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2023 ASCO
2023 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 2.–6. Juni 2023, Chicago & online
Mammakarzinom
Prognose von Brustkrebspatientinnen wird schrittweise verbessert
Die Behandlung von Brustkrebspatientinnen ist molekularbiologisch ausgerichtet und vielfach personalisiert. Endokrine Therapien, CDK4/6-Inhibitoren, PARP- Inhibitoren und HER2-gerichtete Therapien werden in diversen Kombinationen und Szenarien eingesetzt. Beim Kongress der ASCO wurden Studienergebnisse insbesondere zum Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren präsentiert. Aber auch in anderen Bereichen wird Schritt für Schritt die Prognose von Brustkrebspatien tinnen verbessert.
ER-positive Frauen profitieren von Ablation oder Ovarialsuppression
Mithilfe einer Metaanalyse von individuellen Patientendaten verschiedener Studien wurde der Nutzen einer Ablation oder einer Ovarialsuppression versus keinem von beiden bei prämenopausalen Frauen mit frühem Östrogenrezeptor (ER)-positivem oder ER-unbekanntem Brustkrebs untersucht (1). Primärer Endpunkt waren die Rezidivrate und die ursachenbezogene Mortalität. Eingeschlossen wurden die Daten von 14999 Frauen aus 23 Studien, die sich zum Zeitpunkt der Randomisierung in der Prämenopause befanden. Unterschieden wurde zwischen Patientinnen, die keine Chemotherapie erhalten hatten (n = 3934), Patientinnen, die vor der Randomisierung eine Chemotherapie erhalten hatten und deren prämenopausaler Status danach bestätigt wurde (n = 3279), sowie Patientinnen, die nach der Randomisierung eine Chemotherapie erhalten hatten, die zu einer Chemotherapie-induzierten Menopause geführt haben konnte (n = 7786). Es zeigte sich ein relevanter Vorteil durch die Ablation oder eine Ovarialsuppression bei prämenopausalen Frauen, die keine Chemotherapie erhalten hatten oder nach Chemotherapie prämenopausal blieben (relatives Risiko [RR]: 0,70; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,63–0,78). Der Vorteil bestand in dieser Gruppe sowohl bei denen ohne (RR: 0,70; 95 %-KI: 0,61–0,81) als auch den Patientinnen mit Lymphknotenbeteiligung (RR: 0,72; 95 %-KI: 0,62–0,85). Der Nutzen einer Ablation oder Ovarialsup-
pression scheint bei Frauen, die kein Tamoxifen erhalten haben, grösser zu sein (RR: 0,61; 95 %-KI: 0,52–0,72) als bei den Frauen mit Tamoxifentherapie (RR: 0,80; 95 %-KI: 0,70–0,93). Vergleichbare Ergebnisse mit und ohne Ablation/Ovarialsuppression wurden für jene Frauen aufgezeigt, die vor einer Chemotherapie prämenopausal waren und danach einen unklaren Status aufwiesen (RR: 0,91; 95 %-KI: 0,83–0,99).
