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IM FOKUS: BISPEZIFISCHE ANTIKÖRPER BEI HÄMATOLOGISCHEN NEOPLASIEN
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Bispezifische Antikörper in der Therapie des Multiplen Myeloms
Neue therapeutische Optionen für Patienten mit einem Multiplen Myelom haben in den letzten Jahren zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens beigetragen. Nicht zuletzt ist das auf den sequenziellen Einsatz von verschiedenen Kombinationstherapien zurückzuführen. Im Folgenden ein Update zum Einsatz bispezifischer Antikörper in dieser Indikation und ihren Stellenwert im Vergleich zu CAR-TZell-Produkten.
ROUVEN MÜLLER
SZO 2024; 2: 6–9.
Rouven Müller
Das Multiple Myelom gehört mit einer Inzidenz von 7/100 000 zu den häufigsten hämatologischen Neoplasien. Wie nur bei wenigen anderen hämatologischen Erkrankungen haben Patienten in den vergangenen Jahren von der Entwicklung neuerer zielgerichteter Therapeutika und ganzer Substanzklassen profitiert. Zwar handelt es sich beim Multiplen Myelom noch immer um eine nicht kurativ behandelbare Erkrankung, die fortschreitende Entwicklung neuer Therapeutika erlaubt jedoch heutzutage eine sequenzielle Behandlung mit verschiedenen Kombinationstherapien, was zu einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens über die Jahre geführt hat.
Zielgerichtete Therapien
Mitte der 2010er-Jahre kamen mit der Verfügbarkeit monoklonaler Antikörper, gerichtet gegen CD38 und SLAMF7, erstmals immuntherapeutische Ansätze zum Einsatz. CD38, als Antigen zwar nicht myelomspezifisch, jedoch aufgrund seiner Expressionsstärke auf Plasmazellen ein vielversprechendes Zielantigen, wird durch die monoklonalen Antikörper Daratumumab und Isatuximab gebunden, durch antikörperabhängige Phagozytose, Zytotoxizität, Komplementaktivierung und direkte antikörpervermittelte Zytolyse wird die Plasmazelle eliminiert. Der Benefit der Hinzunahme einer CD38-gerichteten Antikörpertherapie wurde in einer Vielzahl von Pha-
ABSTRACT
Bispecific antibodies in the treatment of multiple myeloma
New therapeutic options for patients with multiple myeloma have contributed to a significant increase in overall survival in recent years. This is due not least to the sequential use of various combination therapies. This article gives an update on the use of bispecific antibodies in this indication and their significance compared to CAR-T cell products.
Keywords: Multiple myeloma, CAR-T cell therapy, bispecific antibodies
se-III-Studien sowohl in der rezidivierten und refraktären Situation (1–6), als auch in der Erstlinientherapie (7–11) belegt, sodass eine CD38-gerichtete Therapie fester Bestandteil der aktuellen Standardtherapie des Multiplen Myeloms in der Erstlinie darstellt (8, 9), unabhängig davon, ob die Patienten sich für eine Hochdosistherapie mit autologem Stammzellersatz qualifizieren oder nicht. Durch die Identifikation weiterer myelomspezifischer Antigene wie BCMA, GPRC5D und FCRH5 stehen zusätzliche Möglichkeiten für zielgerichtete Therapien zur Verfügung. Das immuntherapeutische Armamentarium umfasst hier insbesondere CAR-T-Therapien und die Substanzklasse der bispezifischen Antikörper, die im Folgenden detaillierter vorgestellt werden soll.
Wie wirken bispezifische Antikörper?
