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Neue Entwicklungen in der magnetresonanztomografischen Bildgebung bei Demenzerkrankungen
Die magnetresonanztomografische (MRT) Bildgebung des Gehirns ist ein fester Bestandteil der Diagnostik demenzieller Erkrankungen. Da die MRT-Bildgebung ein nicht invasives Verfahren darstellt, eignet sie sich bestens für serielle Untersuchungen, die den Verlauf einer progredienten Neurodegeneration oder die Effekte einer neuroprotektiven Therapie feststellen. Neue Entwicklungen im Bereich der Gerätetechnik und in der computergestützten Diagnostik eröffnen neue Perspektiven für Ärzte und Wissenschaftler, die den Stellenwert der MRT-Bildgebung im klinischen Alltag hervorheben.
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Bogdan Draganski Vincent Dunet Roland Wiest
von Bogdan Draganski1, 2, Vincent Dunet3, Roland Wiest4
Epidemiologie der Demenzerkrankungen
A ufgrund der verbesserten medizinischen Versorgung, des kontinuierlichen sozioökonomischen Wachstums und der damit verbundenen längeren Lebensdauer nimmt die Prävalenz von Demenz weltweit und insbesondere in den Industrienationen zu. Innerhalb einer Generation stieg die Prävalenz der Demenzerkrankungen in Europa von 826 pro 100 000 Einwohner im Jahr 1990 auf 1443 pro 100 000 Einwohner im Jahr 2019. Hierbei sind die Zahlen bei Frauen (1923/100 000) deutlich höher als bei Männern (934/100 000) (1). Die Prävalenz ist naturgemäss viel höher in der älteren Bevölkerung (> 70 Jahre) und steigt deutlich auf > 10 000 pro 100 000 Personen mit ähnlichen Zahlen in Europa und Amerika. Das stellt nicht nur für die betroffenen Patienten und deren Familien eine grosse Herausforderung dar, sondern auch für das Gesundheitssystem und das zukünftige Patientenmanagement. Die häufigsten der Demenz zugrunde liegenden Subtypen sind in absteigender Reihenfolge Alzheimer-Demenz (AD), vaskuläre Demenz (VaD), gemischte AD und VaD, Lewy-Körper-Demenz (LBD), frontotemporale De-
1 LREN, Département des neurosciences cliniques, Lausanne Universitätsspital und Universität Lausanne, Lausanne 2 Neurologie, Max-Planck-Institut für Kognitive und Neurowissenschaften, Leipzig, Deutschland 3 Département de radiologie, Universitätsspital und Universität Lausanne, Lausanne 4 Support Center for Advanced Neuroimaging, Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Inselspital, Universität Bern, Bern
menz (FTD) und Demenzen anderer Ursachen (z. B. Alkohol, Morbus Parkinson, Morbus Huntington usw.), wobei die jeweilige Prävalenz nach Regionen und Altersgruppen variiert (2–4). Neben den Klassifikationen von DSM-5 (diagnostic and statistical manual of mental disorders) und ICD-11 (international classification of diseases) ist es überdies wichtig zu bedenken, dass die meisten Patienten mehrere ursächliche Faktoren aufweisen können, die in der Kombination die kognitiven Funktionen verändern können. Studienergebnisse belegen, dass gemischte Pathologien bei nahezu 30 bis 40 Prozent der Demenzpatienten zu beobachten sind (5). Daher sollten spezifische Muster in der Neurobildgebung erkannt werden, um die richtige Diagnose zu stellen. Zu diesem Zweck ist die MRT die Methode der Wahl bei der Erstuntersuchung von Patienten mit progressivem kognitiven Funktionsverlust.
