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2024 ASCO
2024 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 31. Mai – 4. Juni 2024, Chicago & online
Lungenkarzinom
Therapieoptimierung bei NSCLC, LS-SCLC, ES-SCLC und Mesotheliom
Für unsere Standardtherapien beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) erhärten sich mit längeren Nachbeobachtungszeiten die Daten der Zulassungsstudien. Beim ASCO-Kongress wurden aber auch vielversprechende Studienergebnisse zu möglichen neuen Standards und selektierten Patientengruppen bei den Kleinzellern und dem Mesotheliom präsentiert.
Perioperative Therapie mit Nivolumab
In der Phase-III-Studie CheckMate 77T wurden NSCLC-Patienten mit resezierbaren Tumoren im Stadium II-IIIB neoadjuvant mit Nivolumab (Opdivo®) oder Plazebo, jeweils plus 4 Zyklen Chemotherapie, sowie adjuvant mit alleinigem
Auf einen Blick
n Explorative Ergebnisse der CheckMate 77TStudie bestätigen das Potenzial der perioperativen Nivolumab-Gabe als einen neuen Therapiestandard bei Patienten mit resezierbarem NSCLC, auch bei Patienten mit schlechter Prognose im Stadium III N2.
n Die Analyse der molekularen Resterkrankung (MRD) innerhalb der ADAURA-Studie zeigte ein anhaltendes krankheitsfreies Überleben und einen MRD-freien Status während und nach der adjuvanten Osimertinib-Therapie.
n In der 5-Jahres-Auswertung der CROWNStudie war das mediane PFS unter Lorlatinib noch nicht erreicht. Die Ergebnisse stützen Lorlatinib in der ersten Therapielinie bei Patienten mit fortgeschrittenem ALK-positiven NSCLC.
n Die Konsolidierungstherapie mit Durvalumab wird der neue Standard für die Behandlung von Patienten mit LS-SCLC, die nach Chemoradiotherapie keinen Krankheitsprogress aufweisen.
n Die Therapie mit Bevacizumab plus Atezolizumab und Chemotherapie zeigte in der asiatischen Phase-III-Studie BEAT-SC mit einem verlängerten PFS vielversprechende Ergebnisse für Patienten mit einem ES-SCLC.
n Die zusätzliche Gabe von Atezolizumab zu Bevacizumab plus Chemotherapie verlängerte das PFS und die Dauer des Ansprechens, nicht aber den primären Studienendpunkt Gesamtüberleben. Patienten mit einer nicht epitheloiden Histologie könnten laut Hinweisen aus den Subgruppenanalysen durch Atezolizumab einen Vorteil haben.
Nivolumab oder Plazebo behandelt und ein signifikanter Vorteil bezüglich des ereignisfreien Überlebens (EFS) unter der Checkpoint-Immuntherapie gezeigt. In der jetzt beim ASCO-Kongress präsentierten exploratorischen Analyse wurde untersucht, ob Unterschiede in der Wirksamkeit bei Patienten mit klinischem Stadium III N2 versus Stadium III nicht-N2 bestehen (1). Die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) war mit 22,0 versus 5,6% (N2) bzw. 25,5 versus 5,3% (nicht-N2) unter perioperativem Nivolumab in ähnlichem Ausmass vorteilhafter als unter Plazebo. Wurden nur die Ergebnisse von Patienten ausgewertet, die einer Resektion zugeführt werden konnten, vergrösserte sich der Unterschied auf 28,6 versus 7,6% im Stadium III N2 bzw. 31,1 versus 6,7% im Stadium III nicht-N2. Ein Downstaging des Tumors wurde im Nivolumab-Arm bei 52% (ypN0: 46%) und im Plazebo-Arm bei 45% (ypN0: 36%) der Patienten erreicht. Das EFS lag median bei 30,2 versus 10,0 Monaten (N2) bzw. nicht erreicht versus 17,0 Monate (nicht-N2) mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,46 (95%-Konfidennzintervall [KI]: 0,30–0,70) bzw. 0,60 (0,33–1,08). Bei durchgeführter Operation vergrösserte sich der Unterschied für das Stadium III N2 auf eine Hazard Ratio von 0,32 (95%KI: 0,19–0,54), für Patienten im Stadium III nicht-N2 betrug die HR 0,61 (95%-KI: 0,30–1,24). Mit neoadjuvanter Nivolumab-Gabe wurde eine Pneumoektomie nur bei 1% der Patienten mit N2 notwendig, dagegen bei 14% der Patienten im Plazebo-Arm. Patienten mit nicht-N2Tumoren erhielten mit Nivolumab in 4% der Fälle versus 18% im Plazebo-Arm eine erweiterte Lobektomie. Die perioperative Therapie mit Nivolumab er-
wies sich als vergleichbar sicher bei Patienten mit N2 oder nicht-N2-Tumoren.
