Transkript
Fortbildung
Apraxie
Klassifikation und neuroanatomische Grundlagen
Stephan Bohlhalter
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Im vorliegenden Übersichtsartikel werden eine gliedkinetische, ideomotorische, sequenzielle und konzeptuelle Apraxie differenziert, welche in unterschiedlichen Kombinationen
der Klassifikation von Hugo Liepmann Anfang des letzten Jahrhunderts beruht (6). Die Tabelle fasst die verschiedenen Apraxieformen zusammen.
bei vor allem linkshemisphärischen Schlaganfällen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer vorkommen. Neuroanatomisch lässt sich die gliedkinetische Apraxie hauptsächlich prämotorischen Läsionen zuordnen, während bei der ideomotorischen und konzeptuellen Apraxie eher posterior-parietale beziehungsweise temporo-okzipitale Regionen involviert sind. Die Apraxie stellt eine relevante höhergeordnete motorische Störung dar, die bezüglich zukünftigen Behinderungsgrads im Alltag nach Schlaganfall prognostisch ungünstiger sein kann als andere Defizite wie etwa die Aphasie.
Definition und Klassifikation der Apraxie
A praxie ist eine höhergeordnete motorische Störung geschickter und/oder gelernter Bewegungen, die nicht durch ein elementar neurologisches oder kognitives Defizit erklärt ist. Die Diagnose einer Apraxie ist aber durch die Präsenz anderweitiger Ausfälle nicht ausgeschlossen. So ist beim linkshemisphärischen Schlaganfall die Apraxie auf der kontralateral rechten Seite häufig durch das sensomotorische Hemisyndrom maskiert beziehungsweise auf dieses aufgepfropft. Deshalb sollte die Apraxie vorzugsweise auf der ipsilateral linken Seite untersucht werden. Zudem sollte sich we-
gen der oft assoziierten Aphasie die Untersuchung stärker auf Imitationsaufgaben stützen, die kein Sprachverständnis voraussetzen. Auch durch die Prüfung nichtsymbolischer, das heisst bedeutungsloser Gesten lassen sich sprachliche Beeinträchtigungen umgehen. Vorliegender Artikel beschränkt sich auf die Diskussion der Apraxie der Arme. Apraxie kann sich auch bukkofazial, an Rumpf oder Beinen manifestieren, darauf wird aber hier nicht weiter eingegangen. Anlässlich eines internationalen Workshops über ideomotorische Apraxie (September 2004, Bethesda, USA) wurde eine Einteilung der Apraxien vorgestellt (16), die in adaptierter Form im Wesentlichen auf
Tabelle:
Einteilung der Apraxien
(nach K. Heilman, Internationaler Workshop über (ideomotorische Apraxie, 2004, Bethesda, USA, siehe auch [16])
Multimodale Apraxien ◆ Gliedkinetische Apraxie (LKA) ◆ Ideomotorische Apraxie (IMA)
– Repräsentationell* – Diskonnektiv ◆ Sequenzielle Apraxie** (SA)
Modalitätsspezifische Apraxie ◆ Dissoziationsapraxien
(visuell, auditorisch, taktil)
* von gewissen Autoren in repräsentationell und diskonnektiv weiter unterteilt (vgl. Buxbaum et al., 2007) ** auch als ideatorische Apraxie bekannt, siehe Text
Im Artikel werden die multimodalen Apraxiesyndrome einzeln besprochen. Auf die sogenannten Dissoziationsapraxien, die sich jeweils nur in einer Modalität manifestieren (z.B. auditive Pantomime intakt und visuelle Imitation gestört oder umgekehrt) wird nicht näher eingegangen, da diese, obwohl theoretisch interessant, klinisch weniger relevant sind.
