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Interaktionszentrierte Eltern-Kind-Therapie bei postpartalen Depressionen und Angsterkrankungen
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Bei rund 10% der Mütter ist mit klinisch relevanten Depressionen und Ängsten im Jahr nach einer Geburt zu rechnen. Damit verbunden ist ein Entwicklungsrisiko für die betroffenen Kinder, das nicht zuletzt über eine weniger entwicklungsförderliche Mutter-Kind-Interaktion vermittelt wird. Im ambulanten Bereich gibt es noch zu wenig entsprechende therapeutische Angebote über die rein störungsspezifische Behandlung der Mutter hinaus. Der Artikel bietet einen Überblick zur zentralen Bedeutung der entwicklungsförderlichen Interaktion zwischen Mutter und Kind und zu Vorgehen und Zielen der videogestützten interaktionszentrierten Eltern-Kind-Therapie.
Corinna Reck Alexandra von Tettenborn Maria Hagl
von Corinna Reck1 , Alexandra von Tettenborn1 und Maria Hagl2
Einleitung
D ie institutionelle Eltern-Kind-Behandlung im stationären Rahmen ist mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum weitgehend etabliert, dennoch sind entsprechende therapeutische Angebote gerade im ambulanten Setting noch nicht flächendeckend vorhanden, trotz des hohen Versorgungsbedarfs (1, 2). Tatsächlich treten psychische Störungen im Zeitraum um die Geburt nicht unbedingt häufiger auf als allgemein bei Frauen im entsprechenden Alter, lediglich für eine Episode der Major Depression ergab sich in einer repräsentativen US-amerikanischen Studie eine leicht erhöhte Prävalenz (3). Metaanalysen fanden für den peripartalen Zeitraum im internationalen Durchschnitt eine Prävalenz für depressive Störungen gemäss DSM-5 von rund 12% (Beginn bis zu 4 Wochen nach der Geburt [4]) und dass 8,5% der Mütter im ersten Jahr an einer oder mehreren Angststörungen litten (5), die zumeist schon vorher bestanden. In einer repräsentativen deutschen Studie lag die Prävalenz für Depression innerhalb der ersten 12 Wochen nach einer Entbindung bei 6,1% und für Angststörungen bei 11,1% mit deutlicher Komorbidität untereinander: 18,4% der Mütter, die an einer Angststörung litten, erfüllten auch die Diagnose einer depressiven Störung, und umgekehrt wurde bei 33,9% der Mütter mit einer depressiven Störung ausserdem eine Angststörung diagnostiziert (6). Als Risikofaktor für Depression und Angststörungen rund um die Geburt gilt neben dem Vorliegen früherer depressiver Episoden (7) beziehungsweise Angststörun-
1 Ludwig-Maximilians-Universität München, Department Psychologie 2 Freie wissenschaftliche Autorin, München
gen (8) auch ein stark ausgeprägter «Baby Blues», also eine postpartale Dysphorie (9). Weitere wichtige Risikofaktoren für eine postpartale Depression sind Missbrauch oder Vernachlässigung in der eigenen Kindheit, hohe Belastung in der Schwangerschaft, fehlende soziale Unterstützung, geringe Partnerschaftszufriedenheit und häusliche Gewalt (10).
