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KONGRESSBERICHT
Jahrestagung der SGDV 2024, Basel
Hautkrebs-Screening
Wie künstliche Intelligenz Einzug in die Dermatologie hält
Kann künstliche Intelligenz (KI) die Dermatologie und speziell das Hautkrebs-Screening verbessern? Am diesjährigen Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie zeigten Prof. Dr. Alexander Navarini und Dr. Elisabeth Gössinger vom Universitätsspital Basel, was heute schon möglich ist – und was morgen zu erwarten sein könnte.
len zu können. Noch schöner wäre es, wenn alle Läsionen eines Patienten zu ganz bestimmten Zeitpunkten dokumentiert werden könnten, so Gössinger. Auch hier kommt die KI bereits in Form von Ganzkörper-Scans zu Einsatz. Zwei Beispiele aus Basel:
Ärzte, die nichts mehr schriftlich dokumentieren müssen, dafür mehr Zeit für die Patienten haben? Intelligente Fotosysteme, die verdächtige Hautläsionen mit hoher Präzision aufspüren? Technologien, die über T-Zellprofile personalisierte Therapien vorschlagen? Was lange nach einer unerreichbaren Wunschvorstellung klang, könnte mithilfe der künstlichen Intelligenz (KI) in nicht allzu ferner Zukunft in der klinischen Praxis Realität werden.
KI verschriftlicht Arztbrief
Derzeit läuft an der Universität Basel ein Versuch, in dessen erster Phase bei einem Patientengespräch nur noch aufgeschrieben werden soll, was unbedingt notwendig ist. Diese Notizen sollen dann «maximal ausgenutzt werden», berichteten am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) in Basel Prof. Dr. Alexander Navarini und Dr. Elisabeth Gössinger vom Universitätsspital Basel. Mit anderen Worten: Die in einem Notebook nur rudimentär gemachten Notizen werden von einem «Large Language Model» (LLM) ausformuliert und ohne Schreibfehler in eine ansprechende Form gebracht. Die bisherigen Ergebnisse seien erstaunlich, allerdings müsste gesichert sein, dass solche Eingaben stets anonymisiert seien, betonten die beiden Referenten. Die Vision der Zukunft sei dann ein kompletter Verzicht auf eigene schriftliche Notizen, stattdessen könnte ein KI-Werkzeug das gesprochene Wort direkt zu einem Arztbrief verarbeiten. Ein bereits existierendes Programm («Whisper») wurde von Navarini im Rahmen eines Forschungsprojekts schon im Patientengespräch getestet. Es versteht, verarbeitet und generiert natür-
liche Sprache. Derzeit versteht es rund 188 Sprachen und Dialekte, darunter auch Schweizerdeutsch. «Es ist unglaublich, wie gut die KI Schwiizerdeutsch versteht und ins geschriebene Hochdeutsch übersetzt», so der Dermatologe.
Richtige Diagnose durch KI
Welche «diagnostischen Fähigkeiten» besitzt die KI? In einer amerikanischen Studie zeigte allein die Beschreibung von Symptomen schon sehr gute dia gnostische Resultate. In Basel wurde ein entsprechendes ChatGPT-Programm anhand der Daten eines 14-jährigen Patienten getestet. Der Knabe hatte schuppende, gerötete Plaques auf den Streckseiten der Extremitäten (auch im Bereich der Hände) entwickelt. Zudem klagte er über Muskelschmerzen und Muskelschwäche. Das KI-Programm diagnostizierte nicht nur richtig eine juvenile Dermatomyositis, sondern schlug gleichzeitig verschiedene ernst zu nehmende Differenzialdiagnosen vor. Auch die Vorschläge des weiteren Vorgehens inklusive der Bestimmung verschiedener Antikörper seien erstaunlich gut und korrekt gewesen, berichtete Gössinger. Trotzdem müsse man bei diesen Vorschlägen natürlich immer vorsichtig sein. Trotz aller Fortschritte: Eine verlässliche Bildauswertung sei bislang durch KI nicht möglich.
Einsatz beim HautkrebsScreening
Je besser ein Arzt in der Erkennung dermatoskopischer Strukturen trainiert ist, desto höher werden diagnostische Sensitivität und Spezifität. Schon seit geraumer Zeit werden bei Hochrisikopatienten Aufnahmen gewisser Läsionen angefertigt, um eine mögliche Dynamik beurtei-
Fall 1 Bei einem 47-jährigen Mann, bei dem bereits vor einigen Jahren ein In-situ-Melanom diagnostiziert und entfernt worden war und der zudem eine positive Familienanamnese aufwies, wurde zur Jahreskontrolle ein Ganzkörper-Scan vorgenommen. Tatsächlich konnte die KI durch einen automatischen Bildvergleich gegenüber dem vorherigen Scan bereits nach wenigen Minuten an einer 2,5 mm grossen Läsion am Oberarm ein Wachstum von 0,7 mm feststellen. Allerdings deuteten sowohl die Einschätzung der Spezialisten als auch die automatische Risikobewertung des Systems (5%iges Risiko) nicht auf eine besonders hohe Melanomgefahr hin. Wegen der Dynamik und der Hochrisikosituation wurde die Läsion trotzdem exzidiert. Laut den Ergebnissen der histologischen Untersuchung handelte es sich dann tatsächlich um ein frühes In-situ-Melanom. «Wir waren wirklich überrascht», so die Dermatologin.