Gliedkinetische Apraxie
Die gliedkinetische Apraxie (Limb kinetic apraxia, LKA) bezeichnet einen Verlust der Finger- und Handgeschicklichkeit, die durch die Störung präziser und koordinierter Bewegungen
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charakterisiert ist. Typisch für diese Feinmotorikstörung ist die Unfähigkeit, einzelne Finger selektiv zu innervieren. Sie wird deshalb auch innervatorische Apraxie genannt, ein Ausdruck, den Kleist prägte (12). Einen einfach durchzuführenden und sensitiven klinischen Test für LKA stellt der «Coin Rotation»-(CR-)Test dar, bei welchem die Patienten aufgefordert werden, eine 50-Rappen-Münze (exakt einem US Nickle entsprechend) so schnell wie möglich zwischen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zu rotieren. Gemessen wird dann die Zeit in Sekunden, die gebraucht wird, um 20 Halbdrehungen zu machen. Aufgrund publizierter Normwerte bei einem Kollektiv von 40- bis 79-Jährigen (n = 60) können, entsprechend Grenzwerten von 2 Standardabweichungen über den Mittelwerten, Zeiten von mehr als 19 s für die rechte und mehr als 21 s für die linke Seite als abnorm gelten (10). LKA wird als höhergeordnete motorische Störung angesehen, weil angenommen wird, dass sie auf einer Dysfunktion prämotorischer Areale beruht, das heisst auf Hirnregionen, die dem motorischen Kortex vorgeschaltet sind (13). Als weiteres Argument für eine höhergeordnete Störung kann angeführt werden, dass die LKA, zumindest wenn prämotorische Areale linkshemiphärisch betroffen sind, zu einer bilateralen Störung der Geschicklichkeit führt, wenn auch deutlich asymmetrisch rechts betont (10). Trotzdem stellt die LKA keine kognitiv motorische Störung im engeren Sinne dar, die durch räumlichzeitliche oder konzeptuelle Defizite geprägt wäre. Vielmehr resultiert die LKA, wenn die Übermittlung von räumlich-zeitlichen Bewegungsmustern, die im inferioren Parietallappen vermutet werden (Abbildung 1), über sogenannte «innervatorische Muster» des prämotorischen Kortex (PMC) zur Repräsentation einzelner Muskelgruppen im primär motorischen Kortex unterbrochen ist. Insofern nimmt die LKA eine mittlere Position zwischen höhergeordneter Apraxie und elementar motorischem Defizit ein.
■ Prämotorischer Kortex (PMC) ■ Superior-parietaler Lobulus (SPL) ■ Inferior-parietaler Lobulus (IPL)
Abbildung 1: Die Pfeile zeigen ein vereinfachtes Schema der anatomischen Verbindungen an, zwischen inferior-parietalem Lappen (IPL) und prämotorischem Kortex (PMC), und vom PMC zum motorischen Kortex. Es wird vermutet, dass die LKA vor allem durch Läsionen im PMC entstehen. Der PMC enthält sogenannte «innervatorische Muster», über die räumlich-zeitliche Bewegungspläne, die vermutlich im IPL gespeichert werden, gezielt einzelnen Repräsentationen von Muskelgruppen des motorischen Kortex zugesteuert werden.
Die LKA kommt häufig bei Schlaganfällen (10) und neurodegenerativen Erkrankungen vor (17), insbesondere bei der kortikobasalen Degeneration (CBD). Wir haben kürzlich bei Patienten mit Parkinson-Erkrankung (PD) eine Studie durchgeführt (5), die darauf hinweist, dass Probleme der Geschicklichkeit, sofern sie nicht durch Tremor oder Dyskinesien bedingt sind, auch bei der PD am besten mit einer LKA erklärt werden können. Hauptbefund der Studie war, dass die feinmotorische Störung, gemessen mit dem CR-Test, im Gegensatz zur Bradykinese (Fingerklopfen) kaum auf die dopaminerge Therapie ansprach.
Ideomotorische Apraxie
Die ideomotorische Apraxie (Ideomotor apraxia, IMA) ist die häufigste Apraxieform. Sie ist gekennzeichnet durch zeitliche und räumliche Fehler in der Ausführung von gelernten Bewegungen. Die Konzepte der Bewegungen bleiben in der Regel intakt, das heisst, die Patienten wissen, was sie tun, aber nicht, wie sie es tun sol-
len. So ist die beabsichtigte Geste bei der Testung der Pantomime (Nachahmen auf verbale Aufforderung) häufig noch erkennbar, aber in ihrem räumlich-zeitlichen Muster gestört. Patienten machen zum Beispiel beim Demonstrieren von Brotschneiden hackende anstatt längs gleitende Bewegungen, oder sie rotieren beim Schraubenziehergebrauch in der Schulter anstatt im Ellbogen (gestörte Intergelenkskoordination). Typisch sind auch «Body-part-as-object-(BPO-) Fehler», bei denen Körperteile als Werkzeug benutzt werden (z.B. Finger als Zahnbürste, Faust als Hammer), die persistieren trotz wiederholter Instruktion des Untersuchers, sich vorzustellen, den Gegenstand in den Händen zu halten und nicht Körperteile zu benutzen. Die Bewegungen werden häufig verzögert, mit vielen Unterbrüchen und verlangsamt durchgeführt, wobei der Patient sich der gewünschten Geste anzunähern scheint («conduite d’approche»).