Bispezifische Antikörper binden spezifisch an das jeweilige Zielantigen auf der Tumorzelle und führen durch die gleichzeitige Bindung an CD3 auf der T-Zelle zu deren Aktivierung und zum T-Zell-mediiertem «Killing» der Tumorzelle. Der gegen CD19 und CD3 gerichtete bispezifische Antiköper Blinatumomab zur Therapie der B-lymphoblastischen Leukämie kann als erster klinischer Vertreter dieser Substanzklasse gelten und ist heutzutage sowohl in der Rezidivtherapie (12) als auch in Erstlinie bei Ph+ Leukämie (13) und als Konsolidierungsoption fest etabliert. Blinatumomab ist ein Vertreter der sogenannten Non-IgG-like-bispezifischen Antikörper, bei denen die beiden antigenbindenden Fab-Regionen über ein kurzes Verbindungsglied verknüpft sind. Das daraus resultierende, sehr kleine Molekül weist aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit zwar eine exzellente Steuerbarkeit auf, ist allerdings durch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Infusion aufwendig via Pumpe zu applizieren und setzt die Patienten durch
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permanente intravenöse Zugangswege einem Infektions- und Thromboserisiko aus. Durch Entwicklung bispezifischer Antikörper mit zusätzlicher Fc-Komponente (IgG-like-bispecific antibodies) resultierten längere Halbwertszeiten, sodass wöchentliche Applikationsintervalle und subkutane Applikationen möglich wurden.
Gegen BCMA gerichtete Antikörper
Beim Multiplen Myelom sind eine Vielzahl bispezifischer Antikörper in klinischer Entwicklung, gerichtet gegen die myelomspezifischen Antigene BCMA, GPRC5D und FCRH5. BCMA, das «B-cell-maturation-antigen» gehört zur Familie der Tumornekrosefaktor-Rezeptoren und wird auf reifen B-Lymphozyten und sowohl physiologischen als auch malignen Plasmazellen exprimiert. BCMA-Signalwege sind in entarteten Plasmazellen proliferationsinduzierend und wichtig für das Überleben von Myelomzellen. Hohe Konzentrationen der solublen Form des BCMARezeptors (sBCMA) sind mit einem negativen Outcome assoziiert und die Serumkonzentration steigt bei progredienter Erkrankung an (14, 15). Teclistamab (Tecvayli®) ist der erste BCMA-CD3-gerichtete bispezifische Antikörper, der auf Basis der MAJESTEC1/2-Daten (NCT03145181) in der Schweiz zugelassen wurde (16). In dieser frühen Phase-I/IIStudie, durchgeführt in einer intensiv vorbehandelten Patientenpopulation mit im Median 5 Vortherapien, konnte bei 165 Patienten eine Gesamtansprechrate (ORR) von 63% gezeigt werden. Die Rate des Komplettansprechens (CR) betrug ≥ 39,4%. Die mediane Dauer des Ansprechens (DOR) betrug 18,4 Monate, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) 11,3 Monate. Elranatamab (Elrexfio®) – ebenfalls ein BCMA-CD3gerichteter bispezifischer Antikörper – wurde 2023 auf Basis der Daten der Studie MAGNETISSM-3 in der Schweiz zugelassen (17). In dieser einarmigen Phase-II-Studie zeigte sich eine Gesamtansprechrate von 61% mit einer CR-Rate von ≥ 35%. Auch hier handelte es sich um eine intensiv vorbehandelte Patientenpopulation mit einem Median von 5 vorangegangenen Therapielinien, 96,7% der Patienten waren triple-refraktär und 42,3% waren penta-refraktär (definiert als Refraktärität auf 2 PI, 2 immunmodulatorische Substanzen und einen CD38 gerichteten Antikörper). Mit einem medianen Follow-up von 14,7 Monaten waren sowohl das mediane PFS als auch die mediane Ansprechdauer als sekundäre Endpunkte bislang nicht erreicht.
Nebenwirkungen Beide Substanzen zeigen als häufige unerwünschte Wirkung ein Cytokine-Release-Syndrom (CRS), je nach Ausprägung charakterisiert durch Fieber, Blutdruckabfall, Hypoxie, dem durch ein vorsichtiges Ein-
dosieren mit stationärem Ramp-up und Steroid-Prämedikation Rechnung getragen wird. Ein CRS wurde unter Teclistamab in der Studie MAJESTEC1/2 zwar noch in 72,1% der Fälle beobachtet, jedoch überwiegend mild ausgeprägt; CRS vom Grad 3 fanden sich lediglich bei 0,6% der Patienten und es wurden keine CRS vom Grad 4 beobachtet. Ähnlich gut wird Elranatamab vertragen (CRS: insgesamt 57,7%; keine beobachteten Grad-3- oder -4-CRS in der Zulassungsstudie). Deutlich häufiger sind jedoch höhergradige Infektionen festzustellen, sowohl Ausdruck der ausgeprägten Plasmazelldepletion mit Immunglobulinmangel als auch der beobachteten Hämatotoxizität mit Grad 3 und 4 Neutropenien von 64,2% für Teclistamab und 48,8% bei Elranatamab.