Fall 2 Auch ein 62-jähriger Patient musste sich in der Vergangenheit bereits drei Melanome (Stage 1A) entfernen lassen, zudem war seine Familienanamnese positiv. Nach einem Ganzkörper-Scan habe die KI auf seinem Rücken zwei verdächtige Strukturen identifiziert, die entweder auf den ersten Blick leicht übersehen oder als nicht besonders besorgniserregend eingestuft hätten werden können, so die beiden Spezialisten. Die erste Läsion wurde von der KI mit einer äusserst hohen Risikobewertung von 97% belegt, tatsächlich handelte es sich um ein sehr kleines, sich oberflächlich ausbreitendes Melanom (Breslow 0,2 mm). Bei der zweiten Hautveränderung lag die Risikoein-
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Jahrestagung der SGDV 2024, Basel
Zur Zukunft der Dematologie (Quelle: Navarini)
schätzung der KI bei 60%, auch hier stellte es sich als ein gefährliches oberflächliches Melanom (Breslow 0,6 mm) heraus.
Vier Kernaussagen zur Melanomdiagnose mittels KI
Zwar müsse jedes Ergebnis kritisch hinterfragt werden, «aber diese beiden Beispiele machen den Benefit der künstlichen Intelligenz bei der Detektion verdächtiger Strukturen sehr deutlich», sagte Gössinger. Aus den bislang in Basel gemachten Erfahrungen aus der KI-Melanomerkennung lassen sich folgende Kernaussagen zusammenfassen: 1. Bei wiederholten Aufnahmen hinter-
einander können die Risikobewertungen der KI zum Teil erheblich variieren. Aufgrund der experimentellen Ergebnisse wurde der Algorithmus vom Hersteller verbessert. 2. Bei der Melanomdetektion in einer Hochrisikopopulation ist die Sensitivität eines 3D-Ganzkörper-Scans mit der eines Dermatologen vergleichbar. Allerdings ist die Spezifität deutlich der des Arztes unterlegen. 3. Die SkinVision-App führt zu einer 27fach höheren falsch positiven Melanomdiagnose. 4. Gemäss einer Befragung aus Basel fühlen sich die meisten Patienten bei der Suche nach verdächtigen Läsionen am sichersten, wenn eine Kombi-
nation aus menschlicher und KI-Kompetenz angewendet wird. Aus dem letzten Punkt leite sich auch die Botschaft für die Zukunft ab, so Gössinger. «Wir Dermatologen werden nicht ersetzt durch die Maschinen. Dieses System ist da, um uns zu helfen, unsere diagnostische Genauigkeit zu verbessern und unsere Arbeit effizienter zu machen».
Wie sieht die Dermatologie der Zukunft aus?
n Patientenkonsultation: Ziel wird es sein, bei Konsultationen möglichst wenig aufzuschreiben. Ein entsprechendes Programm werde bald im klinischen Informationssystem für die Praxis abrufbar sein, so Navarini.
n Hautuntersuchung: Bildgebende Systeme können eine Untersuchung mit einem Dermatoskop bislang nicht ersetzen. «Das ist heute nicht möglich und ich glaube nicht, dass dies in naher Zukunft möglich sein wird», so Gössinger. Weder Kopfhaut, Schleimhäute noch Fusssohlen würden mit der heutigen Technik abgebildet. «Man würde fahrlässig handeln, wenn man diese Stellen nicht auch untersuchen würde.»
n Dokumentation: Die visuelle Dokumentation in standardisierter Form und die KI-Analyse werden immer breiteren Raum einnehmen. Die ent-
sprechenden Fotosysteme (z. B. die
Ganzkörperfotografie) werden weiter-
entwickelt und verbessert. Damit wer-
den gleichzeitig auch dermatoskopi-
sche Aufnahmen von allen Läsionen
möglich. In einem derzeit laufenden
europäischen Projekt wird die KI zu-
dem mit den klinischen Angaben der
Patienten gekoppelt.
n Neue diagnostische Messungen: Bei-
spielsweise werden mit «nanoString-
Technologie» Transkriptionsprofile her-
gestellt, sodass etwa die T-Zellen
respektive bestimmte Zytokine in ei-
ner Läsion charakterisiert werden kön-
nen, um letztlich die passende Thera-
pie einzusetzen.
n Personalisierte Medizin: Solche Tools
helfen dabei, individuell zugeschnit-
tene Behandlungsformen zu finden.
Es werden von gewissen Dermatosen
Subgruppen charakterisiert, die von
bestimmten Behandlungsformen be-
sonders profitieren.
n Medizinische Dokumentation: Die
Fortschritte der Zukunft sollen den
medizinischen Alltag einfacher und
effizienter gestalten. Auch die dia
gnostische Sensitivität soll verbessert
werden.
n
Klaus Duffner Quelle: Jahrestagung der SGDV 2024, «Modern Dermatology», Vortrag von Prof. Dr. Alexander Navarini und Dr. Elisabeth Gössinger, am 18. September 2024 in Basel.
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