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Rehabilitation beim Parkinson-Syndrom
Patienten mit Parkinson-Syndrom entwickeln Symptome, die durch medizinische Standardtherapie nicht oder nur unzureichend gebessert werden. Das gilt besonders für die nicht dopaminsensitiven Krankheitsvarianten, bei denen aktivierende Therapien mit Erfolg eingesetzt werden. Angesichts eines breiten Spektrums rehabilitativer Therapiemethoden gibt es zunehmend wissenschaftliche Evidenz für ihre klinische Wirksamkeit und ihre neurobiologischen Grundlagen. Im klinischen Alltag dominiert ein ärztlich geleiteter, interdisziplinärer Teamansatz.
Helene Lisitchkina KLaus Meyer
von Helene Lisitchkina und Klaus Meyer*
Einleitung
L iegt ein Morbus Parkinson vor und befindet sich der Patient in der Frühphase der Krankheit («honeymoon»), lässt sich mit dopaminerger Medikation fast immer eine deutliche Besserung der gestörten Motorik erreichen. Allerdings handelt es sich häufig nicht um die idiopathische Variante. Bei zirka 25 Prozent der klinischen Parkinson-Syndrome besteht ein heterogenes Spektrum unterschiedlicher Ätiologien, und die dopaminerge Medikation zeigt keine oder eine nur geringe Wirkung. Aber auch beim dopaminsensitiven idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) kommt es im Verlauf zu Behandlungsproblemen (motorischen Fluktuationen), die sich nur teilweise medikamentös bessern lassen. Sogenannte axiale Symptome (z.B. Kamptokormie) und auch die vielfältigen, nicht motorischen Symptome des IPS sprechen ebenfalls nicht oder nur wenig auf dopaminerge Medikation an. Insofern hat das Behandlungsspektrum, das als aktivierende, adjuvante oder auch übergreifend (neuro-)rehabilitative Therapie bezeichnet wird, einen besonderen Stellenwert (1–3).
Neurobiologische Grundlagen und evidenzbasierte Medizin In der Parkinson-Rehabilitation findet sich ein breites Spektrum therapeutischer Interventionen, deren wissenschaftliche Basis sehr unterschiedlich ist. Seit Marsden (1982) ist bekannt, dass das Kernproblem der Akinese eine Störung der Ausführung automatisierter motorischer Routineleistungen ist (1, 4). Durch Dopaminmangel im dorsalen Teil des Putamens wird die Generierung phasischer Signale gestört, die zur Kontrolle einfacher Bewegungen dienen (5). Die verminderte Bewegungsautomatisierung ist eine Folge davon. Die korrekte Bewegungsausführung beansprucht dann vermehrte Aufmerksamkeit. Durch den Einsatz von Cues oder weniger überlernter Bewegungen (z.B. marschieren statt gehen) können Bewegungsfolgen «entautomatisiert» werden (1). Tierexperimentell zeigt sich, dass körperliches Training auf molekularer Ebene den Zelltod verhindern, die syn-
* Ärztlicher Direktor und Chefarzt Klinik Bethesda
aptische Übertragung verbessern und Erholungsprozesse unterstützen kann (6, 7, 1). Bei Parkinsonpatienten liessen sich mit kernspintomografischer Volumetrie unter intensivem Gleichgewichtstraining neuroplastische Veränderungen im Kleinhirn nachweisen (8, 1). Gemäss Erkenntnissen aus dem Tiermodell ist das regenerative Potenzial verringert, wenn die aktivierende Therapie erst spät einsetzt (5, 1). Wiederholungsfrequenz, Komplexität, Behandlungsdauer und Übungsintensität sind für die nachhaltige Wirkung entscheidend (1). In den letzten 30 Jahren wurden zu einigen therapeutischen Ansätzen beim IPS kontrollierte, klinische Studien durchgeführt, die in der Cochrane Collaboration publiziert wurden (9–11), eine European Physiotherapy Guideline for Parkinson’s Disease veröffentlicht (12) sowie Empfehlungen gemäss deutschen S3-Leitlinien (13) und gemäss dem britischen NICE (14) ausgesprochen. Gute, aktualisierte Übersichten finden sich bei CeballosBaumann und Ebersbach (1) sowie bei Chien und Barsottini (3).