Bei frühem Brustkrebs verlängertes iDFS durch adjuvantes Ribociclib
Das frühe Mammakarzinom wird mit kurativer Absicht therapiert; allerdings sind Krankheitsrückfälle nach wie vor ein Problem. In der Phase-III-Studie NATALEE wurde daher bei Patientinnen mit HR+/HER2- Mammakarzinom eine intensivere adjuvante Therapie untersucht, für die ein nicht steroidaler Aromataseinhibitor mit dem CDK4/6-Inhibitor (CDK4/6i) Ribociclib kombiniert wurde (2). 5101 Brustkrebspatientinnen in den Stadien IIA, IIB und III erhielten Ribociclib (400 mg über 3 Jahre) plus Letrozol oder Anastrozol oder, im Kontrollarm, Letrozol oder Anastrozol allein für die Dauer von mindestens 5 Jahren. Männer und prämenopausale Frauen erhielten zudem Goserelin. Primärer Studienendpunkt war das invasiv krankheitsfreie Überleben (iDFS) entsprechend der STEEP-Kriterien. Die eingeschlossenen Patientinnen waren median 52 Jahre alt, in 56 % der Fälle postmenopausal und zu 60 % im Stadium III. 71 % hatten bereits eine endokrine Therapie und 88 % eine (neo)
adjuvante Chemotherapie erhalten. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 27,7 Monaten zeigte sich eine signifikante iDFS-Verlängerung durch die Ribociclib-Gabe. Das Risiko einer invasiven Erkrankung wurde um 25,2 % reduziert (Hazard Ratio [HR]: 0,748; 95 %-KI: 0,618–0,906; p = 0,0014); absolut waren 3,3 % der Patientinnen nach 3 Jahren ohne invasive Erkrankung (90,4 vs. 87,1 %). Ein iDFS-Vorteil wurde über alle präspezifizierten Subgruppen gesehen, beispielsweise auch bei lymphknotennegativer Erkrankung. Der Vorteil durch die Ribociclib-Gabe zusätzliche zur endokrinen Therapie wurde auch hinsichtlich sekundärer Endpunkte wie dem fernmetastasenfreien Überleben bestätigt. Nach 3 Jahren lebten 90,8 % der Patientinnen im experimentellen Arm versus 88,6 % im Kontrollarm ohne Fernmetastasen. Das Risiko für eine Fernmetastasierung wurde um 26,1 % reduziert (HR: 0,739; 95 %-KI: 0,603–0,905; p = 0,0017). Für das Gesamtüberleben (OS) wurde eine Verlängerung beobachtet, die die statistische Signifikanz allerdings noch nicht erreicht hat (HR: 0,759; 95 %-KI: 0,539-1,068; p = 0,563). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 30,4 Monaten für das OS waren 2,4 versus 2,9 % der Patientinnen verstorben. Ribociclib wurde in der 400 mg-Dosierung gut vertragen.
PALMIRA-Studie untersucht Palbociclib-Erhaltungstherapie
Auch beim fortgeschrittenen Mammakarzinom verbessern CDK4/6i die Therapieergebnisse, sowohl in der ersten als auch der zweiten Therapielinie. Eine neue Strategie zum intensiveren Einsatz von CDK4/6i verfolgte die PALMIRAStudie: Sie untersuchte die Beibehaltung des CDK4/6i nach Tumorprogress bei Wechsel der endokrinen Substanz (3). Patientinnen mit HR-positivem, HER2-negativem fortgeschrittenen Brustkrebs erhielten nach Progress unter einer Erstlinientherapie mit Palbo-
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ciclib und Aromataseinhibitor (AI) oder Fulvestrant oder bei Progress während oder nach palbociclibbasierter adjuvanter Therapie 2:1-randomisiert Fulvestrant oder Letrozol plus Palbociclib versus alleinige endokrine Therapie. 198 Patientinnen wurden zwischen April 2019 und Oktober 2022 randomisiert. Die mediane Nachbeobachtungszeit der beim ASCO präsentierten Auswertung betrug 13,2 Monate. Die Signifikanzschwelle für das PFS wurde nicht erreicht (HR: 0,84; 95 %-KI: 0,66-1,07; p = 0,149). Das mediane PFS betrug 4,9 versus 3,6 Monate, die 6- und 12-Monats-PFS-Rate 42,1 versus 29,1 % sowie 12,4 versus 12,3 %. Insgesamt waren die Ansprechraten mit 4,4 versus 1,6 % sehr niedrig. Bei 36 versus 35,5 % der Patientinnen wurde eine Stabilisierung der Erkrankung als bestes Ansprechen festgestellt. Das OS war für beide Studienarme vergleichbar (HR: 1,06; 95 %-KI: 0,75–1,51; p = 0,738). Der Median wurde auf 28,3 versus 28,8 Monate geschätzt; nach 24 Monaten lebten 58,8 versus 60,3 % der Patientinnen. Geplante Biomarkeranalysen sollen nun Patientinnen identifizieren, die am wahrscheinlichsten von der CDK4/6iErhaltungsstrategie profitieren könnten.
