Transkript
Wie verhält es sich mit Akzeptanz und Durchführbarkeit des POx-Screenings ausserhalb des Spitals?
Auch Kinder, die zu Hause, im Geburtshaus oder ambulant geboren werden, sollen von der Untersuchung profitieren können. Studien aus dem Ausland mit einem hohen Anteil an Hausgeburten zeigen, dass das Screening auch in einem solchen Umfeld leicht durchzuführen ist und eine hohe Akzeptanz bei Eltern und Hebammen geniesst (13–15). In der Schweiz gehört das Pulsoximeter zur Ausstattung jeder Hebamme, welche Hausgeburten betreut (16). Das Screening sollte am besten zwischen 6 und 24 Lebensstunden erfolgen.
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist das POx-Screening in der Schweiz, aber auch international, bereits heute eine Erfolgsgeschichte. Aufgrund immer weiterer neuer Studien haben die Schweizer Gesellschaften für Neonatologie und pädiatrische Kardiologie in diesem Jahr das entsprechende Konsensuspapier überarbeitet.
Das erfolgreiche bisherige Verfahren muss nicht geändert werden, sodass Neugeborene weiterhin von der hohen Akzeptanz des Screenings bei den Durchführenden (Hebammen, Pflegende, Ärztinnen und Ärzte) profitieren können. Durch das frühzeitige Erkennen therapiebedürftiger Herzfehler können die betroffenen Kinder zeitgerecht behandelt werden, bevor es zu schwerwiegenden bleibenden Schäden kommt.
Korrespondenzadresse: Dr. med. Oliver Niesse Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: oliver.niesse@kispi.uzh.ch
Interessenlage: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
Literatur auf www.ch-paediatrie.ch abrufbar.
Schwerpunkt
Risiko und Prävention angeborener Herzfehler
Prophylaxe präkonzeptionell und in der Schwangerschaft
Viele nicht hereditäre Risikofaktoren für angeborene Herzfehler sind durch prophylaktische Massnahmen vor und während der Schwangerschaft beeinflussbar. Dieser Artikel erläutert die aktuellen Empfehlungen zur Prävention angeborener Herzfehler präkonzeptionell und in der Schwangerschaft.
Von Roland W. Weber1 und Michèle-Chantal Stahel2
A ngeborene Herzfehler sind häufige Fehlbildungen. Sie kommen bei 1 Prozent der Neugeboren vor und sind eine führende Todesursache (1). Etwa in 20 bis 30 Prozent der Fälle kann ein genetischer oder Umgebungsfaktor als Ursache identifiziert werden (2). Die Ursachen können in hereditäre und nicht hereditäre multifaktorielle Ursachen aufgeteilt werden (3). Nicht hereditäre Ursachen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die empfindlichste Periode der Organogenese des Herzens reicht von Woche 2 bis 7 der Embryonalentwicklung. Prophylaktische Massnahmen können die Prävalenz nicht hereditärer Fehlbildungen des Feten im Allgemeinen, die Prävalenz angeborener Herzfehler oder die Prävalenz von Subtypen angeborener Herzfehler beeinflussen. So verhindert Folsäure, zur richtigen Zeit eingenommen, generell eine Reihe von Fehlbildungen, beispielsweise Neuralrohrdefekte, angeborene Herzfehler,
Fehlbildungen der Harnwege und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (4), wobei die Evidenz für die unterschiedlichen Fehlbildungen nicht gleich hoch ist. Speziell senkt Folsäure aber nachweislich das Auftreten angeborener Herzfehler (5). Dies betrifft mit der höchsten Evidenz das Auftreten konotrunkaler Fehlbildungen und Aortenisthmusstenosen, weniger ausgeprägt ist der Zusammenhang bezüglich Septumdefekten (6). Nicht hereditäre vorgeburtliche Risiken für angeborene Herzfehler sind in einem Statement der American Heart Association und der American Academy of Pediatrics aus dem Jahr 2007 zusammengefasst (3). Neuere Studien auf diesem Gebiet sind aus ethischen Gründen kaum noch Interventionsstudien. Dieser Artikel fasst auf der Basis der oben erwähnten vor gut zehn Jahren verfassten Statements die aktuellen Empfehlungen und die Literatur zur Prävention angeborener Herzfehler in der Schwangerschaft zusammen.