In der klinischen
Untersuchung der IMA
ist die Domäne Panto-
mime typischerweise
stärker betroffen als
die Imitation.
Die Ausprägung der Defizite ist auch von der geprüften Semantik der Gesten abhängig. So sind transitive Bewegungen (objekt- bzw. werkzeugbezogen) stärker gestört als bedeutungslose und intransitive Gesten (nicht objektbezogen, kommunikativ) (13). In der Untersuchung sollten deshalb beide Praxiedomänen unter den genannten semantischen Gesichtspunkten geprüft werden. Im Screening sind folgende Aufforderungen nützlich: «Zeigen Sie, wie Sie Brot schneiden» für die Pantomime transitiver und «Zeigen Sie, wie Sie Autostopp machen» für die Pantomime intransitiver Bewegungen. Für die Imitation können die gleichen Aufgaben
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verwendet und durch eine bedeutungslose Geste ergänzt werden (z.B. Schraubenzieherbewegungen mit gestreckter Hand anstatt mit korrekter Handhaltung durchgeführt). Die apraktischen Defizite während der klinischen Untersuchung stehen häufig im Gegensatz zum scheinbar intakten tatsächlichen Werkzeuggebrauch, ein Phänomen, das als willkürlich-automatische Dissoziation bezeichnet wird. Die klinische Bedeutung der IMA wurde deshalb infrage gestellt (De Renzi et al., 1980; Poeck, 1986). Detaillierte kinematische Studien zeigten aber, dass Patienten mit IMA bei faktischem Werkzeuggebrauch die gleichen räumlich-zeitlichen Fehler machen wie bei der Pantomime entsprechender transitiver Bewegungen (15). Insbesondere wenn die IMA schwerer ist, genügt die feedbackgesteuerte Verbesserung durch das Werkzeug selbst nicht, um dessen defizitären Gebrauch zu kompensieren. Aufgrund der Besserung im natürlichen Kontext ist die Alltagsrelevanz der Behinderung bei der IMA allerdings weniger offensichtlich als bei andern Apraxieformen. Die Patienten klagen selten über apraktische Defizite oder sind sich der Ausfälle nicht bewusst, weil sie die Ungeschicklichkeit der linken Hand (bei Hemiparese rechts) der Händigkeit zuschreiben. Die Tatsache, dass Patienten in der Regel im Alltag an ihr Ziel gelangen, kann zudem über die effektive Einschränkung hinwegtäuschen. Sie kompensieren ihr Defizit, indem sie einzelne Bewegungen bei Alltagshandlungen häufiger wiederholen oder länger über ihre Umsetzung nachdenken. Die Behinderung entsteht dann dadurch, dass sie in der alltäglichen Routine deutlich mehr Zeit brauchen. Die IMA wirkt sich ausserdem auf die Rehabilitation der häufig assoziierten Aphasie aus, weil das Erlernen gestischer Kommunikation als Kompensation für sprachliche Defizite erschwert ist. Klinische Studien weisen darauf hin, dass nach linkshemisphärischen Schlaganfällen die Präsenz der IMA mit der Pflegeabhängigkeit korreliert und prädiktiver ist
für eine dauerhafte Behinderung als andere Defizite wie zum Beispiel die Aphasie (Sundet et al., 1988; HannaPladdy et al., 2003; Wetter et al., 2005). Obwohl versucht wurde, Kofaktoren wie Läsionsgrösse und andere kognitive Defizite statistisch zu berücksichtigen, sind aufgrund der relativ geringen Fallzahlen grössere Studien notwendig, um die funktionelle Auswirkung der IMA im Alltag evidenzbasiert zu klären (3). Rund 50 Prozent der linkshemisphärischen Schlaganfallspatienten zeigen eine IMA, auch bei neurodegenerativen Erkrankungen ist sie häufig. Läsions-Überlappungs-Studien haben gezeigt, dass ventral prämotorische und inferior parietale Regionen am häufigsten involviert sind (8). Diese Areale werden auch bei Gesunden aktiviert, wenn sie Pantomimen von transitiven und intransitiven Gesten planen (4). Die Aktivierung ist stark links lateralisiert, unabhängig davon, für welche Hand die Planung erfolgt (1). Ein einflussreiches Modell lokalisiert die sogenannten visuo-kinästhetischen Engramme, das heisst die räumlich-zeitliche Repräsentation von gelernten Bewegungen im linken inferioren Parietallappen (IPL), weil dessen Läsion zu einer Störung der Diskrimination von korrekt und inkorrekt ausgeführten Gesten führt (11). Das Modell wird gestützt durch die Tatsache, dass mit Involvierung des IPL die Imitation von transitiven Gesten und Handhaltungen, die die Interaktion mit Werkzeugen vermitteln, besonders betroffen ist (2). Dieser repräsentationelle IMA-Subtyp wird häufig bei Schlaganfallpatienten gesehen und von einem diskonnektiven Subtyp abgegrenzt, bei dem der Zugang zur IPL-Region, welche selbst relativ intakt bleibt, unterbrochen ist. Der diskonnektive Subtyp betrifft eher den superioren Parietallappen (SPL), welcher für eine dynamische räumliche Steuerung («online») von visuell geführten Bewegungen zuständig ist. Entsprechend sind die Patienten auch bei Imitation und bedeutungslosen Gesten stärker gestört.