Motorische Probleme Neben Kardinalsymptomen ist das Auftreten situationsund medikationsbedingter Veränderungen der Motorik charakteristisch für das IPS. Bei Wirkungsfluktuationen unter dopaminerger Medikation richten sich therapeutische Übungsziele in der Regel auf motorische Defizite im On. Zur Beeinflussung der Off-Phasen steht die medikamentöse beziehungsweise die chirurgische Behandlung im Vordergrund. Plötzliche motorische Behinderungen können Folgen motorischer Blockaden sein, die unabhängig von medikamentös bedingten On-Off-Fluktuationen auftreten. Besonders charakteristisch ist das Freezing beim Gehen. Die paradoxe Beweglichkeit muss ebenfalls von medikamentös induzierten Fluktuationen differenziert werden. Bei Off-Blockaden kommt eine medikamentöse Intervention in Betracht (z.B. lösliches L-Dopa oder Apomorphin-Bolus), während bei On-Blockaden aktivierungstherapeutische Techniken gefragt sind (1). Nach Empfehlungen der Europäischen PhysiotherapieLeitlinie ergeben sich beim IPS die Behandlungsziele aus der jeweiligen Krankheitsphase (früh, mittel, spät) (12), wobei im Klinikalltag durchaus davon abgewichen werden kann. In frühen Krankheitsstadien kann ein breites Spektrum sportlicher Aktivitäten gegen die allgemeine Hypokinese eingesetzt werden. In mittleren Phasen steht eher die Therapie pharmakoresistenter
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Symptome im Vordergrund. Im fortgeschrittenen Verlauf gewinnen dann vor allem unspezifische Massnahmen zur Mobilisierung sowie die Kontraktur-, die Dekubitusund die Pneumonieprophylaxe an Bedeutung (1). Innerhalb der Therapie sind kompensatorische Behandlungsansätze, bei denen der Patient zum Beispiel durch Cueing lernt, Bewegungsmuster zu modifizieren, von restaurativen Strategien zu unterscheiden, bei denen versucht wird, das vorhandene Potenzial für eine Wiederherstellung physiologischer motorischer Kontrolle zu nutzen (1 ,15). Therapeutische Ansätze finden sich beispielsweise beim repetitiven Training gleichgewichtserhaltender Ausfallschritte (16), beim Krafttraining (17) LSVT BIG (18) oder Laufbandtraining (19). Im Klinikalltag wird Physiotherapie meistens als Mischprogramm kompensatorischer und repetitiver sowie aktiver und passiver Anwendungen praktiziert (1) (Abbildung). Rhythmisch-auditive Stimulation (RAS), Gangtraining mit Musik und Patterned Sensory Enhancement sind Beispiele für musiktherapeutische Techniken, bei denen Musik als komplexer sensorischer Stimulus eingesetzt wird, um sensomotorische, kognitive und affektive Prozesse im Gehirn der Parkinson-Patienten zu beeinflussen (20, 21). Nach einer im Jahr 2012 publizierten, kontrollierten Studie bewirkte ein Tai-Chi-Training bei Patienten mit leicht bis moderat ausgeprägtem IPS eine Verbesserung des Gleichgewichtes und des funktionalen Bewegungsausmasses sowie eine Reduktion der Sturzhäufigkeit (22). In Schweizer Parkinson-Zentren kommt vor allem Qigong als Element der traditionellen chinesischen Medizin zur Anwendung.
ADL (Activities of daily living)-Probleme Eine Verbesserung der Beweglichkeit unter aktivierender Therapie kann sich zwar positiv auf die Alltagskompetenz auswirken (9, 10), viele Einschränkungen im Alltag sind aber oft durch symptomorientierte Therapien allein nicht zu beheben (23, 24). Im klinischen und ambulanten Setting versuchen insbesondere Ergotherapeuten mit dem Patienten grösstmögliche Handlungsfähigkeit im individuellen Alltag gezielt zu trainieren (z.B. Anzieh-, Schreib-, Feinmotoriktraining). Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf tritt die proaktive Veränderung von Umweltfaktoren in den Vordergrund. Insofern ist die adäquate, auf häusliche Alltagsbewältigung gerichtete Hilfsmittelausstattung wichtiger Therapiebestandteil (Kasten).