1 Universitäts-Kinderspital Zürich, Herzzentrum 2 Klinik für Geburtshilfe, Universitätsspital Zürich
3/19 Pädiatrie
13
Schwerpunkt
Abbildung 1: Ventrikelseptumdefekt (Pfeil) mit farbigem Shunt im pränatalen Echobild. Ventrikelseptumdefekte sind mit Valproat und Diabetes vor der Schwangerschaft assoziiert. LV: linker Ventrikel; RV: rechter Ventrikel.
Tabelle 1:
Faktoren, die angeborene Herzfehler beeinflussen oder beeinflussen könnten
Maternale Erkrankungen Infektionen Umweltfaktoren Medikamente
Noxen
Risikofaktor Phenylketonurie
präkonzeptioneller Diabetes
Röteln febrile Erkrankungen im 1. Trimenon hohe Umgebungstemperatur Luftverschmutzung (Stickoxid, Schwefeldioxid) Antidepressiva, SSRI Lithium Antiepileptika, Valproat
Phenobarbital, Phenytoin Antibiotika, Metronidazol
Sulfonamide Analgetika, NSAR
andere Teratogene: Retinoide, Mycophenolat Alkohol Rauchen Cannabis
Koffein
Mögliche Assoziation mit Herzfehler Fallot-Tetralogie, Ventrikelseptumdefekt (VSD) Isomerien, Transposition der grossen Arterien (TGA), hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS), nicht syndromale atrioventrikuläre Septumdefekte (AVSD) Pulmonalklappenabnormitäten rechts- und linksobstruktive Defekte
häufiger bei «nicht kritischen» Herzerkrankungen Aortenisthmusstenose, Fallot-Tetralogie
Septumdefekte Ebstein-Anomalie, VSD Septumdefekte, Fallot-Tetralogie, hypoplastische Rechtsherzläsionen Septumdefekte Ausflusstraktanomalien, perimembranöser VSD Aortenisthmusstenose, Septumdefekte HLHS, Pulmonalstenose, FallotTetralogie, vorzeitiger Verschluss des Ductus arteriosus (3. Trimenon) kombinierte Fehlbildungssyndrome mit Herzfehlern fraglich: konotrunkale Fehlbildungen VSD fraglich: Zusammenhang mit Herzfehlern keine Assoziation
Maternale Erkrankungen
Stoffwechselerkrankungen: Die Phenylketonurie ist mit einem über 6-fach höheren Risiko für Herzfehler, insbesondere hinsichtlich konotrunkaler Defekte und Einkammerherzen, assoziiert. Eine strikte Diät der Mutter, die bereits vor der Konzeption eingehalten wird, kann dieses Risiko nachweislich reduzieren (7). Vorbestehender Diabetes mellitus ist ein klassischer «Umgebungsfaktor», der für Herzfehler prädisponiert (Abbildung 1 und 2). Dabei werden verschiedene zugrundeliegende Mechanismen diskutiert, die unter anderem Zellproliferation und -migration sowie Apoptose involvieren (8). Die Erhöhung des Risikos für angeborene Herzerkrankungen wird bei maternalem Diabetes für die Nachkommen auf 4 Prozent gegenüber 1 Prozent in der Normalpopulation geschätzt (9). Mütterliche febrile Erkrankungen und Infektionen: Aufgrund der Rötelnerkrankung wurde der Zusammenhang zwischen mütterlicher febriler Erkrankung in der frühen Schwangerschaft und Fehlbildungen des Feten entdeckt. Die Rötelninfektion ist mit Abnormitäten der Pulmonalklappe und Ventrikelseptumdefekten assoziiert. Eine konsequente Impfstrategie kann die vertikale Transmission praktisch komplett verhindern (10). Influenza und mütterliche febrile Erkrankungen im 1. Trimenon sind generell mit einer erhöhten Inzidenz angeborener Herzfehler assoziiert, wobei die Ursache des Fiebers und auch die Einnahme von Vitaminsupplementen eine Rolle spielen (11). Eine Influenzaimpfung wird entsprechend auch zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft empfohlen. Toxoplasmose, Influenza, Coxsackie und HIV sind weitere Infektionen, die mit Fehlbildungen des fetalen Herzens in Zusammenhang gebracht werden.
