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JUBILÄUM
5 Jahre Swiss GO Trial Group
Ein wichtiger Beitrag zur Forschung in der Gynäko-Onkologie
Zum 5-jährigen Jubiläum kann die Swiss GO Trial Group nicht nur stolz auf das bisher Erreichte zurückblicken, sondern auch auf das, was sich gerade in Planung befindet. Das grosse Engagement für die Gesundheit von Patientinnen in der Gynäko-Onkologie hat dazu beigetragen, eine beeindruckende Palette an Studien auf die Beine zu stellen.
Die Swiss GO Trial Group hat es sich zur Aufgabe gemacht, die akademische Forschung im Bereich der gynäkologischen Onkologie zu fördern, insbesondere Ansätze mit «Out-of-the-box»-Charakter. Neue therapeutische und diagnostische Ansätze sollen die jüngsten Fortschritte in der Präzisionsmedizin und die molekularen Ursachen von Krebserkrankungen berücksichtigen. Dabei soll die klinische Forschung in der Schweiz sichtbarer werden und die Schweizer Forschung auch international an Gewicht gewinnen. Zu diesem Zweck tritt Swiss GO als Hauptsponsor und Unterstützer solcher Studien auf. Die Mitgliedschaft im europäischen Netzwerk (ENGOT) und in der International Trial Group (GCIG) hat sich ebenfalls als vorteilhaft erwiesen. Auch die Perspektive der Patientinnen hat einen hohen Stellenwert; 4 Patientenfürsprecherinnen gewährleisten, dass die Studien entsprechend den Bedürfnissen gynäkologisch-onkologischer Patientinnen geplant und durchgeführt werden.
Erfolgreiche Studienimplementierung und Rekrutierung
Aktuell wird in folgenden Studien rekrutiert: n Seit 2020 ist die MATAO-Studie (Swiss-GO-02) ak-
tiv, sie untersucht die Erhaltungstherapie mit dem Aromatasehemmer Letrozol bei Patientinnen mit epithelialem Ovarialkarzinom. Die randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Phase-III-Studie (NCT04111978) ist die erste internationale, von Swiss GO gesponserte Studie, die Letrozol prospektiv mit Plazebo vergleicht. Die erste von der Schweiz betriebene europäische ENGOTStudie ist die am besten rekrutierende aus dem Bereich der gynäkologischen Onkologie in der Schweiz und rekrutiert auch in Österreich und Deutschland. Dennoch verlaufen die Rekrutierung und Randomisierung etwas langsamer als geplant, und die Studie wird um ein Jahr verlängert. Zwei Meilensteine der Studie waren die Einrichtung der zentralisierten Histopathologie-Core-Facility (HCF) sowie die Implementierung eines digitalen Studienmanagements.
n Die IRMA-Studie (Swiss-GO-03) ist eine seit 2017 laufende, multizentrische, prospektive Kohortenstudie zu Patientinnen, die nach einer prophylaktischen Mastektomie oder einer Mastektomie aufgrund von Brustkrebs eine sofortige Brustrekonstruktion erhalten. Sie umfasst derzeit in der Schweiz 13 aktive Studienzentren und hat 90% ihres Ziels von 455 Teilnehmern erreicht. Sie steht kurz davor, die erste Swiss-GO-Studie zu sein, die ihre Rekrutierung abgeschlossen hat.
n In der Expression-VI-Studie (Carolin meets HANNA/ENGOT-ov40/NOGGO S13/Swiss-GO-01) werden seit 2016 spezifische Faktoren bei Langzeitüberlebenden eines Ovarialkarzinoms untersucht. In der internationalen Outcome-Forschungsstudie werden mithilfe von Fragebögen Merkmale der Patientinnen ermittelt, die ihre Diagnose mehr als 5 Jahre überlebt haben. Die Schweiz ist das drittbeste Rekrutierungsland innerhalb dieser ENGOT-Studie.
