermittierender Wachphasen, Tiefschlafphasen, Dauer des Schlafstadiums 2 und die Gesamtschlafzeit. In 2 Studien konnte unter dem Trainingsprogramm eine Reduktion der Schlafmedikation beobachtet werden (29).
Psychotherapie Bevor medikamentöse Massnahmen eingesetzt werden, soll den Patienten eine auf die Insomnie bezogene (störungsspezifische) Psychotherapie angeboten werden. Sowohl die deutschen (7), die europäischen (6), als auch die amerikanischen Leitlinien (30) empfehlen die störungsspezifische kognitive Verhaltenstherapie (KVT) für Insomnie als Therapie erster Wahl, da für sie die beste Evidenz vorliegt. Sie besteht bei Erwachsenen aus Entspannungsmethoden, Psychoedukation, Methoden der Schlaf-WachStrukturierung wie Stimuluskontrolle und Schlafrestriktion sowie kognitiven Techniken zur Reduktion nächtlichen Grübelns und zur Veränderung dysfunktionaler Überzeugungen. Methoden der kognitiven Interventionen sind z. B. der Grübelstuhl sowie die Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken. Bei der Technik des Grübelstuhls sollen die Patienten 15 bis 20 Min. über Themen nachdenken, die üblicherweise das Einschlafen verhindern, und sie dann «ad acta» legen, indem sie sie beispielsweise aufschreiben und in eine Schublade ablegen. Dabei können auch Merksätze und Ideen zur Problemlösung notiert werden mit dem Ziel, das Auftreten dieser Gedanken später in der Einschlafsituation zu reduzieren (6). Es liegen Metaanalysen und Studien vor, die auch eine Wirksamkeit von internetbasierter KVT (u. a. SLEEPIO, [31]) zeigen, die jedoch geringer war als in der Face-toFace-Therapie. Des Weiteren wurden wenige Studien zu achtsamkeitsbasierten Therapien und Hypnotherapie durchgeführt, die eine leichte bis moderate Wirkungen zeigen (6).
Medikamentöse Behandlung Auch wenn bei Schlafstörungen neben der Behandlung einer möglicherweise vorliegenden Grunderkrankung primär nicht medikamentöse Methoden eingesetzt werden sollen, ist es manchmal unumgänglich, auch schlaffördernde Medikamente einzusetzen. Gemäss den
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Tabelle 4:
Störungsspezifische Psychotherapie der primären Insomnie: KVT-I
Entspannung I Entspannung II Regeln für eine gesunde Schlaf/Rhythmusstrukturierung Kognitive Techniken I Kognitive Techniken II
Quelle: mod. nach (7)
körperliche Entspannung, progressive Muskelrelaxation gedankliche Entspannung, Ruhebild, Phantasiereise, Achtsamkeit Informationen zu Schlaf und Schlafstörungen, Schlafhygiene, SchlafWach-Rhythmus-Strukturierung, Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion Erkennen kognitiver Teufelskreise und sich selbst erfüllender Prophezeiungen, Gedankenstuhl Kognitives Umstrukturieren dysfunktionaler Gedankenkreisläufe
Guidelines soll dann eine medikamentöse Behandlung angeboten werden, wenn die Psychotherapie nicht möglich oder nicht verfügbar ist (6). In erster Linie und nur für den kurzzeitigen Einsatz stehen hier Benzodiazepin-Hypnotika sowie Benzodiazepin-Analoga (Z-Substanzen wie z. B. Zolpidem) zur Verfügung. Sie sind für die Behandlung der Insomnie zugelassen, sollten aber generell, vor allem aber im Alter, aufgrund des Nebenwirkungsprofils (Sturzgefahr, kognitive Störungen, Toleranz- und Abhängigkeitsproblematik) sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Ist eine längere medikamentöse Behandlung der Insomnie nötig, können vor allem Substanzen aus der Klasse der Antidepressiva oder der Antipsychotika gegeben werden, da sie kein Abhängigkeitspotenzial aufweisen.
Antidepressiva Die Guidelines empfehlen hier den Einsatz von Antidepressiva eher als die Gabe von Antipsychotika. Die zur Insomniebehandlung eingesetzten Antidepressiva sind Trazodon, Mirtazapin, Agomelatin, Amitriptylin, Doxepin und Trimipramin. In der klinischen Praxis werden diese Substanzen in grossem Umfang auch für Insomnien ohne komorbide Depression off-label eingesetzt. Die Dosierungsbereiche sind hier niedriger als in der Depressionsbehandlung (5, 6). Es ist darauf hinzuweisen, dass Amitriptylin und Doxepin eine ausgeprägte REM-Schlafsuppression aufweisen. Bei den anderen erwähnten Antidepressiva wird der REM-Schlaf nicht verstärkt beeinträchtigt, es kommt teilweise zu einer Zunahme des Tiefschlafs, wodurch mit diesen 4 Substanzen ein natürliches Schlafarchitekturprofil induziert wird (6).