Umweltfaktoren
Physikalische Einwirkungen: Hohe Umgebungstemperaturen im 1. Trimenon sind möglicherweise mit nicht kritischen Herzerkrankungen assoziiert und insofern möglichst zu vermeiden (12). Luftverschmutzung: Eine Metaanalyse epidemiologischer Studien zum Thema Luftverschmutzung und angeborene Herzfehler ergab eine Assoziation zwischen Stickoxid- und Schwefeldioxidexposition mit Aortenisthmusstenose und Fallot-Tetralogie (12). Feinstaubexposition war mit Vorhofseptumdefekten assoziiert. Medikamente: Medikamente werden von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA nach einem speziellen Schema eingeteilt, das auf vorhandener oder nicht vorhandener Evidenz für fetale Fehlbildungen beruht (14) (Tabelle 2). Generell müssen im Einzelfall das Risiko und der Nutzen mit der Schwangeren individuell besprochen werden. Antidepressiva: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Paroxetin und Sertralin werden vor allem im Zusammenhang mit Septumdefekten genannt (14). Das tatsächliche Risiko ist jedoch fraglich, und einige grosse Studien konnten einen Zusammenhang nicht bestätigen, sodass die Datenlage kontrovers bleibt (15). Lithium wird für bipolare Störungen eingesetzt und mit einem Risiko für Ebstein-Anomalie und Ventrikelseptumdefekte in Verbindung gebracht (Abbildung 3); dieses Risiko wird jedoch oft überschätzt und beträgt etwa 1:2000 (14, 16).
14
Pädiatrie 3/19
Schwerpunkt
Antiepileptika: Valproat erhöht das Risiko von Neuralrohrdefekten und angeborenen Herzfehlern (Septumdefekte, Fallot-Tetralogie, hypoplastische Rechtsherzläsionen). Es gilt als teratogen und soll nach Möglichkeit in der Schwangerschaft entweder vermieden werden oder die Schwangere muss über das erhöhte Risiko aufgeklärt werden. Das Risiko ist vor allem im 1. Trimester erhöht. Ähnliches gilt auch für Phenobarbital und Phenytoin (17). Weniger hoch ist das Risiko bei Lamotrigin und Levetiracetam. Antibiotika: Metronidazol während der Schwangerschaft war in der Baltimore Washington Infant Study mit Ausflusstraktanomalien und perimembranösen Ventrikelseptumdefekten assoziiert. Dies hat sich in zwei späteren Metaanalysen nicht bestätigt. Sulfonamide wie Trimethoprim-Sulfamethoxazol erhöhen das Risiko für angeborene Fehlbildungen des Herzens auch bei Behandlung im 2. und 3. Monat der Schwangerschaft (18). Analgetika: In einer älteren grossen Registerstudie zu nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) fand sich eine Assoziation mit Herzfehlern (19). Insbesondere Ibuprofen gilt als FDA-Kategorie B (Tierversuche haben kein Risiko gezeigt; keine kontrollierte Studien bei schwangeren Frauen). Eine Fall-Kontroll-Studie zur Assoziation von Analgetika und kardiovaskulären Malformationen der bereits genannten Baltimore Washington Infant Study ergab keine Assoziation mit kardiovaskulären Fehlbildungen (20). Eine Studie, in der man Paracetamol mit Opioiden und NSAR verglich, fand bei NSAR häufiger Assoziationen mit hypoplastischem Linksherzsyndrom, Pulmonalstenose und Fallot-Tetralogie (21). Für die meisten NSAR gibt es Fallberichte zu vorzeitigem Ductus-Verschluss im 3. Trimenon. Teratogene: Als eindeutig teratogen gelten Retinoide und das Immunsuppresivum Mycophenolat, die beide mit Fehlgeburten und angeborenen Fehlbildungen einhergehen. (14).
