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IM FOKUS: GASTROENTEROLOGISCHE TUMOREN
Neue ASCO-Leitlinie zum fortgeschrittenen gastroösophagealen Karzinom
Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) hat auf der Basis eines systematischen Reviews Empfehlungen für die Behandlung fortgeschrittener gastroösophagealer Karzinome erarbeitet. Zu den therapeutischen Optionen gehören zielgerichtete Therapien und Immuntherapien für die Erstlinien behandlung sowie für Patienten mit inoperablen, unheilbaren, metastasierten gastroösophagealen Karzinomen, deren Tumoren relevante prädiktive Biomarker aufweisen.
Krebserkrankungen des Magens, der Speiseröhre und des gastroösophagealen Übergangs (GEJ) gehören weltweit zu den häufigsten gastrointestinalen Malignomen. Die Inzidenz von Magenkrebs ist in Ostasien höher als in anderen Regionen der Welt, während in der westlichen Welt vor allem die Anzahl von GEJ-Tumoren zunimmt. Bei den meisten Speiseröhrenkrebserkrankungen ausserhalb der Vereinigten Staaten handelt es sich um Plattenepithelkarzinome (SCC), bei Magen- und GEJ-Tumoren am häufigsten um Adenokarzinome (AC). Zielgerichtete Therapien hemmen das Tumorwachstum, indem sie wichtige chemische Signalwege oder mutierte Proteine blockieren, während Immuntherapien eine spezifische Immunreaktion des Patienten auslösen, die zur Zerstörung des Tumors führt. Letztere sind bei Patientensubgruppen wirksamer, die bestimmte Biomarker wie eine Expression des Proteins Programmed Death-Ligand 1 (PD-L1) aufweisen.
Prognostische Biomarker
Der Tumor Proportion Score (TPS) beschreibt das Verhältnis von PD-L1-exprimierenden Zellen zu allen lebensfähigen Tumorzellen und kann zur Quantifizierung der PD-L1-Expression verwendet werden. Bei Magen- und GEJ-Tumoren wird jedoch der Combined Positive Score (CPS) als aussagekräftigerer prognostischer Biomarker für die Wirksamkeit der Immuntherapie herangezogen, da er auch die Anzahl der PD-L1-positiven Lymphozyten und Makrophagen umfasst. Als weiterer bedeutsamer Biomarker dient der humane epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2) zur Prognose des Ansprechens auf HER2-spezifische Therapien wie Trastuzumab (Herceptin® und Biosimilars) oder Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu®).
Empfehlungen für die Erstlinientherapie
HER2-negatives AC: Für Patienten mit HER2-negativem Adenokarzinom des Magens und PD-L1 CPS ≥ 5 empfehlen die Experten eine Erstlinientherapie mit Nivolumab (Opdivo®) in Kombination mit einer Fluoropyrimidin- und Platin-basierten Chemotherapie (CT). Auch bei HER2-negativen Patienten mit Magen-AC und PD-L1 CPS 1-5 kann eine Erstlinientherapie mit Nivolumab in Kombination mit einer Fluoropyrimidin- und Platin-basierten CT erwogen werden. Bei HER2-negativen Patienten mit Magen-AC und PD-L1 CPS 0 raten die Experten zu einer Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin- und Platin-basierter CT ohne Zusatz von Nivolumab.
HER2-negatives Ösophagus- oder GEJ-AC: Für HER2-negative Patienten mit einem Ösophagusoder einem GEJ-AC wird bei PD-L1 CPS ≥ 5 eine Erstlinientherapie mit Nivolumab und bei PD-L1 CPS ≥ 10 mit Pembrolizumab (Keytruda®) in Kombination mit Fluoropyrimidin- und Platin-basierter CT empfohlen. Bei HER2-negativen Patienten mit Ösophagus- oder GEJ-AC kann bei PD-L1 CPS 1-5 bei ausgewählten Patienten eine Erstlinientherapie mit Nivolumab oder bei PD-L1 CPS 1-10 mit Pembrolizumab in Kombination mit einer Fluoropyrimidin- und Platinbasierten CT vorgenommen werden. Bei HER2-negativen Patienten mit Magen-AC und PD-L1 CPS 0 oder PD-L1 TPS 0 % raten die Experten zu einer Erstlinientherapie mit Fluoropyrimidin- und Platin-basierter CT ohne Zusatz von PD-1-Inhibitoren.