n Die Expression-IX-Studie (ENGOT-GYN4/ NOGGO S20/Swiss-GO-05) ist eine internationale Erhebung zu Langzeitüberlebenden (≥ 5 Jahre) mit gynäkologischen Karzinomen, ausgenommen epitheliale Ovarialkarzinome. Sie schliesst an die Expression-VI-Studie an und wird von NOGGO, ENGOT und Swiss GO unterstützt.
n Die Expression-XI-Studie IMPROVE (ENGOT-en16/ NOGGO S22/Swiss-GO-06) ist eine internationale, multizentrische Befragung von Zentren mit Patientinnen mit primärem und rezidivierendem Endometriumkarzinom, unabhängig von Krankheitszustand und Behandlung. Die Studie wird von NOGGO, ENGOT und Swiss GO koordiniert, die Schweiz ist das zweitstärkste Rekrutierungsland.
n In der internationalen Phase-II-Studie BOUQUET (ENGOT-gyn2/GINECO/Swiss-GO-04/ NCT04931342) werden Patientinnen mit seltenen gynäkologischen Tumoren seit 2021 gezielte Behandlungen basierend auf ihrem Mutationsstatus angeboten. Aufgrund der Seltenheit dieser Tumoren wird die Studie in der Schweiz nur am Hôpitaux Universitaires de Genève durchgeführt. Ge-
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plant ist die Aufnahme von 80 bis 200 Patientinnen in 50 bis 60 Zentren. n Im März hat die Rekrutierung für die MUSA-Studie (Swiss-GO-09) begonnen, die die diagnostische Genauigkeit der MUSA-Terminologie (Morphological Uterus Sonographic Assessment) zur Unterscheidung verschiedener Myometriumläsionen über 1 cm bewerten soll. n Die einarmige therapeutische DICCT-Studie sondiert seit Mitte 2020 bei Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs den Einsatz von Diogoxin. Ziel der Studie ist es, dessen Wirkung auf die Grösse und Anzahl der bei diesen Patientinnen entdeckten CTC-Cluster zu evaluieren.
Im Verlauf des Jahres ist der Start weiterer Studien vorgesehen. Dazu zählt die internationale multizentrische Phase-II-Studie LoRiO/ENGOT-ov74-Studie,
die etwa 160 Patientinnen mit rezidiviertem, platinempfindlichem epithelialem Ovarialkarzinom nach sekundärem Debulking einschliessen und eine lokalisierte Strahlentherapie mit der Standardbehandlung (platinbasierte Chemotherapie) vergleichen soll. Besonders am Herzen liegt Prof. Viola Heinzelmann, Präsidentin der Swiss GO Trial Group, die multizentrische, randomisierte, kontrollierte Open-Label-Studie OV Precision (Swiss-GO-08), da sie «eine weltweit einzigartige Chance darstellt, etwas für eine verzweifelte Gruppe von neu diagnostizierten Patientinnen zu erreichen, von denen wir wissen, dass sie auf die Standardchemotherapie nicht ansprechen werden». Es handelt sich um eine Pilotstudie, die nicht die Wirksamkeit eines Medikaments untersuchen soll, sondern den geeigneten Weg, um die individuell beste Therapie zu finden. Die Studie vergleicht die Standardbehandlung (SOC) ohne molekulare Behandlungsempfehlung mit einer vom molekularen
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Abbildung: Entwicklung, Schlüsselereignisse und Angebotsportfolio der Swiss GO Trial Group
Tumorboard (mTB) empfohlenen Therapie, basierend auf einer eingehenden molekularen Analyse. Ziel der von Swiss GO initiierten und gesponserten Studie ist es, zu beweisen, dass Patienten, die entsprechend der mTB-Empfehlung behandelt werden, besser ansprechen als solche im Standardbehandlungsarm. Die erwarteten Ergebnisse sollen den Weg für personalisierte Behandlungen in der Onkologie ebnen, insbesondere für Patienten mit der schlechtesten Prognose und dem grössten Bedarf an verbesserten Behandlungsstrategien.
