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KONGRESSBERICHT
Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO GI), 19.–21. Januar 2023, San Francisco
Magen- und Speiseröhrenkarzinome
Neue Langzeitdaten zu Immuntherapie-Kombinationen
Am Gastrointestinal Cancers Symposium der Amercian Society for Clinical Oncology (ASCO) wurden in diesem Jahr insbesondere für das Magen- und Ösophaguskarzinom viele interessante Studienergebnisse präsentiert. Sie bestätigen den Stellenwert der Kombination von Immun- und Chemotherapie in der Erstlinie, weisen aber auch anderen etablierten Therapien ihren Platz zu.
3-Jahresdaten bestätigen Nivolumab-ChemotherapieKombination
Mit den Ergebnissen der Studie CheckMate 649 wurde die Kombination von Nivolumab plus Chemotherapie als Erstlinientherapie für das fortgeschrittene oder metastasierte HER2-negative Adenokarzinom von Magen, gastroösophagealen Übergang oder Speiseröhre bei PD-L1 CPS ≥ 5 in der EU zugelassen1. Die beim ASCO GI 2023 präsentierte 3-Jahres-Analyse bestätigt die vorangegangenen Ergebnisse (1). In der dreiarmigen Studie CheckMate 649 erhielten insgesamt 2031 Patienten randomisiert Nivolumab plus XELOX/ FOLFOX, Nivolumab plus Ipilimumab oder die alleinige Chemotherapie. Als duale primäre Endpunkte wurden das Gesamtüberleben (OS) und das progressionsfreie Überleben (PFS) bei der Population mit PD-L1 CPS ≥ 5 untersucht. Beim Datenschnitt für die beim ASCO GI präsentierte Auswertung betrug die minimale Nachbeobachtungszeit 36,2 Monate. Gezeigt wurde der Vergleich von Nivolumab plus Chemotherapie versus Chemotherapie. Mit der längeren Nachbeobachtungszeit blieb das OS sowohl der PD-L1 CPS ≥ 5-Population (HR: 0,70; 95 %-KI: 0,610,81) als auch der ITT-Population (Hazard Ratio [HR]: 0,79; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,71–0,88) mit dem Nivolumab- haltigen Regime signifikant überlegen. Das mediane OS betrug 14,4 versus 11,1 beziehungsweise 13,7 versus 11,6 Monate. Nach 36 Monaten lebten 21 versus 10 % beziehungsweise 17 versus 10 % der Patienten. Eine Überlegenheit von Nivolumab plus Chemotherapie gegenüber alleiniger Chemotherapie wurde für alle untersuchten Subgruppen gesehen.
Je höher der PD-L1 CPS-Schnitt gewählt wurde, desto grösser war der Unterschied zwischen den beiden Studien armen. Auch bezüglich des PFS blieb der Vorteil für sowohl PD-L1 CPS ≥5 (HR: 0,70; 95 %-KI: 0,60-0,81) als auch die ITTPopulation (HR: 0,79; 95 %-KI: 0,71–0,89) erhalten. Im Median lebten die Patienten 8,3 versus 6,1 Monate beziehungsweise 7,7 versus 6,9 Monate ohne Progress. Die 36-Monats-PFS-Rate betrug 13 versus 8 % beziehungsweise 11 versus 7 %. Höhere Ansprechraten im Nivolumab-haltigen Studienarm wurden für alle PD-L1-CPS-Subgruppen beobachtet. Die mediane Dauer des Ansprechens (DOR) betrug 9,6 versus 7,0 Monate für Patienten mit PD-L1 CPS ≥ 5 und 8,5 versus 6,9 Monate innerhalb der ITT-Population. Nach 36 Monaten waren noch 19 versus 12 % beziehungsweise 16 versus 9 % der Patienten in Remission. Mit der zusätzlichen Nivolumab-Gabe wurde bei Patienten mit Mikrosatelliteninstabilen Tumoren (MSI high) das Risiko zu Versterben gegenüber dem Chemotherapiearm um 66 % reduziert (HR: 0,34; 95 %-KI: 0,16–0,74). Das mediane OS betrug in dieser kleinen Subgruppe (n = 23 beziehungsweise21) 38,7 versus 12,3 Monate. Mit der längeren Nachbeobachtungszeit wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Die meisten Nebenwirkungen sowohl unter Nivolumab plus Chemotherapie als auch alleiniger Chemotherapie traten innerhalb der ersten 6 Monate auf.