Antipsychotika Von den Antipsychotika werden in der klinischen Praxis vor allem die sedierenden Antipsychotika Pipamperon und Quetiapin häufig eingesetzt. Weitere Möglichkeiten im Kontext von psychotischen Erkrankungen sind Olanzapin und Clozapin. Diese Antipsychotika besitzen vor allem aufgrund ihrer antagonistischen Wirkung am 5-HT2-Rezeptor eine tiefschlaffördernde und schlafregulierende Wirkung. Von den Guidelines werden sie aber, ausser zur Behandlung von Schlafstörungen bei psychotischen Erkrankungen, aufgrund des Verhältnisses von Wirksamkeit zu Nebenwirkungsprofil nicht empfohlen (5, 6).
In jedem Alter, vor allem aber bei älteren Menschen bestimmt neben dem Wirkprofil das Nebenwirkungsprofil der jeweiligen Substanz die Auswahl. Grundsätzlich sollten bei älteren Patienten keine Substanzen eingesetzt werden, die anticholinerge Nebenwirkungen aufweisen. Bei vorhandenen Komorbiditäten ist vor allem auf das Potenzial zur Auslösung eines extrapyramidalen Syndroms, einer QT-Zeitverlängerung und der Induktion einer diabetogenen Stoffwechsellage bzw. eines metabolischen Syndroms zu achten (32). Falls solche Medikamente eingesetzt werden, sollten nach Abklärung des Nebenwirkungsprofils und möglicher Komorbiditäten Substanzen gegeben werden, die keine grossen Änderungen der Schlafarchitektur bewirken und am besten eine Tiefschlafzunahme und keine REM-Schlaf-Suppression bewirken. Aus der Klasse der Antipsychotika sind dies vor allem Quetiapin, Olanzapin und Risperidon (33), wobei sich ihr Einsatz am Nebenwirkungsprofil orientiert und durch das Vorliegen möglicher Komorbiditäten limitiert ist. Neben Antidepressiva und Antipsychotika stehen noch weitere Substanzen und Substanzklassen mit sedierender und/oder hypnotischer Potenz zur Verfügung.
Pregabalin und Gabapentin Für Pregabalin wie auch Gabapentin bestehen Hinweise auf positive Effekte auf den Schlaf, indem sie das Einund Durchschlafen verbessern und den Tiefschlaf intensivieren können, wobei die Ergebnisse vor allem für Gabapentin nicht eindeutig sind (34, 35). Unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen (v. a. Sedation, vereinzelt Herzinsuffizienz, Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörungen, da überwiegend renal eliminiert) und der Komorbiditäten können beide Substanzen eine mögliche Alternative zu schlafanstossenden Antidepressiva und Antipsychotika darstellen, insbesondere, wenn gleichzeitig Schmerzen oder eine Angstproblematik vorliegen.
Melatonin In den USA, den Niederlanden und anderen Ländern wird Melatonin als frei verkäufliches Nahrungsergänzungsmittel eingestuft. In Deutschland und in der Schweiz ist es hingegen verschreibungspflichtig. Die Befunde von (nicht standardisierten, freiverkäuflichen) Melatoninpräparaten für die Behandlung von Schlafstörungen sind sehr heterogen und liefern keinen klaren Hinweis für eine Empfehlung (6).
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Merkpunkte:
● Schlafstörungen erfordern eine umfangreiche und ursachenorientierte, ggf. interdisziplinäre Abklärung.
● Bei sekundären Insomnien ist primär die Grunderkrankung zu behandeln. ● Die nicht medikamentöse ist der pharmakologischen Behandlung vorzuziehen
(Massnahmen der Schlafhygiene, Chronobiologie, kognitive Verhaltenstherapie, usw.). ● Medikamentöse Interventionen können je nach Intensität der Schlafstörungen und Chronifizierung vorgenommen werden.
