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EHA 2024
EHA 2024 Congress, 13. bis 16. Juni 2024, Madrid und virtuell
Multiples Myelom
Neuer Therapiestandard in der Erstlinie für nicht transplantierbare Myelom-Erkrankte
Auf dem Gebiet des Multiplen Myeloms wurden am diesjährigen EHA-Kongress Resultate aus mehreren Phase-III-Studien zu verschiedenen neuen Kombinationen gezeigt, die das Potenzial dazu haben, als Erstlinientherapie für nicht transplantierbare Patienten oder im ersten Rezidiv zum Standard zu werden.
Die Kombination aus Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (VRd) stellt eine Standarderstlinientherapie für Menschen mit Multiplem Myelom (MM) dar, unabhängig davon, ob sie sich für eine Transplantation eignen oder nicht (1, 2). «Nachdem verschiedene Phase-III-Studien bei transplantierbaren Patienten gezeigt haben, dass die zusätzliche Gabe eines Anti-CD38-Antikörpers zu einer Verbesserung des Resultats führt, ist eine Viererkombination mittlerweile Standard», so Prof. Thierry Facon, Lille, France. Eine Phase-Ib-Studie ergab, dass der Anti-CD38-Antikörper Isatuximab (Sarclisa®) kombiniert mit VRd (Isa-VRd) bei nicht transplantierbaren Patienten bzw. bei solchen ohne unmittelbare Transplantationsabsicht mit einem guten Sicherheitsprofil und einer guten Aktivität einherging (3). In der globalen Phase-III-Studie IMROZ wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Isa-VRd im Vergleich zu VRd bei MM-Erkrankten un-
Auf einen Blick
n Isatuximab in Kombination mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (Isa-VRd) führte in der IMROZ Studie bei nicht transplantierbaren, neu diagnostizierten MM-Betroffenen zu einer signifikanten Reduktion des Risikos für eine Progression oder Tod von 40,4% versus VRd (4). Die Kombination wird als möglicher neuer Standard in diesem Setting bezeichnet.
n Die BENEFIT Studie bestätigte die gute Wirksamkeit von Isa-VRd, hier im Vergleich zu Isa-Rd (5).
n Bei MM-Erkrankten mit > 1 Rezidiv führte Belantamab mafodotin, kombiniert mit Bortezomib und Dexamethason oder Pomalidomid und Dexamethason zu einem verbesserten PFS bei einem handhabbaren Nebenwirkungsprofil (7–10).
tersucht, die sich aufgrund ihres Alters oder ihrer Komorbiditäten nicht für eine Transplantation eigneten (4). Facon präsentierte am EHA-Kongress nun die Daten einer vordefinierten Interimsanalyse der Studie.
Risikoreduktion um gut 40 Prozent
Insgesamt wurden 446 MM-Patienten im Alter von < 80 Jahren im Verhältnis 3:2 randomisiert und entweder mit Isa-VRd (4 Zyklen à 6 Wochen, gefolgt von 4-wöchigen Isa-Rd-Erhaltungstherapie-Zyklen bis zur Unverträglichkeit oder zum Progress) oder VRd behandelt (4 Zyklen à 6 Wochen, gefolgt von 4-wöchigen Zyklen einer Rd-Erhaltungstherapie). Der primäre Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS). Zu den sekundären Endpunkten gehörten unter anderem das komplette Ansprechen (CR), eine negative minimale Resterkrankung der Teilnehmenden mit CR (MRD, definiert als 10-5 im Next Generation Sequencing) und das Gesamtüberleben (OS). Das mediane Alter schliesslich betrug 72 Jahre. Nach einem medianen Follow-up von 59,7 Monaten führte Isa-VRd im Vergleich zu VRd zu einer signifikanten Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 40,4% (Hazard Ratio [HR]: 0,596; p = 0,0005). Die 5-Jahres-PFS-Rate betrug 63,2% unter Isa-VRd und 45,2% unter VRd. Die Viererkombination führte zudem zu einem tiefen und anhaltenden Ansprechen. Ein höherer Anteil der Patienten unter Isa-VRd erwies sich als MRD-negativ, mit einer signifikanten Differenz bei den Teilnehmern mit CR (55,5 vs. 40,9%; p = 0,003). Die MRD-Negativität blieb zudem bei fast doppelt so vielen Betroffenen im Isa-VRd-Arm über mindestens 12 Monate erhalten (46,8 vs. 24,3%). In Be-
zug auf das OS waren die Daten der vorgestellten Analyse noch unreif. «Jedoch zeigte sich mit einer Risikoreduktion von 22,4% im Vergleich zu VRd ein positiver Trend für den Isa-VRd-Arm ab», berichtete der Experte. Die absolute Rate an Nebenwirkungen (alle Grade) war in beiden Behandlungsarmen ähnlich hoch, wobei die Rate an Nebenwirkungen vom Grad 5 unter IsaVRd höher lag als unter VRd. Allerdings unterschied sich die Therapiedauer in den beiden Armen deutlich (53,2 Monate für Isa-VRd und 31,3 Monate für VRd). Die expositionsadjustierte Inzidenz der Nebenwirkungen vom Grad 5 war mit 0,03 für Isa-VRd und 0,02 für VRd ähnlich. IMROZ stellt die erste globale Phase-III-Studie mit einem Anti-CD38-Antikörper in Kombination mit VRd bei nicht transplantierbaren, neu diagnostizierten MM-Betroffenen dar. «Die verbesserte Wirksamkeit kombiniert mit einem konsistenten Sicherheitsprofil macht aus der Kombination Isa-VRd eine wichtige Option für die frühe Krankheitskontrolle und etabliert sie als neuen Therapiestandard für dieses Setting», fasste Facon abschliessend zusammen und wies darauf hin, dass die Studie vor Kurzem auch im New England Journal of Medicine publiziert wurde (5).