Stimm- und Sprechstörungen Stimm- und Sprechstörungen treten im Krankheitsverlauf bei zirka 90 Prozent aller IPS-Patienten auf (25, 26). Sie gehören zu den motorischen Defiziten. Schluckstörungen sind in Abhängigkeit vom Erkrankungsstadium bei zirka 50 Prozent der IPS-Patienten vorhanden (27). Initial- und Leitsymptom der sogenannten ParkinsonDysarthrie ist der veränderte Stimmklang. Die Stimme klingt rau, behaucht und leise. 1987 wurde von der Gruppe um Ramig das Lee Silverman Voice Treatment (LSVT LOUD) entwickelt (28). Schlüsselelement ist die Steigerung der Stimmlautstärke. LSVT wurde in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) als Therapie-B-Empfehlung mit einer Evidenz von A++ aufgenommen (13).
Abbildung: Schwerpunkt von Lee Silverman Voice Treatment (LSVT®)-BIG ist das gezielte Üben von Bewegungen mit grosser Amplitude bei Patienten mit parkinsontypischer Bewegungsstörung.
Pneumonie gilt immer noch als häufigste Todesursache des IPS. Insofern sind Atem- und Schluckstörungen RedFlag-Symptome, die wegen der unmittelbaren Patientengefährdung rechtzeitig erkannt werden müssen. Hilfreich ist der frühzeitige Einsatz der fiberendoskopischen Schluckuntersuchung (FEES). Neben optimierter dopaminerger Medikation ist das Zusammenwirken logopädischer, pflegerischer, gegebenenfalls auch physiotherapeutischer und diätetischer Massnahmen elementarer Rehabilitationsbestandteil. Besonders wichtig ist deren Fortsetzung im häuslichen Milieu, zumal IPSPatienten bereits in frühen Stadien ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung und Gewichtsverlust aufweisen.
Kognition, Psyche Parkinson-Patienten entwickeln im Krankheitsverlauf häufig eine Demenz, wobei kognitive Defizite eher exekutive und räumlich-konstruktive Funktionen als das Gedächtnis betreffen (29). Schon frühzeitig kann eine «Bradyphrenie» auffallen. Anti-Parkinson- und andere medikamentöse Interventionen können psychomentale Fehlfunktionen verstärken. Neuropsychiatrische Auffälligkeiten wirken sich häufig negativ auf die Alltagsselbstständigkeit aus. Auch für pflegende Angehörige sind sie eine grosse Belastung (30, 31) und oft Hauptursache für die Einweisung in ein Pflegeheim (29). Die sogenannte multimodale Komplexbehandlung ist ein interdisziplinärer Ansatz, wobei die fachärztliche Teamleitung unter anderem die korrekte Begleitmedikation (z.B. atypische Neuroleptika, Antidepressiva, Antidementiva usw.) sicherstellt (1). Auch die neuropsychologische Abklärung sowie milieutherapeutische Massnahmen und ein Orientierungstraining gehören zum Therapiesetting. In der aktuellen S3-Leitlinie Parkinson der DGN hat kognitives Training den Empfehlungsgrad B (13). Parkinson-Syndrome sind häufig mit Depressionen und Angststörungen assoziiert (1). Schlafstörungen (inkl. REM-Parasomnie), erhöhte Tagesmüdigkeit, paranoidhalluzinatorisches Erleben (auch als Folge von AntiParkinson-Medikation), Hyper- oder Hyposexualität, Akzentuierung von Persönlichkeitsstörungen und vieles
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Kasten:
Hilfsmittel bei Parkinson-Krankheit
Körperpflege
An- und Auskleiden Essen und Trinken Bettmobilität Hausarbeit Freizeit und Beruf Fahr- und Gehhilfen
● Haltegriff für Badezimmerwände (Vakuum-Sicherheitsanzeige) ● verlängerte Waschbürste zum Rückenwaschen, Waschhandschuhe ● Steilkamm/Steilbürste mit gebogenem, langem Griff ● Duschhocker, Badewannensitz, Badewanneneinstiegshilfe,