Allerdings unterstützen nicht alle Daten das vereinfachte Modell der visuo-kinästhetischen Repräsentation im IPL. Vor allem Läsions-Überlappungs-Studien zeigen, dass die Pantomime von Werkzeuggebrauch (7), welche sich besonders auf gespeicherte Bewegungsengramme stützt, und gestische Diskrimination (14) auch von der Integrität des inferioren Frontallappens abhängig sind.
Sequenzielle und konzeptuelle Apraxie (ideatorische Apraxie)
In diesem Abschnitt soll auf die sequenzielle und konzeptuelle Apraxie eingegangen werden, welche in der Literatur aus dem älteren und noch gebräuchlichen Begriff der ideatorischen Apraxie (IA) hervorging (Ochipa et al., 1989 und 1992). Begrifflich hat die IA in der Literatur reichlich Verwirrung gestiftet (9). Einige Autoren bezeichnen damit eine Störung der Handlungssequenz, andere eine Beeinträchtigung des tatsächlichen Gebrauchs von Einzelobjekten, wobei nicht unterschieden wird, ob aufgrund eines Defizits im Konzept oder der Ausführung. Anlässlich des internationalen Workshops in Washington 2004 (Dr. K. Heilman) wurde deshalb vorgeschlagen, die Begriffe sequenzielle und konzeptuelle Apraxie einzuführen, und falls der Begriff ideatorisch verwendet wird, damit nur die sequenzielle Apraxie zu bezeichnen. Die sequenzielle Apraxie (SA) bezeichnet eine Störung der zielgerichteten Handlungsabfolge, das heisst, Einzelkomponenten von Handlungssträngen bleiben intakt, aber ihre Reihenfolge ist gestört. Klinisch kann die SA durch kurze Bewegungssequenzen geprüft werden. Der Patient erhält zum Beispiel ein Blatt Papier, ein Couvert und eine Briefmarke und wird aufgefordert, einen Brief zum Versand vorzubereiten (andere Möglichkeit: ein Blatt mit Locher in einen Ringordner heften). Ein Patient mit SA würde vielleicht das Couvert zukleben, bevor das Papier drin ist. Die SA kommt isoliert vor allem bei frontalen Läsionen
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vor. Sequenzielle Fehler werden aber auch häufig bei Patienten mit IMA beobachtet. Mit dem Begriff konzeptuelle Apraxie (CA) wird ein Verlust des semantischen Wissens von Objektgebrauch beschrieben. Die Patienten wissen nicht mehr, was sie tun sollen, wenn sie ein Werkzeug in der Hand halten. So können sie im Alltag beobachtet werden, wie sie zum Beispiel eine Zahnbürste als Kamm benutzen. In der klinischen Untersuchung fallen inhaltliche Fehler auf. Patienten demonstrieren bei einer Pantomimeaufgabe zum Beispiel von Schraubenziehergebrauch den Einsatz eines Hammers (Substitutionsfehler). Die CA kann gezielt auch durch Werkzeug-Selektions-Aufgaben untersucht werden. Den Patienten werden verschiedene Gegenstände (Zahnpasta, Zahnbürste, Kamm, Shampoo, Haarbürste) präsentiert, und sie werden aufgefordert, zum Zähneputzen die
«wo»
«wie»
«was»
Abbildung 2: Die Pfeile repräsentieren schematisch die Wege der visuellen Informationsverarbeitung, wobei das «Wo»-System über den SPL für die dynamische Onlinekontrolle von Bewegungen zuständig ist, das «Wie»-System über den IPL für die räumlichzeitliche Planung von Bewegungen und das «Was»-System okzipito-temporal für die Handlungsund Objekterkennung (Bedeutung der Apraxieuntergruppen siehe Text).