MRT-Bildgebung in der klinischen Routine Laufende Fortschritte in der medizinischen Bildanalyse haben den Stellenwert der Neurobildgebung bei Patienten mit Verdacht auf Demenz verändert. Während die Indikationsstellung für eine Bildgebung bisher meistens zum Ausschluss einer behandelbaren Erkrankung erfolgte, die nicht mit einer primären Demenz in Verbindung steht (wie z. B. Tumorerkankungen, Normaldruckhydrozephalus, Gefäss-, Stoffwechsel- oder Autoimmunerkrankungen), ermöglichen heutige bildgebende Verfahren eine expertenbasierte oder automatisierte Mustererkennung struktureller Anomalien zur Diagnoseunterstützung bei primären Demenzformen (6–8). Eine behandelbare, nicht degenerative Ursache einer kognitiven Verschlechterung kann durch bildgebende Verfahren bei etwa 5 bis 10 Prozent der Patienten identifiziert werden (9). Klinische Untersuchungen allein
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sind häufig nicht ausreichend sensitiv, um strukturelle Hirnveränderungen auszuschliessen, die mit Demenzsymptomen einhergehen. Strukturelle Bildgebungsverfahren, zusammen mit MRT-Messungen der Hirndurchblutung und metabolischen Bildgebungsmethoden, sind Teil eines integrierten Arbeitsablaufs der Demenzdiagnostik zur Unterstützung der klinischen Diagnose. Die Gesamtbeurteilung und die Klassifikation demenzieller Erkrankungen erfolgen grundsätzlich in Verbindung mit Anamnese, klinischen und neuropsychologischen Befunden. Bei fehlenden Kontraindikationen ist die hochauflösende strukturelle MRT die Basisuntersuchung für die Analyse regionaler Volumenveränderungen der grauen Substanz, für Erkrankungen der weissen Hirnsubstanz und zur Detektion von Mikroblutungen im Gehirn, die das Altersausmass überschreiten. Alternativ kann eine kontrastverstärkte Computertomografie zur diagnostischen Abklärung eingesetzt werden. Die bildgebende Untersuchung dient hier primär zum Ausschluss einer behandelbaren Ursache sowie zur ersten Einordnung bezüglich des Vorliegens einer primär degenerativen, vaskulären oder gemischten Demenz. Eine Indikation zur Bildgebung besteht, falls eines oder mehrere der folgenden Kriterien vorliegen: l kognitive Beeinträchtigung im Alter, insbesondere
bei Patienten < 65 Jahre l akutes/subakutes Auftreten von kognitiven Sympto-
men l rasch fortschreitende Demenz l positive Anamnese für eine traumatische Hirnverlet-
zung l neu aufgetretene neurologische Symptome, insbe-
sondere fokale Ausfälle l positive Anamnese für das Vorliegen einer Tumor-
erkrankung l positive Anamnese für eine Koagulopathie/Anti-
koagulation l atypische Präsentation neuropsychiatrischer Sym-
ptome l atypischer Verlauf einer Demenzerkrankung.
Empfehlungen für MRT-Bildgebungsprotokolle Die gemeinsame Nutzung multizentrischer Bildgebungsdaten für mittlere und grosse Datenanalysen erfordert die Harmonisierung von Bildgebungsprotokollen. In der Schweiz werden seitens der Swiss Memory Clinics als Basisuntersuchung T1-gewichtete (T1-w) isotropen 3D-Sequenzen gemäss der Alzheimer Disease Neuroimaging Initiative (ADNI) (11), axiale oder 3D-FLAIR (fluid attenuated inversion recovery), T2-w TSE, T2* oder SWIund DWI/ADC-Sequenzen empfohlen, zudem optional Gadolinium-verstärkte fettsupprimierte 3D-T1-w-Sequenzen bei Vorliegen einer unklaren strukturellen Läsion (12). Zur Untersuchung regionaler zerebraler Durchblutungsveränderungen, die im Zusammenhang mit einem neurodegenerativen Prozess stehen, kann eine 2D- oder 3D-Arterial-Spin-Labelling-Messung (pulsed ASL oder pseudo-continuous ASL) ergänzend angeschlossen werden. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage zu Demenzprotokollen in 193 Einrichtungen in Europa berichtete die Mehrheit der angefragten Zentren, unterschiedliche Kombinationen von T1-w-, T2-w-,
3D T1w
PD/T2
Canadian Dementia Imaging Protocol
www.cdip-pcid.ca
T2-FLAIR
T2*
DIFFUSION
BOLD Rest
Scout
1 X 1 X 1 mm3 7 mins
0.94 X 0.94 X 3 mm3 5 mins
0.94 X 0.94 X 3 mm3 0.94 X 0.94 X 3 mm3