Bestätigung der IMROZ-Studie
In der BENEFIT (IFM 2020-05)-Studie wurde bei nicht transplantierbaren Personen mit einem neu diagnostizierten MM untersucht, ob durch die Zugabe von Bortezomib zu Isa-Rd bessere Resultate erreicht werden können (6). Bortezomib (1,3 mg/m2 s.c.) wurde darin bis Zyklus 12 wöchentlich (Tage 1, 8, 15), danach bis Zyklus 18 zweimonatlich verabreicht. Der primäre Endpunkt war die Rate an MRD-negativen Teilnehmern (10-5) 18 Monate nach Behandlungsbeginn. Insgesamt wurden bis zum Daten Cut-off im Februar 2024 pro Arm 135 MM-Erkrankte mit einem medianen Alter von 73,2 Jahren rekrutiert.
20 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2024
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Nach 18 Monaten erwiesen sich signifikant mehr Teilnehmer im Isa-VRd-Arm als MRD-negativ (53 gegenüber 26%, Odds Ratio = 3,16; p < 0,0001; vgl. Abbildung). Ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Therapiearmen bestand allerdings bereits nach 12 Monaten. «Nach 18 Monaten wiesen mit 36% unter IsaVRd versus 17% unter Isa-Rd gar doppelt so viele Teilnehmer eine noch stringentere MRD-Negativität von 10-6 auf, was sehr schwer zu erreichen ist», sagte Leleu. Der Vorteil für Isa-VRd blieb in verschiedenen Subgruppen erhalten. «Das Nebenwirkungsprofil war in beiden Studienarmen ähnlich. Thrombozytopenien und eine periphere Neuropathie traten unter Isa-VRd häufiger auf», führte Leleu aus. Dies sei jedoch bekannt und auch erwartet worden. Sein Fazit zur Studie: IsaVRd führt zu einem vertieften Ansprechen einschliesslich einer signifikanten Erhöhung der Rate an MRD-negativen Teilnehmern gegenüber Isa-Rd. BENEFIT unterstützt damit Isa-VRd als neuen Behandlungsstandard für neudiagnostizierte, nicht transplantierbare MM-Betroffene.
Belantamab mafodotin im Rezidiv erfolgreich
Der Einsatz von Dreifach-/Vierfachkombination in der Erstlinientherapie des MM führt dazu, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt des ersten Rezidivs bereits IMiD-, Proteasominhibitor- und Anti-CD38-Antikörper-exponiert sind. Ein neuer Ansatz für diese Situation stellt das gegen BCMA (B-Cell Maturation Antigen) gerichtete Antikörper-SubstanzKonjugat Belantamab mafodotin dar. In der Phase-III-Studie DREAMM-7 wurde Belantamab mafodotin in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason (BVd) mit Daratumumab-BortezomibDexamethason (DVd) bei rezidivierten/ refraktären Myelom-Betroffenen (RRMM) mit > 1 Vortherapie untersucht (7, 8). Dabei bewirkte BVd ein signifikant besseres medianes PFS als DVd (36,6 vs. 13,4 Monate; HR: 0,41; p < 0,00001). Zudem wurde ein deutlicher und klinisch relevanter OS-Vorteil beobachtet (HR: 0,57; nominal p = 0,00049). Verglichen mit DVd führte BVd ausserdem zu einem tieferen Ansprechen und einer Verdopplung der medianen Ansprechdauer und zeigte ein beherrschbares Nebenwir-
Patienten %
{ {
OR (95%-KI): 3,16 (1,89–5,28) p < 0,0001
60 53
50 OR (95%-KI): 2,74 (1,54–4,87)
p = 0,0006
40 36
30 26 20
Isa-VRd 17 Isa-Rd
10
0 10-5
10-6
18 Monate
Abbildung: Nach einer Behandlungsdauer von 18 Monaten war der Anteil an Patienten mit einer negativen minimalen Resterkrankung (MRD) unter Behandlung mit Isatuximab-Bortezomib-Lenalidomid-Dexamethason (Isa-VRd) signifikant höher als im Vergleichsarm ohne Bortezomib. Quelle: adaptiert nach (6).