Noxen
Alkohol: Eine Studie in Finnland zeigte, dass unter den Müttern von Kindern mit konotrunkalen Fehlbildungen mehr Frauen angaben, in der Schwangerschaft Alkohol getrunken zu haben. Allerdings ergab sich daraus keine statistische Signifikanz für das vermehrte Auftreten von kardiovaskulären Fehlbildungen (22). In der Baltimore Washington Infant Study fand man lediglich einen Zusammenhang mit der Häufigkeit kleiner muskulärer Ventrikelseptumdefekte (23). Nikotin: Eine grosse Metaanalyse bestätigt den Zusammenhang zwischen Nikotinkonsum während der Schwangerschaft und angeborenen Herzfehlern (24). Der Zusammenhang zwischen Rauchen in der Schwangerschaft und angeborenen Fehlbildungen ist jedoch eher schwach und vor allem bei Ventrikelseptumdefekten nachzuweisen (25). Cannabis: In der Baltimore Washington Infant Study war Cannabis mit einem leicht erhöhten Risiko für Herzfehler assoziiert (26). Koffein: Koffein passiert zwar die Plazenta, aber mehrere Studien haben die Assoziation von Koffeinkonsum (sogar > 8 Tassen/Tag) und fetalen Fehlbildungen untersucht und keinen Zusammenhang mit vermehrten Fehlbildungen feststellen können (27).
Abbildung 3: Ebstein-Anomalie der Trikuspidalklappe mit riesigem rechten Vorhof im 3-D-Bild mit korrespondierendem 2-D-Bild. Typischerweise ist das septale Segel der Trikuspidalklappe nach apikal verlagert (Pfeil). EbsteinAnomalie ist bei Lithiumexposition des Feten beschrieben. LV: linker Ventrikel; RV: rechter Ventrikel; RA: rechter Vorhof.
Ernährung
Eine in den USA durchgeführte Untersuchung zeigte unter Berücksichtigung vieler anderer Faktoren, wie unter anderem Folsäuresubstitution, Nikotinkonsum und Ethnie, ein selteneres Auftreten von konotrunkalen und Septumdefekten, wenn sich die Schwangere ausgewogener ernährte (28).
Folsäure
Folsäure ist ein Begriff, der die natürlich in der Nahrung vorkommenden Folsäureverbindungen und die künstlich hergestellte Folsäure zusammenfasst. Nahrungsfolate werden nur zu etwa 50 Prozent im Darm aufgenommen (29). Folsäure ist im Körper als Tetrahydrofolsäure aktiv und zusammen mit Vitamin B12 für die Methylierung der DNS und die Umwandlung von Homocystein in Methionin wichtig. Der 6. Schweizerische Ernährungsbericht von 2012 geht von einer unzureichenden Versorgung der Bevölkerung der Schweiz mit Folsäure aus. Geschätzt werden 295 µg Folsäure pro Tag verzehrt und damit weit weniger als die heute empfohlenen 400 µg (29). Die lesenswerte Broschüre des BAG (29) illustriert anhand von Winter- und Sommermenüs eindrücklich, dass die empfohlenen 400 µg mit einer gesunden Durchschnittsernährung in der Schweiz kaum erreicht werden.