7 mins
5 mins
2 X 2 X 2 mm3 6 mins
3.5 X 3.5 X 3.5 mm3 10 mins
Abbilung 1: MRT-Protokoll – Sequenzdesign, Schichtdicke und Parametervorgaben nach dem Canadian Dementia Imaging Protocol (13). (© Duchesne S)
FLAIR-, diffusionsgewichtete und T2*w-Sequenzen als Basisprotokoll vorzuhalten. Eine standardisierte visuelle Bildinterpretation mittels skalierter Ratingverfahren wird in 75 Prozent der Zentren eingesetzt (vorwiegend als Rating von mikrovaskulären Marklagerveränderungen nach Fazekas und Hippocampusvolumenminderungen nach Scheltens), während nur 23 Prozent der Zentren eine volumetrische Bildanalyse oder eine strukturierte Befundung durchführen (28 Prozent) (10). T1-gewichtete Sequenzen werden in etwa 75 Prozent der Zentren mittels isotroper 3D-Sequenzen akquiriert, FLAIR-Untersuchungen gehören in > 95 Prozent der Fälle zum Protokoll, T2-gewichtete Sequenzen zu > 90 Prozent, ebenso T2*-gewichtete Gradientenecho- und diffusionsgewichtete Sequenzen. Kontrastmittelgestützte T1-w-Sequenzen werden in zirka 13 Prozent der Fälle zusätzlich durchgeführt. Methoden des Advanced Neuroimaging kommen bei 25 Prozent der Zentren routinemässig zur Anwendung, wobei in erster Linie das ASL zur Erfassung regionaler Perfusionsveränderungen und die Diffusionstensorbildgebung (DTI) zur Erfassung einer veränderten strukturellen Konnektivität, einer kortikalen Faserausrichtung und Bahndegeneration vorgehalten werden. Eine Voraussetzung für die Harmonisierung von Bildgebungsprotokollen und Sequenzparametern für multizentrische Datenanalysen sind Protokollempfehlungen für unterschiedliche Scannerplattformen und Feldstärken. Demenzabklärungen sollten, falls verfügbar, jeweils auf 3T-Scannersystemen durchgeführt werden. Standardisierte Korrekturverfahren sollten Korrekturen bezüglich Feldinhomogenitäten von Gradientensystemen und Korrekturen bezüglich der Uniformitätsschwankungen von Multikanalspulensystemen beinhalten. Für volumetrische Vergleichsstudien stellen Demenzprotokolle mit harmonisiertem Sequenzdesign, standardisierten Schichtdicken und Parametervorgaben für die wichtigsten Hersteller, wie kürzlich vom Canadian Dementia Imaging Protocol vorgeschlagen (Abbildung 1), eine wichtige Voraussetzung dar (13). In den letzten Jahrzehnten wurden zunehmend Initiativen unternommen, um Bildaufnahme, Auswertung und Berichterstattung in der klinischen Routine zu harmonisieren (10). Die Mindestkriterien wie die hochauflösende MRT, einschliesslich standardisierter MR-Sequenzen sowie der systematischen Analyse von MR-Bildern, erlauben damit, charakteristische Demenzmuster genau
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Abbildung 2: Automatische morphometrische Analyse bei Normaldruckhydrozephalus. Strukturelle MRT mit Ventrikelerweiterung (Pfeil) auf der T1-gewichteten Koronarebene (A) und der T2-gewichteten axialen Ebene (B) zusammen mit einer bilateralen Erweiterung der Sylvischen Fissur (Stern). Die volumenbasierte Morphometrie (C und D) bestätigt die ventrikuläre Erweiterung mit beginnender Hippocampusatrophie, normalen kortikalen und subkortikalen Lobärvolumina. Abbildung von Morphobox (Siemens Healthcare, Erlangen Germany).
zu erkennen. Es ist jedoch erwähnenswert, dass das erste Ziel der MRT in der initialen differenzialdiagnostischen Aufarbeitung bei Patienten mit kognitiven Defiziten darin besteht, andere nicht degenerative zerebrale Erkrankungen auszuschliessen, die möglicherweise von einer Behandlung profitieren könnten. Hier sollte vor allem bei jüngeren Probanden an Erkrankungen wie den frontotemporalen primären Hirntumor, Metastasen, den strategischen Schlaganfall, akute Stoffwechselerkrankungen wie Vitaminmangel, Normaldruckhydrozephalus (Abbildung 2) oder demyelinisierende Erkrankungen gedacht werden. Auch die seltene Prionenerkrankung sollte bei der Beurteilung von diffusionsgewichteter MRT-Bildgebung berücksichtigt werden, obwohl dafür keine kurative Therapie verfügbar ist.
