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Vorbeugen von Demenz durch Ernährung – Was ist möglich?
Zunehmendes Alter ist der Hauptrisikofaktor für Demenzerkrankungen. Daher sind Präventionsstrategien von grösstem Interesse. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass bestimmte Ernährungsmuster und die Einnahme bestimmter Nährstoffe mit einem verminderten Risiko, an Demenz zu erkranken, verbunden sind. Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass eine frühe Intervention mit der Kombination aus Wirkstoffen im Sinne einer «Mittelmeer-Diät» präventiv zu sein scheint.
Christine von Arnim
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von Christine von Arnim
Alzheimer-Demenz
D ie Demenz vom Alzheimer-Typ ist eine der häufigsten Erkrankungen im höheren Lebensalter. Dabei handelt es sich aufgrund der direkten und indirekten Kosten um eine chronische Erkrankung mit hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Entsprechend unserer demografischen Entwicklung wird sich die Zahl der Betroffenen bis 2050 ungefähr verdoppeln. Die Alzheimer-Demenz geht bei zunehmendem Absterben von Nervenzellen klinisch mit fortschreitender Verschlechterung der Gedächtnisfunktion und anderer kognitiver Funktionen einher und führt zu einer zunehmenden Beeinträchtigung in den Aktivitäten des täglichen Lebens bis letztlich hin zur völligen Pflegebedürftigkeit. Bis heute gibt es keine Möglichkeiten, die Erkrankung zu heilen. Die derzeit zugelassenen medikamentösen antidementiven Therapien sind die Acetylcholinesterase-Hemmer (mit Wirkung auf das cholinerge Transmittersystem) und Memantin (ein NMDA-Rezeptor-Antagonist [NMDA = N-Methyl-D-Aspartat]) mit Wirkung auf das glutamaterge Transmittersystem. Durch diese Medikamente kann eine Verlangsamung der Krankheitsverlaufs sowie eine funktionelle Verbesserung oder Stabilisierung erreicht werden. Die ersten Veränderungen der Alzheimer-Krankheit sind mit histopathologischen und biochemischen Methoden bereits sehr früh nachzuweisen. Nach neueren Untersuchungen sind die ersten Tau-assoziierten Veränderungen bereits im frühen Erwachsenenalter, teilweise sogar schon im Kindesalter, detektierbar, sodass es sich bei der Alzheimer-Krankheit um einer Erkrankung mit sehr langer präklinischer Phase handelt (1). Einhergehend mit der Ablagerung von hyperphopsphoryliertem Tau-Protein und Amyloid-beta-Peptid kommt es bereits vor Ausbruch einer Demenz zu einer Funktionsstörung und zum Untergang von Synapsen. Synapsen stellen
die Verbindung zwischen Nervenzellen dar und sind Bereiche mit sehr hohen metabolischen Anforderungen. Man nimmt derzeit an, dass individuelle Synapsen eine «Lebenszeit» von 6 bis 12 Monaten haben und hier eine ständige Erneuerung stattfindet. Die Hauptbestandteile von Synapsen sind mit Botenstoffen gefüllte Vesikel, die ständig von der präsynaptischen Zellmembran abgeschnürt, ausgeschüttet und wiederaufgenommen werden. Bei der Alzheimer-Krankheit sind hauptsächlich zuerst cholinerge und später auch glutamaterge Neurotransmittersysteme betroffen. Die Zellmembran, aus der die Vesikel abgeschnürt werden, ist im Bereich der Synapse reich an Phospholipiden und ungesättigten Fettsäuren. Zudem zeigen In-vitro-Untersuchungen, dass B-Vitamine die Regeneration von Methylgruppen und wahrscheinlich die Neubildung von Synapsen fördern (2).