Auswirkungen postpartaler Erkrankungen auf die Mutter-Kind-Interaktion Neben den allgemeinen Auswirkungen der ängstlichen und/oder depressiven Symptomatik auf Funktionsniveau und Wohlbefinden können Mütter, die unter postpartalen Störungen leiden, ganz unmittelbar in ihrem Kompetenz- und Beziehungserleben beeinträchtigt sein. Typische dysfunktionale Kognitionen und Ängste sind übertriebene Sorgen um die Gesundheit des Säuglings, Versagensängste, Gefühle der Überforderung und die Angst, mit dem Baby allein zu bleiben, oder auch Zwangsgedanken, das Kind zu schädigen (11, 12). Eine gute mütterliche Beziehungsbildung zum Kind (Bonding) ist jedoch grundlegend für eine gelungene Mutter-Kind-Interaktion. Beeinträchtigtes Bonding tritt vor allem im Zusammenhang mit depressiver Symptomatik gehäuft auf und kann auch nach deren Remission persistieren (13). Abbildung 1 beschreibt mögliche Charakteristika der Interaktion bei «depressiven» Mutter-Säuglings-Dyaden (14, 15). Säuglinge sind für die Regulation ihrer Affekte auf die Co-Regulation durch primäre Bezugspersonen angewiesen und reagieren unmittelbar und spezifisch auf das interaktionelle Verhalten ihrer Mütter, gemäss ihrer eigenen Ausstattung (z. B. Temperament, vorhandene Entwicklungsrisiken). Solche Interaktionszyklen der Co-Regulation sind unter anderem im sogenannten Mutual Regulation Model nach Edward Tronick (16) sowie im systemischen Regulationsmodell von Mecht-
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hild Papoušek (17) beschrieben. Aufgrund des durch die Depression eingeschränkten mütterlichen Selbstwirksamkeitserlebens und der Beeinträchtigung der intuitiven elterlichen Kompetenzen im Sinne von Papoušek kann es zu einem Überwiegen ungünstiger Feedbackschleifen kommen. Nach und nach generalisiert der Säugling die negativen interaktionellen Erfahrungen, während die Mutter weiteres Vertrauen in die eigene Kompetenz verliert. In einer Studie mit postpartal erkrankten Müttern zeigten depressive Mütter und ihre Säuglinge auf der Mikroebene ein geringeres Ausmass an Affekt- und Verhaltensabstimmung (matching) und brauchten länger, um von einem «mismatch» zu einer Auflösung zu kommen (interactive repair [18]). Im Prinzip liegt in der verringerten emotionalen Verfügbarkeit der Mutter und in einer geringeren Sensitivität für die Signale des Kindes einer der Transmissionswege der transgenerationalen Weitergabe von depressiven Affekten (15), und schon allein darin ist die Relevanz zur Behandlung postpartaler Störungen begründet – über den Leidensdruck der Mutter hinaus.
Evidenz und theoretische Fundierung der Eltern-Kind-Therapie Obwohl die Eltern-Kind-Psychotherapie eine lange Tradition hat (z. B. [19]) und sie gerade im deutschen Sprachraum unmittelbar aus der Säuglingsforschung heraus entwickelt wurde (17), ist die Evidenzbasis nach heutigen Massstäben noch relativ schmal, insbesondere für deren Anwendung beim Vorliegen postpartaler Erkrankungen. Und während allgemein die Wirksamkeit der Behandlung von Depressionen im peripartalen Zeitraum gut belegt ist, vor allem für die kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonelle Therapie (20), lag der Fokus der Studien meist auf der Reduktion der depressiven Symptomatik, das heisst, interaktions- oder rein kindbezogene Variablen wurden seltener erfasst. Bislang gibt es deshalb speziell für diesen Bereich weniger randomisierte kontrollierte Studien zur erfolgreichen Verbesserung der elterlichen Kompetenzen, der
Beeinträchtigte elterliche Kompetenz bei Depression
Mütterliche Verhaltensweisen in der Interaktion mit dem Säugling
• Passivität und/oder Intrusivität • weniger positiver Affekt/mehr negativer Affekt • weniger expressiver Ausdruck • weniger körperliche Berührung • mangelnde Kontingenz • verringerte Sensitivität für kindliche Signale • weniger (kindgerechte) Ansprache • fehlende Reaktion, wenn Kind sie anschaut