Badewannenlift ● Antirutschstreifen für Dusche und Badewanne ● Nagelfeilen und Nagelscheren mit verstärkten Griffen ● Kippspiegel zum Rasieren, Frisieren und Schminken im Sitzen ● Toilettensitzerhöhung mit Armlehnen ● An-/Ausziehhilfe für Strümpfe/Socken ● Schuhlöffel mit verlängertem Griff ● Hilfe zum Zuknöpfen (Knöpfer), flexible Schuhsenkel ● Besteck mit verstärkten angewinkelten Griffen ● Trinkbecher mit Nasenausschnitt, die leicht zu greifen und zu
halten sind ● Schneidebrett mit Zubereitungshilfe ● Tellerrand, damit das Essen nicht vom Teller rutscht ● Tablettenteiler, Tabletten-Dossett mit Alarm ● Seidenbettwäsche/-pyjama, Rutschtuch zur Erleichterung
des Drehens im Bett ● Bettrahmen, elektrisch höhenverstellbarer Bettenrost ● Aus-/Einsteigshilfen für das Bett ● Greifzange, rutschsicheres Tablett, spezielle Abwaschbürste ● Multiöffner für Schraubdeckel, Kronendeckel und Dosen,
elektrischer Korkenzieher ● Flaschenhalter ● Handbürste zum Abwaschen mit Seifenspender ● Haushaltzange zum Greifen und Ziehen von kleinen Gegenständen ● Stiftverdickungen, Schlüsseladapter ● Grosstasten-Telefon, Grosstasten-Tastatur für PC ● Buchstütze, Tisch-Spielkartenhalter ● «Sturzhosen» mit Hüftprotektoren ● Bodenschwellenleisten, Treppenrampe, Treppenraupen, Treppenlift ● Anti-Freezing-Stock, Anti-Freezing-Rollator mit Laser-Lichtstrahl
und/oder Tonfunktion (Taktschlag) ● Rollator, Rollator mit Schleppbremsen ● Elektromobil, Elektrofahrrad, Dreirad-Fahrrad, Rollstühle auch mit
Elektroantrieb ● Fussheberorthesen, orthopädische Schuheinlagen
mehr gehören zum breiten Spektrum psychiatrischer Auffälligkeiten, die im Vordergrund stehen können. Psychomentale Aspekte haben oft entscheidende Bedeutung für Lebensqualität und soziale Integration der Betroffenen (30, 31). Mit Entspannungstechniken kann eine emotionale Stabilisierung erreicht werden (1). Zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung sowie bei ausgeprägten depressiven Störungen und Ängsten wurden psychoedukative Programme und auch verschiedene verhaltenstherapeutische Therapieprogramme eingesetzt. Dabei hat sich der Einbezug von Angehörigen als sehr sinnvoll herausgestellt (30, 31). Bezüglich therapeutischer Interventionen bei im Verlauf der Krankheit nicht seltener Paarproblematik, speziell
auch bei gestörtem Sexualleben, braucht es eine differenzierte Herangehensweise. Ein standardisiertes Gruppenedukationsprogramm mit parallelen Sitzungen für Parkinson-Patienten und ihre Angehörigen wurde von Macht und Ellgring (32) vorgestellt. Es wurde in verschiedenen europäischen Ländern evaluiert und deckt mit Trainingsinhalten zu unter anderem Stressmanagement und Förderung der sozialen Kompetenz wichtige Problemfelder der Betroffenen ab (33). Die Kölner Gruppe um Kalbe entwickelt derzeit ein adaptives Programm für «typisierte» Parkinson-Angehörige, welches die individuellen Bedürfnisse und Ressourcen der Angehörigen berücksichtigen soll (Copingstrategien, Selbstwirksamkeitserwartungen, Persönlichkeitsfaktoren usw.) (34, 35).
Soziale Situation Angesichts von Progredienz, Chronizität und Polysymptomatik ergeben sich zahllose Auswirkungen auf das Sozialleben (30). Selbsthilfegruppen und das Kompetenznetz von Parkinson Schweiz sind wichtige Komponenten in der sozialen Einbindung von Patienten und ihren Angehörigen. Eine weitergehende Sozialberatung (von Spitexhilfe bis zur Heimunterbringung) ist im Verlauf meistens unverzichtbar.