Die Rolle von Nutrition bei Demenz Aufgrund dieser Befunde und Beobachtungen ergeben sich Hinweise, dass auch Ernährungsbestandteile einen positiven Effekt auf die Entstehung und Erhaltung von Synapsen haben können. Dies wird unterstützt durch Daten aus zahlreichen epidemiologischen Untersuchungen. Insbesondere die sogenannte «Mittelmeer»oder mediterrane Diät scheint mit einer Reduktion des Risikos, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken, assoziiert zu sein. In einer Beobachtungsstudie wurde ein um ein Drittel reduziertes Demenzrisiko festgestellt (3). In dieser in New York (USA) durchgeführten Studie wurde die «Mittelmeer-Diät» über folgende Punkte definiert: hoher Anteil an Fisch, Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Getreide und ungesättigten Fettsäuren, bei moderatem Anteil an Alkohol und niedrigem Fleisch- und Milchprodukteanteil. Auch nach Beginn einer Alzheimer-Demenz ist das Einhalten dieser «Mittelmeer-Diät» mit einer geringeren Sterblichkeit verbunden (4). Auch Daten aus Studien mit sogenannten Food-FrequencyQuestionnaires (Ernährungsfragebogen) weisen ein ähnliches Profil auf und zeigen, dass sich eine hohe Auf-
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nahme von dunklem und grünem Blättergemüse, Kreuzblütlergemüse, Fisch und Obst sowie eine geringe Aufnahme von Innereien, rotem Fleisch, fettreichen Molkereiprodukten, Butter und Transfett positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken (5). In verschiedenen Studien zeigen sich auch entsprechend erniedrigte Spiegel von Mikronährstoffen im Blut: In einer Metaanalyse, die 80 Studien dazu einbezog, wurden die Häufigkeit von erniedrigten Plasmawerten einer Reihe von Mikronährstoffen bei Patienten mit Alzheimer-Demenz geprüft und die Abweichungen von Kontrollen ermittelt. Es zeigten sich signifikant niedrigere Werte für Vitamin A, Folsäure, Vitamin B12, Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E und Zink (6). Eine andere Studie wies auf einen Zusammenhang zwischen Nährstoffspiegel, Kognition und strukturellen Kernspintomografie-Veränderungen hin, wobei zwei Konstellationen günstig waren: hohe Konzentrationen für B-Vitamine und die Vitamin C und D sowie hohe Spiegel für marine Omega-3-Fettsäuren (5). Was kennzeichnet nun eine «Mittelmeer-Diät» von ernährungswissenschaftlicher Seite her? Im Grunde ist sie durch hohe Anteile der drei folgenden Hauptgruppen charakterisiert: G B-Vitamine und Folsäure G Antioxidanzien G ungesättigte Fettsäuren.
B-Vitamine und Folsäure Folsäuremangel kann zu angeborenen Neuralrohrdefekten und megaloblastärer Anämie führen. Auch Vitamin-B12-Mangel kann zu megaloblastärer Anämie und neurologischer Symptomatik inklusive Hinterstrangsymptomatik bis hin zu akutem Querschnittssyndrom (funikuläre Myelose) und kognitiver Beeinträchtigung führen. Folsäure-, aber auch Vitamin-B12- und VitaminB6-Mangel führen zu erhöhten Werten von Homocystein im Blut. Erhöhte Homocysteinwerte sind assoziiert mit Endotheldysfunktion, vaskulären Erkrankungen und neuropsychiatrischen Erkrankungen. In epidemiologischen Studien gibt es Hinweise, dass erhöhtes Homocystein ein Risikofaktor für Demenzerkrankungen ist. Eine finnische Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen Homocystein-, Transcobalamin- (= Vitamin B12) und Folsäurewerten und der kognitiven Leistungsfähigkeit über die Jahre (7). Bis heute gibt es einige prospektive, randomisierte Studien zur Wirksamkeit von Folsäure (mit oder ohne Vitamin-B12-Gabe) auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Eine in Neuseeland durchgeführte Studie an kognitiv gesunden Menschen, welche unabhängig vom jeweiligen Homocysteinspiegel 1000 µg Folsäure, 500 µg Vitamin B12 und 10 mg B6 über 2 Jahre einnahmen, zeigte keine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit (8). Eine niederländische Studie hingegen konnte bei kognitiv gesunden, älteren Menschen mit erhöhtem Homocysteinspiegel nach Gabe von 800 µg Folsäure pro Tag über 3 Jahre verbesserte Gedächtnisleistung, Informationsverarbeitung und Arbeitsgeschwindigkeit beobachten (9). Im Gegensatz dazu zeigte eine Studie mit hoch dosierter B-Vitamin-Gabe (5 mg Folsäure, 1 mg B12, 25 mg B6) über 18 Monate bei Patienten mit leichter bis moderater Alzheimer-Demenz keinen Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit im ADAS-(Cognition Dementia Assessment Measures)-cog. Eine systemati-
sche Übersicht und Metaanalyse über 19 Studien, in denen mit der Gabe von B-Vitaminen Homocysteinwerte gesenkt wurden, zeigt auf, dass dadurch sowohl bei Menschen mit Demenz als auch bei Menschen ohne kognitive Beeinträchtigung kein signifikanter Effekt hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit erzielt werden konnte (10). Es ist jedoch bei diesen Interventionsstudien zu beachten, dass es in verschiedenen Ländern eine Folsäureanreicherung von Lebensmitteln gibt, wobei dies von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt wird (Deutschland: keine Beimengungspflicht; Schweiz: nationale Präventionskampagne; USA: Folsäurezusatz im Mehl gesetzlich vorgeschrieben).