richtigen Objekte auszuwählen. Die Aufgabe kann auch als alternative Werkzeugselektion durchgeführt wer-
den, indem die Patienten aus drei Gegenständen (Beisszange, Schraubenzieher, Nagelschere) das Werkzeug auswählen sollen, welches am geeignetsten ist, einen Nagel einzuschlagen, wenn ein Hammer nicht zur Verfügung steht. Die CA kommt bei ausgedehnten linkshemisphärischen Schlaganfällen vor, insbesondere in der Frühphase, oder bei demenziellen Erkrankungen wie M. Alzheimer. Konzeptuelles Wissen über adäquaten Objektgebrauch scheint besonders von der Integrität einer Region im parieto-temporo-okzipitalen Übergang abhängig zu sein, wie neuere funktionell bildgebende Studien andeuten (Damasio et al., 2001; Ebisch et al., 2007). Schematisch vereinfacht, lässt sich die neuroanatomische Basis der CA und IMA anhand der verschiedenen Wege der visuellen Informationsverarbeitung verstehen, die von okzipital ausgehen (Abbildung 2).
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Die Apraxieunterformen überlappen sich häufig oder treten in Kombination auf.
Entsprechend kann mit vorwiegend temporaler Projektion ein «Was»-System für die Handlungs- und Objekterkennung, mit Ausdehnung über den IPL ein «Wie»-System für die räumlich-zeitliche Planung und über den SPL ein «Wo»-System für die dynamische Onlinekontrolle von Bewegungen abgegrenzt werden. Die CA entstünde gemäss dieser Organisation visueller Verarbeitung vor allem dann, wenn das ventrale «Was»-System einbezogen ist, während bei der IMA eine Störung im dorsalen «Wie»und «Wo»-System zu erwarten ist, wobei die repräsentationelle IMA stärker das «Wie»-System und die diskonnektive IMA stärker das «Wo»-System betrifft.
Schlussfolgerung
Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass zwischen den Apraxieunterformen Überlappungen bestehen und dass sie nicht selten kombiniert auftreten. So sind Schlaganfallpatienten mit IMA bei grossen linkshemisphärischen Läsionen initial häufig auch konzeptuell apraktisch. Oder bei der CBD ist die LKA oft mit einer IMA vergesellschaftet. Die präsentierte Klassifikation der Apraxie hat sich klinisch bewährt und erlaubt eine grobe neuroanatomische Zuordnung. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Apraxiesubtypen zusammengesetzten Störungen entsprechen und dass die Einteilung den zugrunde liegenden neuralen Mechanismen der einzelnen Domänen unter Umständen nicht gerecht wird. So gibt es zum Beispiel Daten,
die darauf hinweisen, dass bei der
IMA die Störung der Pantomime vor
allem auf inferior frontalen und die
defizitäre Imitation auf inferior parie-
talen Läsionen beruht (7).
◆
Dr. med. Stephan Bohlhalter Neurologische Universitätsklinik
Abteilung für Kognitive und Restorative Neurologie Inselspital 3010 Bern
Interessenkonflikte: keine
Literatur: 1. Bohlhalter S, Hattori N, Wheaton L, Fridman E, Shamim EA, Garraux G, Hallett M. 2008. Gesture-subtype dependent left lateralization of praxis planning: An event-related functional MRI study. Cerebral Cortex, in press. 2. Buxbaum LJ. 2007. Complex object-related actions: structure, meaning, and context. J Int Neuropsychol Soc 13: 993–996. 3. Buxbaum LJ, Haaland KY, Hallett M, Wheaton L, Heilman KM, Rodriguez A, Gonzalez Rothi LJ. 2008. Treatment of limb apraxia: moving forward to improved action. Am J Phys Med Rehabil 87: 149–161. 4. Fridman EA, Immisch I, Hanakawa T, Bohlhalter S, Waldvogel D, Kansaku K, Wheaton L, Wu T, Hallett M. 2006. The role of the dorsal
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