Reaktionen des Säuglings auf das Interaktionsverhalten der Mutter
• Rückzugs-/vermeidendes Verhalten • Vermeidung des Blickkontaktes • weniger positiver Affektausdruck • weniger Vokalisationen • häufigeres Weinen • niedriger Aktivitätslevel • erhöhte Irritabilität • erhöhtes Arousal/erhöhte Stressparameter (Cortisol, Herzfrequenz) • geringere Fähigkeit zur Selbstregulation
Enttäuschung, Rückzug, Schuldgefühle, Depression, verringertes Selbstwertgefühl
Desinteresse, Rückzug, Generalisierung, geringe
Selbstwirksamkeit
Abbildung 1: Typische Interaktionen in depressiven Mutter-Säuglings-Dyaden (modifiziert nach [14]; siehe auch [17])
Mutter-Kind-Interaktion und/oder der kindlichen Entwicklung (21). Bezüglich der Behandlung von Angststörungen von Müttern im ersten Jahr gibt es ausserdem kaum Interventionsstudien (5). Optimalerweise sollten Interventionsprogramme je nach Schweregrad der Symptomatik der Mutter beides im Blick haben, sowohl die Reduktion mütterlicher Psychopathologie als auch die Förderung einer entwicklungsförderlichen Mutter-Kind-Beziehung und einer gelungenen Co-Regulation der Affekte des Kindes. Aus dem ambulanten wie aus dem (teil-)stationären Bereich gibt es dabei gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Videotechnik, siehe
Abbildung 2: Schematischer Ablauf und Schwerpunkte der Video-Interventions-Therapie (VIT) nach Downing (24)
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zum Beispiel Weidner et al. (22). Die Arbeit mit Videos lässt sich in behaviorale wie psychodynamische Ansätze integrieren (23). Die psychotherapeutische Hochschulambulanz für Babys, Kinder, Jugendliche und (werdende) Eltern der Ludwig-Maximilians-Universität München bietet gemeinsam mit dem Ausbildungsinstitut MUNIK eine Baby- und Kleinkindsprechstunde an. Im Rahmen einer interaktionszentrierten Eltern-Kind-Therapie kommt hier unter anderem die Video-Interventions-Therapie (VIT) nach George Downing (24) zum Einsatz (Abbildung 2). Individuelle dysfunktionale Interaktionsmuster werden zusammen mit der Mutter per Videoaufnahme von typischen Alltagssituationen (z. B. beim Spielen, Füttern oder Wickeln) identifiziert und besprochen. Anhand der Videos wird die Mutter zunächst auf positive beziehungsweise entwicklungsfördernde Aspekte der Interaktion aufmerksam gemacht, um sie in ihrem mütterlichen Selbstwirksamkeitserleben zu unterstützen. Dysfunktionale Interaktionen werden adressiert, indem eine positive Ausnahme gesucht und die Mutter darin verstärkt wird, diese beziehungsförderlichen Verhaltensweisen häufiger zu zeigen. Die VIT geht dabei über rein behaviorale videogestützte Verfahren hinaus, indem zusätzlich eine gezielte Exploration von Gedanken und Gefühlen beim Betrachten der Videosequenzen erfolgt, und zwar mit Blick auf auftauchende biografische Hintergründe sowie mit einem körperorientierten Fokus: Frühe Interaktionserfahrungen sind vor allem als implizit (prozedural) gespeichertes Repertoire von nonverbalen Reaktionen in Beziehungen «verkörpert» (25). Mit der Mutter lassen sich diese Aspekte ihrer Beziehungsaufnahme erarbeiten (z. B. Anspannungsmuster im Umgang mit dem Kind), mit dem Ziel einer verbesserten Wahrnehmung und erhöhten Akzeptanz des eigenen körperlichen Erlebens. Ein weiterer Fokus liegt auf den sogenannten inneren Repräsentanzen, das heisst meist nicht bewussten Erwartungen und Einstellungen der Mutter in Bezug auf ihr Kind und ihrer Beziehung zu ihm, die wiederum von ihren eigenen Kindheitserfahrungen und insbesondere früh gelernten Interaktionsmustern geprägt werden – ein Phänomen, das Selma Fraiberg «ghosts in the nursery» nannte (19). Die Therapeutin wirkt dabei co-regulativ, indem sie die oft schwer aushaltbaren Gefühle der Mutter wertungsfrei aufgreift und bei deren Verarbeitung unterstützt, im Sinn von «containment» nach Wilfred Bion (26).
