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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO)
Gynäkologische Malignome
Praxisverändernde Erfolge mit immun- und zielgerichteten Therapien
Für Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren wurden beim diesjährigen ASCOJahreskongress mehrere positive Studien mit immuntherapeutischen und ziel gerichteten Therapien präsentiert, die eine Verbesserung der Prognose bewirken können.
Zervixkarzinom
Überlebensverlängerung mit Pembrolizumab plus Chemotherapie Die platinbasierte Chemotherapie ist die Standardbehandlung für das persistierende, rezidivierte oder metastasierte Zervixkarzinom. Mit der Hinzunahme des Immuntherapeutikums (PD-L1-Hemmers) Pembrolizumab (Keytruda®) zu Chemotherapie wurde in der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie KEYNOTE-826 eine klinisch relevante Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) und progressionsfreien Überlebens (PFS) gezeigt. Beim ASCO wurden nun die Protokoll-spezifischen finalen OS-Ergebnisse präsentiert (1): 617 Patientinnen im medianen Alter von 50 bis 51 Jahren erhielten Pembrolizumab (bis zu 35 Zyklen) plus Chemotherapie (Paclitaxel plus Cis- oder Carboplatin in bis zu 6 Zyklen) oder Plazebo plus Chemotherapie. Die Gabe von Bevacizumab war erlaubt und ein Stratifizierungsfaktor. Laut Einschlusskriterien war eine vorangegangene Chemotherapie nicht erlaubt; Patientinnen konnten aber eine Radiatio oder eine Chemoradiotherapie erhalten haben. Resultate: Patientinnen mit einer PD-L1Expression CPS ≥1 (n = 273 vs. 275) erreichten im Median ein OS von 28,6 versus 16,5 Monaten (HR: 0,60; 95 %-KI: 0,49–0,74; p < 0,0001). Nach 12 Monaten lebten 75,5 % versus 63,2 % und nach 24 Monaten 53,5 % versus 39,4 % der Patientinnen mit bzw. ohne Pembrolizumab. Bei Patientinnen mit PD-L1 CPS ≥ 10 betrug das mediane OS 29,6 versus 17,4 Monate (HR: 0,58; 95 %-KI: 0,44–0,78; p < 0,0001) und für die «All-Comer-Population» 26,4 versus 16,8 Monate (HR: 0,63; 95 %-KI: 0,52–0,77; p < 0,0001). Die Subgruppenanalyse zeigte einen signifikanten Effekt
durch Pembrolizumab sowohl für die Therapie mit (HR: 0,61; 95 %-KI: 0,47–0,80) als auch ohne Bevacizumab (HR: 0,67; 95 %-KI: 0,49–0,91). Die protokollspezifische finale PFS-Analyse bestätigte einen PFS-Vorteil mit Pembrolizumab für die PD-L1 CPS ≥ 1-Population (HR: 0,58; 95 %-KI: 0,47– 0,71; p < 0,0001), die PD-L1 CPS ≥ 10-Population HR: 0,52; 95 %-KI: 0,40–0,68; p < 0,0001) und die «All-Comer-Population» (HR: 0,61; 95 %-KI: 0,50–0,74; p < 0,0001). Das mediane PFS lag innerhalb der drei Populationen im Pembrolizumab-Arm zwischen 10,4 und 10,5 Monaten versus 8,1 und 8,2 Monaten im Plazebo-Arm. Es sprachen 66 bis 70 % der Patientinnen auf die Pembrolizumab-haltige Therapie an mit einer medianen Dauer des Ansprechens von 18,0 bis 28,3 Monaten; im Plazebo-Arm dagegen nur 50 bis 52 % mit einer medianen Dauer von nur 10,1 bis 10,4 Monaten.