Regionale Muster in der MRT-Bildgebung Die Kenntnis von anatomischen Regionen, die an der kognitiven Funktion beteiligt sind, und Arealen, die spezifisch für die verschiedenen Demenzsubtypen bekannt sind, ist eine Voraussetzung für die qualitative Bewertung einer regionalen Atrophie, die das Kennzeichen der meisten neurodegenerativen Erkrankungen ist. Während viele dieser Regionen Teil des limbischen Systems sind, wie der Hippocampus, der mediale temporale Kortex, der mediale parietale Kortex (Precuneus),
der frontale Kortex oder das Cingulum, unterscheiden sich Lokalisation und Atrophiedynamik zwischen den verschiedenen Demenzsubtypen. Daher wird im frühen Stadium der Alzheimer-Demenz über eine Atrophie des rechten Precuneus und des Hippocampus berichtet, gefolgt von einer schwerwiegenderen parietalen Atrophie (14). Eine atypische Präsentation der Alzheimer-Demenz, wie die posteriore kortikale Atrophie, die mit einem deutlichen Volumenverlust des Okzipitallappens einhergeht, kann auch mittels MRT erkannt werden (15). Der typische Befund einer FTD ist mit einer frontotemporalen Atrophie verbunden, bei der die posterioren Regionen ausgespart werden, wodurch der typische antero-posteriore Gradient entsteht, der auf der Sagittalebene gut zu sehen ist. Bei den FTD-Subtypen wurden unterschiedliche Atrophiemuster berichtet, die mit der klinischen Symptomkonstellation korrelieren. Beispielsweise zeigen Patienten mit der semantischen Variante der primären progressiven Aphasie (PPA) häufig eine charakteristische asymmetrische, links anteriore und inferiortemporale Atrophie (Abbildung 3), während Patienten mit der nicht flüssigen Variante der PPA am häufigsten eine links perioperkuläre Atrophie aufweisen. An den Grenzen des AD- und FTD-Spektrums liegt die logopenische Variante der PPA, die durch eine posteriore perisylvische Atrophie gekennzeichnet ist und mit der Alzheimer-Pathologie assoziiert ist (16). Darüber hinaus kann bei Parkinsonismus eine mesenzephale oder parietale Atrophie auf eine zugrunde liegende progressive, supranukleäre Parese beziehungsweise kortikobasale Demenz hinweisen. Seltenere genetische Störungen, die jüngere Patienten betreffen, können schliesslich typische Atrophiemuster aufweisen, wie etwa Nucleus caudatus und Putamenatrophie bei Morbus Huntington. Schliesslich hilft eine systematische Analyse der Verteilung und der Belastung von Hyperintensitätsläsionen der weissen Substanz (WHML) auf FLAIR und Mikroblutungen auf T2*/SWI-Sequenzen, Demenz unterschiedlichen vaskulären Ursprungs zu identifizieren (17).
Automatisierte morphometrische Analyse Da die qualitative Bewertung der Atrophie subjektiv ist, wurden in der Literatur zahlreiche standardisierte Atrophieskalen vorgeschlagen. Am häufigsten verwendet werden die Global Cortical Atrophy Scale, die Medial Temporal Atrophy Scale (oder Scheltens-Skala) für die Auswertung von Hippocampusatrophie, der KoedamScore für die Parietallappenatrophie und der Fazekas-Score für das altersbezogene WMHL-Rating (10). Dennoch ist die Bewertung anhand dieser Skalen weitgehend durch die alters- und geschlechtsbezogene Atrophie der Patienten sowie durch die variierende Expertise der Radiologen eingeschränkt (18). Um diese potenziellen Einschränkungen zu überwinden, wurden quantitative Werkzeuge entwickelt, die auf der automatisierten Segmentierung von 3D-T1- und FLAIR-Sequenzen basieren und morphometrische Messwerte für die kortikale Dicke und das Volumen mittels voxelbasierter oder oberflächenbasierter Morphometrie berechnen. Neueste Analyseverfahren ermöglichen den Vergleich zwischen einzelnen regionalen Volumina und einer alters- und geschlechtsangepassten Population ohne kognitives Defizit, wodurch
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die altersbedingte Atrophie und die Erfahrung der Radiologen berücksichtigt werden (19). Morphometrische Verfahren verbessern folglich die Genauigkeit für die Erkennung einer Hippocampusatrophie bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und Alzheimer-Demenz (20–22) und helfen bei der Diagnose von FTD (23). Die automatisierte Morphometrie erwies sich ebenfalls als hilfreich für die Differenzialdiagnose von atypischem Parkinsonismus wie vaskulärem (24) oder atypischem Parkinsonismus, zum Beispiel progressive supranukleäre Parese und Multisystematrophie (25). Wie bereits erwähnt, ist die Querschnitts- und Längsschnittquantifizierung des globalen altersbedingten WMHLVolumens mit einer Abnahme des episodischen Gedächtnisses und der exekutiven Funktion sowohl beim «normalen» Altern als auch bei Patienten mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und Alzheimer-Demenz verbunden (26). Die automatisierte Quantifizierung von WMHL in verschiedenen Hirnregionen kann den Zusammenhang zwischen mikrovaskulären Veränderungen der weissen Hirnsubstanz und individuellen kognitiven Fähigkeiten erläutern (27) und die damit verbundenen Hirnfunktionsverluste erklären (28).