HER2-negatives Ösophagus-SCC: Für Patienten mit HER2-negativem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre (ESCC) und PD-L1 CPS ≥ 10 wird Pembroli-
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Patienten mit fortgeschrittenen gastroöso-
phagealen Karzinomen
HER2- negativ
Patienten mit gastrischem
AC
Patienten mit ösophagealen oder GEJ-AC
PD-L1 CPS 0
PD-L1 CPS 1-5 PD-L1 CPS ≥ 5
PD-L1 CPS 0/ PD-L1 TPS 0 PD-L1 CPS 1-5 PD-L1 CPS 1-10 PD-L1 CPS ≥ 5
Erstlinientherapie
Fluoropyrimidin- und Platin-basierte Chemo therapie ohne Zugabe von
Nivolumab
Nivolumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und
Platin-basierter CT bei ausgewählten Patienten
Nivolumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und
Platin-basierter Chemotherapie
Fluoropyrimidin- und Platin-basierte
Chemotherapie ohne Zugabe von PD-1- Inhibitoren
Nivolumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und
Platin-basierter CT bei ausgewählten Patienten
Pembrolizumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und Platin-basier-
ter CT bei ausgewählten Patienten
Nivolumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und
Platin-basierter CT
Patienten mit fortgeschrittenem gastroöso-
phagealem oder GEJ-AC und fortgeschrittener Erkrankung nach der Erstlinientherapie
Zweit- oder Drittlinien therapie
Ramucirumab plus
Paclitaxel
Patienten mit ösophagealen SCC
PD-L1 CPS ≥ 10 PD-L1 CPS ≥ 10
PD-L1 TPS ≥ 1
Pembrolizumab in Kombination mit Fluoropy-
rimidin- und Platin- basierter CT
Nivolumab plus Fluoro pyrimidin- und Platinbasierter Chemotherapie
Nivolumab plus Ipilimumab
HER2positiv
Patienten mit Magen- oder GEJ-AC
Trastuzumab plus Pembrolizumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und Platin-basierter Chemotherapie
Progression
TrastuzumabDeruxtecan
Abbildung: Algorithmus für Immuntherapie und zielgerichtete Therapie bei fortgeschrittenen gastroösophagealen Karzinomen basierend auf den E mpfehlungen der ASCO.1 AC: Adenokarzinom; GEJ: Karzinom des Magens, der Speiseröhre und des gastroösophagealen Übergangs; SCC: Plattenepithelkarzinom; CT: Chemotherapie; CPS: Combined Positive Score; TPS: Tumor Proportion Score. PD-L1: Programmed Death-Ligand. 1 Die Indikationen in der Schweiz können von den beschriebenen Empfehlungen abweichen.
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zumab in Kombination mit Fluoropyrimidin- und Platin-basierter CT empfohlen.
HER2-negatives ESCC und PD-L1 TPS ≥ 1 %: Bei Patienten mit HER2-negativem ESCC und PD-L1 TPS ≥ 1 % ist Nivolumab plus Fluoropyrimidinund Platin-basierte CT oder Nivolumab plus Ipilimumab (Yervoy®) eine geeignete Option. Daten aus der primären Analyse der Studie CheckMate 648 unterstützen diese Empfehlung für Patienten mit ESCC und PD-L1 TPS ≥ 1 %. Zusätzliche explorative Analysen von CheckMate 648 ergaben, dass 91 % der Patienten in den drei Studienarmen PD-L1 CPS ≥ 1 aufwiesen; daher kann auch CPS ≥ 1 als Schwellenwert für die Behandlungsentscheidung verwendet werden, wenn TPS nicht verfügbar ist.
PD-L1-Grenzwerte: Die PD-L1-Grenzwerte in den bisher vorgestellten Empfehlungen beruhen auf Subgruppenanalysen, die in den Review-Studien präsentiert wurden. Da nicht alle möglichen Grenzwerte untersucht wurden, sind die optimalen PDL1-Grenzwerte bis anhin nicht bekannt.
HER2-positive, fortgeschrittene AC: Für Patienten mit HER2-positivem, zuvor unbehandeltem, inoperablem oder metastasiertem Magen- oder GEJ-AC wird Trastuzumab plus Pembrolizumab in Kombination mit einer Fluoropyrimidin- und Oxaliplatinbasierten CT empfohlen. Diese Empfehlung gilt unabhängig von den CPSoder TPS-Werten; das Expertengremium stellte jedoch fest, dass der PD-L1-CPS-Wert bei 87 % der
in die randomisierte kontrollierte KEYNOTE-811- Studie eingeschlossenen Patienten ≥ 1 betrug. Die Kombination Trastuzumab plus Pembrolizumab und CT wird auf der Grundlage einer Zwischenanalyse empfohlen, die einen Nutzen für das Ansprechen bei den ersten 264 in KEYNOTE-811 einge-
IMMUNOTHERAPY AND TARGETED THERAPY FOR ADVANCED GASTROESOPHAGEAL CANCER: ASCO GUIDELINE
Herausgeber: American Society of Clinical Oncology (ASCO)
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https://ascopubs.org/doi/10.1200/JCO.22.02331
schlossenen Patienten zeigt. Die Analyse der primären Endpunkte Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben stand zum Zeitpunkt der Leitlinienerarbeitung noch aus.
