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Schwerpunkt
Sport für Kinder und Jugendliche mit angeborenen Herzfehlern
Auch Kinder und Jugendliche mit angeborenen Herzerkrankungen sollten sich regelmässig bewegen und an Schul- und Freizeitsport teilnehmen können (5). Ein individuelles Training ist sinnvoll, ein grundsätzliches Sportverbot nur in Ausnahmefällen notwendig. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Abklärungen der Sporttauglichkeit und die anschliessenden Sportempfehlungen für Kinder und Jugendliche mit angeborenen Herzfehlern erläutert.
Von Friederike Wippermann, Daniel Goeder und Renate Oberhoffer
K örperliche Bewegung und sportliche Aktivität sind für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von grosser Bedeutung. Viele, insbesondere diejenigen mit chronischen Erkrankungen – wie einem angeborenen Herzfehler –, bewegen sich häufig nicht ausreichend, unter anderem durch eine Überbehütung seitens Eltern und Lehrern (1–3). Die WHO versucht dem allgemeinen Trend des Bewegungsmangels bei Kindern und Jugendlichen mithilfe von Bewegungsempfehlungen, die ein tägliches Mindestmass an körperlicher Aktivität festlegen, entgegenzusteuern (4). Während eine Formulierung von Bewegungs- und Sportempfehlungen sowie eine Definition möglicher Belastungsgrenzen bei Gesunden weniger schwierig er-
Abbildung: Verschiedene Sportarten, kategorisiert in dynamisch und statisch (mod. nach [10])
scheint, ergeben sich bei Kindern mit einem angeborenen Herzfehler spezifische Fragestellungen. Empfehlungen zu körperlicher und sportlicher Aktivität differieren in Abhängigkeit von der Grunderkrankung, Operationen in der Vorgeschichte und dem Vorhandensein von Restbefunden, die hämodynamisch relevant sind (5). Ein individuelles Training ist förderlich, ein grundsätzliches Sportverbot nur in Ausnahmefällen notwendig (6).
Sportliche Aktivität und Besonderheiten bei Kindern mit angeborenem Herzfehler
Sportliche Aktivität umfasst verschiedene Belastungsformen und kann je nach Bereich und Zielsetzung in unterschiedlichen Intensitäten ausgeübt werden. So differieren Trainingsumfang und -intensität innerhalb von Freizeit-, Leistungs- und Rehabilitationssport (7). Allgemein unterscheidet man die Komponenten Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Flexibilität und Koordination (8). Im Hinblick auf Auswirkungen von Bewegung und Sport auf das Herz-Kreislauf-System sind insbesondere Kraft und Ausdauer relevant. Während dynamischer Arbeit steigt das Herzzeitvolumen durch Erhöhung der Herzfrequenz an, der periphere Gefässwiderstand sinkt. So wird eine Mehrdurchblutung der arbeitenden Muskulatur erreicht. Bei statischen Belastungsformen sinkt das Schlagvolumen, der periphere Gefässwiderstand erhöht sich. Auch das Blutdruckverhalten unterscheidet sich zwischen Kraft- und Ausdauersportarten. Während dynamischer Arbeit steigt der systolische Blutdruck an, der diastolische bleibt annähernd konstant. Bei überwiegend statischer Muskelarbeit hingegen steigen systolischer wie diastolischer Blutdruck zum Teil plötzlich stark an. Dies zieht eine Druckbelastung des linken Ventrikels nach sich, was sich negativ auf vorgeschädigtes Myokardgewebe auswirken kann. Dynamische Belastungsformen zeigen keine nachteiligen Auswirkungen auf die