Neoadjuvante Immunkombination induziert hohe Ansprechraten Auch die COLIBRI-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit der Immun-Checkpoint-Therapie beim Zervixkarzinom (2). In diesem Fall wurde die Kombination Nivolumab (Opdivo®) plus Ipilimumab (Yervoy®) im neoadjuvanten Setting, gefolgt von der Standard-Chemoradiotherapie, optionaler Resektion und Nivolumab-Erhaltungstherapie untersucht. Eingeschlossen wurden 40 Patientinnen im Stadium FIGO IB3-IVA. Primärer Endpunkt war die relative Änderung des CD8-positiven/FOX3-positiven Treg-Zellen-Verhältnisses in prä- versus post-Immuncheckpoint-Biopsien. Resultate: Therapieassoziierte Nebenwirkungen von Grad 3 bis 4 wurden bei
2,5 % der Patientinnen unter der Immuncheckpoint-Kombination, 27,5 % der Patientinnen unter Radiochemotherapie und 20 % unter der Nivolumab-Erhaltungstherapie berichtet. Durch die neoadjuvante Immuncheckpoint-Therapie wurde die Zahl der tumorassoziierten CD8-positiven T-Zellen und des CD8+/ FOXP3+ Verhältnisses signifikant erhöht. Bezüglich der lokalen Kontrolle wurde bei 15 % der Patientinnen vor Start der Radiochemotherapie eine partielle Remission erreicht, bei 80 % der Patientinnen eine stabile Erkrankung; 5 % der Patientinnen zeigten zu diesem Zeitpunkt einen Tumorprogress. Am Ende der Erhaltungstherapie zeigten 85 % der Patientinnen eine komplette Remission, 8 % eine partielle Remission und 2 % eine stabile Erkrankung. Das globale Körperansprechen lag bei 13 % partiellem Ansprechen sowie 82 % stabiler Erkrankungen und 5 % Tumorprogress. Über die komplette Therapiezeit hatten insgesamt 78 % der Patientinnen ein komplettes Ansprechen, 12 % ein partielles Ansprechen und 10 % einen Tumorprogress. Bezüglich des FIGO-Stadiums betrug die Komplettremissionsrate am Ende der Therapie für die Stadien I/II 81 % und für die Stadien III/IV 74 %.
Endometriumkarzinom
Dostarlimab bei primär fortgeschrittener oder rezidivierter Erkrankung Mit der RUBY-Studie wurde der Hypothese nachgegangen, dass der monoklonale Antkörper (PD-1-Hemmer) Dostarlimab (Jemperli®) in Kombination mit Carboplatin plus Paclitaxel ein verbessertes Ergebnis gegenüber der alleinigen Chemotherapie in der Behandlung von Patientinnen mit Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR)/hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) sowie bei «AllComer»-Patientinnen mit primär fortgeschrittenem oder rezidivierten Endometriumkarzinom erzielt. Es wur-
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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO)
den 494 Patientinnen im Stadium III/IV einge-schlossen. Primärer Endpunkt waren das PFS und das OS. In der dMMR/MSI-H-Population wurde mit der zusätzlichen Dostarlimab-Gabe zur Chemotherapie im Vergleich zum Plazebo-Arm eine Risikoreduktion für einen Progress oder Tod um 72 % erreicht (HR: 0,28; 95 %-KI: 0,162–0,495; p < 0,0001). Die 12- und 24-Monats-PFS-Raten betrugen 63,5 % versus 24,4 % sowie 61,4 % versus 15,7 %. Auch für die gesamte Studienpopulation wurde ein signifikanter PFS-Vorteil durch Dostarlimab beobachtet (HR: 0,64; 95 %-KI: 0,507–0,800; p < 0 ,0001). Im Median lag das PFS im Dostarlimab-Arm bei 11,8 und im Plazebo-Arm bei 7,9 Monaten. Ein Ansprechen wurde bei 77,6 % versus 69,0 % der Patientinnen der dMMR/MSI-H-Population sowie bei 70,3 % versus 64,8 % der gesamten Studienpopulation beobachtet. Die mediane Dauer des Ansprechens war im Dostarlimab-Arm noch nicht erreicht und betrug 5,4 Monate im PlazeboArm (dMMR/MSI-H) bzw. 10,6 versus 6,2 Monate in der gesamten Studienpopulation. Therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3 traten bei 70,5 % versus 59,8 % der Patientinnen auf, 17,4 % versus 9,3 % der Patientinnen brachen die Therapie mit Dostarlimab bzw. Plazebo ab.
Ovarialkarzinom
Mirvetuximab Soravtansine ist neuer Standard bei FRα-positiver Erkrankung Die Zulassungsstudie MIRASOL zeigte für eine zielgerichtete Therapie praxisverändernde Ergebnisse (4). Etwa 90 % der Ovarialkarzinome exprimieren Folatrezeptor-alpha (FRα), 35 bis 40 % der platinresistenten Ovarialkarzinome sind sogenannte Hochexprimierer (≥ 75 % positive Tumorzellen). Mirvetuximab Soravtansine (MIRV) ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, dass an FRα bindet. In der offenen Phase-III-Studie MIRASOL erhielten 453 Patientinnen randomisiert entweder im experimentellen Studienarm MIRV oder im Kontrollarm eine Che-
Auf einen Blick
■ Neuer Erstlinienstandard bei persistierendem, rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom: Die finalen Ergebnisse der KEYNOTE-826-Studie bestätigen die Resultate der Zwischenanalysen und damit Pembrolizumab plus Chemotherapie, mit oder ohne Bevacizumab.