Erstlinientherapie mit endokriner Monotherapie bleibt sinnvolle Option
Die Phase-III-Studie SONIA untersuchte nun, ob der optimale Einsatz von CDK4/6i beim HR+/HER2- Brustkrebs in der ersten oder zweiten Therapielinie liege (4). Patientinnen erhielten dafür randomisiert einen nicht steroidalen Aromatasehemmer plus einen CDK4/6i sowie in der Folge Fulvestrant oder einen nicht steroidalen Aromatasehemmer in der ersten Therapielinie, gefolgt von Fulvestrant plus CDK4/6i in der zweiten Therapielinie. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben über zwei Therapielinien (PFS2). Insgesamt wurden 1050 Patientinnen in die Studie eingeschlossen. Die eingesetzten CDK4/6i waren Palbociclib (91 %), Ribociclib (8 %) und Abemaciclib (1 %). Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 37,3 Monate. Im Median erhielten Patientinnen einen CDK4/6i in der Erstlinie über 24,6 Monate und in der
Auf einen Blick
■ Patientinnen mit frühem ER+ Brustkrebs und prämenopausalem Hormonstatus können von einer Ablation oder Ovarialsuppression profitieren, insbesondere wenn sie nicht mit Tamoxifen behandelt wurden.
■ Die zusätzliche Gabe von Ribociclib zu einem Aromataseinhibitor im adjuvanten Setting verlängert das invasiv krankheitsfreie Überleben von Patientinnen mit HR+/HER2- frühem Brustkrebs.
■ Der Einsatz von Palbociclib in der zweiten Therapielinie und Wechsel der endokrinen Therapie bei Krankheitsprogress nach Palbociclib plus endokriner Therapie in der Erstlinie zeigte keinen zusätzlichen Nutzen zur alleinigen endokrinen Zweitlinientherapie.
■ CDK4/6-Inhibitoren in der zweiten Therapielinie einzusetzen statt bereits in der Erstlinie könnte Patientinnen mit HR+/HER2- Mammakarzinom Toxizitäten und dem Gesundheitssystem Kosten ersparen, ohne die Wirksamkeit der beiden Therapielinien insgesamt wesentlich zu beeinträchtigen.
■ T-DXd ist für Patientinnen mit HER2-positivem metastasierten Brustkrebs über alle Altersgruppen eine gute Therapieoption.
Zweitlinie über 8,1 Monate. Insgesamt 329 Patientinnen befanden sich noch in der ersten und 98 in der zweiten Therapielinie sowie 251 Patientinnen in der Nachbeobachtung. 372 Patientinnen waren zum Zeitpunkt der Auswertung verstorben. Mit der CDK4/6-Inhibierung wurde das progressionsfreie Überleben (PFS) in der ersten Therapielinie von median 16,1 auf 24,7 Monate verlängert (HR: 0,59; 95 %-KI: 0,51–0,69; p < 0,0001). Das PFS2 war mit 31,0 Monaten bei Erstlinien-CDK4/6i versus 26,8 Monaten bei Zweitlinien-CDK4/6i statistisch nicht verschieden (HR: 0,87; 95 %-KI: 0,74-1,03; p = 0,10). Auch bezüglich des OS wurde kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen beobachtet. Im Median lebten die Patientinnen 45,9 Monate mit CDK4/6i in der ersten und 53,7 Monate mit CDK4/6i in der zweiten Therapielinie (HR: 0,98; 95 %-KI: 0,80–1,20; p = 0,83). Eine endokrine Monotherapie bleibe eine sehr gute Option in der Erstlinientherapie, folgerten die Autoren. Die Toxizität von wirksamen Therapien könne durch Studien wie SONIA signifikant reduziert und Kosten für das Gesundheitssystem eingespart werden. Behandlung