kungsprofil. Kam es unter BVd zu einer
Verschlechterung der Sehschärfe, klang
diese nach einer Dosismodifikation in
den meisten Fällen wieder ab. Wie Ma-
ria-Victoria Mateos, Salamanca, bei ihrer
Präsentation sagte, legen die Resultate
der Studie DREAMM-7 nahe, dass sich
BVd als Standardtherapie im ersten Rezi-
div eignen könnte. Ein am Kongress prä-
sentiertes Poster befasste sich zudem
mit der Wirksamkeit von BVd bei Lenali-
domid-refraktären Studienteilnehmern
und bei Hochrisiko-Zytogenetik (9). Auch
diese Populationen profitierten deutlich
mehr von BVd als von DVd.
In DREAMM-8 schliesslich wurde bei Per-
sonen mit RRMM und einer Lenalido-
mid-haltigen Vortherapie Belantamab
mafodotin mit Pomalidomid und Dexa-
methason kombiniert (BPd) und mit PVd
verglichen (10). Bei einem medianen Fol-
low-up von 21,7 Monaten war das medi-
ane PFS für BPd noch nicht erreicht, wäh-
rend es unter PVd 12,7 Monate betrug
(HR: 0,52; p < 0,001). BPd führte zudem
zu einem tieferen und anhaltenderen An-
sprechen als PVd. Nebenwirkungen wur-
den als generell beherrschbar und in
Übereinstimmung mit den bekannten
Profilen der einzelnen Substanzen be-
schrieben
n
Referenzen: 1. Dimopoulos MA et al.: Multiple myeloma: EHA-ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2021;32(3):309-322. 2. Durie BGM et al. : Bortezomib with lenalidomide and dexamethasone versus lenalidomide and dexamethasone alone in patients with newly diagnosed myeloma without intent for immediate autologous stem-cell transplant (SWOG S0777): a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2017;389(10068):519527. 3. Ocio EM et al: Efficacy and safety of isatuximab plus bortezomib, lenalidomide, and dexamethasone in patients with newly diagnosed multiple myeloma ineligible/with no immediate intent for autologous stem cell transplantation. Leukemia 2023;37:1521-1529. 4. Facon T et al.: Phase 3 study results of isatuximab, bortezomib, lenalidomide, and dexamethasone (Isa-VRd) versus VRd for transplant-ineligible patients with newly diagnosed multiple myeloma (IMROZ). EHA 2024, Abstract S100. 5. Facon T et al. Isatuximab, bortezomib, lenalidomide, and dexamethasone for multiple myeloma. N Engl J Med. 2024 Jun 3. doi: 10.1056/NEJMoa2400712. [Epub ahead of print]. 6. Leleu X et al. Randomized phase 3 study of Isatuximab plus lenalidomide and dexamethasone with bortezomib versus Isa-Rd in patients with newly diagnosed transplant ineligible multiple myeloma. EHA 2024, Abstract S203. 7. Mateos MV et al. Results from DREAMM-7 a randomized phase 3 study of belantamab mafodotin+ bortezomib, and dexamethasone vs daratumumab + bortezomib, and dexamethasone in relapsed/refractory multiple myeloma. EHA 2024, Abstract S214. 8. Hungria V et al. Belantamab mafodotin, bortezomib, and dexamethasone for multiple myeloma. N Engl J Med. 2024 Jun 1. doi: 10.1056/NEJMoa2405090. [Epub ahead of print]. 9. Mateos MV et al. DREAMM-7 update: subgroup analyses from a phase 3 trial of belantamab mafodotin + bortezomib and dexamethasone vs daratumumab, bortezomib, and dexamethasone in relapsed/refractory multiple myeloma. EHA 2024, Abstract P938. 10. Dimopoulos MA et al. Results from the randomized phase 3 DREAMM-8 study of belantamab mafodotin plus pomalidomide and dexamethasone vs pomalidomide plus bortezomib and dexamethasone in relapsed/refractory multiple myeloma. EHA 2024, Abstract LBA3440.
Therese Schwender
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2024
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