Antioxidanzien Oxidative Schädigung wird als eine Ursache von Alzheimer-Demenz angenommen. Freie Radikale vermitteln Schäden an Proteinen, Lipiden, Mitochondrien und DNA, aktivieren den Zellteilungzyklus und können so zu Schäden an Nervenzellen beitragen. Daher nimmt man an, dass durch Gabe von Antioxidanzien diese Schädigung reduziert werden kann. In Alzheimer-Mausmodellen führt die Supplementation mit Vitamin E, einem starken Antioxidans, zu reduzierter Amyloid-β-Pathologie, erhält die Gesundheit von Neuriten und verbessert die Kognition (11–13). Wir haben in einer epidemiologischen Fall-Kontroll-Studie einen Zusammenhang zwischen schlechter kognitiver Leistungsfähigkeit und reduzierten Werten für Vitamin C und Beta-Karotin im Blut gesehen (14). Zudem gibt es einige Beobachtungsstudien, die darauf hinweisen, dass eine an Antioxidanzien reiche Diät das Risiko für Alzheimer-Demenz senken kann (15). In klinischen kontrollierten, randomisierten, doppelblinden Studien bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (16) und Patienten mit Alzheimer-Demenz (17) zeigte sich jedoch kein Effekt von Vitamin-E-Gabe über 3 Jahre bei 769 Patienten (16) oder einer Kombination von Vitamin E, Vitamin C und Alpha-Liponsäure oder Coenzym Q10 über 16 Wochen bei 78 Patienten (17) auf entsprechende Biomarker im Liquor. Auch in der Women’s Antioxidant Cardiovascular Study mit Vitamin E (402 mg jeden 2. Tag), Beta-Karotin (50 mg jeden 2. Tag) und Vitamin C (500 mg/Tag) zeigte sich kein Einfluss auf die Kognition über 5,4 Jahre (18), wobei ein möglicher später Langzeiteffekt von Vitamin C und Beta-Karotin weiter untersucht werden muss.
Ungesättigte Fettsäuren Die Alzheimer-Demenz ist eng mit dem Lipidmetabolismus verknüpft. Der genetische Hauptrisikofaktor für die Alzheimer-Demenz ist das Vorhandensein des ApoE4-Allels des Lipidtransportproteins Apolipoprotein E (ApoE). Ungesättigte Fettsäuren, insbesondere Docosahexaensäure (DHA), zeigen in Modellen antiinflammatorische und antioxidative Eigenschaften, fördern das Auswachsen von Neuriten, verbessern die Fluidität von synaptischen Membranen und begünstigen sogar Neurogenese (19). DHA ist in der Synapsenfraktion stark angereichert und bei Patienten mit Alzheimer-Demenz erniedrigt. DHA verzögert bei Alzheimer-Mausmodellen das Auftreten der typischen neuropathologischen Veränderungen (20).
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Epidemiologische Studien wiesen auf einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme (mehrfach) ungesättigter Fettsäuren und Demenz hin. Zudem gibt es aus vielen Studien Hinweise, dass Fischkonsum als Hauptquelle für Omega-3-Fettsäuren das Demenzrisiko senkt (21). Studien, in denen Fettsäuren im Plasma gemessen wurden, bestätigen, dass höhere Plasmaspiegel von Omega-3-Fettsäuren, insbesondere DHA, mit einem reduzierten Demenzrisiko einhergehen (22). Die Datenlage zu den Studien mit ungesättigten Fettsäuren ist kontrovers (Übersichtsartikel [19]). In einigen Studien (23–25) wird ein Effekt auf die Aufmerksamkeit, in einigen auf das Gedächtnis (24, 26, 27) und in einer anderen nur auf die Aktivitäten des täglichen Lebens berichtet. In einer aktuellen dreiarmigen prospektiv randomisierten Studie, in der eine mediterrane Diät plus 1 l Olivenöl/Woche oder plus 30 g Nüsse/Tag mit einer fettreduzierten Kontrolldiät verglichen wurde, zeigte sich in den beiden Interventionsgruppen eine reduzierte kardiovaskuläre Mortalität. Eine Post-hoc-Anlayse ergab stabilere kognitive Leistungen in den Interventionsgruppen (28).