Zugelassen für die Behandlung der Insomnie bei älteren Patienten (≥ 55 Jahre) ist das retardierte MelatoninPräparat (Circadin®) für einen Behandlungszeitraum von 3 Monaten, das sich in mehreren Studien als wirksam erwiesen hat (6, 36). Das als Antidepressivum und seit Kurzem auch als Anxiolytikum (generalisierte Angsterkrankungen, GAD) zugelassene Präparat Agomelatin (Valdoxan®) wirkt agonistisch auf die melatonergen MT1- und MT2-Rezeptoren und zeigt auch gute Wirkungen auf den Schlaf, insbesondere auf die Schlafarchitektur, bei gesunden Probanden und Patienten mit Depression (37). Studien zur Behandlung von Insomniepatienten liegen nicht vor. Unter Berücksichtigung des Nebenwirkungsprofils kann (off-label) ein Therapieversuch unternommen werden.
Orexin-Rezeptor-Antagonist Daridorexant Im Jahr 2022 wurde in der Schweiz erstmals ein Hypnotikum mit neuem Wirkmechanismus zugelassen, der Orexin-Rezeptor-Antagonist Daridorexant. Er hat sich in mehreren Studien, die auch ältere Patienten einschlossen, bei Insomnie als wirksam, sicher und generell gut verträglich erwiesen (38). Das Nebenwirkungsprofil war vergleichbar mit Plazebo; negative Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit wurden nicht gesehen (38, 39). Daridorexant könnte aufgrund dieser Ergebnisse und des günstigen Nebenwirkungsprofils ein gut verträgliches und anhand der Studienlage auch ein wirksames Hypnotikum darstellen.
Antihistaminika: Diphenhydramin, Doxylamin Beide Substanzen sind freiverkäuflich und auch Bestandteil von Kombinationspräparaten (z. T. mit Phytopharmaka). Sie haben eine langsame Anflutungsgeschwindigkeit und eine mittellange Halbwertzeit. Die Studienlage zur Wirkung bei Insomnie ist unzureichend (6). Wegen der rasch nachlassenden Wirkung bei regelmässiger Anwendung (Toleranz) sollten diese Substanzen, wenn überhaupt, nur zeitlich limitiert eingenommen werden (40). Aufgrund der geringen therapeutischen Breite, der ausgeprägten anticholinergen Effekte sowie weiterer gravierender Nebenwirkungen (Herz, Leber, Niere) und des hohen Interaktionspotenzials ist der Einsatz vor allem bei älteren Menschen nicht zu empfehlen (32, 41).
Promethazin Gleiches gilt für das verschreibungspflichtige Antihistaminikum Promethazin. Wenngleich der ausgeprägte antihistaminerge Effekt am H1-Rezeptor eine sedierende und hypnotische Wirksamkeit nahelegt, zeigen die Studien eine allenfalls mässige Effektivität bei Insomnie (42). Wegen der unzureichenden Studienlage, der raschen Toleranzentwicklung und der geringen therapeutischen Breite, der anticholinergen Eigenschaften, des ausgeprägten First-pass-Effekts sowie weiterer ungünstiger Nebenwirkungen im Alter (u.a. QTc-Zeitverlängerung) wird eine Anwendung nicht empfohlen.
Phytotherapeutika Von den Phytotherapeutika ist Baldrian am besten untersucht. Es liegen Metaanalysen vor (u. a. [43, 44]), deren Ergebnisse ein uneinheitliches Bild im Hinblick auf die Wirksamkeit bei Insomniepatienten zeigen. In den letzten Jahren wurden verschiedene Phytotherapeutika auf den Schlaf untersucht, von denen neben Baldrian Passionsblume sowie die Kombinationen von Baldrian mit Passionsblume oder Hopfen die besten Resultate zeigen (45). Die geringe Toxizität und das sehr geringe Auftreten von Nebenwirkungen (in Ausnahmefällen gastrointestinale Effekte und Hautreaktionen) sowie die teilweise positiven Wirkungen bei Insomniepatienten können Therapieversuche erlauben, wenngleich im Hinblick auf die generelle und signifikante Wirksamkeit bei Insomnie weitere exakt kontrollierte Studien notwendig sind.
Fazit Die Behandlung von Schlafstörungen besteht nie in einer alleinigen medikamentösen Behandlung. Es sind immer nicht medikamentöse Behandlungselemente und wenn möglich die störungsspezifische Psychotherapie einzubeziehen. Nach einer sorgfältigen Diagnostik und Schlafanamnese ist die Behandlung dann personalisiert auf die beim einzelnen Patienten vorliegende Konstellation zu planen und durchzuführen, mit dem Ziel einer vollständigen Behandlung der Schlafstörung und einer Wiederherstellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. l
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Dr. phil. Ulrich Michael Hemmeter
Leitender Arzt Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Alterspsychiatrie und -psychotherapie Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie Schlafmedizin
Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden Psychiatrisches Zentrum AR Krombach 3 9100 Herisau
E-Mail: ulrich.hemmeter@svar.ch
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FORTBILDUNG
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2/2023
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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