Empfehlungen für die Zweitlinien therapie und darüber hinaus
Für Patienten mit Magen- oder GEJ-AC mit fortgeschrittener Erkrankung nach der Erstlinientherapie wird Ramucirumab (Cyramza®) plus Paclitaxel (Taxol® und Generika) empfohlen. Nach einer Progression unter der Zweitlinientherapie kann Patienten mit Magen- oder GEJ-AC die Kombination Trifluridin/Tipiracil (Lonsurf®) angeboten werden. Für HER2-positive Patienten mit Magen- oder GEJAC, deren Erkrankung nach der Erstlinientherapie fortschreitet, empfehlen die Experten Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu®). Obwohl die Hauptevidenz für diese Empfehlung Patienten einschliesst, die eine Drittlinientherapie erhalten hatten, wurde diese Option von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) auch als Zweitlinientherapie und als spätere Therapieoption zugelassen. In einem Behandlungsalgorithmus haben die Experten ihre Empfehlungen visuell zusammengefasst (Abbildung).
Petra Stölting
Quelle: Manish A. Shah et al.: Immunotherapy and Targeted Therapy for Advanced Gastroesophageal Cancer: ASCO Guideline. J Clin Oncol. 2023;41:1470-1491. https://ascopubs.org/doi/10.1200/JCO.22.02331
This medicinal product is subject to additional monitoring. For further information, see professional information MINJUVI on www.swissmedicinfo.ch.
MINJUVI (tafasitamab), 200 mg powder for concentrate for solution for infusion.
I: MINJUVI is indicated in combination with lenalidomide followed by MINJUVI monotherapy for the treatment of adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) after at least one line of systemic CD20-targeted antibody therapy who are not eligible for autologous stem cell transplantation (ASCT). P: MINJUVI must be administered by a healthcare professional experienced in treatment of cancer patients. The recommended dose is 12 mg of MINJUVI per kg body weight administered as an intravenous infusion. On cycles 1-3: Administer on days 1, 8, 15 and 22 with an additional dose on day 4 of cycle 1. From cycle 4 onwards: Administer on day 1 and 15 of each cycle. In addition, patients should self-administer lenalidomide capsules at the recommended starting dose of 25 mg daily on days 1 to 21 of each 28-day cycle for a maximum of 12 cycles. Dose adjustments due to adverse reactions are needed. CI: Hypersensitivity to tafasitamab or any of the excipients. W/P: Infusion-related reactions may occur. Patients should be monitored closely throughout infusion. Treatment can cause serious and/or severe myelosuppression. Monitor complete blood counts throughout treatment and prior to administration of each treatment cycle. Withhold MINJUVI based on the severity of the adverse reaction. Fatal and serious infections occurred. Monitor patients for symptoms and signs of progressive multifocal leukoencephalopathy (PML); suspend treatment in case of suspected PML. Administer MINJUVI to patients with an active infection only if the infection is treated appropriately and well controlled. Monitor patients closely for tumor lysis syndrome. QTc prolongation and syncopes have been observed during treatment with MINJUVI. MINJUVI can cause fetal harm. Women of childbearing potential should be advised not to become pregnant during treatment. IA: No interaction studies have been performed for tafasitamab. UE: The most common adverse reactions (≥ 20%) were infections, asthenia, neutropenia, anaemia and diarrhea. The most common serious adverse reactions (≥ 3 %) were febrile neutropenia and pneumonia. For further information on UE, see www.swissmedicinfo.ch. Dispensing cat.: A. Revision date: March 2023. Marketing authorisation holder: Incyte Biosciences International Sàrl, CH-1110 Morges. MINJUVI is under license from MorphoSys AG. Refer to www.swissmedicinfo.ch for detailed information.
Relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) in combination with lenalidomide Prior to the start of treatment, cost approval by the health insurance must be obtained after consultation with the trusted physician. MINJUVI® is reimbursed in combination with lenalidomide and then as monotherapy in adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) after at least one line of systemic CD20-targeted antibody therapy who are not eligible for stem cell transplantation (ASCT). Treatment with MINJUVI® is reimbursed until disease progression or unacceptable toxicity occurs.
Abbreviations: PI: Professional Information; R/R DLBCL: relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma; NTE: non-transplant eligible
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