Künstliche Intelligenz und computergestützte Diagnostik Naturgemäss haben die Techniken des maschinellen Lernens, die unter dem populären Begriff «künstliche Intelligenz» bekannt sind, ihren Weg in die Welt der klinischen Diagnostik gefunden. Es gibt zahlreiche Beispiele von gelungenen Ansätzen, die die Diagnostik, klinische Entscheidungsketten sowie die Terminplanung der Patienten verbessert und einen festen Platz in der Routine gefunden haben (29–33). In der wissenschaftlichen Literatur finden wir ebenfalls etliche Berichte über erfolgreiche computergestützte Diagnostik von Demenzerkrankungen (34, 35). Sowohl bei den Methoden des maschinellen Lernens – beispielsweise «support vector machines» (SVM), «deep (convolutional) neural networks» – als auch bei den Hochleistungscomputern stellen wir eine rasante Entwicklung fest, die aufgrund der Zugänglichkeit grosser Bildgebungsdatenmengen und zugehöriger Biomarker stetig an diagnostischer Genauigkeit gewinnen. Erste webbasierte «künstliche Intelligenz»-Algorithmen zur Demenzdiagnostik anhand MRT-Daten versprechen eine «Demokratisierung» des kumulierten Wissens und einen direkten Nutzen für die Klinik (36). Unserer Meinung nach befinden wir uns gerade in einer Übergangsphase, in der der technologische Fortschritt mit ethischen und gesetzlichen Überlegungen harmonisiert werden muss. Hier geht es um prinzipielle Fragen zum Dateneigentum, Arztverantwortung und Haftung, wenn diagnostische und therapeutische Entscheidungen anhand computergestützter Interpretationen gemacht werden können, um MRT-spezifische Bereiche bezüglich Reproduzierbarkeit von Hirnvolumenmessungen, die auf T1-w-Protokollen beruhen (37), sowie um die Robustheit der angewandten Analyseverfahren (38). Trotz grosser Fortschritte im Bereich der automatisierten morphometrischen Analyse und der computergestützten Diagnostik hat ein Konsensus über die «normale» oder «gesunde» Trajektorie von Hirnstrukturveränderun-
Abbildung 3: Semantische Variante einer primären progressiven Aphasie. Strukturelle MRT mit einer asymmetrischen anterioren, temporalen Atrophie (Pfeil) auf der T1-gewichteten axialen Ebene (A) und der T2-gewichteten koronaren Ebene (B). Die volumenbasierte Morphometrie (C und D) bestätigt eine fortgeschrittene kortikale und subkortikale Atrophie im Temporallappen und in der Insula links. Beginnende Atrophie links frontal kortikal, im Temporallappen und in der Insula rechts, jedoch normale parietale Volumina. Abbildung von Morphobox (Siemens Healthcare, Erlangen Germany).
gen im Alter erste Priorität. Hierbei sollten sich die Inter-
pretationen und die daraus folgenden Empfehlungen
auf eine grosse gesunde Population stützen, was eine
Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen er-
möglichen würde und die Optimierung des Patienten-
managements unterstützen sollte. Schliesslich sollten
die Verfügbarkeit von Software, die Reproduzierbarkeit
zwischen Software und der Kombination von Morpho-
metrie, molekularer Bildgebung und Liquor-Biomarkern
dazu beitragen, die Patientenversorgung ausserhalb
von tertiären Zentren zu verbessern.
l
Korrespondenzadresse: Bogdan Draganski
Laboratoire de recherche en neuroimagerie (LREN) Département des neurosciences cliniques Centre hospitalier universitaire vaudois Mont Paisible 16 1011 Lausanne E-Mail: bogdan.draganski@chuv.ch
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