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Hämodynamik, durch Absinken des peripheren Gefässwiderstandes sinkt auch die Nachlast (8, 9). In Abhängigkeit von Herzfehler und Hämodynamik sind die Auswirkungen verschiedener Belastungsformen von unterschiedlicher Bedeutung. In der Abbildung findet sich eine Übersicht verschiedener Sportarten, kategorisiert nach dem Anteil statischer und dynamischer Elemente. Kinder und Jugendliche mit angeborener Herzerkrankung sollten vor Aufnahme regelmässiger sportlicher Aktivität eine Sporttauglichkeitsuntersuchung erhalten, die entsprechend den Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften obligate und fakultative Untersuchungselemente enthält. Im Rahmen dieser Untersuchung werden die körperliche Leistungsfähigkeit des Kindes überprüft, Bewegungs- und Sportempfehlungen formuliert und mögliche Risiken detektiert (11, 12). Unter anderem gilt es folgende Fragen zu beantworten: ● Sollen Empfehlungen zu Freizeit- oder Leistungssport
gegeben werden? ● Welche Grunderkrankung liegt vor? Operationen in
der Vorgeschichte? ● Gibt es hämodynamisch relevante Restbefunde? ● Wie ist die kardiale Funktion? ● Haben sich Befunde verändert/verschlechtert? ● Gibt es Begleiterkrankungen, die eine Teilnahme am
Sport einschränken? ● Wie ist die körperliche Leistungsfähigkeit einzuschät-
zen? ● Welche Besonderheiten gilt es letztlich in den indivi-
duellen Sportempfehlungen zu berücksichtigen? Auch im weiteren Verlauf sind regelmässige Kontrolluntersuchungen erforderlich. Unabhängig von einem Infarkt in der Vorgeschichte findet bei Patienten mit einem angeborenen Herzfehler ein kardiales Remodelling statt. Dieses kann zu einer Verschlechterung der ventrikulären Funktion führen. Durch Fibrose innerhalb des Myokards kommt es zu einer Restriktion und Beeinträchtigung der diastolischen Funktion (13). Durch regelmässige Untersuchungen können Veränderungen der Befunde oder der Hämodynamik frühzeitig diagnostiziert werden, damit man entsprechend reagieren kann.
Sporttauglichkeitsuntersuchungen
Sporttauglichkeitsuntersuchungen bei gesunden Kindern und Erwachsenen bestehen – in Abhängigkeit von Empfehlungen der jeweiligen Fachgesellschaft – aus einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung sowie einem Ruhe-EKG. Bei Kindern und Jugendlichen mit angeborenen Herzerkrankungen kommen weitere Untersuchungselemente verpflichtend hinzu. Obligate Bestandteile sind: 1. Anamnese bestehend aus Eigen-, Familien- und Sport-
anamnese: Im Rahmen einer ausführlichen Anamnese werden eigene Erkrankungen, familiäre Belastungen und Risiken sowie sportspezifische Fragestellungen überprüft (s. Tabelle 1); 2. Ausführliche körperliche Untersuchung: Im Rahmen einer ausführlichen körperlichen Untersuchung werden neben dem kardialen der orthopädische und der
Tabelle 1:
Anamnese
Eigenanamnese ● Welche Grunderkrankung? Schweregrad? ● Operationen/Interventionen? ● Aktuelle Medikation? Antikoagulation: Wenn ja, welche? ● Andere Erkrankungen? Begleiterkrankungen? ● Aktuelle kardiopulmonale Beschwerden in Ruhe oder unter Belastung? ● Aktuelle andere Beschwerden: Schmerzen, Infekttzeichen? ● Belastungsinduzierte Beschwerden in der Vorgeschichte? ● Durchgemachte Kinderkrankheiten? Impfstatus? ● Ernährung? Nikotin, Alkohol, Drogen? ● Bei Mädchen: regelmässige Menstruation?
Familienanamnese ● Kardiovaskuläre Erkrankungen? ● Unklare oder plötzliche frühe Todesfälle in der Familie (vor 50. Lebensjahr)?
Quelle: mod. nach (5, 11, 14–19)
Tabelle 2:
Ausführliche körperliche Untersuchung
Unter Berücksichtigung der Entwicklungsphasen und Perzentilen ● Körpergrösse, -gewicht, BMI ● Blutdruck und Herzfrequenz ● körperlicher Untersuchungsbefund unter besonderer Berücksichtigung kardiopul-
monaler Aspekte ● Inspektion der Wirbelsäule und der grossen Gelenke ● Vorliegen von Achsabweichungen? Haltungsschwäche? Fehlstellungen? Defizite?
Asymmetrien? Instabilitäten? ● Inspektion der Muskulatur: Verkürzungen? Insuffizienzen? ● Hinweise auf Überlastungsschäden?