älterer Patientinnen mit T-DXd Bei älteren Patientinnen mit HER2-positivem metastasierten Brustkrebs könnten Therapien nicht so wirksam und sicher sein wie bei jüngeren Patientinnen. Da Patientinnen ≥ 65 Jahre in klinischen Studien insgesamt eher unterrepräsentiert sind, wurde für die Behandlung mit T-DXd anhand der Daten der DESTINYBreast-Studien 01, 02 und 03 analysiert, ob das Alter einen Einfluss auf Wirksamkeit und Sicherheit hat (5). Die gepoolten Daten der T-DXd-Studienarme schlossen 673 Patientinnen < 65 Jahre, 178 ≥ 65 Jahre und 34 ≥ 75 Jahre ein. Bei den Patientencharakteristiken fiel auf, dass die mediane Zeit zwischen initialer Diagnose und Randomisierung in die klinische Studie mit 48,8 versus 65,2 versus 64,6 Monaten wesentlich länger bei Patientinnen ≥ 65 und ≥ 75 im Vergleich zu den jüngeren Patientinnen war. Es wurden häufiger jüngere Patientinnen mit Viszeralmetastasierung und Hirnmetastasen mit T-DXd behandelt. An Komorbiditäten traten bei älteren Patientinnen häufiger vaskuläre Störungen und Bluthochdruck sowie eine Niereninsuffizienz auf. Die Wirksamkeit erwies sich in der deskriptiven Analyse bei jüngeren und älteren Patientinnen vergleichbar, sowohl bezüglich des PFS als auch hinsichtlich Ansprechrate und OS. Die relative Dosisintensität war mit 98,2 bzw. 97,4 % für beide Patientengruppen ähnlich. Es traten vergleichbar häufig therapieassoziierte Nebenwirkungen aller Grade auf, aber bei älteren Patientinnen (≥ 65 Jahre) häufiger therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3. Eine therapieassoziierte interstitielle Lungen erkrankung (ILD) oder Pneumonitis wurde häufiger bei Patientinnen ≥ 65 Jahre beobachtet (17,5 %) als bei jüngeren Patientinnen (11,8 %). Diese waren meistens niedriggradig. Die Behandlung mit T-DXd wäre somit eine effektive Therapieoption für Patientinnen aller Altersgruppen, resümierten die Autoren. n Ine Schmale 10 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2023 Referenzen: 1. Gray RG et al.: Effects of ovarian ablation or suppres- sion on breast cancer recurrence and survival: Patient-level meta-analysis of 14,993 pre-menopausal women in 25 randomized trials. ASCO 2023, Abstr. #503. 2. Slamon DJ et al.: Ribociclib and endocrine therapy as adjuvant treatment in patients with HR+/HER2early breast cancer: Primary results from the phase III NATALEE trial. ASCO 2023, Abstr. #500. 3. LLombart-Cussac A et al.: Second-line endocrine therapy with or without palbociclib maintenance in patients with HR[+]/HER2[-] advanced breast cancer: PALMIRA trial. ASCO 2023, Abstr. #1001. 4. Sonke G et al.: Primary outcome analysis of the phase 3 SONIA trial (BOOG 2017-03) on selecting the optimal position of cyclin-dependent kinases 4 and 6 (CDK4/6) inhibitors for patients with hormone receptor-positive (HR+), HER2-negative (HER2-) advanced breast cancer (ABC). ASCO 2023, Abstr. #LBA1000. 5. Krop I et al.: An age-specific pooled analysis of trastuzumab deruxtecan (T-DXd) in patients with HER2positive metastatic breast cancer from DESTINYBreast01, -02, and -03. ASCO 2023, Abstr. #1006.