Adjuvante OsimertinibTherapie reduziert molekulare Resterkrankung
In der ADAURA-Studie konnte durch die adjuvante Gabe von Osimertinib (Tagrisso®) das krankheitsfreie Überleben (DFS) und das Gesamtüberleben (OS) gegenüber Plazebo bei Patienten mit reseziertem EGFR-mutiertem NSCLC im Stadium IB-IIIA signifikant verlängert werden. Ein explorativer Endpunkt war die Machbarkeit einer zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA)-basierten Detektion einer molekularen Resterkrankung (MRD) zur Vorhersage eines Krankheitsrückfalls (2). MRD-Proben konnten von 91% der Patienten analysiert werden. MRD-Ereignisse traten bei 68 Patienten auf, davon 15 (13%) im Osimertinib- und 53 (49%) im Plazebo-Arm. Wurde bei Patienten zu Beginn der adjuvanten Therapie eine Resterkrankung nachgewiesen, so war dies mit einer schlechten Prognose assoziiert. Von 18 Patienten mit MRD bei Therapiebeginn zeigten 80% unter Osimertinib und keiner unter Plazebo den Rückgang zur MRD-Negativität (nicht detektierbar bis 10-6). Mit einer Sensitivität von 65% und einer Spezifität von 95% wurde durch eine detektierbare Resterkrankung der Krankheitsrückfall vorhergesehen. Die Zeit bis zum Rezidiv betrug median 4,7 Monate. Die Wahrscheinlichkeit ohne DFS- und MRD-Ereignis zu leben war für Patienten im Osimertinib-Arm höher (HR: 0,23; 95%-KI: 0,15–0,36). Nach 24 Monaten war bei 66% der Patienten unter Osimertinib noch kein DFS- oder MRD-Ereignis zu verzeichnen.
Medianes PFS in 5-JahresAnalyse noch nicht erreicht
Lorlatinib (Lorviqua®), ein ALK-Tyrosinkinaseinhibitor der 3. Generation, wurde in der randomisierten Phase-III-Studie CROWN gegen Crizotinib (Xalkori®) ge-
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prüft. Der primäre Studienendpunkt, eine Verlängerung des PFS, wurde mit einer Hazard Ratio von 0,28 (95%-KI: 0,19–0,41; p < 0,001) erreicht. Beim ASCO-Kongress wurden nun Ergebnisse mit einer Nachbeobachtungszeit von median 60,2 Monaten (Lorlatinib) bzw. 55,1 Monaten (Crizotinib) präsentiert (3). Das mediane PFS war im Lorlatinib-Arm noch nicht erreicht und betrug 9,1 Monate unter Crizotinib. Nach 60 Monaten lebten 60 versus 8% der Patienten ohne Progress. Das Risiko für einen Krankheitsprogress oder Tod war im Lorlatinib-Arm gegenüber Crizotinib um 81% verringert (95%-KI: 0,13–0,27). Der PFS-Vorteil wurde für alle untersuchten Subgruppen gesehen. Das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung war bei Patienten mit Hirnmetastasierung im Lorlatinib-Arm um 92% verringert gegenüber Crizotinib (HR: 0,08; 95%-KI: 0,04–0,19). Nach 60 Monaten lebten 92 versus 21% der Patienten ohne intrakraniellen Progress. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Klinisch relevante Therapieoptimierung mit Durvalumab In den letzten Dekaden gab es keine grösseren Fortschritte in der Behandlung des «limited stage» kleinzelligen Lungenkarzinoms (LS-SCLC). Mit der derzeitigen Standardchemotherapie werden im Median etwa 25 bis 30 Monate Gesamtüberleben erreicht. Die 5-JahresOS-Rate liegt bei etwa 29 bis 34%. Bei nicht progredienter Erkrankung unter Chemoradiotherapie wurde in der ADRIATIC-Studie eine Konsolidierung mit dem Anti-PD-L1-Inhibitor Durvalumab (Imfinzi®) mit oder ohne das CTLA-4-gerichtete Tremelimumab (Imjudo®) untersucht und Ergebnisse der ersten Interimsanalyse präsentiert (4). 730 Patienten mit LS-SCLC im Stadium I/ II (inoperabel) und III erhielten Durvalumab, Plazebo oder Durvalumab plus Tremelimumab über maximal 2 Jahre. Die dualen primären Endpunkte waren das OS und das PFS im Vergleich von Durvalumab versus Plazebo. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 37,2 Monaten zeigte sich ein signifikanter OS-Vorteil für Patienten im Durvalumab-Arm. Im Median lebten Patienten 55,9 Monate im Durvalumab-Arm versus 33,4 Monate im Plazebo-Arm. Das Risiko zu versterben, wurde mit Durvalumab um 27% reduziert (HR: 0,73; 95%-KI: 0,57– 0,93; p = 0,0104). Nach 24 Monaten lag die OS-Rate bei 68,0 versus 58,5%, nach 36 Monaten bei 56,5 versus 47,6%. Auch der zweite primäre Endpunkt wurde erreicht. Im Median lebten Patienten mit Durvalumab-Konsolidierung 16,6 Monate ohne Krankheitsprogress versus 9,2 Monate im Plazebo-Arm (HR: 0,76; 95%KI: 0,61–0,95; p = 0,0161). Die PFS-Rate nach 18 und 24 Monaten betrug 48,8 versus 36,1% sowie 46,2 versus 34,2%. Das Sicherheitsprofil entsprach den bekannten Daten. Der Arm mit Durvalumab plus Tremelimumab bleibt bis zur nächsten Auswertung verblindet. Effektive Behandlung mit Bevacizumab und Atezolizumab beim ES-SCLC In der IMpower150-Studie wurde bereits ein synergistischer Effekt von Bevacizumab (Avastin® und Generika) und Atezolizumab (Tecentriq®) über diverse Entitäten gezeigt. Die asiatische Phase-IIIStudie BEAT-SC prüfte die Kombination als Erstlinientherapie bei Patienten mit «extensive stage» kleinzelligem Lungenkarzinom (ES-SCLC) (5). 333 Patienten erhielten randomisiert als Induktion 4 Zyklen des ACE-Regimes (Atezolizumab plus Carbo- oder Cisplatin plus Etoposid) plus Bevacizumab oder Plazebo, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Atezolizumab plus Bevacizumab oder Plazebo. Als primärer Endpunkt wurde das PFS laut Prüfarztbericht untersucht. Die Patienten waren median 65 Jahre alt und haben in 12 bis 13% der Fälle nie geraucht. Bei 23% (Bevacizumab-Arm) bzw. 16% (Plazebo-Arm) der Patienten lagen Hirnmetastasen vor. Mit dem ACE-Regime erhielten 92% der Patienten beider Studienarme Carboplatin. Das PFS konnte mit der Gabe von Bevacizumab signifikant verlängert werden (HR: 0,70; 95%-KI: 0,54–0,90; p = 0,0060). Im Median lebten die Patienten 5,7 versus 4,4 Monate progressionsfrei. Nach 6 Monaten betrug die PFS-Rate 44,9 versus 27,4%, nach 12 Monaten lag sie bei 20,4 versus 11,0%. Das PFS laut unabhängigem Review, einer der sekundären Endpunkte, bestätigte das Ergebnis der Prüfarztauswertung mit einem Median von 6,0 versus 4,4 Monaten und einer Hazard Ratio von 0,67 (95%-KI: 0,52–0,87). Die erste OS-Auswertung zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den Studienarmen. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 10,2 Monaten lag das mediane OS im Bevacizumab-Arm bei 13,0 Monaten versus 16,6 Monaten im Plazebo-Arm (HR: 1,22; 95%-KI: 0,89– 1,67; p = 0,2212). Ein Ansprechen wurde bei 81,9 versus 73,3% der Patienten gesehen, mit einer medianen Dauer des Ansprechens von 4,3 versus 4,0 Monaten. Von den 73,1 versus 78,3% Patienten, die die Studienmedikation beendeten, erhielten 57,4 versus 72,3% eine Nachfolgetherapie, im Wesentlichen Chemotherapien. 10 versus 20% der Patienten erhielten eine Radiotherapie. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Bisher kein Überlebensgewinn durch Atezolizumab beim diffusen Mesotheliom Auch in der Phase-III-Studie ETOP 13-18 BEAT-meso wurde die Kombination von Bevacizumab, Atezolizumab und Chemotherapie untersucht, in dem Fall beim diffusen Pleuramesotheliom. In der offenen, randomisierten Studie erhielten die Patienten im experimentellen Arm Atezolizumab plus Bevacizumab bis zum Tumorprogress sowie 4 bis 6 Zyklen Carboplatin plus Pemetrexed. Patienten des Kontrollarms wurden mit Bevacizumab plus Chemotherapie behandelt. Eine Protokollerweiterung veränderte den primären Endpunkt von PFS plus OS auf das alleinige OS und erhöhte die Teilnehmeranzahl von 320 auf 400 Patienten. Eine Interimsanalyse mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 36,9 Monaten für den experimentellen bzw. 33,5 Monaten für den Kontrollarm wurde beim ASCO-Kongress präsentiert (6). Die eingeschlossenen Patienten waren median 70 bis 71 Jahre alt und zeigten mit einem Anteil von je etwa einem Drittel einen Mesotheliom-Risiko-Score (MRS) von 0 (niedriges Risiko), 1 (intermediär) und 2 (hohes Risiko). Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt nicht. Nach 2 Jahren lebten 40% der Patienten im Atezolizumab-haltigen Studienarm versus 38% unter der Kontrollmedikation, das mediane OS lag bei 20,5 versus 12 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2024 2024 ASCO 2024 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 31. Mai – 4. Juni 2024, Chicago & online 18,1 Monaten. Mit einer Hazard Ratio von 0,84 (95%-KI: 0,66–1,06) und einem p-Wert von 0,14 wurde die präspezifizierte Signifikanzschwelle nicht überschritten. Patienten, die möglicherweise von der zusätzlichen Atezolizumab-Gabe mit einem verlängerten OS profitieren könnten, gehören zu Subgruppen mit nicht epitheloider Histologie, mit einem PD-L1 TPS ≥ 1 und einer schlechten Prognose laut EORTC-Score. Bezüglich des PFS wurde ein signifikanter Vorteil unter der Atezolizumab-haltigen Therapie beobachtet (HR: 0,72; 95%KI: 0,59–0,89; p = 0,0020). Im Median betrug das PFS 9,2 versus 7,6 Monate, nach 1 Jahr lebten 37 versus 26% der Patienten progressionsfrei. Auch hier zeigte sich in den Subgruppenanalysen ein möglicher Vorteil bei nicht epitheloider Histologie und einer schlechten Prognose. Es sprachen 55 versus 49% der Patienten auf die Therapie an, mit einer medianen Remissionsdauer von 8,2 versus 5,6 Monaten (p = 0,0041). Im experimentellen Studienarm kam es häufiger zu Thrombozytopenien, erhöhten Kreatininwerten, Pruritus und Rash.; 27 versus 15% der Patienten brachen Teile der Studienmedikation aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen ab. Die Lebensqualität war numerisch besser unter der Atezolizumab-haltigen Therapie, es wurde aber über den Studienverlauf weder ein signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen noch eine signifikante Änderung der Lebensqualität in den Studienarmen beobachtet. n Ine Schmale Referenzen: 1. Cascone T et al.: Clinical outcomes with perioperative nivolumab by nodal status among patients with stage III resectable NSCLC: Results from the phase 3 CheckMate 77T study. ASCO 2024, Abstr. #LBA8007. 2. John T et al.: Molecular residual disease (MRD) analysis from the ADAURA trial of adjuvant osimertinib in patients with rescted EGFR-mutated stage IB-IIIA non-small cell lung cancer (NSCLC). ASCO 2024, Abstr. #8005. 3. Solomon BJ et al.: Lorlatinib vs crizotinib in treatment-naive patients with advanced ALK+ non-small cell lung cancer: 5-year progression-free survival and safety from the CROWN study. ASCO 2024, Abstr. #LBA8503. 4. Spigel DR et al.: ADRIATIC: Durvalumab (D) as consolidation treatment (tx) for patients (pts) with limited-stage small-cell lung cancer (LS-SCLC). ASCO 2024, Abstr. #LBA5. 5. Ohe Y et al.: BEAT-SC: A randomized phase III study of bevacizumab or placebo in combination with atezolizumab and platinum-based chemotherapy in patients with extensive-stage small cell lung cancer (ES-SCLC). ASCO 2024, Abstr. #8001. 6. Popat S et al.: BEAT-meso: A randomized phase III study of bevacizumab and standard chemotherapy with or without atezolizumab, as first-line treatment for advanced pleural mesothelioma – results from the ETOP 13-18 trial. ASCO 2024, Abstr. #LBA8002. 14 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2024