Studien zum Einsatz als Mono- oder Kombinationstherapie Beide Substanzen werden aktuell im Rahmen weiterer MAJESTEC- und MAGNETISSM-Studien in verschiedenen Situationen sowohl als Monotherapie als auch in Kombination klinisch getestet. An dieser Stelle soll lediglich als Beispiel der frühe Einsatz als Erhaltungstherapie nach Hochdosis-Therapie und autologem Stammzellersatz erwähnt sein, was aktuell im Rahmen der Studien MAJESTEC-4 (Teclistamab+Lenalidomid vs. Lenalidomid) (18) und MAGNETISSM-7 (head-to-head Elranatamab vs. Lenalidomid) (19) untersucht wird.
Weitere myelomspezifische Antigene als Zielstrukturen
Neben BCMA existiert mit dem G-Protein-coupled receptor familiy C group member D (GPRC5D) ein weiteres plasmazellgerichtetes Antigen, das mittels bispezifischer Antikörper therapeutisch angegangen werden kann. GPRC5D wird sowohl in physiologischen als auch malignen Plasmazellen exprimiert; und es zeigt eine Zunahme der Expressionsstärke von der Monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) über das Smouldering Myelom (SMM) bis hin zum behandlungsbedürftigen Myelom (20, 21). GPRC5D wird darüber hinaus in Haarfollikeln, Nägeln sowie in Haut und Schleimhäuten exprimiert. Mit der Substanz Talquetamab (Talvey®) ist bisher ein GPRC5D-CD3 bispezifischer IgG4-Antikörper klinisch verfügbar, dessen Zulassung 2023 auf Daten der Phase-I/II-Studie MonumenTAL-1 basiert. MonumenTAL-1 untersuchte Talquetamab in verschiedenen Dosisstufen, Applikationsarten und -intervallen bei Patienten nach 3 und mehr Vortherapien. Im Median hatten die Patienten 6 Vortherapien, 79% der Patienten hatten eine Triple-class-refraktäre Erkrankung und 30% waren Penta-drug-refraktär. Die Rate des Gesamtansprechens lag in den verschiedenen untersuchten Dosisgruppen zwischen 64 und 70%, mit einem Anteil kompletter Remissionen und besser
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von 23% (22). Das Ansprechen trat schnell auf, nach rund einem Monat; die Dauer des Ansprechens betrug in den beiden Gruppen mit der empfohlenen Phase-II-Dosis (RP2D) von 405 µg/kg subkutan wöchentlich respektive 800 µg/kg subkutan alle 2 Wochen 10,2 bzw. 7,8 Monate. Bezüglich Nebenwirkungen zeigten sich in beiden RP2D-Kohorten in 77%/80% der Fälle ein CRS (hauptsächlich vom Grad 1 und 2), Neutropenien vom Grad 3 und 4 in 60 und 32% sowie aufgrund von on-target/off-tumor-Effekten Haut- und Nagelstörungen (67%/70%) und Dysgeusien (in 63% und 57%). FcRH5, das Fc Rezeptor Homolog 5 ist als drittes Antigen mit sehr selektiver Plasmazellexpression ein interessantes Zielantigen und durch den bispezifischen Antikörper Cevostamab, einen humanisierten IgG-basierten FcRH5-CD3 gerichteten bispezifischen Antikörper, therapeutisch angehbar. In einer frühen klinischen Studie konnte hier ein Gesamtansprechen von 57% erreicht werden (23. Die derzeit rekrutierende CAMMA-2 Studie untersucht Cevostamab bei Triple-class-refraktären Patienten, die bereits eine gegen BCMA gerichtete Therapie (CAR-T-Therapie, ADC oder bispezifische Antikörper) erhalten haben (24).