Kombination von Nährstoffen Ein einzelner nutritiver Bestandteil hat bisher auch in grossen, prospektiv angelegten, gut geplanten Studien keinen durchschlagenden Effekt bezüglich Vorbeugung oder Behandlung von Alzheimer-Demenz gezeigt, sodass wahrscheinlich ähnlich wie beim Konzept «Mittelmeer-Diät» ein ausgewogenes Zusammenspiel von Nahrungsbestandteilen zielführend ist. Basierend auf diesem Ansatz wurden hypothesenbasiert mehrere Komponenten enthaltende «Nährstoffcocktails» zur Unterstützung der Funktion von Synapsen entwickelt. Durch diese diätetisch zugeführten Vorläufer der Membran- und Neurotransmittersynthese soll die synaptische Funktion optimiert werden. Ein speziell komponierter Wirkstoffkomplex (Fortasyn connect®) wurde bisher in mehreren Studien prospektiv analysiert. In einer ersten kontrollierten Studie wurden 225 Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz randomisiert eingeschlossen und dann doppelblind der Gruppe mit aktivem Wirkstoffprodukt (Souvenaid®) oder mit einem Plazebokontrolldrink (125 ml jeweils) zugewiesen (29). Dieser Drink wurde über 12 Wochen einmal täglich gekühlt konsumiert, und nach dieser Zeit wurden die Gedächtnisleistung und der allgemeine Schweregrad der Demenz untersucht. Es zeigte sich eine Verbesserung in einem primären Endpunkt, dem verbalen Gedächtnistest (Delayed-Verbal-Recall-Task, Wechsler-Memory-Scale-Revised), jedoch nicht im anderen primären Endpunkt, der allgemeinen kognitiven Leistung, analysiert durch die ADAS-cog (Alzheimer’s Disease Assessment Scale-cognitive subscale). In einer im Nachhinein post hoc durchgeführten Analyse zeigte sich der positive Effekt auf die Gedächtnisleistung insbesondere bei der Untergruppe der nur sehr leicht betroffenen Patienten. Hinsichtlich Geschmack und Konsistenz zeigte sich kein Unterschied zwischen aktivem Wirkstoffprodukt und Plazebokontrolldrink mit guter Verträglichkeit und exzellenter Compliance (95% der Studienteilnehmer nahmen den Drink entsprechend Plan ein). Dies spiegelt sich auch in den gemes-
senen Laborwerten wider, bei denen durch den Wirkstoffdrink eine signifikante Reduktion von Plasma-Homocystein und eine signifikante Erhöhung von DHA in der Erythrozytenmembran erzielt werden konnte. Basierend auf dieser vielversprechenden ersten Studie, welche Effekte hauptsächlich im Bereich von Gedächtnisleistung zeigte, wurden und werden weitere Studien durchgeführt. In einer Folgestudie bei 259 Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz kam es nach 24 Wochen zu einer signifikanten Verbesserung der Gedächtnisleistung (gemessen mit dem Memory z-Score der Neuropsychological Test Battery [NTB]) (30). Zusätzlich zeigte sich entsprechend der Hypothese, dass die synaptische Verbindung verbessert wird, eine verbesserte funktionelle Konnektivität im Elektroenzephalogramm (EEG). In einer weiteren Folgestudie mit 527 schwerer betroffenen Patienten über 24 Wochen mit leichter bis moderater Alzheimer-Demenz, welche bereits Antidementiva einnahmen, zeigte sich kein Effekt des Wirkstoffprodukts auf die kognitive Leistungsfähigkeit gemessen durch 11-ADAS-cog (31). Diese Studien deuten auf eine Wirksamkeit in einem (sehr) frühen Krankheitsstadium und zudem auf eine Wirksamkeit hinsichtlich der Gedächtnisleistungen hin. Dem wird derzeit in einer europäischen Studie nachgegangen, in der bei Patienten mit «prodromaler» Alzheimer-Demenz (entsprechend den von Dubois 2007 veröffentlichten Kriterien) zusätzlich auch biologische Parameter wie Gehirnvolumenänderung mittels Kernspintomografie, Demenzmarker im Liquor und verschiedene andere untersucht werden. Derzeit ist es wahrscheinlich noch zu früh, eindeutige Empfehlungen für diese Art von nutritiver Therapie zu geben, insbesondere da hier kein pharmakologisches Präparat von den entsprechenden Behörden zugelassen werden wird. Bis anhin ist es so, dass medizinische Nahrungsmittel für eine Zulassung nur Verträglichkeit und Sicherheit nachweisen müssen, aber keine Wirksamkeit. Allerdings zeigen diese sorgfältig durchgeführten Studien, dass eben auch medizinische Nahrungsmittel zur Besserung von Symptomen wie Gedächtnisstörung beitragen können. Dadurch wird ein neuer Standard in der Prüfung nutritiver Therapien gesetzt, der sinnvoll und wichtig ist, um den beratenden Ärzten Empfehlungen für ihre Patienten an die Hand zu geben. Vor dem Hintergrund, dass auf diesem Gebiet in den letzten Jahren gerade im Bereich der pharmakologischen Therapien nur sehr wenige Studien die von vornherein definierten primären Endpunkte erreicht haben, ist die Relevanz dieser Studien nicht zu unterschätzen.