Merkpunkte:
● Peri- und postpartale Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen können die mütterliche Bindung zum Kind und die Interaktionsqualität beeinträchtigen.
● Therapeutische Interventionen sollten deshalb nicht allein auf die mütterliche Symptomatik fokussieren, sondern auch auf entwicklungsförderliche Interaktionsmuster und insbesondere auf eine gelungene Co-Regulation kindlicher Affektzustände.
● Zu deren Förderung eignet sich die Video-Interventions-Therapie (VIT) unter Einbezug körperorientierter Interventionen.
Vorgehen in der Praxis mit Fallbeispiel Bei Vorliegen einer klinisch relevanten depressiven Störung oder einer Angststörung im postpartalen Zeitraum sollte in jedem Fall auch der Säugling in der Diagnostik berücksichtigt werden, um mögliche Entwicklungsrisiken und einen spezifischen Interventionsbedarf abzuschätzen. Ausserdem stellt die Beteiligung des Vaters oder anderer Familienmitglieder einen wichtigen Baustein der Behandlung dar, gegebenenfalls auch in Form einer Paar- oder Familientherapie. Liegt eine deutliche Beeinträchtigung der MutterKind-Beziehung vor und besteht die Gefahr von emotionaler oder körperlicher Vernachlässigung oder Misshandlung sollte die Behandlung (teil-)stationär in einer entsprechenden Mutter-Kind-Einheit erfolgen. Andernfalls lässt sich die videogestützte interaktionszentrierte Eltern-Kind-Therapie gut ambulant – oft mit wenigen Sitzungen – durchführen, sofern die Mutter gut therapeutisch versorgt ist. Primäre Ziele in der Therapie sind die Förderung spezifischer entwicklungsfördernder Interaktionsmuster und der damit einhergehenden elterlichen, co-regulativen Fähigkeiten sowie die Modifikation ungünstiger Interaktionsmuster. Im folgenden Beispiel stand sowohl die Arbeit hinsichtlich besagter Interaktionsmuster (z. B. die Förderung von Interactive-repair-Prozessen durch Zeigen und Verinnerlichen positiver Ausnahmen) als auch die Beziehungsdynamik innerhalb der Familie im Vordergrund. Die Eltern eines 6 Monate alten Kindes nahmen auf Empfehlung Kontakt zu unserer Ambulanz auf. Die Mutter wurde bereits vor der Schwangerschaft aufgrund von Ängsten und Depressionen psychotherapeutisch und medikamentös behandelt, die Psychotherapie lief gerade aus. Sie beschrieb depressive Phasen peri- und postpartal sowie Panikattacken und soziale Ängste. Die Episode einer Major Depression war zu diesem Zeitpunkt teilremittiert. Im Verlauf der Eltern-Kind-Therapie wurde sie parallel in Psychotherapie mit tiefenpsychologischer Ausrichtung vermittelt. Die Eltern schilderten Probleme im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten ihres Kindes und eine Belastung der Paarbeziehung, die sich daraus ergäbe, aber sich umgekehrt auch auf ihr Baby auswirke. Der Junge sei unruhig, weine viel und sei «nicht einfach zu haben». Sie machten sich ausserdem Sorgen, dass er zu wenig zu sich nehmen könnte. Um die ohnehin schlecht schlafende Mutter zu entlasten, hatte der Vater die nächtliche Versorgung übernommen. Gleichzeitig schilderten beide eine Fokussierung des Kindes auf den Vater und eine Ablehnung der Mutter. Die Eltern-Kind-Therapie wurde zunächst im Rahmen einer Kurzzeittherapie meist wöchentlich durchgeführt, nach Verbesserung der Symptomatik niederfrequent beziehungsweise pausiert, bei Bedarf oder durch zum Teil äusserliche Umstände bedingte krisenhafte Zuspitzungen wurde wieder höherfrequent gearbeitet, insgesamt über einen Zeitraum von über 2 Jahren. Es wurde unter anderem mit der oben beschriebenen VIT nach Downing gearbeitet, mit beiden Elternteilen – wobei im Folgenden über den therapeutischen Prozess der Mutter berichtet wird. Mit ihr konnte erarbeitet werden, ihren innerlichen Stress zu reduzieren, wenn sie trotz vieler Versuche ihr Kind nicht beruhigen konnte. Eine hilfreiche Technik war