Vor- und Nachteile
Mit der Verfügbarkeit der bispezifischen Antikörper und BCMA-gerichteter CAR-T-Zellen stellt sich vor einer BCMA-gerichteten Therapie die Frage nach Vor- und Nachteilen der jeweiligen therapeutischen Modalitäten und des sequenziellen Einsatzes dieser Therapien. Derzeit sind in der Schweiz zwei verschiedene BCMA-gerichtete CAR-T-Zell-Produkte zugelassen. Idecabtagene vicleucel (Ide-Cel; Abecma®) konnte im Rahmen der KarMMA-1 Studie bei 73% der Patienten ein Ansprechen erreichen, das mittlere progressionsfeie Überleben betrug 8,8 Monate (25). Ciltacabtagene autoleucel (Cilta-Cel; Carvikty®) zeigt in der Phase-I-Studie CARTITUDE-1 verbesserte Ansprechraten (26). Hier erreichten 97% der Patienten ein Ansprechen, das mediane progressionsfreie Überleben betrug circa 3 Jahre; es ist allerdings bislang nicht verfügbar. Beide Produkte haben bereits in Phase-III-Studien ihre Überlegenheit zum bisherigen Standard-of-Care (SOC) der jeweiligen Therapielinie bewiesen. Die KarMMA-3 Studie verglich Ide-Cel gegen eine Gruppe verschiedener SOC-Therapieregime bei Patienten mit 2 bis 4 Vortherapien und konnte mit einem medianen PFS von 13,3 Monaten eine signifikante Verbesserung zum Standardarm dokumentieren (27). Die CARTITUDE-4-Studie randomisierte lenalidomidrefraktäre Patienten entweder in einen experimentellen Arm mit Cilta-Cel oder einen Standardarm bestehend aus Daratumumab-Pomalidomid und Dexamethason (DPd) und Pomalidomid/ Bortezomib/Dexamethason (PVd) bei Patienten mit 1
bis 3 Vortherapien. Zum Zeitpunkt der ersten Auswertung war der primäre Endpunkt mit einem nicht erreichten medianen PFS im experimentellen Arm vs. 11,8 Monate im Standardarm bereits erreicht (28). Betrachtet man die hier kurz skizzierten Studiendaten zeichnen sich für Ide-Cel ein ähnlich hohes Therapieansprechen und PFS ab wie bei den oben aufgeführten BCMA-gerichteten Antikörpern ab. Solange CiltaCel noch nicht verfügbar ist, fallen bei der Wahl der Therapiemodalität abseits von Ansprechen und progressionsfreier Zeit andere Argument ins Gewicht.
Parameter zum Therapieentscheid
Ermöglicht die CAR-T-Zelltherapie als «one and done»-Therapie dem Patienten therapiefreie Zeit, werden die bispezifischen Antikörper kontinuierlich bis zur Progression appliziert. Aber auch die Dynamik des Rückfalls der Erkrankung kann bei der Therapiewahl entscheidend sein. Während die Produktionszeiten der CAR-T-Zelltherapie derzeit bis zu 8 Wochen betragen können, was durch Bridging-Therapien überbrückt werden muss, kann die Behandlung mit bispezifischen Antikörpern «off-the-shelf» nach Kostengutsprache durch den Versicherer unmittelbar gestartet werden und somit schneller zur erneuten Krankheitskontrolle beitragen. Hinsichtlich der Toxizität beider Therapien ergeben sich leichte Vorteile für die bispezifischen Antikörper, stationär eingeleitete ramp-up-Strategien unter Prophylaxe mit Steroiden und CRS-getriggerter Gabe von Tocilizumab führen nur selten zu höhergradigen Zytokinfreisetzungssyndromen, während diese bei CAR-T-Produkten häufiger vorkommen. Auch die Komplikation höhergradiger immune-effector-cell-associated-neurotoxic syndromes (ICANS) ist bei bispezifischen BCMAgerichteten Antikörpern selten beobachtet worden (in bis zu 3% bei CAR-T-Zellen) (25). Somit erscheinen die bispezifischen Antikörper bei älteren, gebrechlichen Patient aufgrund ihres Toxizitätsprofils leicht im Vorteil. Unabhängig davon ist bei beiden Therapiemodalitäten mit einer hohen Rate an Infektionen zu rechnen. Dies ist sicherlich zum einen der Tatsache der späten Therapielinie in einer durch die Erkrankung und erhaltene Therapien stark immunsupprimierten Patientenpopulation geschuldet, zum anderen wird die Situation durch die effektive Depletion des noch verbliebenen Plasmazellpools zusätzlich verstärkt. Die Substitution von Immunglobulinen bei ausgeprägter Hypogammaglobulinämie kann hier in der Prävention helfen und sollte entsprechend geprüft werden.