Quelle: mod. nach (5, 11, 14–19)
Tabelle 3:
Fakultative Untersuchungen und Fragestellungen
24-Stunden-EKG ● bei Verdacht auf Herzrhythmusstörungen ● bei Palpitationen, Synkopen, zur Abklärung von Arrhythmien oder höhergradigen
Herzrhythmusstörungen 24-Stunden-Blutdruckmessung ● bei Verdacht auf arterielle Hypertonie ● bei verändertem Blutdruckverhalten vor, während oder nach Belastung Kardio-MRT ● Beurteilung anatomischer Strukturen und Restdefekte ● bei Verdacht auf ein entzündliches Geschehen (z.B. Myokarditis) Belastungs-MRT ● Beurteilung der Hämodynamik unter Belastung Andere bildgebende Verfahren ● nur mit eindeutiger Fragestellung oder medizinischer Indikation
Quelle: mod. nach (5, 20)
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Tabelle 4:
Sportempfehlungen bei angeborenen Herzerkrankungen
Herzerkrankungen Synkopen
Hintergründe und Besonderheiten
Medizinische Implantate
Antikoagulation Nach Herzkatheter/Operation Strukturelle Herzfehler Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA)
Bei Herzschrittmacher (HSM) oder implantiertem Defibrillator (ICD) keine Kontakt- und Ballsportarten wegen der Gefahr der Beschädigung des Devices oder des Auftretens von Herzrhythmusstörungen, bei sonstigen Implantaten liegen keine Daten zu möglicher Beschädigung durch Sport vor. ICD-Kontrolle alle 6 Monate.
Abhängig von der Grunderkrankung, OP, etwaigen Komplikationen, Restbefunden, Medikation etc. Einzelfallentscheidung
Links-rechts-Shunt, Volumenbelastung linkes Atrium (LA) und linker Ventrikel (LV) möglich, bei Dilatation: Indikation zum Verschluss
Atriumseptumdefekt (ASD)
Ventrikelseptumdefekt (VSD)
Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD) Lungenvenenfehlmündung Aortendilatation und -dissektion
Links-rechts-Shunt auf Vorhofebene, Volumenbelastung und Dilatation von rechtem Atrium (RA) und rechtem Ventrikel (RV) möglich, dann Indikation zum Verschluss, selten belastungsinduzierte Arrhythmien Links-rechts-Shunt auf Ventrikelebene, Volumenbelastung und Dilatation des LA und LV möglich, bei PHT (pulmonale Hypertension): Indikation zum frühen Verschluss, Volumenbelastung des LV möglich, dann Symptome einer Linksherzinsuffizienz Häufig frühzeitig Herzinsuffizienz, häufig assoziiert mit M. Down, Korrektur im Säuglingsalter
Partiell oder total, Zeitpunkt der Korrektur abhängig von Ausmass, Begleiterkrankungen und Volumenbelastung, bei PHT oder Herzinsuffizienz frühzeitige Korrektur Empfehlungen abhängig von der Schwere des Befundes und möglichen Begleiterkrankungen, jährliche Kontrollen
Aortenisthmusstenose
Aortenklappenstenose Pulmonalklappenstenose Fallot-Tetralogie (TOF)
Transposition der grossen Gefässe (TGA) Univentrikuläres Herz, Fontanzirkulation Eisenmenger/Zyanose
Ggf. Blutdruckdifferenz rechter/linker Arm, obere/untere Extremität; häufig (auch nach Korrektur) arterielle Hypertonie in Ruhe und/oder unter Belastung; dann antihypertensive Therapie und ggf. Reevaluation
Druckbelastung und möglicherweise Hypertrophie von LV, Einteilung des Schweregrades notwendig, Gradient > 70–80 mmHg: Korrektur; ST-Strecken-Veränderungen oder Herzrhythmusstörungen beachten Druckbelastung und möglicherweise Hypertrophie von RV, Einteilung des Schweregrades notwendig, wenn Gradient > 50 mmHg: Korrektur Häufigster zyanotischer Herzfehler, postoperativ häufiger Pulmonalklappeninsuffizienz, ventrikuläre Herzrhythmusstörungen; körperliche Belastbarkeit kann dann eingeschränkt sein
Ohne Pulmonalklappenstenose: OP im Neugeborenenalter, ggf. Koronararterienstenosen, daher regelmässig Beurteilung der Myokardperfusion notwendig Bei Patienten mit Vorhofumkehr erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen, eingeschränkte Belastbarkeit Körperliche Belastbarkeit abhängig von Herzfehler, Restbefunden und Begleiterkrankungen (Herzrhythmusstörungen, Grad der Herzinsuffizienz) Zyanose kann sich unter Belastung verstärken