Tabelle 2:
FDA-Kategorien zu Medikamenten in der Schwangerschaft
Kategorie A Kategorie B Kategorie C Kategorie D Kategorie X Kategorie N
Adäquate und gut kontrollierte Studien haben kein Risiko für den Fetus im ersten Trimester gezeigt. Tierversuche haben kein Risiko gezeigt; keine kontrollierte Studien bei schwangeren Frauen vorhanden. Tierversuche haben ein Risiko für den Feten gezeigt; keine adäquaten und kontrollierten Studien vorhanden. Es gibt Hinweise für ein Risiko für den Feten, basierend auf experimentellen und Marketingstudien. Der Nutzen überwiegt möglicherweise das Risiko. Es gibt Evidenz für fetale Abnormitäten, und das Risiko der Substanz überwiegt den möglichen Nutzen. noch nicht klassifiziert
3/19 Pädiatrie
15
Schwerpunkt 16
Eine gesetzlich angeordnete Anreicherung von Mehl mit Folsäure wie in den USA und in Kanada wird in der Schweiz aufgrund des nicht auszuschliessenden vermehrten Wachstums von Karzinomzellen bei bestehenden Krebserkrankungen nicht durchgeführt. Entsprechend gilt die aktuelle Empfehlung des BAG in der Schweiz (29): ● Jede Frau, die schwanger werden möchte oder
könnte, sollte täglich Folsäuretabletten in einer Dosierung von 0,4 mg einnehmen. ● Wenn synthetische Folsäure schon vor und während der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft eingenommen wird, verringert sich das Risiko des Kindes für Neuralrohrdefekte und andere Fehlbildungen, wie zum Beispiel Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder Herzfehler. ● Bei jedem Kind besteht ein Risiko für Neuralrohrdefekte. ● Eine Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und so weiter, das heisst mit Lebensmitteln, die natürlicherweise reich an Folsäure sind, genügt nicht für die Prophylaxe von Neuralrohrdefekten, aber eine ausgewogene Ernährung ist in der Schwangerschaft und Stillzeit für die Gesundheit der Mutter und die Entwicklung des Kindes besonders wichtig. Folsäure verhindert nicht nur angeborene Herzfehler. Sie wird auch häufig prophylaktisch verschrieben bei Einnahme von Substanzen, die mit vermehrtem Auftreten kongenitaler Herzfehler assoziiert sind (z.B. Trimethoprim-Sulfonamid-Kombinationen). Folsäuredosis: Der Folattransport beim Menschen ist an verschiedene Systeme gekoppelt und entsprechend besteht ein genetischer Polymorphismus dieser Transportsysteme (30). Bei ungenügender Funktion dieser Proteine werden diese auch als Risikofaktoren für Fehlbildungen wie Neuralrohrdefekte diskutiert (31). So gesehen liegt die empfohlene Dosis von 0,4 mg vermutlich eher an der unteren Wirksamkeitsgrenze (4). Da es hierzulande wohl eher um eine Überwindung von Engpässen im Folsäuremetabolismus aufgrund von Polymorphismen als um einen echten Mangel gehen dürfte, wäre eine etwas höhere Dosis vorteilhafter. Die Frage, ob Multivitaminpräparate oder lediglich Folsäure allenfalls in einer höheren Dosis perikonzeptionell zur Prävention von Herzerkrankungen und anderen Fehlbildungen effektiver wären, kann nicht definitiv beantwortet werden. Eine Analyse zweier Anfang der 1990erJahre durchgeführter nicht randomisierter Studien (32) zeigt, dass Multivitaminpräparate verglichen mit alleiniger Gabe von hoch dosierter Folsäure (z.B. 5 mg/Tag) effektiver für die Prävention von Neuralrohrdefekten sind. Folsäure und Multivitaminpräparate mit 0,4 bis 0,8 mg Folsäure senken beide gleich häufig die Inzidenz kardiovaskulärer Anomalien. In der Praxis wird heute in der Regel für Frauen ohne Risikofaktoren ein Multivitaminpräparat mit 0,4 mg Folsäure empfohlen. Bei Risikofaktoren, wie einer vorangegangenen Schwangerschaft mit fetalem Neuralrohrdefekt oder bei Einnahme von Antiepileptika während der Schwangerschaft, werden 5 mg Folsäure bis zum Ende des 1. Trimesters gegeben.