Sequenz des Einsatzes
Da es sich beim multiplen Myelom um eine derzeit noch nicht kurativ behandelbare Erkrankung handelt, wird es bei vielen Patienten nicht um die Frage gehen, ob eine CAR-T-Zellbehandlung oder eine Be-
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handlung mit bispezifischen Antikörpern gewählt wird, sondern vielmehr um die richtige Sequenz des Einsatzes beider Therapiemodalitäten. Innerhalb der CARTITUDE-2-Kohorte C wurden zusätzlich zum Triple-class-refraktären Status Patienten eingeschlossen, die zuvor bereits eine BCMA-gerichtete nicht zelluläre Therapie erhalten hatten. Das bei diesen 20 Patienten beobachtete Ansprechen war mit 60% deutlich niedriger und das PFS mit 9,1 Monaten deutlich geringer als in der Kohorte der CARTITUDE-1Patienten, die zuvor keine BCMA-gerichtete Therapie erhalten hatten (29). Ähnlich ernüchternde Resultate sind zu beobachten, wenn Ide-Cel nach BCMAgerichteter Therapie eingesetzt wird, mit einem medianen progressionsfreien Überleben von nur noch 3,2 Monaten (30). Im Gegensatz dazu war in der Kohorte C der MajesTEC-1-Studie nach vorangegangener BCMA-gerichteter Therapie (mittels ADC oder CAR-T) bei 40 Patienten eine Gesamtansprechrate von 53% zu dokumentieren, nach einem medianen Follow-up von 11,8 Monaten hielt bei 71% der Patienten die Response weiterhin an (31). Welche Ursachen und Resistenzmechanismen nach BCMA-gerichteter Therapie, ob ein Verlust des Zielantigens, die Selektion von Plasmazellen mit per se niedriger Zielantigenexpression, Mutationen im Zielantigen, die zu reduzierter Bindung führen, oder T-Zell-spezifische Faktoren wie reduzierte T-Zell-Fitness, entscheidend sind, ist derzeit Gegenstand der Forschung. Auf Basis der oben aufgeführten, bisher vorliegenden Studiendaten scheint es eher günstig, die CAR-T-Zellbehandlung voranzustellen; ob dies für einen Wechsel des Zielantigens, beispielsweise auf eine GPRC5D- oder FcRH5-gerichtete Therapie in der BCMA-refraktären Situation genauso gilt, ist derzeit offen.
Fazit
Zusammenfassend stehen mit den bispezifischen
Antikörpern, gerichtet gegen BCMA, GPRC5D und
zu erwarten zukünftig FcRH5, sehr effektive und rasch
verfügbare therapeutische Möglichkeiten für Patien-
ten in der Rezidivsituation und triple- bis penta-re-
fraktärer Erkrankung zur Verfügung. Die Substanzen
haben bereits in frühen Phase-I/II-Studien ihre Wirk-
samkeit und Verträglichkeit in dieser sehr schwieri-
gen therapeutischen Situation bewiesen. Man darf
auf Resultate aus Studien mit früheren Therapielinien
gespannt sein, insbesondere, wie bereits erwähnt,
auf die mögliche Wirksamkeit als Erhaltungstherapie.
Mit der Verfügbarkeit von BCMA-gerichteten CAR-T-
Zellen stellt sich in den kommenden Jahren die Her-
ausforderung der optimalen Integration beider The-
rapiemodalitäten in die Therapiesequenz unserer
Patienten.
n
Dr. med. Rouven Müller Oberarzt meV Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie Universitätsspital Zürich E-Mail: rouven.mueller@usz.ch
Interessenlage: Der Autor gibt keine Interessenkonflikte an.
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