Sportempfehlungen und Kontrollintervalle Reflexsynkopen: keine Einschränkungen Synkopen kardialer Ursache: Empfehlung je nach Grunderkrankung HSM: geringe bis mittlere Belastung, kein Tauchen > 20 m Tiefe ICD: nur geringe bis mittlere Belastung, keine Sportarten mit Gefahr von Synkopen in den ersten 3 Monaten Herzklappen, Stents: je nach Reststenose (siehe unten) Keine Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko Nach unkompliziertem Eingriff: 1 Woche Sportpause Nach Sternotomie: 6 Wochen Sportpause (keine Kontaktsportarten)
Nicht hämodynamisch wirksam/nach Verschluss: keine Einschränkungen Nach OP: 3 Monate kein Sport Nach katheterinterventionellem Verschluss: 1 Monat kein Sport Bei portaler Hypertension (PHT): Grundlagentraining Präoperativ: asymptomatisch: keine Einschränkungen. Symptome: niedrige dynamische und statische Belastung (je nach Schweregrad) Postoperativ: kein Restshunt und asymptomatisch: keine Einschränkungen Präoperativ: asymptomatisch: keine Einschränkungen. Nicht restriktiver VSD/Eisenmenger: Grundlagentraining Postoperativ: asymptomatisch: keine Einschränkungen. Eisenmenger: Grundlagentraining Postoperativ: asymptomatisch: keine Einschränkungen, moderate AV-Insuffizienz: mittlere dynamische und statische Belastungen. Grunderkrankung nimmt Einfluss Postoperativ: asymptomatisch: keine Einschränkungen
Aortendilatation > 2 s: geringe bis mittlere Belastung, keine statische Belastung, keine Kontaktsportarten, keine Wettkämpfe Bindegewebeerkrankung mit Aortenbeteiligung (Marfan-, Loeys-Dietz-Syndrom): Einzelfallentscheidung Aortendissektion Typ B (nicht operationspflichtig): ggf. leichte dynamische Belastung, keine statische Belastung Immer: Gradient > 20 mmHg o. arterielle Hypertonie: nur dynamische Belastung geringer Intensität, keine statischen Belastungen Präoperativ: ohne signifikanten Gradienten oder höhergradige Dilatation: keine Einschränkungen Postoperativ: kein Leistungssport für 6 Monate, keine rein statischen Belastungen Prä- und postoperativ: leichte Stenose: keine Einschränkungen, mittel- bis hochgradige Stenose: geringe Belastungen, kein Leistungssport Keine rein statischen Belastungen. Leichte Stenose: keine Einschränkungen. Mittel- bis hochgradige Stenose: mittlere Belastungen, kein Leistungssport Postoperativ: asymptomatisch ohne Restshunt oder Arrhythmien: keine Einschränkungen, Pulmonalklappeninsuffizienz oder ventrikuläre Arrhythmien: nur dynamische Belastungen geringer Intensität Postoperativ (nach Switch-OP): asymptomatisch: keine Einschränkungen; eingeschränkte Ventrikelfunktion: geringe bis mittlere Belastungen Postoperativ (nach Vorhofumkehr): geringe bis mittlere Belastungen Geringe bis mittlere dynamische und statische Belastungen, kein Leistungssport
Geringe dynamische Belastungen, kein Leistungssport
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Fortsetzung Tabelle 4 Pulmonale Hypertonie
Kein Shunt => Gefahr von Synkopen
Kardiomyopathien Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)
Mindestens jährliche Kontrollen
Dilatative Kardiomyopathie (DCM) Non-compaction Kardiomyopathie (NCCM) Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) Myokarditis
Rhythmologische Herzfehler Supraventrikuläre Arrhythmie (SVES) Supraventrikuläre Tachykardie Ventrikuläre Tachykardie (VT)
Ventrikuläre Extrasystolen (VES)
– Idiopathische VES – Polymorphe VES
Kontrolle alle 3 bis 6 Monate
Jährliche Kontrollen
Jährliche Kontrollen
Sonderfall! Meist erworben, Myokarditisrisiko bei angeborenen Herzerkrankungen erhöht, Kontrolle alle 6 bis 12 Monate
Im Kindesalter häufiger, zunächst Ausschluss höhergradiger Herzrhythmusstörungen
Häufig wegen akzessorischer AV-Leitungsbahn, Katheterablation notwendig Zunächst ausführliche rhythmologische Diagnostik notwendig, Risiko für plötzlichen Herztod (SCD) in Abhängigkeit von der Ursache Im Kindesalter häufiger, können auf Myokarditis, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM), arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD) hinweisen, daher zunächst Ausschluss Ausschluss struktureller/arrhythmogener Ursache Ausschluss struktureller/arrhythmologener Ursache