Schlussfolgerungen
Der Einfluss von Umweltfaktoren auf das Risiko angeborener Herzfehler ist noch unklar, und direkte Schlüsse sind schwierig. Medikamente sollen nach der Klassifizierung der FDA streng fachärztlich überwacht abgegeben werden. Insbesondere Retinoide gelten als teratogen. Trotz einer Reihe von Studien bestehen noch erhebliche Unsicherheiten, welche Noxen wie stark mit angeborenen Herzfehlern assoziiert sind. Folsäure perikonzeptionell verhindert eine Reihe von Fehlbildungen, insbesondere kardiovaskuläre Defekte. Der Beratung durch Medizinalpersonen und regelmässigen Kampagnen kommt grosse Bedeutung zu, da ein hoher Prozentsatz der Schwangerschaften relativ ungeplant sind. Folsäure muss jedoch bereits vor der Konzeption eingenommen werden, um einen idealen Effekt zu erzielen. Weltweit kommen täglich 10000 Kinder mit Fehlbildungen zur Welt. Durch eine konsequente Prophylaxe könnte dies gemäss Botto et al. (33) in einem Fünftel bis der Hälfte der Fälle durch konsequente Prophylaxe verhindert werden.
Korrespondenzadresse: Dr. med. Roland Weber Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: roland.weber@kispi.uzh.ch
Interessenlage: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
Die Abbildungen wurden von Dr. med. Roland Weber zur Verfügung gestellt.
Literatur: 1. Hoffman JI, Kaplan S: The incidence of congenital heart disease. J Am Coll Cardiol 2002; 39(12): 1890–1900. 2. Pierpont ME et al.: American Heart Association Council on Cardiovascular Disease in the Young; Council on Cardiovascular and Stroke Nursing; and Council on Genomic and Precision Medicine: Genetic basis for congenital heart disease: revisited: A scientific statement from the American Heart Association. Circulation 2018; 138(21): e653–e711. 3. Jenkins KJ et al.: American Heart Association Council on Cardiovascular Disease in the Young: Noninherited risk factors and congenital cardiovascular defects: current knowledge: a scientific statement from the American Heart Association Council on Cardiovascular Disease in the Young: endorsed by the American Academy of Pediatrics. Circulation. 2007; 115(23): 2995–3014. 4. Tönz O: Folsäure – ein Breitbandprophylaktikum. Schweiz Zeitschr Gynäkologie 2007; 6: 18–23. 5. Botto LD et al.: Periconceptional multivitamin use and the occurrence of conotruncal heart defects: results from a population-based, case-control study. Pediatrics 1996; 98(5): 911–917. 6. Liu S et al.: Canadian Perinatal Surveillance System (Public Health Agency of Canada): Effect of folic acid food fortification in Canada on congenital heart disease subtypes. Circulation 2016; 134(9): 647–655. 7. Drogari E et al.: Timing of strict diet in relation to fetal damage in maternal phenylketonuria. An international collaborative study by the MRC/DHSS Phenylketonuria Register. Lancet 1987; 2(8565): 927–930. 8. Basu M, Garg V: Maternal hyperglycemia and fetal cardiac development: Clinical impact and underlying mechanisms. Birth Defects Res 2018; 110(20): 1504–1516. 9. Liu S et al.: Association between maternal chronic conditions and congenital heart defects: A population-based cohort study. Circulation 2013;128(6): 583–589. 10. Reef SE et al.: The epidemiological profile of rubella and congenital rubella syndrome in the United States, 1998–2004: the evidence for absence of endemic transmission. Clin Infect Dis 2006; 43(Suppl 3): S126–132. 11. Botto LD et al.: National Birth Defects Prevention Study. Congenital heart defects after maternal fever. Am J Obstet Gynecol 2014; 210(4): 359.e1–359.e11. 12. Auger N. et al.: Risk of congenital heart defects after ambient heat exposure early in pregnancy. Environ Health Perspect 2017; 125(1): 8–14.