Immuntherapie mit doppelter Checkpoint-Blockade Bei Patienten mit resezierbarem Karzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs ist der MSI-Sta-
tus ein prädiktiver Marker für das Ansprechen auf eine Immuntherapie. In der INFINITY-Studie wurden mit einer Dosis des CTLA4-Inhibitors Tremelimumab plus dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab hohe Ansprechraten mit tiefen Remissionen induziert (2). In der einarmigen Phase-II-Studie wurden in Kohorte 1 Patienten mit MSI high oder defizienter Mismatch-Reparatur (dMMR) neoadjuvant mit einer Dosis Tremelimumab (300 mg) und 3 Zyklen Durvalumab (1500 mg, q4w) behandelt. Der primäre Endpunkt war die pathologische Rate an Komplettremissionen (pCR) mit negativer zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA). Insgesamt wurden 18 Patienten in Kohorte 1 eingeschlossen, von denen 15 bezüglich des primären Endpunkts ausgewertet werden konnten. Die Patienten waren median 71,5 Jahre alt und wiesen in 78 % der Fälle ein Magenkarzinom beziehungsweise in 22 % ein Karzinom des gastroösophagealen Übergangs auf. 9 von 15 Patienten (60 %) zeigten ein pCR und 12 von 15 Patienten (80 %) ein gutes bis komplettes pathologisches Ansprechen mit < 10 % lebenden Zellen. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 13,4 Monaten waren nur 2 der Tumoren progredient. 1 Patient war aufgrund des Tumorprogresses (n = 1) und 3 aufgrund von späten Operationskomplikationen (n = 2) beziehungsweise einem sekundären primären Hirntumor (n = 1) verstorben. In einer explorativen Analyse wurde eine pCR-Rate von 17 % bei Patienten mit einem T4-Tumor gegenüber 89 % bei T2-3-Tumoren festgestellt. Die Autoren schlossen aus den Ergebnissen, dass die präoperative Gabe von Tremelimumab plus Durvalumab sicher ist und vielversprechende Tumoraktivität zeigt. Grössere Studien sind allerdings notwendig, um optimale Kombinationen, Therapiedauer und das Therapieziel (neoadjuvant oder Organ- 1. Für die Zulassung in der Schweiz siehe swissmedicinfo.ch SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2023 35 KONGRESSBERICHT Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO GI), 19.–21. Januar 2023, San Francisco erhaltung) zu definieren. Da ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem cT4-Stadium bei Therapiebeginn mit einem schlechten Therapieerfolg beobachtet wurde, wurde dieses Stadium für die Rekrutierung von Kohorte 2 zu den Ausschlusskriterien hinzugefügt. Längeres Gesamtüberleben unter Nivolumab mit langfristigen Ergebnissen bestätigt Ergebnisse der randomisierten, offenen Phase-III-Studie CheckMate 648 zeigten einen Wirksamkeitsvorteil der Erstlinientherapie mit Nivolumab plus Chemotherapie beziehungsweise Ipilimumab gegenüber der Standardchemotherapie beim nicht resezierbaren fortgeschrittenen, rezidivierten oder metastasierten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (ESCC) mit PD-L1-Expression ≥ 1 %. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28,8 Monaten wurden die OS- und PFS-Ergebnisse beim diesjährigen ASCO GI bestätigt (3). Die dreiarmige Studie schloss 970 ESCC-Patienten ein, die randomisiert mit Nivolumab (240 mg, q2w) plus Chemotherapie (Fluorouracil plus Cisplatin, q4w) oder mit Nivolumab (3 mg/kg, q2w) plus Ipilimumab (1 mg/kg, q6w) oder im Kontrollarm mit der alleinigen Chemotherapie behandelt wurden. Die mediane Zeit unter Studienmedikation betrug 5,7 Monate im Nivolumab/Chemotherapie-Arm, 2,8 Monate im Nivolumab/Ipilimumab-Arm und 3,4 Monate im Chemotherapiearm. Zum Zeitpunkt der aktualisierten Auswertung hatten alle Patienten die Studienmedikation beendet und 59 % hatten eine nachfolgende Therapie begonnen. Patienten unter Nivolumab plus Chemotherapie zeigten ein um 22 % reduziertes Risiko zu versterben gegenüber Patienten im Kontrollarm (HR: 0,78; 95 %-KI: 0,65–0,93), mit einem medianen OS von 12,8 versus 10,7 Monaten. Innerhalb der PD-L1-positiven Population war das Risiko um 41 % verringert (HR: 0,59; 95 %-KI: 0,46–0,76) und das mediane OS betrug 15,0 versus 9,1 Monate. Der Vergleich der doppelten Immunblockade versus Chemotherapie zeigte bezüglich des OS eine Reduktion des Sterberisikos um 23 % für die gesamte (HR: 0,77; 95 %-KI: 0,65–0,92) Auf einen Blick ■ Die 3-Jahres-Analyse bestätigt die bekannten Ergebnissen der CheckMate 