■ Lokal fortgeschrittenes Zervixkarzinom: Ergebnisse der COLIBRI-Studie stützen den Einsatz einer Immuncheckpointtherapie im neoadjuvanten Setting. In der Studie wurden mit Nivolumab plus Ipilimumab, gefolgt von Radiochemotherapie und Nivolumab-Erhaltungstherapie, hohe Raten an Komplettremissionen induziert.
■ Primär fortgeschrittenes oder rezidiviertes Endometriumkarzinom: Die Wirksamkeitsanalyse und Sicherheit von Dostarlimab plus Chemotherapie ergibt ein vorteilhaftes Nutzen-Risiko-Profil im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie.
■ FRα-positives, platinresistentes Ovarialkarzinom: Ein neuer Therapiestandard ist laut Ergebnissen der Phase-III-Studie MIRASOL das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Mirvetuximab Soravtansine.
motherapie (Paclitaxel, pegyliertes liposomales Doxorubicin oder Topotecan). Die Patientinnen waren median 63 bzw. 62 Jahre alt. Das Stadium bei Erstdiagnose war bei 9 % der Patientinnen Stadium I–II, bei 60 % bzw. 65 % Stadium III und bei 33 % bzw. 29 % Stadium IV. Bei 13 % bzw. 16 % der Patientinnen wurde eine BRCA-Mutation nachgewiesen. Das erste platinfreie Intervall war bei 63 bis 64 % der Patientinnen ≤ 12 Monate und bei 36 bis 37 % > 12 Monate. 14 % der Patientinnen hatten vor Studieneinschluss eine Therapielinie, 40 % zwei Therapielinien und 46 % drei Therapielinien erhalten. Resultate: Der primäre Endpunkt, eine signifikante PFS-Verlängerung, wurde erreicht. Im Median betrug das PFS 5,62 Monate im experimentellen und 3,98 Monate im Kontrollarm (HR: 0,65; 95 %-KI: 0,52–0,81; p < 0,0001). Es sprachen 42 % versus 16 % der Patientinnen auf die jeweilige Studienmedikation an; eine komplette Remission erreichten 5 % versus 0 % der Patientinnen. Eine Tumorreduktion wurde bei 80 % der Patientinnen unter MIRV und 55 % unter Chemotherapie festgestellt. Das Risiko zu versterben war im MIRV-Arm um 33 % gegenüber der Chemotherapie reduziert (HR: 0,67; 95 %-KI: 0,50–0,89, p = 0,0046). Im Median betrug das OS 16,5 versus 12,8 Monate. Es profitierten Patientinnen mit und ohne vorherige Be-
vacizumab-Therapie besser von MIRV als von der Chemotherapie. Das Sicherheitsprofil von MIRV war verträglicher als unter den Chemotherapieregimen. Therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3- traten bei 42 % versus 54 % auf, klinisch relevante Nebenwirkungen bei 24 % versus 33 %. 9 % respektive 16 % der Patientinnen brachen die Studienmedikation aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen ab. n
Ine Schmale
Quelle: 2023 ASCO (American Society of Clinical Oncology) Annual Meeting, 2. bis 6. Juni 2023, Chicago & online
Referenzen 1. Monk BJ et al.: Pembrolizumab + chemotherapy ver-
sus placebo + chemotherapy for persistent, recurrent, or metastatic cervical cancer: Final overall survival results of KEYNOTE-826. ASCO 2023, Abstr. #5500. 2. Ray-Coquard I et al.: In situ immune impact of neoadjuvant nivolumab + ipilimumab combination (ICB) before standard chemoradiation therapy for FIGO IB3-IVA cervical squamous carcinoma patients. ASCO 2023, Abstr. #5501. 3. Powell MA et al.: Dostarlimab for primary advanced or recurrent endometrial cancer: Outcomes by blinded independent central review of the RUBY trial. ASCO 2023, Abstr. #5503. 4. Moore KN et al.: Phase III MIRASOL (GOG 3045/ENGOT-ov55) study: Initial report of mirvetuximab soravtansine vs. investigator›s choice of chemotherapy in platinum-resistant, advanced high-grade epithelial ovarian, primary peritoneal, or fallopian tube cancers with high folate receptor-alpha expression. ASCO 2023, Abstr. #LBA5507.
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