Spezielle Probleme Neben Bewegungsstörungen findet sich eine Vielzahl von Begleitsymptomen, die im Einzelfall das individuelle Störungsbild dominieren können. Auf medizinische Standardtherapie sprechen sie in der Regel nur unzureichend an. Manchmal sind es nur empirisch belegte Tipps und Tricks, die in der individuellen Problemsituation helfen. Nachfolgend einige Beispiele: Stürze sind bei fortgeschrittenem IPS ein relevantes Problem (36, 37). Bei atypischen Parkinson-Syndromen, wie Multisystematrophie (MSA) und progressiver supranukleärer Blickparese (PSP), sind posturale Ausgleichsreaktionen bereits bei Krankheitsbeginn gestört (37). Freezing, massive Haltungsstörungen, kognitive Defizite, reduzierte Kraft, Dyskinesien, orthostatische Dysfunktion, aber auch die Einnahme verschiedener Medikamente prädisponieren für Stürze. Angesichts der damit verbundenen Risiken ist ein individuell und multimodal angelegtes Sturzpräventionsprogramm wichtig. Schmerzen sind bei Parkinson-Patienten häufig. Mit optimierter dopaminerger Medikation lassen sich dystone off-assoziierte Muskelkrämpfe manchmal bessern. Bei fokalen, oft sehr schmerzhaften Dystonien kann gelegentlich nur die lokale Botulinumtoxininjektion helfen. Hypersalivation: Wenn unter dopaminerger Medikation und mit logopädischer Schlucktherapie nur unzureichende Erfolge zu erzielen sind, ist manchmal ein Versuch mit der Injektion von Botulinumtoxin in die Speicheldrüsen (Off-Label-Therapie) gerechtfertigt. Eskalierende Therapien (DBS und Pumpentherapien) sind heute unverzichtbare Bestandteile einer modernen Parkinson-Therapie. Aber auch bei effizienter tiefer Hirnstimulation können postoperativ motorische, psychiatrische und psychosoziale Probleme bestehen, die mit aktivierender Therapie angegangen werden müssen (1). Bei Pumpentherapien (mit kontinuierlicher subkutaner Apomorphininfusion und kontinuierlicher Gabe von Levodopa/Carbidopa-Gel über perkutane Gastrotomie)
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erfolgt normalerweise die Indikationsevaluation im stationären Setting eines Parkinson-Zentrums mit engmaschiger Beobachtung und Symptomprotokollierung. Dazu gehört auch die Schulung von Patient und Angehörigen im Umgang mit den Systemen und insbesondere auch hinsichtlich systemimmanenter Risiken (z.B. Neuropathien unter enteraler Infusion von Levodopa/Carbidopa-Gel [38] bzw. subkutane Noduli unter Apomorphin).
Ausblick
Das Setting rehabilitativer Therapien ist vielfältig. Vergli-
chen mit der medikamentösen und chirurgischen
Therapie der Parkinson-Syndrome steht die wissen-
schaftliche Bearbeitung erst am Anfang. Wenn zukünf-
tig vermehrt methodisch hochwertige, randomisierte
Studien zur klinischen Wirksamkeit von rehabilitativen
Techniken zur Verfügung stehen und auch deren neu-
robiologische Grundlagen verstärkt erforscht werden,
sollte dies den zahlreichen Betroffenen zugutekommen.
Ob die in den letzten 15 Jahren im Tiermodell und in
klinisch untersuchten Methoden der nicht invasiven
Neuromodulation das Spektrum aktivierender Anti-Par-
kinson-Strategien entscheidend erweitern werden, bleibt
abzuwarten. Intelligentes Cueing über Smartphone, Lauf-
bandtraining in Virtual Reality und Exergames können im
weitesten Sinne als roboterassistierte Therapiemethoden
bezeichnet werden. Ihre zukünftige Bewertung im kli-
nischen Rehabilitationsalltag ist zurzeit noch nicht ab-
schliessend möglich (11, 39, 40).
G
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Helene Lisitchkina
Leitende Oberärztin
Klinik Bethesda
Neurorehabilitation, Parkinson-Zentrum, Epileptologie
3233 Tschugg
E-Mail: lisitchkina.h@klinik-bethesda.ch
Literaturliste:
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Merkpunkte:
● Neben Kardinalsymptomen ist das Auftreten situations- und medikationsbe-
dingter Veränderungen der Motorik charakteristisch für das IPS.
● Die Behandlungsziele ergeben sich aus der jeweiligen Krankheitsphase.
● Aufgrund der Progredienz, der Chronizität und der Polysymptomatik ergeben
sich zahllose Auswirkungen auf die Motorik, auf Stimme und Sprache, auf
Kognition, Psyche und Sozialleben. Hinzu kommen Begleitsymptome wie
Schmerzen oder Hypersalivation.
● Verglichen mit der medikamentösen und chirurgischen Therapie der Parkin-
son-Syndrome steht die wissenschaftliche Bearbeitung der rehabilitativen The-
rapien aber erst am Anfang.
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