649-Studie: Die Kombination von Nivolumab plus Chemotherapie als Erstlinientherapie für das fortgeschrittene oder metastasierte HER2-negative Adenokarzinom von Magen, gastroösophagealem Übergang oder Speiseröhre bei PD-L1 CPS ≥ 5 ist der alleinigen Chemotherapie überlegen. ■ In der INFINITY-Studie wurden mit einer Dosis des CTLA4-Inhibitors Tremelimumab plus dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab tiefe Remissionen bei Patienten mit Mikrosatelliten-instabilem, resektablem Karzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs induziert. ■ Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28,8 Monaten wurden die Ergebnisse der Phase-IIIStudie CheckMate 648 bestätigt: Die Erstlinientherapie mit Nivolumab plus Chemotherapie und Nivolumab plus Ipilimumab ist gegenüber der Standard-Chemotherapie beim nicht resektablen fortgeschrittenen, rezidivierten oder metastasierten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus mit PD-L1-Expression ≥ 1 % überlegen. ■ Regorafenib bleibt ein Standard für Patienten mit refraktärem fortgeschrittenem Karzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs ab der dritten Therapielinie. und 38 % für die PD-L1-positive Population (HR: 0,62; 95 %-KI: 0,48–0,80). Im Median betrug das OS im Nivolumab/ Ipilimumab-Arm 12,7 (ITT-Population) beziehungsweise 13,1 Monate (PD-L1 ≥ 1 %). Bezüglich des PFS wurde keine Überlegenheit von Nivolumab/Ipilimumab versus der alleinigen Chemotherapie identifiziert. Es sprachen in beiden Studienarmen 27 % der ITT-Population und 35 versus 20 % der PD-L1-positiven Patienten an. Die DOR war mit einer 24-Monats-DOR-Rate von 29 versus 13 % beziehungsweise 36 versus 13 % unter der doppelten Immunblockade gegenüber dem Kontrollarm für beide Populationen verlängert. Es wurden mit der längeren Nachbeobachtungszeit keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Ergebnisse für den IIa-Teil der Studie präsentiert (4). Als primärer Endpunkt wurde das OS untersucht und eine 32 %ige Reduktion des Risikos zu versterben gesehen (HR: 0,68). Nach 238 Ereignissen bei insge- samt 245 in die Studie eingeschlosse- nen Patienten betrug die 12-Monats- OS-Rate 19 % im Regorafenib-Arm versus 6 % im Plazebo-Arm. Das PFS war im Regorafenib-Arm mit einer Hazard Ratio von 0,53 signifikant gegenüber dem Plazebo-Arm verbessert (95 %-KI: 0,40–0,70; p < 0,0001). Zudem konnte mit Regorafenib eine Verschlechterung der Lebensqualität im Vergleich zu Pla- zebo signifikant länger verzögert wer- den (p = 0,0043). Es wurden keine neuen Sicherheitssignale für Regorafe- nib beobachtet. n Regorafenib verbessert Überleben in dritter Therapielinie Der Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor Regorafenib verlängerte in der Phase-II-Studie INTEGRATE das PFS gegenüber Plazebo. In der plazebokontrollierten, 2:1-randomisierten Phase-III-Studie INTEGRATE II wurde daraufhin geprüft, ob Regorafenib das OS von Patienten mit refraktärem fortgeschrittenen Karzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs nach Versagen von mindestens zwei Therapielinien verbessern kann. Im Dezember 2019 wurde die Studie erweitert in den Studienarm INTEGRATE IIa (Regorafenib vs. Plazebo) und INTEGRATE IIb (Regorafenib plus Nivolumab versus Chemotherapie). Beim ASCO GI 2023 wurden Ine Schmale Referenzen: 1. Janjigian YY et al.: Nivolumab plus chemotherapy vs chemo as first-line treatment for advanced gastric cancer/gastroesophageal junction cancer/esophageal adenocarcinoma: 3-year follow-up from CheckMate 649. ASCO GI 2023, Abstr. #291. 2. Pietrantonio F et al.: INFINITY: A multicentre, singlearm, multi-cohort, phase II trial of tremelimumab and durvalumab as neoadjuvant treatment of patients with microsatellite instability-high (MSI) resectable gastric or gastroesophageal junction adenocarcinoma (GAC/GEJAC). ASCO GI 2023, Abstr. #358. 3. Kato K et al.: Nivolumab plus chemotherapy or ipilimumab vs chemo as first-line treatment for advanced esophageal squamous cell carcinoma: 29-month follow-up from CheckMate 648. ASCO GI 2023, Abstr. #290. 4. Pavlakis N et al.: INTEGRATE IIa: A randomised, double-blind, phase III study of regorafenib versus placebo in refractory advanced gastro-oesophageal cancer. ASCO GI 2023, Abstr. #LBA294. 36 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2023