Pädiatrie 3/19
13. Vrijheid M et al.: Ambient air pollution and risk of congenital anomalies: A systematic review and meta-analysis. Environ Health Perspect 2011; 119(5): 598–606. 14. Lynch TA, Abel DE: Teratogens and congenital heart disease. JDMS 2015; 31(5): 301–305. 15. Huybrechts KF et al.: Antidepressant use in pregnancy and the risk of cardiac defects. N Engl J Med 2014; 370(25): 2397–2407. 16. Boyle B et al.: The changing epidemiology of Ebstein's anomaly and its relationship with maternal mental health conditions: A European registry-based study. Cardiol Young. 2017; 27(4): 677–685. 17. Hernández-Díaz S et al.: For the North American AED Pregnancy Registry: Comparative safety of antiepileptic drugs during pregnancy. Neurology 2012; 78(21): 1692–1699. 18. Czeizel AE et al.: The teratogenic risk of trimethoprim-sulfonamides: a population based case-control study. Reprod Toxicol 2001;15(6): 637–646. 19. Ericson A, Källén BA: Nonsteroidal anti-inflammatory drugs in early pregnancy. Reprod Toxicol 2001;15(4): 371–375. 20. Marsh CA et al.: Case-control analysis of maternal prenatal analgesic use and cardiovascular malformations: Baltimore-Washington Infant Study. Am J Obstet Gynecol 2014; 211(4): 404.e1–9. 21. Interrante JD et al.: Risk comparison for prenatal use of analgesics and selected birth defects, National Birth Defects Prevention Study 1997–2011. Ann Epidemiol 2017; 27(10): 645–653. 22. Tikkanen J, Heinonen OP: Risk factors for ventricular septal defect in Finland. Public Health 1991; 105: 99–112. 23. Ferencz C et al.: Congenital heart disease: prevalence at live-birth: the Baltimore-Washington Infant Study. Am J Epidemiol 1985; 121:31–36. 24. Hackshaw A, Rodeck C, Boniface S: Maternal smoking in pregnancy and birth defects: a systematic review based on 173687 malformed cases and 11.7 million controls. Hum Reprod Update 2011; 17: 589–604. 25. Lee LJ, Lupo PJ: Maternal smoking during pregnancy and the risk of congenital heart defects in offspring: A systematic review and metaanalysis. Pediatr Cardiol 2013; 34: 398–407. 26. Ferencz C, Correa-Villasenor A, Loffredo CA (eds.): Genetic and environmental risk factors of major cardiovascular malformations: The Baltimore-Washington Infant Study: 1981-1989. Armonk, Futura Publishing Co, New York, 1997. 27. Browne ML: Maternal exposure to caffeine and risk of congenital anomalies: a systematic review. Epidemiology 2006; 17(3): 324–331. 28. Botto LD et al.: Lower rate of selected congenital heart defects with better maternal diet quality: a population-based study. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2016; 101(1): F43–49. 29. Eichholzer M et al.: Folsäure ist unentbehrlich für die normale Entwicklung des Kindes. Ist die Bevölkerung mit diesem Vitamin genügend versorgt? Bundesamt für Gesundheit (BAG), Bern, 2008. 30. Bärlocher K: Folsäure perikonzeptionell und in der Schwangerschaft. Schweiz Zeitschr Ernährungsmed 2012; 3: 9–14. 31. Botto LD, Yang Q: 5,10-Methylenetetrahydrofolate reductase gene variants and congenital anomalies: a HuGE review. Am J Epidemiol 2000; 151(9): 862–877. 32. Czeizel AE: The primary prevention of birth defects: Multivitamins or folic acid? Int J Med Sci 2004; 1(1): 50–61. 33. Botto LD, Olney RS, Erickson JD: Vitamin supplements and the risk for congenital anomalies other than neural tube defects. Amer J Med Genet (Semin. Med. Genet) 2004; 125C: 12–21.
3/19 Pädiatrie
Schwerpunkt 17