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile Das Zusammenwirken einzelner Nahrungsbestandteile scheint bei der Entstehung einer Alzheimer-Demenz komplexer zu sein, als sich nach den epidemiologischen Studien vermuten lässt. Eindeutige Empfehlungen bezüglich der Ernährung mit Mikronährstoffen zur Vorbeugung oder Behandlung der Alzheimer-Demenz lassen sich heutzutage nicht geben. Allerdings weisen aktuelle Studien darauf hin, dass das höchste Potenzial von nutritiver Therapie in einer Kombination von Wirkstoffen und eher früh im Verlauf zu liegen scheint, wenn die
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Synapsen der Nervenzellen bereits gestört sind, aber
noch kein Zelluntergang stattgefunden hat.
Andere derzeit laufende Studien in diese Richtung
umfassen eine mehrdimensionale Multi-Domänen-In-
tervention bei «gebrechlichen» (frail) Patienten mit al-
lenfalls leichter kognitiver Beeinträchtigung inklusive
Ernährung (ungesättigte Fettsäuren), psychologischer
Beratung und körperlicher Aktivität (32). Inwiefern sich
durch Lifestyle-Interventionen über die Ernährung hin-
aus synergistische Effekte erzielen lassen, ist hoch span-
nend und für unsere immer älter werdende Gesellschaft
von grösstem Interesse.
G
Korrespondenzadresse:
Professor Dr. Christine A.F. von Arnim
Leiterin der Gedächtnissprechstunde
Neurologische Universitätsklinik Ulm
Oberer Eselsberg 45
D-89081 Ulm
E-Mail: christine.arnim@uni-ulm.de
Interessenkonflikte: Dr. von Arnim ist Mitglied im Scientific Advisory Board von Nutricia GmbH; sie hat Unterstützung für Reisen und Vortragshonorare von Nutricia GmbH, Lilly Deutschland GmbH, Desitin Arzneimittel GmbH und Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG erhalten; ihre Forschung wird unterstützt von Heel GmbH, Roche Diagnostics GmbH und ViaMed GmbH.
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Merksätze:
G Befunde und Beobachtungen geben Hinweise darauf, dass Ernährungsbestandteile einen positiven Effekt auf die Entstehung und Erhaltung von Synapsen haben können. Insbesondere die sogenannte «Mittelmeer»- oder mediterrane Diät scheint mit einer Reduktion des Risikos, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken, assoziiert zu sein.
G Eindeutige Empfehlungen bezüglich der Ernährung mit Mikronährstoffen zur Vorbeugung oder Behandlung der Alzheimer-Demenz lassen sich heutzutage nicht geben. Allerdings weisen aktuelle Studien darauf hin, dass das höchste Potenzial von nutritiver Therapie in einer Kombination von Wirkstoffen und eher früh im Verlauf zu liegen scheint, wenn die Synapsen der Nervenzellen bereits gestört sind, aber noch kein Zelluntergang stattgefunden hat.
G Ein einzelner nutritiver Bestandteil hat bisher auch in grossen, prospektiv angelegten, gut geplanten Studien keinen durchschlagenden Effekt bezüglich Vorbeugung oder Behandlung von Alzheimer-Demenz gezeigt, sodass wahrscheinlich ähnlich wie beim Konzept «Mittelmeer-Diät» ein ausgewogenes Zusammenspiel von Nahrungsbestandteilen zielführend ist.
G Allerdings zeigen aktuelle Studien, dass auch medizinische Nahrungsmittel zur Besserung von Symptomen wie Gedächtnisstörung beitragen können.
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