Was macht Studien erfolgreich?
Der als Gastredner geladene Prof. Jalid Sehouli, Charité Berlin, zeigte sich zunächst einmal beeindruckt vom bisher Erreichten. Denn daran lasse sich letztlich der Erfolg messen – und leitete damit über zum Thema seine Inputreferats «Wie Studien erfolgreich sind und scheitern». Den Therapiestandard anheben zu wollen, sei ein wichtiger Motor für das Engagement in der Forschung, so Sehouli, der 1987 die NOGGO ins Leben gerufen hat. Die Nord-Ostdeutsche Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie (NOGGO e.V.) ist eine international agierende Vereinigung, die heute an die 1000 Mitglieder hat.
Swiss GO Trial Group
Mehr über die Swiss GO Trial Group, die laufenden und geplanten Studien sowie Angaben zu Einschlusskriterien und Stand der Rekrutierung finden Sie auf der Website unter www.swiss-go.ch
Warum Forschung? Was ist Forschung? Und was sind
die Ziele? Forschung ist mehr als ein p-Wert und eine
Odds-Ratio, erinnerte der Experte, und das Ziel dürfe
es nicht sein, lediglich Mitglied des Klubs derer zu
werden, die im New England Journal of Medicine pu-
bliziert haben. Die Forschung steht und fällt mit einer
guten Vorbereitung unter Berücksichtigung vorheri-
ger Studien, Studiendesigns und den adäquaten Pa-
tientenkohorten. Wichtig ist eine umfassende Inter-
pretation der Daten – und der daraus abzuleitenden
Erkenntnisse. Wer gehört zu den Respondern, wer
nicht, welche Strategie hat zu einer guten Compli-
ance geführt, und welche nicht? Was können Sub-
gruppenergebnisse dazu beitragen, zu erkennen,
welche Faktoren ein Ansprechen beeinflussen? Gibt
es Subgruppen, die besonders profitieren – oder gar
nicht? Man muss ausserdem wissen, dass es auch ein-
mal 15 bis 20 Jahre dauern kann, bis man wirklich et-
was ändert. Um eine sinnvolle Veränderung zu errei-
chen, müsse auch die Patientenperspektive in die
Studien einbezogen werden, indem systematisch
geschulte, erfahrene Patientenadvokaten eingebun-
den werden. Wichtig sei es zudem, regionale und
nationale Kompetenzen und Ressourcen zu nutzen,
und zwar im Rahmen einer professionellen Infrastruk-
tur.
Auch der gesellschaftlichen Entwicklung müsse
Rechnung getragen werden, so der Experte weiter.
Im Zuge der Migration zeigt sich eine strukturelle Be-
nachteiligung zum Beispiel darin, dass Unterlagen
oft nur in wenigen Sprachen verfügbar sind. Dabei ist
die in Studien oft als «Rest der Welt» zusammenge-
fasste Gruppe sehr gross und kann sich sehr unter-
schiedlich zusammensetzen – eine bessere Doku-
mentation der Ethnien sei von daher wünschenswert.
Auch die European Society of Medical Oncology
(ESMO) betont, dass Diversität und Eingliederung
stärker berücksichtigt werden sollten, um geografi-
sche Barrieren beim Zugang zu Studien abzubauen.
Um weitere überkommene Barrieren zu überwinden,
sollte erfolgreiche Forschung zudem inter- und trans-
disziplinär sowie transprofessionell sein, um Prozess
und Inhalt in den Mittelpunkt zu stellen, ist Sehouli
überzeugt. Weitere Erfolgsbausteine sind eine syste-
matische und langfristige Ausbildung sowie der Auf-
bau starker und stabiler Netzwerke, denn «es ist nicht
möglich, eine bessere Zukunft zu schaffen, ohne die
Vergangenheit zu respektieren».
n
Christine Mücke
Quelle: 2024 Annual Meeting, 5-year Anniversary, Swiss GO Trial Group, 6. Mai 2024 im Kantonsspital Luzern.
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