Idioventrikulärer Rhythmus Idiopathische monomorphe VT
Ausschluss struktureller/arrhythmogener Ursache Jährliche Kontrollen, nach Ablation oder Beginn der medikamentösen Therapie alle 3 bis 12 Monate
Ionenkanalerkrankungen Long-QT-Syndrom (LQTS)
Erhöhtes Risiko für plötzlichen Herztod Cave: bei Sport Gefahr des Auftretens lebensbedrohlicher Arrhythmien, wenn symptomatisch: ICD Kontrollen alle 3 bis 12 Monate, wenn stabil: jährlich
Brugada-Syndrom
Katecholamin-sensitive polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT) Short-QT-Syndrom
Bei Synkope oder ventrikulärer Tachykardie: Kontrollen alle 3 bis 6 Monate
Cave: bei Sport Gefahr des Auftretens lebensbedrohlicher Arrhythmien, regelmässige Kontrollen (asymptomatisch: jährlich, symptomatisch: alle 3–6 Monate)
Eher keine Assoziation mit Sport, jährliche Kontrollen
PHT mit Rechts-links-Shunt; asymptomatisch: keine Einschränkungen Kein Shunt: geringe dynamische und statische Belastung ohne Leistungsdruck Bei Synkopen: nur minimale Belastung
Asymptomatisch; Genträger: Freizeitsport keine Einschränkungen; Leistungssport nur mit geringer Belastung. Phänotyp, aber Septum oder Dicke der Hinterwand < 30 mm bzw. Z-Wert < 6: Freizeitsport nur mit geringer/mittlerer Belastung; Leistungssport nur mit geringer Belastung. Hinterwanddicke > 30 mm oder Z-Wert > 6: Freizeitsport nur mit geringer Belastung, kein Leistungssport Freizeitsport nur mit geringer statischer und geringer bis mittlerer dynamischer Belastung; kein Leistungssport Keine Dilatation, Normalbefund im EKG: Empfehlungen unklar
Asymptomatisch: Genträger: keine Einschränkungen, ggf. keine hohen dynamischen Belastungen Symptomatisch: Therapie ICD: Sport meiden; kein Leistungssport
Kein Sport für 6 Monate
Keine Einschränkungen
Nach erfolgter Therapie/Ablation: keine Einschränkungen Zunächst Sportverbot
Keine Einschränkungen Trainingspause für 3 bis 6 Monate Nach Reevaluation asymptomatisch: keine Einschränkungen Keine Einschränkungen Asymptomatisch, kurz anhaltend (kurze Salve): keine Einschränkungen Nach Ablation: keine Einschränkungen Nach Beginn med. Therapie (kein Rezidiv): keine Belastungsspitzen, kein Leistungssport
Symptomatisch (nach ICD): nur geringe Belastung, kein LSP. LQTS-1, asymptomatisch, Genträger, normale QT-Zeit: kein Wassersport. Asymptomatisch, QT > 500 ms: nur geringe Belastung, kein Leistungssport. VT trotz Betablockern, Therapie ggf. ICD: kein Sport. LQTS-3, asymptomatisch, Genträger, normale QT-Zeit: keine Einschränkungen. Asymptomatisch, QT verlängert: keine Einschränkungen im Freizeitsport, im Leistungssport geringe Belastung. Andere/medizinische Indikationen: Asymptomatisch, Genträger, normale QT-Zeit: keine Einschränkungen. Asymptomatisch, QT verlängert: geringe bis mittlere Belastung Genträger, keine EKG-Veränderungen: keine Einschränkungen im Freizeitsport, im Wettkampf nur leichte Belastung Asymptomatisch: Freizeitsport mit geringer Belastung Symptomatisch: kein Sport
Leistungssport nur mit geringer statischer und dynamischer Belastung
Quelle: mod. nach (5, 17, 20, 21, 24–28)
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sportmotorische Status erhoben. Etwaige Defizite oder Entwicklungsverzögerungen können so erfasst und wenn nötig kann eine Therapie eingeleitet werden (5) (s. Tabelle 2). 3. EKG: Bei gesunden Sportlern erfolgt gemäss Empfehlungen der jeweiligen Fachgesellschaften oder Verbände die Durchführung eines Ruhe-EKG, während dieses bei Kindern mit angeborenem Herzfehler als obligat anzusehen ist. Mögliche Arrhythmien, Erregungsausbreitungs- beziehungsweise -rückbildungsstörungen oder Hypertrophiezeichen können diagnostiziert werden (5, 20). Bei ausgiebiger sportlicher Aktivität kann es bereits im Kindes- und Jugendalter zu Anpassungsvorgängen am Herzen kommen. EKG-Veränderungen werden anhand spezifischer Kriterien in physiologische und pathologische unterschieden; sie finden im Rahmen der Interpretation des EKG für Jugendliche (älter als 14 Jahre) und Erwachsene Anwendung (21, 22). 