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hier, die in der jeweiligen Situation entstehenden Gefühle (wie Hilflosigkeit) zu identifizieren und zu vertiefen, indem sie zum Beispiel in einem weiteren Durchgang mit geschlossenen Augen nur auf den Ton des Videos hörte. Dadurch war es möglich, eine unterstützende innere Haltung zu erarbeiten, intensiviert durch körpertherapeutische Techniken wie beispielsweise das Erspüren und Verankern der körperlichen Veränderungen in diesem Prozess. Zusätzlich wurden Mentalisierungstechniken eingesetzt, indem die Mutter stellvertretend für den im Video gezeigten Säugling sprach («speaking for the baby»). Im Zuge der videobasierten Arbeit war es ihr möglich, die Bedürfnisse ihres Kindes leichter zu erkennen. In der Folge verbesserten sich das mütterliche Bonding und die Sicherheit im Umgang mit dem Kind. Ein weiteres zentrales Thema war mehr Flexibilität gegenüber dem Verhalten des Kindes beziehungsweise an einigen Stellen auch die Entpathologisierung seines Verhaltens. Folglich liess sich das Kind leichter beruhigen und zeigte weniger Verhaltensauffälligkeiten. Im späteren Verlauf konnten in der Kindheit verinnerlichte Verarbeitungsmuster (z. B. Selbstabwertungen im Zusammenhang mit einer inneren kritischen Stimme) für den therapeutischen Prozess greif- und nutzbar gemacht werden. Als wesentlich erwies sich die Arbeit mit dem «Selbstmitgefühl» der Mutter. Anhand ausgewählter Stellen eines Videos mit einer konflikthaften Interaktion wurde der inneren kritischen Stimme eine von Mitgefühl geprägte Stimme entgegengesetzt, verstärkt durch körpertherapeutische Techniken, indem auch körperliche Impulse gegenüber dem vergangenen Selbst in dieser Situation mit einbezogen wurden (z. B. es zu umarmen). Das Video wurde an entscheidenden Stellen gestoppt und die Mutter dazu ermutigt, ihrem vergangenen Selbst gegenüber Mitgefühl auszudrücken.
Schlussbetrachtung
Im hier beschriebenen Fallbeispiel wurde aus Platzgrün-
den nur sehr indirekt auf einen grundsätzlichen Aspekt
eingegangen, nämlich auf die transgenerationale Trans-
mission dysfunktionaler Interaktionsmuster. Die Mutter
hatte in ihrer Kindheit körperliche Gewalt erfahren, und
beide Eltern waren nicht zuletzt deshalb hoch engagiert
in der Therapie, um das nicht zu wiederholen – was
ihnen auch gelang.
In der interaktionszentrierten Eltern-Kind-Therapie spie-
len die elterlichen Kindheitserfahrungen sehr häufig
eine Rolle, und deren Auswirkung in der Interaktion mit
dem Kind lässt sich gut mit VIT und körperorientierten
Interventionen identifizieren und bearbeiten. Die klini-
sche Erfahrung zeigt, dass sich so einer transgeneratio-
nalen Weitergabe von wenig entwicklungsförderlichen
Interaktions- und Beziehungsmustern entgegenwirken
lässt.
l
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Corinna Reck
Ludwig-Maximilians-Universität München Department Psychologie Leopoldstrasse 13 D-80802 München
E-Mail: Corinna.Reck@psy.lmu.de
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