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BERICHT
Immuncheckpoint-Inhibitor plus Chemotherapie
Wendepunkt in der Behandlung des Endometriumkarzinoms
Die Zulassung von Dostarlimab in Kombination mit Chemotherapie für die Behandlung von Patientinnen mit primär fortgeschrittenem oder rezidivierendem dMMR/ MSI-H Endometriumkarzinom in der Schweiz eröffnet neue Möglichkeiten in der immunonkologischen Therapie für Patientinnen, für die es bislang nur begrenzte Behandlungsoptionen gab.
Das Endometriumkarzinom (EC) ist mit etwa 1000 neuen Patientinnen pro Jahr die häufigste gynäkologische Krebs erkrankung und aufgrund des Zusam menhangs mit Adipositas ist zu erwarten, dass die Zahlen eher steigen werden, so Prof. Viola Heinzelmann-Schwarz, Co-Lei terin Frauenklink Chefärztin Gynäkologie/ Gynäkologische Onkologie, Universitäts spital Basel, an einem Medienroundtable der Firma GSK. Früh entdeckt, stellt die Operation eine sehr wirksame Therapie option dar – aber bei knapp einem Drittel der Patientinnen wird die Erkrankung erst in einem fortgeschrittenen Stadium dia gnostiziert, und bei bis zu einem Fünftel der Patientinnen mit früher Diagnose kommt es zu einem Rezidiv (1). In diesen Fällen ist die Prognose bislang ungünstig; das mediane progressionsfreie Überle ben (PFS) liegt bei 13 Monaten und das mediane Gesamtüberleben (OS) bei 37 Monaten (2). Für diese Patientinnen be steht ein hoher Bedarf an weiteren The rapieoptionen, so die Expertin.
Risikostratifizierung zur optimalen Therapieauswahl
Für die Risikostratifizierung gewinnen neben der histologischen Einteilung auch molekulare Marker zunehmend an Be deutung, die neue zielgerichtete Behand lungen ermöglichen. Wurde früher beim Endometriumkarzinom lediglich zwischen hormongesteuert oder nicht hormonge steuert unterschieden, so erfolgt heute eine Einteilung in vier verschiedene mo lekulare Typen, deren Testung in den Leit linien empfohlen wird, so die Expertin (3–5). Als prädiktiver Faktor für das An sprechen auf Immuntherapien gilt ein Tumor mit Mismatch-Reparaturdefizienz (dMMR) und hoher Mikrosatelliteninstabi lität (MSI-H), wie er bei einer von drei EC-
Patientinnen als Resultat fehlerhafter DNA-Reparaturmechanismen vorliegt (6, 7). Eine solche Mikrosatelliteninstabilität geht mit einer vermehrten Expression von PD-1/PD-L1 einher, und damit wird die T-Zell-Immunantwort reduziert (8). Mit einem Anti-PD-1-Checkpoint-Inhibitor wie Dostarlimab kann die Anti-Tumor-Im munantwort wieder aktiviert werden (9). Durch die Kombination eines Immun checkpoint-Inhibitors mit einer Chemo therapie können die Therapieansätze syn ergistisch genutzt und in der Folge ein rascheres Ansprechen, ein vermehrter immunogener Zelltod und eine reduzierte Immunsuppression des Tumormikromili eus erzielt werden (10–13).
RUBY-Studie zeigt beeindruckendes Ansprechen
Vor diesem Hintergrund wurde die multi zentrische, randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie RUBY durchgeführt. Die Ergebnisse der Zwischenanalyse nach ei ner medianen Nachbeobachtung von mindestens 25 Monaten führten zur Zu lassung von Dostarlimab plus Chemo therapie zur Erstlinienbehandlung bei primärem fortgeschrittenem oder rezidi vierendem dMMR/MSI-H Endometrium karzinom (7), da bei diesen Patientinnen (118 von 494) eine signifikante PFS-Verbes serung festgestellt wurde. Zusammen mit einer Chemotherapie (Dostarlimab + Car boplatin-Paclitaxel alle 3 Wochen, gefolgt von einer Dostarlimab-Monotherapie alle 6 Wochen bis zu 3 Jahre) konnte das Pro gressionsrisiko im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie um 72 % reduziert werden (Hazard Ratio [HR]: 0,28; 95 %-Konfidenz intervall [KI]: 0,16–0,50: p < 0,0001). Das mediane PFS für die Kombination war nach > 2 Jahren Follow-up noch nicht er reicht; bereits nach 12 Monaten hatte sich
ein beeindruckendes Plateau gebildet,
wie Heinzelmann-Schwarz anmerkte, und
nach 2 Jahren waren noch 61,4 % der Pa
tientinnen ohne Progression (medianes
PFS im Kontrollarm: 7,7 Monate). Dies wirkt
sich auch auf die Überlebensdaten aus:
Nach zwei Jahren lebten noch mehr als
83,3 vs. 58,7 % (HR: 0,30; 95 %-KI: 0,13–0,70)
– und das Ergebnis der Kontrollgruppe ist
wahrscheinlich nur deshalb so hoch, weil
die Patientinnen mit einem Rezidiv im Ver
lauf der Studie ebenfalls den Checkpoint-
Inhibitor erhalten haben, wie die Expertin
ergänzte. In beiden Armen wurde das me
diane OS bislang nicht erreicht.
Im Rahmen der Studie wurden alle 3 Mo
nate ein CT und eine Laborkontrolle (Ent
zündungsmarker, TSH, FT4) gemacht, so
die Expertin. Die Kombinationstherapie
habe sich dabei als ähnlich gut verträglich
erwiesen wie die Chemotherapie allein,
so Heinzelmann-Schwarz. Immunvermit
telte Nebenwirkungen führten in 19 (Dos
tarlimab) versus 9 (Plazebo) Fällen zum
Abbruch der Therapie (7). Und im Studi
enarm gaben mehr Patienten eine Ver
besserung der Lebensqualität an als un
ter Plazebo.
n
Mü
Quelle: Medienroundtable GSK, «Gebärmutterkrebs – Leben verlängern», 14.2.2024 in Basel.
Referenzen: 1. Sasada S et al.: Baseline risk of recurrence in stage I-II
endometrial carcinoma. J Gynecol Oncol. 2018;29(1):e9. doi: 10.3802/jgo.2018.29.e9. 2. Miller D et al.: Carboplatin and Paclitaxel for Advanced Endometrial Cancer: Final Overall Survival and Adverse Event Analysis of a Phase III Trial (NRG Oncology/GOG0209). J Clin Oncol. 2020;38(33):3841-3850. 3. Concin N et al.: ESGO/ESTRO/ESP guidelines for the management of patients with endometrial carcinoma. Int J Gynecol Cancer. 2021;31(1):12-39. 4. Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie Endometriumkarzinom, Version 2.0, Stand 2022. 5. Oaknin A et al.: Endometrial cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2022;33(9):860-77. 6. Marabelle A et al.: Efficacy of Pembrolizumab in Patients With Noncolorectal High Microsatellite Instability/Mismatch Repair-Deficient Cancer: Results From the Phase II KEYNOTE-158 Study. J Clin Oncol. 2020;38(1):1-10.
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BERICHT
7. Mirza MR et al.: Dostarlimab for Primary Advanced or Recurrent Endometrial Cancer. N Engl J Med. 2023;388(23):2145-2158.
8. Dudley JC et al.: Microsatellite Instability as a Biomarker for PD-1 Blockade. Clin Cancer Res. 2016;22(4):813–20.
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