4. Echokardiografie: Auch eine Echokardiografie ist im Rahmen der sportmedizinischen Untersuchung herzkranker Kinder oder Jugendlicher, im Gegensatz zu gesunden Kindern, als obligater Untersuchungsbestandteil zu betrachten. Hinsichtlich der Frage nach Sporttauglichkeit werden Anatomie, etwaige Restdefekte, Funktion des Herzens und Hämodynamik beurteilt (5, 20). Weitere, fakultative Untersuchungen werden bei Auffälligkeiten in Anamnese, klinischer Untersuchung, RuheEKG und Echokardiografie ergänzt. Fakultative Bestandteile sportmedizinischer Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen mit angeborenen Herzerkrankungen sind die Spiroergometrie und das Belastungs-EKG: Bei älteren Kindern (ab etwa 6 Jahren) kann ergänzend zum Ruhe-EKG eines unter Belastung abgeleitet werden. Weiterhin können Blutdruck- und Herzfrequenzverhalten vor, während und nach der Belastung beurteilt sowie verschiedene Belastungsbereiche und die maximale körperliche Leistungsfähigkeit (u.a. VO2 max) ermittelt und etwaige Kreislaufinsuffizienzzeichen, belastungsinduzierte Herzrhythmusstörungen oder Ischämien erfasst werden (5, 6). Je nach Fragestellung können weitere Untersuchungen ergänzt werden (s. Tabelle 3).
Untersuchungsergebnisse und Interpretation
Bei gesunden Kindern und Jugendlichen erfolgt im Anschluss an die sportmedizinische Untersuchung eine Beurteilung der Sporttauglichkeit (23): ● sportgesund ● sportgesund mit Einschränkungen ● nicht sportgesund. Eine solche Einteilung gestaltet sich bei Kindern mit Herzerkrankungen schwierig. In Abhängigkeit von der jeweiligen Grunderkrankung gilt es, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Die kinderkardiologische Leitlinie zum Sport bei angeborenen Herzerkrankungen (5) sieht deshalb vor, dass Kinder und Jugendliche mit einer angeborenen Herzerkrankung eine umfangreiche Untersuchung durch einen Kinderarzt mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie erhalten sollen und ein Sportmediziner beratend hinzugezogen wird (5). In der
Tabelle 4 werden die aktuellen Sportempfehlungen für Kinder und Jugendliche entsprechend der Grunderkrankung zusammengefasst (online verfügbar unter www.rosenfluh.ch/paediatrie-2019-03).
Fazit
Körperliche Bewegung und Sport sind essenziell für die körperliche und psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere von denjenigen mit chronischen Erkrankungen. Auch Kinder und Jugendliche mit angeborenen Herzerkrankungen sollten sich regelmässig bewegen, an Schulund Freizeitsport teilnehmen können und nur bei strenger medizinischer Indikation in der Ausübung sportlicher Aktivität eingeschränkt werden. Im Rahmen einer ausführlichen kardiologisch orientierten sportmedizinischen Untersuchung können Gesundheitszustand und körperliche Leistungsfähigkeit überprüft werden. Anschliessend ist es möglich, individuelle an Grunderkrankung, Operationen und Restbefunde angepasste Bewegungsempfehlungen zu formulieren und das Trainingspensum festzulegen. Ergänzend zu Schul- und Freizeitsportangeboten können spezielle Bewegungsprogramme (Kinderherzsportgruppen [29], KidsTUMove [30]) körperliche Aktivität in einem überwachten Umfeld gewährleisten, um psychosoziale Unterstützung und eine Verbesserung der motorischen und koordinativen Fertigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit angeborenen Herzfehlern zu erzielen (31).
Korrespondenzadresse: Dr. med. Friederike Wippermann Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften Technische Universität München Uptown München, Campus D Georg Brauchle Ring 62 D-80992 München E-Mail: friederike.wippermann@tum.de
Interessenlage: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
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